TE Bvwg Erkenntnis 2019/7/12 W251 2180678-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.07.2019
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Entscheidungsdatum

12.07.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W251 2180678-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Angelika SENFT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Kocher und Bucher Rechtsanwälte OG, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.11.2017, Zl. 1081986806 - 151062023, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin ist eine weibliche Staatsangehörige von Afghanistan.

Der Ehemann der Beschwerdeführerin reiste am im November 2001 illegal nach Österreich ein und stellte dort einen Antrag auf internationalen Schutz. Der Ehemann der Beschwerdeführerin entzog sich dem Verfahren und reiste nach Großbritannien weiter, von dort wurde er jedoch wieder nach Österreich abgeschoben. Mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenats vom 22.12.2004 wurde die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Ehemanns der Beschwerdeführerin für nicht zulässig erklärt.

Der Ehemann der Beschwerdeführerin hat eine Aufenthaltsberechtigung Rot-Weiß-Rot Plus.

2010 reiste der Ehemann der Beschwerdeführerin nach Kabul, um dort die Beschwerdeführerin zu heiraten. 20 Tage später reiste der Ehemann der Beschwerdeführerin wieder nach Österreich. Ein Jahr später verbrachte der Ehemann der Beschwerdeführerin ca. einen Monat in Kabul bei der Beschwerdeführerin, danach gab es keine weiteren Besuche.

2. Die Beschwerdeführerin stellte am 11.08.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

3. Am 11.08.2015 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung der Beschwerdeführerin statt. Dabei gab die Beschwerdeführerin zu ihren Fluchtgründen befragt an, dass sie vor 4 1/2 Jahren in Afghanistan ihren in Österreich lebenden Ehemann geheiratet habe. Seit der Hochzeit sei sie von ihrer Familie schikaniert worden. Die Familie habe gesagt, dass sie zu ihrem Mann gehen solle, man habe sie nicht mehr gewollt. Sie wolle mit ihrem Mann zusammenleben.

4. Am 27.07.217 fand eine Einvernahme der Beschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) statt. Zu ihren Fluchtgründen gab sie im Wesentlichen an, dass ihre Nachbarin in Kabul die Schwester des Ehemannes gewesen sei, diese habe den Ehemann gefragt, ob er die Beschwerdeführerin heiraten möge. Auch die Elternteile waren mit der Hochzeit einverstanden. Drei Monate später sei ihr Ehemann nach Kabul gereist und es habe die Hochzeit stattgefunden. Die Familie ihres Bruders habe sie misshandelt und psychischen Druck ausgeübt. Sie sei von den Frauen der Brüder beschuldigt worden für den Tod der Kinder dieser Frauen verantwortlich zu sein. Die Frauen ihrer Brüder haben einen älteren Mann gefunden, den die Beschwerdeführerin habe heiraten sollen. Ihr Vater habe ihr gesagt, dass es besser wäre, wenn sie zu ihrem Ehemann gehen würde.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Bundesamt den Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz zur Gänze ab (Spruchpunkt I. und II.) und erteilte der Beschwerdeführerin keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen. Gegen die Beschwerdeführerin wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkte III., IV, V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin ihre Fluchtgründe, eine Verfolgung durch ihre Brüder, nicht habe glaubhaft machen können. Es drohe der Beschwerdeführerin auch keine Gefahr, die die Erteilung eines subsidiären Schutzes rechtfertigen würde, da die Beschwerdeführerin familiäre Anknüpfungspunkte in Kabul habe, dort könne sie sich aufgrund des vorhandenen wirtschaftlichen und sozialen Netzwerks wieder niederlassen. Die Beschwerdeführerin lebe in Österreich zwar bei ihrem Mann und werde von diesem versorgt, darüber hinaus habe die Beschwerdeführerin jedoch keine sozialen Kontakte und sie sei auch nicht selbsterhaltungsfähig. Es bestehe keine Integrationsverfestigung.

5. Die Beschwerdeführerin erhob gegen den Bescheid fristgerecht Beschwerde und brachte im Wesentlichen vor, dass sie seit der Hochzeit mit ihrem Ehemann von ihrer Familie schikaniert worden sei. Ihre Schwägerinnen haben ihr mit dem Tod gedroht bzw. sie an einen älteren Mann verheiraten wollen. Sie sei als alleinstehende Frau, der es aus kulturellen Gründen versagt sei, ein selbstbestimmtes Leben zu führen, asylrelevant verfolgt. Sie gehöre auch der Minderheit der schiitischen Hazara an und habe sich auch an einen westlichen Lebensstil gewöhnt. Frauen seien in Afghanistan benachteiligt und auch Diskriminierungen ausgesetzt. Frauen seien besonders gefährdet, sie haben weniger Zugang zu Bildung und Berufsausübung und laufen Gefahr unter Zwang verheiratet werden. Zudem habe die Beschwerdeführerin in Österreich ein schützenswertes Privat- und Familienleben.

6. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 10.04.2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch.

7. Mit Stellungnahme vom 23.04.2019 führte die Beschwerdeführerin aus, dass sie wegen der Misshandlungen durch ihre eigene Familie in Afghanistan nach Österreich habe flüchten müssen. Es könne der Beschwerdeführerin ohne ihren Ehemann ein Familienleben in Afghanistan nicht zugemutet werden. Eine Ausweisung nach Afghanistan würde in das Rechts der Beschwerdeführerin auf ein schützenswertes Familienleben eingreifen. Den in der Verhandlung beigezogenen Länderberichten ist die Beschwerdeführerin jedoch nicht substantiiert entgegen getreten.

II. Entscheidungsgründe:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person der Beschwerdeführerin:

Die Beschwerdeführerin führt in Österreich den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX . Sie ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Hazara an, bekennt sich zum schiitischen Glauben und spricht Dari als Muttersprache (AS 9; AS 39;

Verhandlungsprotokoll vom 10.04.2019, OZ 12, S. 6f).

Die Beschwerdeführerin wurde in der Stadt Kabul geboren, wo sie auch überwiegend aufgewachsen ist, lediglich zwei Jahre lebte die Beschwerdeführerin als Kind in der Provinz Parwan (OZ 12, S. 7). Die Beschwerdeführerin ist gemeinsam mit ihren Eltern, ihrer Schwester und ihren beiden Brüdern aufgewachsen (OZ 12, S. 9; AS 13). Die Beschwerdeführerin hat zwei Jahre lang eine Schule in Kabul besucht. Die Beschwerdeführerin hat in der Stadt Kabul ca. sieben Jahre lang als Schneiderin gearbeitet, sie hat sich selber Schneideraufträge von einem Geschäft geholt und am Tag bis zu 60 Afghani verdient (OZ 12, S. 8, S. 18).

Die Beschwerdeführerin hat Ende 2010 ihren Ehemann in der Stadt Kabul gehreiratet (OZ 12, S. 7). Der Ehemann ist seit 2001 (mit Unterbrechungen) in Österreich aufhältig, er hat eine Aufenthaltsberechtigung Rot-Weiß-Rot-Plus, die bis zum 02.06.2021 befristet ist. Die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann haben keine Kinder (OZ 12, S. 8).

Der Ehemann der Beschwerdeführerin verbachte zur Hochzeit insgesamt 20 Tage in der Stadt Kabul, bevor er wieder nach Österreich zurückgekehrt ist. Im nachfolgenden Jahr besuchte der Ehemann die Beschwerdeführerin erneut in Kabul, er blieb dort einen Monat, danach fanden keine Besuche mehr statt (OZ 12, S. 8; AS 39). Die Beschwerdeführerin und ihr Mann hatten bereits bei der Eheschließung in Afghanistan geplant, dass die Beschwerdeführerin nach Österreich nachkommen solle (AS 43; OZ 12, S. 19).

Der Ehemann hat der Beschwerdeführerin im Jahr 2011 einmal einen Betrag von EUR 500 und einmal einen Betrag von EUR 400 nach Kabul geschickt, danach gab es keine weiteren finanziellen Zuwendungen in Afghanistan (OZ 12, S. 8).

Nach der Hochzeit zog die Beschwerdeführerin in ein vom Ehemann angemietetes Haus, dass sich im selben Stadtteil befand, wie das Haus der Eltern der Beschwerdeführerin. Die Beschwerdeführerin ist in der Stadt Kabul selber einkaufen gegangen und hat auch alleine das Haus verlassen können. Nach ca. eineinhalb Jahren ist die Beschwerdeführerin wieder zu ihren Eltern zurückgezogen. Sie lebte dann gemeinsam mit ihren Eltern, beiden Brüdern, den Ehefrauen der Brüder und deren Kindern sowie mit ihrer Schwester gemeinsam im selben Haus (OZ 12, S. 9). Nachdem die Beschwerdeführerin wieder bei ihren Eltern lebte, hatte sie keinen Kontakt mehr zu ihrem Ehemann, nur der Vater der Beschwerdeführerin telefonierte alle zwei Monate mit dem Ehemann (AS 41).

Die Beschwerdeführerin wurde nach den afghanischen Gepflogenheiten und der afghanischen Kultur sozialisiert, sie ist mit den afghanischen Gepflogenheiten vertraut.

Der Vater, beide Brüder, deren Ehefrauen und Kinder sowie die Schwester der Beschwerdeführerin leben noch in der Stadt Kabul in einem Eigentumshaus. Es lebt auch die Schwester des Ehemanns mit ihrer Familie in Afghanistan (AS 13; OZ 12, S. 10, S. 12). Die Familie der Beschwerdeführerin besitzt und betreibt einen Drogeriemarkt (OZ 12, S. 11).

Die Beschwerdeführerin hat noch Kontakt zu ihrer Familie in der Stadt Kabul, die Beschwerdeführerin hat zu dieser ein gutes Verhältnis.

Im Mai 2005 ist die Beschwerdeführerin aus Afghanistan ausgereist um zu ihrem Ehemann in Österreich zu reisen. Die Beschwerdeführerin ist unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich eingereist und hält sich seit zumindest August 2015 durchgehend in Österreich auf. Sie ist in Österreich aufgrund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG durchgehend rechtmäßig aufhältig (AS 9-11; OZ 12, S. 10).

Die Beschwerdeführerin ist arbeitsfähig und kann einer regelmäßigen Arbeit nachgehen.

Die Beschwerdeführerin leidet an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheiten. Sie ist in medizinischer Behandlung wegen eines unerfüllten Kinderwunsches, nach einer Fehlgeburt in Österreich hat sie depressive Verstimmungen. Gelegentlich leidet die Beschwerdeführerin, wenn sie Hunger bekommt, an Magenschmerzen, gegen die Magenschmerzen nimmt die Beschwerdeführerin dann Medikamente (OZ 12, S. 17; Beilage ./C).

Die Beschwerdeführerin ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten (Beilage ./I).

1.2. Zum (Privat-)Leben der Beschwerdeführerin in Österreich:

Die Beschwerdeführerin hat einen Alphabetisierungskurs sowie einen Deutschkurs auf dem Niveau A1.1 besucht. Faktisch verfügt sie jedoch kaum über Deutschkenntnisse. Die Beschwerdeführerin hat noch keine Deutschprüfung abgelegt (OZ 12, S. 13-14). Die Beschwerdeführerin ist im Alltag, bei Behördenwegen und Arztbesuchen auf Unterstützung durch andere Personen angewiesen, da diese die Deutsche Sprache nicht beherrscht (OZ 12, S. 18).

Die Beschwerdeführerin lebt von der Grundversorgung. Sie ist nicht selbsterhaltungsfähig. Ferner verfügt sie über keine Einstellungszusage. Die Beschwerdeführerin hat keine gemeinnützigen Aufgaben übernommen, sie geht keiner geringfügigen oder ehrenamtlichen Tätigkeit nach. Sie hat sich in Österreich auch noch nicht über Ausbildungs- und Bezugsmöglichkeiten informiert. Sie verfügt über keine konkreten Berufsvorstellungen. Sie besucht weder Erste-Hilfe-Kurse noch Integrationskurse, sie ist auch kein Mitglied eines Vereins (OZ 12, S. 14).

Der Ehemann der Beschwerdeführerin lebt in Österreich, darüber hinaus verfügt die Beschwerdeführerin jedoch weder über Verwandte noch über sonstige enge soziale Bindungen in Österreich. Sie ist wenig kontakt- und kommunikationsfreudig (OZ 12, S. 15f).

Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin Freundschaften in Österreich hat knüpfen können.

1.3. Zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführerin:

Das von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführte Verfolgungsvorbringen kann nicht festgestellt werden.

1.3.1 Die Beschwerdeführerin wurde von ihrer Familie weder misshandelt, noch geschlagen noch bedroht. Sie wurde nie für den Tod ihrer Neffen bzw. Nichten verantwortlich gemacht. Die Angehörigen der Beschwerdeführerin wollten diese weder umbringen noch an einen anderen (älteren) Mann verheiraten.

Es gab gegen die Beschwerdeführerin in Kabul keine Übergriffe, Bedrohungen oder Angriffe durch Passanten, Nachbarn oder durch andere Personen.

Die Beschwerdeführerin hat Afghanistan weder aus Furcht vor Eingriffen in die körperliche Integrität noch wegen Lebensgefahr verlassen. Die Beschwerdeführerin hat Afghanistan verlassen, um mit ihrem in Österreich lebenden Ehemann in Österreich zusammen zu leben.

Die Beschwerdeführerin hat kein Visum oder eine Familienzusammenführung nach den Bestimmungen des NAG bei einer österreichischen Botschaft beantragt, um mit ihrem Mann in Österreich zusammenleben zu können, sie ist illegal nach Österreich eingereist.

Bei einer Rückkehr nach Afghanistan in die Stadt Kabul droht der Beschwerdeführerin individuell und konkret weder Lebensgefahr noch ein Eingriff in hire körperliche Integrität durch ihre eigenen Familienmitglieder oder durch andere Personen. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan droht der Beschwerdeführerin auch keine Zwangsverheiratung.

1.3.2. Darüber hinaus kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführerin wegen ihrer Zugehörigkeit zur Religionsgemeinschaft der Schiiten oder zur Volksgruppe der Hazara konkret und individuell physische oder psychische Gewalt in Afghanistan droht. Ebenso wenig konnte festgestellt werden, dass Angehörige der Religionsgemeinschaft der Schiiten oder der Volksgruppe der Hazara in Afghanistan allein aufgrund der Religions- oder Volksgruppenzugehörigkeit physischer oder psychischer Gewalt ausgesetzt sind.

Die Beschwerdeführerin war in Afghanistan wegen ihrer Religionszugehörigkeit und Volksgruppenzugehörigkeit zu den schiitischen Hazara konkret und individuell weder physischer noch psychischer Gewalt ausgesetzt.

1.3.3. Darüber hinaus kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin aufgrund ihres in Österreich ausgeübten Lebensstils oder ihrem Aufenthalt in einem europäischen Land in Afghanistan psychischer oder physischer Gewalt ausgesetzt wäre.

Die Beschwerdeführerin hat seit ihrer Einreise in Österreich keine Lebensweise angenommen, die einen deutlichen und nachhaltigen Bruch mit den allgemein verbreiteten gesellschaftlichen Werten in Afghanistan darstellt, sie hat keine "westliche Lebensführung" angenommen. Während die Beschwerdeführerin in Afghanistan noch selber berufstätig war, beschäftigt sich die Beschwerdeführerin in Österreich überhaupt nicht mit Berufswünschen oder der Ausübung von gemeinnützigen Tätigkeiten. Bei der Beschwerdeführerin handelt es sich nicht um eine auf Eigen- und Selbstständigkeit bedachte Frau, die in ihrer persönlichen Wertehaltung und in ihrer Lebensweise an dem in Europa mehrheitlich gelebten, allgemein als "westlich" bezeichneten Frauen- und Gesellschaftsbild orientiert ist. Sie ist bereits bei einfachen Angelegenheiten des täglichen Lebens (Behördenwege, Arztbesuche, etc.) auf die Unterstützung anderer Personen in Österreich angewiesen.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin in Österreich im Alltag das Kopftuch abgelegt hat. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin in Österreich einen Sport ausübt bzw. Laufen oder Fahrradfahren geht.

1.4. Zu einer möglichen Rückkehr der Beschwerdeführerin in den Herkunftsstaat:

Die Wohnraum- und Versorgungslage ist in Kabul sehr angespannt. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedelung in der Stadt Kabul kann die Beschwerdeführerin jedoch grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen und wieder bei ihrer Familie wohnen und als Schneiderin arbeiten, sowie von ihrem in Österreich lebenden Ehemann finanziell unterstützt werden. Sie würde daher bei einer Rückkehr in die Stadt Kabul nicht in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation geraten. Die Beschwerdeführerin kann auch Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen.

Es ist der Beschwerdeführerin daher möglich nach anfänglichen Schwierigkeiten nach einer Ansiedlung in der Stadt Kabul wieder bei ihrer Familie zu wohnen, dort Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.

1.5. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Sicherheitslage

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (Länderinformationsblatt für Afghanistan vom 29.06.2018 mit Kurzinformation vom 26.03.2019 - LIB 26.03.2019, S. 59).

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (LIB 26.03.2019, S. 59).

Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren. Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt) bedrohen. Dies ist den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zuzuschreiben (LIB 26.03.2019, S. 62).

Im Jänner 2018 waren 56.3% der Distrikte unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung, während Aufständische 14.5% der Distrikte kontrollierten bzw. unter ihrem Einfluss hatten. Die übriggebliebenen 29.2% der Distrikte waren umkämpft. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten, die von Aufständischen kontrolliert werden, waren mit Stand Jänner 2018 Uruzgan, Kunduz und Helmand. Alle Provinzhauptstädte befanden sich unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung (LIB 26.03.2019, S. 70).

Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht. In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt. Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheits-operationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden; auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (LIB 26.03.2019, S. 63).

Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (LIB 26.03.2019, S. 63). Die Auflistung der high-profile Angriffe zeigt, dass die Anschläge in großen Städten, auch Kabul, hauptsächlich im Nahebereich von Einrichtungen mit Symbolcharakter (Moscheen, Tempel bzw. andere Anbetungsorte), auf Botschaften oder auf staatliche Einrichtungen stattfinden. Diese richten sich mehrheitlich gezielt gegen die Regierung, ausländische Regierungen und internationale Organisationen (LIB 26.03.2019, S. 64 ff).

Kabul

Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul-Stadt. Die Stadt hat 22 Stadtgemeinden und 14 administrative Einheiten. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf

4.679.648 geschätzt (LIB 26.03.2019, S. 84).

In der Hauptstadt Kabul leben unterschiedliche Ethnien: Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Sikhs und Hindus. Ein Großteil der Bevölkerung gehört dem sunnitischen Glauben an, dennoch lebt eine Anzahl von Schiiten, Sikhs und Hindus nebeneinander in Kabul Stadt. Menschen aus unsicheren Provinzen, auf der Suche nach Sicherheit und Jobs, kommen nach Kabul - beispielsweise in die Region Shuhada-e Saliheen. In der Hauptstadt Kabul existieren etwa 60 anerkannte informelle Siedlungen, in denen 65.000 registrierte Rückkehrer/innen und IDPs wohnen (LIB 26.03.2019, S. 84f).

Kabul ist durch einen internationalen Flughafen sicher erreichbar (LIB 26.03.2019, S. 85, 260f).

Einst als relativ sicher erachtet, ist die Hauptstadt Kabul von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen der Taliban betroffen, die darauf abzielen, die Autorität der afghanischen Regierung zu untergraben. Regierungsfeindliche, bewaffnete Gruppierungen inklusive des IS versuchen in Schlüsselprovinzen und -distrikten, wie auch in der Hauptstadt Kabul, Angriffe auszuführen. Im Jahr 2017 und in den ersten Monaten des Jahres 2018 kam es zu mehreren "high-profile"-Angriffen in der Stadt Kabul; dadurch zeigte sich die Angreifbarkeit/Vulnerabilität der afghanischen und ausländischen Sicherheitskräfte (LIB 26.03.2019, S. 85).

Im Jahr 2017 war die höchste Anzahl ziviler Opfer Afghanistans in der Provinz Kabul zu verzeichnen, die hauptsächlich auf willkürliche Angriffe in der Stadt Kabul zurückzuführen waren; 16% aller zivilen Opfer in Afghanistan sind in Kabul zu verzeichnen.

Selbstmordangriffe und komplexe Attacken, aber auch andere Vorfallsarten, in denen auch IEDs verwendet wurden, erhöhten die Anzahl ziviler Opfer in Kabul. Dieser öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriff im Mai 2017 war alleine für ein Drittel ziviler Opfer in der Stadt Kabul im Jahr 2017 verantwortlich (LIB 26.03.2019, S. 86).

Regelmäßig werden in der Hauptstadt Sicherheitsoperationen durch die Regierung in unterschiedlichen Gebieten ausgeführt. Im Rahmen des neuen Sicherheitsplanes sollen außerdem Hausdurchsuchungen ausgeführt werden. Um die Sicherheitslage in Kabul-Stadt zu verbessern, wurden im Rahmen eines neuen Sicherheitsplanes mit dem Namen "Zarghun Belt" (der grüne Gürtel), der Mitte August 2017 bekannt gegeben wurde, mindestens 90 Kontrollpunkte in den zentralen Teilen der Stadt Kabul errichtet. Die afghanische Regierung deklarierte einen Schlüsselbereich der afghanischen Hauptstadt zur "Green Zone" - dies ist die Region, in der wichtige Regierungs-institutionen, ausländische Vertretungen und einige Betriebe verortet sind. Kabul hatte zwar niemals eine formelle "Green Zone"; dennoch hat sich das Zentrum der afghanischen Hauptstadt, gekennzeichnet von bewaffneten Kontrollpunkten und Sicherheitswänden, immer mehr in eine militärische Zone verwandelt. Die neue Strategie beinhaltet auch die Schließung der Seitenstraßen, welche die Hauptstadt Kabul mit den angrenzenden Vorstädten verbinden; des Weiteren, werden die Sicherheitskräfte ihre Präsenz, Personenkontrollen und geheimdienstlichen Aktivitäten erhöhen. Damit soll innerhalb der Sicherheitszone der Personenverkehr kontrolliert werden. Die engmaschigen Sicherheitsmaßnahmen beinhalten auch eine erhöhte Anzahl an Sicherheitskräften und eine Verbesserung der Infrastruktur rund um Schlüsselbereiche der Stadt. Auch übernimmt die ANA einige der porösen Kontrollpunkte innerhalb der Stadt und bildet spezialisierte Soldaten aus, um Wache zu stehen. Des Weiteren soll ein kreisförmiger innerer Sicherheitsmantel entstehen, der an einen äußeren Sicherheitsring nahtlos anschließt - alles dazwischen muss geräumt werden (LIB 26.03.2019, S. 86f).

Sowohl die Taliban als auch der IS verüben öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriffe in der Stadt Kabul, auch das Haqqani-Netzwerk soll Angriffe in der Stadt Kabul verübt haben. So existieren in der Hauptstadt Kabul scheinbar eine Infrastruktur, Logistik und möglicherweise auch Personal ("terrorists to hire"), die vom Haqqani-Netzwerk oder anderen Taliban-Gruppierungen, Splittergruppen, die unter der Flagge des IS stehen, und gewaltbereiten pakistanischen sektiererischen (anti-schiitischen) Gruppierungen verwendet werden (LIB 26.03.2019, S. 87).

Zum Beispiel wurden zwischen 27.12.2017 und 29.1.2018 acht Angriffe in drei Städten ausgeführt, zu denen neben Jalalabad und Kandahar auch Kabul zählte - fünf dieser Angriffe fanden dort statt. Nichtsdestotrotz deuten die verstärkten Angriffe - noch - auf keine größere Veränderung hinsichtlich des "Modus Operandi" der Taliban an (LIB 26.03.2019, S. 87).

Frauen in urbanen Zentren:

Die konkrete Situation von Frauen in Afghanistan ist erheblich von Faktoren wie Herkunft, Familie, Bildungsstand, finanzieller Situation und Religiosität abhängig. Obwohl sich die Lage afghanischer Frauen in den letzten Jahren erheblich verbessert hat, kämpfen viele weiterhin mit Diskriminierung auf einer Vielzahl von Ebenen, wie rechtlich, beruflich, politisch und sozial. Gewalt gegen Frauen bleibt weiterhin ein ernsthaftes Problem. Frauen im Berufsleben und in der Öffentlichkeit müssen oft gegen Belästigung und Schikane kämpfen und sehen sich oft Drohungen ausgesetzt (Beilage ./IV, S. 10).

Frauenkleidung umfasst in Afghanistan ein breit gefächertes Spektrum, von moderner westlicher Kleidung, über farbenreiche volkstümliche Trachten, bis hin zur Burka und Vollverschleierung - diese unterscheiden sich je nach Bevölkerungsgruppe. Während Frauen in urbanen Zentren wie Kabul, Mazar-e Sharif und Herat häufig den sogenannten "Manteau shalwar" tragen, d.h. Hosen und Mantel mit verschiedenen Arten der Kopfbedeckung, bleiben konservativere Arten der Verschleierung, wie der Chador und die Burka (in Afghanistan Chadri genannt) weiterhin, auch in urbanen Gebieten, vertreten (Beilage ./IV, S. 2).

Das Recht auf Bildung wurde den Frauen nach dem Fall der Taliban im Jahr 2001 eingeräumt. Laut Verfassung haben alle afghanischen Staatsbürger/innen das Recht auf Bildung. Öffentliche Kindergärten und Schulen sind bis zur Hochschulebene kostenlos. Private Bildungseinrichtungen und Universitäten sind kostenpflichtig (LIB 26.03.2019, S. 324). Im Mai 2016 eröffnete in Kabul die erste Privatuniversität für Frauen im Moraa Educational Complex, mit dazugehörendem Kindergarten und Schule für Kinder der Studentinnen. Die Universität bietet unter anderem Lehrveranstaltungen für Medizin, Geburtshilfe etc. an. Sowohl Männer als auch Frauen schließen Hochschulstudien ab - derzeit sind etwa 300.000 Student/innen an afghanischen Hochschulen eingeschrieben - darunter 100.000 Frauen (LIB 26.03.2019, S. 325).

Frauen in urbanen Zentren wie Kabul, Herat und Mazar-e Sharif sind in einer Vielzahl von beruflichen Feldern aktiv. Frauen arbeiten sowohl im öffentlichen Dienst, als auch in der Privatwirtschaft. Sie arbeiten im Gesundheitsbereich, in der Bildung, den Medien, als Polizistinnen und Beamtinnen, usw. Sie sind jedoch mannigfaltigen Schwierigkeiten im Berufsleben ausgesetzt, die von Diskriminierung in der Einstellung und im Gehalt, über Schikane und Drohungen bis zur sexuellen Belästigung reichen. Frauen der Mittel- und Unterschicht kämpfen mit erschwertem Zugang zum Arbeitsmarkt und Lohnungleichheit. Dazu müssen Frauen unverhältnismäßig oft unbezahlte Arbeit leisten. Trotzdem finden sich viele Beispiele erfolgreicher junger Frauen in den verschiedensten Berufen (Beilage ./IV, S. 22).

Die Einstellung gegenüber der Berufstätigkeit von Frauen hat sich in Afghanistan in den letzten Jahren geändert; dies hängt auch mit den NGOs und den privaten Firmen zusammen, die in Afghanistan aktiv sind. Die städtische Bevölkerung hat kaum ein Problem mit der Berufstätigkeit ihrer Ehefrauen oder Töchter. In den meisten ländlichen Gemeinschaften sind konservative Einstellungen nach wie vor präsent, weshalb viele Frauen im ländlichen Afghanistan, aus Furcht vor sozialer Ächtung, keiner Arbeit außerhalb des Hauses nachgehen (LIB 26.03.2019, S. 326).

Sexualisierte und geschlechtsspezifische Gewalt ist weit verbreitet. Gewalttaten gegen Frauen und Mädchen finden zu über 90% innerhalb der Familienstrukturen statt. Die Gewalttaten reichen von Körperverletzung und Misshandlung über Zwangsehen bis hin zu Vergewaltigung und Mord. Zu geschlechtsspezifischer und sexueller Gewalt zählen außerdem noch die Praxis der badal-Hochzeiten (Frauen und Mädchen, die im Rahmen von Heiratsabmachungen zwischen Familien getauscht werden) bzw. des ba'ad (Mädchen, die zur Konfliktlösung abgegeben werden) (LIB 26.03.2019, S. 376f).

Was die Möglichkeiten der Freizeitgestaltung für Frauen in afghanischen Städten betrifft, so gibt es auch hier, eine Vielzahl von Beispielen: So existiert etwa ein "Familienkino", das in Kabul zu bestimmten Tageszeiten Vorstellungen ausschließlich für Frauen anbietet. Es gibt auch einen sogenannten "Frauen-Garten" in Kabul - ein öffentlicher Park für Frauen mit verschiedenen Unterhaltungs-, Bildungs- und Sportmöglichkeiten. Der Garten, der sich über 13 Hektar Land streckt und vom Frauenministerium verwaltet wird, erlebt täglich einen großen Ansturm, vor allem am Wochenende. Er wurde nach der Taliban-Herrschaft durch finanzielle Unterstützung des US Entwicklungsministeriums und mit Hilfe von mehr als 600 afghanischen Arbeiterinnen und Arbeitern (großteils Frauen aus armen Verhältnissen) wiederaufgebaut. Neben den Gartenanlagen zählt auch ein Fitnesscenter, Buchgeschäft und Internetlokal zu den Einrichtungen des Gartens. Frauen können dort Computer benutzen und kostenfrei Sprachkurse belegen. Außerdem wird der Garten 24 Stunden am Tag von einem Sicherheitsteam bewacht (Beilage ./IV, S. 29 ff).

Medizinische Versorgung

Es gibt keine staatliche Krankenkasse und die privaten Anbieter sind überschaubar und teuer, somit für die einheimische Bevölkerung nicht erschwinglich. Eine begrenzte Zahl staatlich geförderter öffentlicher Krankenhäuser bieten kostenfreie medizinische Versorgung. Alle Staatsbürger haben Zugang zu medizinischer Versorgung und Medikamenten. Die Kosten für Medikamente in diesen Einrichtungen weichen vom lokalen Marktpreis ab. Privatkrankenhäuser gibt es zumeist in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Mazar-e-Sharif, Herat und Kandahar. Medikamente sind auf jedem Markt in Afghanistan erwerblich, Preise variieren je nach Marke und Qualität des Produktes (LIB 26.03.2019, S. 376 ff).

Psychische Erkrankungen sind in öffentlichen und privaten Klinken grundsätzlich behandelbar. Die Behandlung in privaten Kliniken ist für Menschen mit durchschnittlichen Einkommen nicht leistbar. In öffentlichen Krankenhäusern müssen die Patienten nichts für ihre Aufnahme bezahlen. In Kabul gibt es zwei psychiatrische Einrichtungen: das Mental Health Hospital und die Universitätsklinik Aliabad. Zwar gibt es traditionelle Methoden bei denen psychisch Kranke in spirituellen Schreinen unmenschlich behandelt werden. Es gibt jedoch aktuelle Bemühungen, die Akzeptanz und Kapazitäten für psychiatrische Behandlungsmöglichkeiten zu stärken und auch Aufklärung zu betreiben. Die Bundesregierung finanziert Projekte zur Verbesserung der Möglichkeiten psychiatrischer Behandlung und psychologischer Begleitung in Afghanistan (LIB 26.03.2019, S. 359 f). In Mazar-e Sharif gibt es ein privates neuropsychiatrisches Krankenhaus (Alemi Hospital) und ein öffentliches psychiatrisches Krankenhaus (LIB 26.03.2019, S. 359).

Wirtschaft

Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut weiterhin zu (LIB 26.03.2019, S. 353).

Für ca. ein Drittel der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (inklusive Tiernutzung) die Haupteinnahmequelle. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet. Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können. Mehr als ein Drittel der männlichen Bevölkerung (34,3%) Afghanistans und mehr als die Hälfte der weiblichen Bevölkerung (51,1%) sind nicht in der Lage, eine passende Stelle zu finden (LIB 26.03.2019, S. 353).

Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist angespannt und die Arbeitslosigkeit ist hoch. Sogar für gut ausgebildete und gut qualifizierte Personen ist es schwierig ohne ein Netzwerk einen Arbeitsplatz zu finden, wenn man nicht empfohlen wird oder dem Arbeitgeber nicht vorgestellt wird. Vetternwirtschaft ist gang und gebe. Arbeitgeber bewerten persönliche Beziehungen und Netzwerke höher als formelle Qualifikationen. Es gibt lokale Webseiten, die offene Stellen im öffentlichen und privaten Sektor annoncieren. Die meisten Afghanen sind unqualifiziert und Teil des informellen, nicht-regulierten Arbeitsmarktes. Der Arbeitsmarkt besteht Großteiles aus manueller Arbeit ohne Anforderungen an eine formelle Ausbildung und spiegelt das niedrige Bildungsniveau wieder. In Kabul gibt es öffentliche Plätze, wo sich Arbeitssuchende und Nachfragende treffen. Viele bewerben sich, nicht jeder wird engagiert. Der Lohn beträgt für Hilfsarbeiter meist USD 4,3 und für angelernte Kräfte bis zu USD 14,5 pro Tag (EASO Afghanistan Netzwerke aus Jänner 2018, Beilage ./III, S. 29 - 30).

In Kabul und in großen Städten stehen Häuser und Wohnungen zur Verfügung. Es ist auch möglich an Stelle einer Wohnung ein Zimmer zu mieten. Dies ist billiger als eine Wohnung zu mieten. Heimkehrer mit Geld können Grund und Boden erwerben und langfristig ein eigenes Haus bauen. Vertriebene in Kabul, die keine Familienanbindung haben und kein Haus anmieten konnten, landen in Lagern, Zeltsiedlungen und provisorischen Hütten oder besetzen aufgelassene Regierungsgebäude. In Städten gibt es Hotels und Pensionen unterschiedlichster Preiskategorien. Für Tagelöhner, Jugendliche, Fahrer, unverheiratete Männer und andere Personen, ohne permanenten Wohnsitz in der jeweiligen Gegend, gibt es im ganzen Land Angebote geringerer Qualität, sogenannte chai khana (Teehaus). Dabei handelt es sich um einfache große Zimmer in denen Tee und Essen aufgetischt wird. Der Preis für eine Übernachtung beträgt zwischen 0,4 und 1,4 USD. In Kabul und anderen großen Städten gibt es viele solche chai khana und wenn ein derartiges Haus voll ist, lässt sich Kost und Logis leicht anderswo finden. Man muss niemanden kennen um dort eingelassen zu werden (EASO Afghanistan Netzwerke aus Jänner 2018, Beilage ./III, S. 31).

Rückkehrer:

Im Jahr 2017 kehrten sowohl freiwillig, als auch zwangsweise insgesamt 98.191 Personen aus Pakistan und 462.361 Personen aus Iran zurück. Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück (LIB 26.03.2019, S. 366 f).

Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig. Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z. B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung, wo Rückkehrer/innen für maximal zwei Wochen untergebracht werden können (LIB 26.03.2019, S. 367f).

IOM, IRARA, ACE und AKAH bieten Unterstützung und nachhaltige Begleitung bei der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Suche nach einer Beschäftigung oder Schulungen an. NRC bietet Rückkehrer/innen aus Pakistan, Iran und anderen Ländern Unterkunft sowie Haushaltsgegenstände und Informationen zur Sicherheit an und hilft bei Grundstücksstreitigkeiten. Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (ICRC) unterstützt Rückkehrer/innen dabei, ihre Familien zu finden (LIB 26.03.2019, S. 367f).

Psychologische Unterstützung von Rückkehrer/innen wird über die Organisation IPSO betrieben - alle Leistungen sind kostenfrei. Diejenigen, die es benötigen und in abgelegene Provinzen zurückkehren, erhalten bis zu fünf Skype-Sitzungen von IPSO. Für psychologische Unterstützung könnte auch ein Krankenhaus aufgesucht werden; möglicherweise mangelt es diesen aber an Kapazitäten (LIB 26.03.2019, S. 369f).

Die Großfamilie ist die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Nur sehr wenige Afghanen in Europa verlieren den Kontakt zu ihrer Familie. Die Qualität des Kontakts mit der Familie hängt möglicherweise auch davon ab, wie lange die betreffende Person im Ausland war bzw. wie lange sie tatsächlich in Afghanistan lebte, bevor sie nach Europa migrierte. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migrant/innen in Afghanistan dar. Dennoch haben alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen (LIB 26.03.2019, S. 370f).

Familien in Afghanistan halten in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren (LIB 26.03.2019, S. 371).

Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer/innen auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer/innen besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden (LIB 26.03.2019, S. 371).

Ethnische Minderheiten:

In Afghanistan leben mehr als 34.1 Millionen Menschen. Es sind ca. 40% Pashtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara und 9% Usbeken. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt (LIB 26.03.2019, S. 314).

Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 10% der Bevölkerung aus. Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind die schiitische Konfession (mehrheitlich Zwölfer-Schiiten) und ihre ethnisch-asiatisches Erscheinungsbild, woraus gern Schlussfolgerungen über eine turko-mongolische Abstammung der Hazara gezogen werden. Nicht weniger wichtig als Religion und Abstammung ist für das ethnische Selbstverständnis der Hazara eine lange Geschichte von Unterdrückung, Vertreibung und Marginalisierung. Jahrzehntelange Kriege und schwere Lebensbedingungen haben viele Hazara aus (LIB 26.03.2019, S. 316f).

Ihre Gesellschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Familie bzw. dem Klan. Die sozialen Strukturen der Hazara werden manchmal als Stammesstrukturen bezeichnet; dennoch bestehen in Wirklichkeit keine sozialen und politischen Stammesstrukturen. Das traditionelle soziale Netz der Hazara besteht größtenteils aus der Familie, obwohl gelegentlich auch politische Führer einbezogen werden können (LIB 26.03.2019, S. 317).

Für die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgten Hazara hat sich die Lage grundsätzlich verbessert; sie haben sich ökonomisch und politisch durch Bildung verbessert. Hazara in Kabul gehören jetzt zu den am besten gebildeten Bevölkerungsgruppen und haben auch eine Reihe von Dichtern und Schriftstellern hervorgebracht. Auch wenn es nicht allen Hazara möglich war diese Möglichkeiten zu nutzen, so haben sie sich dennoch in den Bereichen Bildung, öffentliche Verwaltung und Wirtschaft etabliert. So haben Hazara eine neue afghanische Mittelklasse gegründet. Im Allgemeinen haben sie, wie andere ethnische Gruppen auch, gleichwertigen Zugang zum Arbeitsmarkt. Nichtsdestotrotz, sind sie von einer allgemein wirtschaftlichen Verschlechterung mehr betroffen als andere, da für sie der Zugang zu Regierungsstellen schwieriger ist (LIB 26.03.2019, S. 317).

Es kann nicht festgestellt werden, dass Angehörige der Hazara in Afghanistan allein aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit psychischer und physischer Gewalt ausgesetzt sind.

Religionen:

Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 84,7 und 89,7% Sunniten. Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben (LIB 26.03.2019, S. 304).

Schiiten

Die Bevölkerung schiitischer Muslime wird auf 10-19% geschätzt Zu der schiitischen Bevölkerung zählen die Ismailiten und die ethnischen Hazara. Die meisten Hazara Schiiten gehören der Jafari-Sekte (Zwölfer-Sekte) an (LIB 26.03.2019, S. 307).

Die politische Repräsentation und die Beteiligung an den nationalen Institutionen seitens der traditionell marginalisierten schiitischen Minderheit, der hauptsächlich ethnische Hazara angehören, ist seit 2001 gestiegen. Einige schiitische Muslime bekleiden höhere Regierungsposten. Im Ulema-Rat, der nationalen Versammlung von Religionsgelehrten, die u. a. dem Präsidenten in der Festlegung neuer Gesetze und Rechtsprechung beisteht, beträgt die Quote der schiitischen Muslime ca. 30%. Des Weiteren tagen rechtliche, konstitutionelle und menschenrechtliche Kommissionen, welche aus Mitgliedern der sunnitischen und schiitischen Gemeinschaften bestehen und von der Regierung unterstützt werden, regelmäßig, um die interkonfessionelle Schlichtung zu fördern. Die Diskriminierung der schiitischen Minderheit durch die sunnitische Mehrheit ist zurückgegangen (LIB 26.03.2019, S. 307).

Afghanischen Schiiten ist es möglich, ihre Feste öffentlich zu feiern; einige Paschtunen sind jedoch wegen der Feierlichkeiten missgestimmt, was gelegentlich in Auseinandersetzungen mündet. In den Jahren 2016 und 2017 wurden schiitische Muslime, hauptsächlich ethnische Hazara, oftmals Opfer von terroristischen Angriffen u.a. der Taliban und des IS (LIB 26.03.2019, S. 308).

Es kann nicht festgestellt werden, dass Angehörige der Schiiten in Afghanistan allein aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit psychischer und physischer Gewalt ausgesetzt sind.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt sowie in den Gerichtsakt, durch Einvernahme der Beschwerdeführerin und des Ehemanns der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung und durch Einsichtnahme in die zum Akt genommenen Urkunden Beilage ./I bis ./VI und Beilage ./A bis ./C (Konvolut ZMR, GVS, Strafregister Beilage ./I; Länderinformationsblatt der Staatendokumentation über Afghanistan vom 29.06.2018 mit Kurzinformation vom 26.03.2019, Beilage ./II; Bericht EASO, Afghanistan Netzwerke aus Jänner 2018, Beilage ./III, Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, Afghanistan, Frauen in urbanen Zentren, Beilage ./IV; Dossier der Staatendokumentation, AfPAK, Grundlagen der Stammes- und Clanstrukturen, Beilage ./V; Übersetzung auf Deutsch der EASO Country Guidance Afghanistan aus Juni 2018 hinsichtlich Punkt III. (Subsidiärer Schutz) und Punkt V. (innerstaatliche Schutzalternative), Beilage ./VI; Unterstützungsschreiben vom 25.03.2019, Beilage ./A; Bestätigung Deutschlurs vom 20.12.2018, Beilage ./B; Arztbrief vom 22.09.2017, Beilage ./C)

Dem Erkenntnis werden die EASO Country Guidance Afghanistan aus Juni 2018 sowie die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 zugrunde gelegt (OZ 12, S. 26).

Die Feststellungen basieren auf den in den Klammern angeführten Beweismitteln.

2.1. Zu den Feststellungen zur Person der Beschwerdeführerin:

Die Feststellungen zur Identität der Beschwerdeführerin ergeben sich aus ihren dahingehend übereinstimmenden Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, vor dem Bundesamt, in der Beschwerde und vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die getroffenen Feststellungen zum Namen und zum Geburtsdatum der Beschwerdeführerin gelten ausschließlich zur Identifizierung der Person der Beschwerdeführerin im Asylverfahren.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführerin, ihrer Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, ihrer Muttersprache, ihrem Lebenslauf (ihr Aufwachsen sowie die Anzahl ihrer Familienangehörigen, die Wohnorte, ihre geringe Schulbildung, ihre langjährige Berufserfahrung, ihr Familienstand) sowie zu den Eigentumsverhältnissen ihrer Familie gründen sich auf ihre diesbezüglich schlüssigen und stringenten Angaben. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen im gesamten Verfahren gleich gebliebenen Aussagen der Beschwerdeführerin zu zweifeln.

Die Feststellungen zur Hochzeit im Jahr 2010 ergeben sich aus den Angaben der Beschwerdeführerin und aus den beim Bundesamt vorgelegten Urkunden zur Hochzeit (AS 51ff). Da die Beschwerdeführerin in der Verhandlung angab, ihren Ehemann in Afghanistan bei der Hochzeit 20 Tage und ein weiteres Mal einen Monat lang gesehen zu haben (OZ 12, S. 19), wurden die entsprechenden Feststellungen getroffen.

Dass bereits bei der Hochzeit geplant war, dass die Beschwerdeführerin bei ihrem in Österreich aufhältigen Mann leben solle, ergibt sich aus den Angaben der Beschwerdeführerin beim Bundesamt, wonach sie "so oder so" vorgehabt habe zu ihrem Mann zu kommen. Da der Ehemann eine Rot-Weiß-Rot-Karte Plus für Österreich hat, ist auszuschließen, dass dieser vorhatte seine Ehe in Afghanistan zu führen.

Die Feststellungen zur Anzahl und zur Höhe der finanziellen Zuwendungen des Ehemanns an die Beschwerdeführerin ergeben sich aus den Angaben der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung (OZ 12, S. 8).

Dass die Beschwerdeführerin zunächst in dem vom Ehemann gemieteten Wohnhaus lebte und erst nach ca. eineinhalb Jahren wieder zu ihren Eltern zurück gezogen ist, ergibt sich aus den Angaben der Beschwerdeführerin beim Bundesamt (AS 41) und den im Wesentlichen darin übereinstimmenden Angaben in der mündlichen Verhandlung (OZ 12, S. 9).

Die Feststellungen betreffend den Kontakt zwischen der Beschwerdeführerin und deren Ehemann, während die Beschwerdeführerin noch in Afghanistan lebte, ergeben sich aus den Angaben der Beschwerdeführerin beim Bundesamt (AS 41).

Dass die Beschwerdeführerin mit den afghanischen Gepflogenheiten vertraut ist, ergibt sich daraus, dass sie in Afghanistan mit ihrer afghanischen Familie aufgewachsen ist, sie ist dort zur Schule gegangen und hat dort als Schneiderin gearbeitet.

Die Beschwerdeführerin gab in der Verhandlung an, dass sie keinen Kontakt mehr zu ihrer Familie habe, da sie von dieser schlecht behandelt worden sei. Das Gericht geht jedoch davon aus, dass die Angaben der Beschwerdeführerin zu ihren Fluchtgründen, der schlechten Behandlung durch ihre Familie, nicht richtig sind (siehe Punkt II.2.3.). Es ist daher nicht ersichtlich, aus welchem Grund die Beschwerdeführerin keinen Kontakt mehr zu ihrer Familie haben sollte. Die Beschwerdeführerin gab in der Verhandlung an, dass sie selbst zu ihrem Vater - zu dem sie ein gutes Verhältnis gehabt habe - keinen Kontakt mehr haben würde, da sie seine Telefonnummer nicht haben würde (OZ 12, S. 11). Dies ist jedoch nicht nachvollziehbar, da zumindest der Ehemann der Beschwerdeführerin die Telefonnummer des Vaters haben müsste, dieser hatten öfters telefonischen Kontakt mit dem Vater der Beschwerdefürherin, als die Beschwerdeführerin noch in Afghanistan war. Die Beschwerdeführerin konnte sich auch vor ihrer Einvernahme beim Bundesamt die Tazkira, die Heiratsurkunde und Übersetzungen von ihrem Vater aus Kabul schicken lassen (AS 39). Es ist daher davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin sehr wohl regelmäßigen Kontakt zu ihrer Familie in Kabul hat. Zudem ist den Länderberichten zu entnehmen, dass nur sehr wenige Afghanen in Europa den Kontakt zu ihren Familien in Afghanistan verlieren. Die Familien in Afghanistan halten in der Regel Kontakt zu ihren nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa geht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, dass sie keine lebenden Verwandten mehr haben bzw. keinen Kontakt mehr zu diesen haben. Der Faktor der geografischen Nähe verliert durch technologische Entwicklungen an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile universell geworden, digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten (Beilage ./II, S. 371). Das Gericht geht daher davon aus, dass die Beschwerdeführerin den Kontakt zu ihrer Familie in Afghanistan zu verschleiern versucht und, dass die Beschwerdeführerin ein gutes Verhältnis zu ihrer in Kabul lebenden Familie hat.

Dass die Beschwerdeführerin grundsätzlich arbeitsfähig ist, ergibt sich daraus, dass sie bereits in Afghanistan einer Arbeit nachgegangen ist und im Verfahren keine Umstände hervorgekommen sind, die gegen eine Arbeitsfähigkeit sprechen.

Die Beschwerdeführerin gab beim Bundesamt zunächst an, dass, als sie alleine gelebt habe, Verwandte sich ein bisschen um sie gekümmert haben (AS 39). Dies deutet darauf hin, dass die Beschwerdeführerin sich überwiegend um sich selber kümmern konnte, diese also alleine ihre Schneiderarbeiten betreiben, Einkaufen gehen und das Haus verlassen hat können. Die Beschwerdeführerin sprach beim Bundesamt auch davon, dass sie selber Kleidungsstücke an einen Kunden geleifert habe (AS 45). Wenn die Beschwerdeführerin nunmehr beim Bundesamt angibt, selber nur selten einkaufen gegangen zu sein, so ist dies für das Gericht nur bedingt nachvollziehbar. In der mündlichen Verhandlung gab die Beschwerdeführerin an, selber Schneideraufträge bei einem Geschäft abgeholt zu haben (OZ 12, S. 8), auch daraus ist erkennbar, dass die Beschwerdeführerin selber das Haus verlassen hat. Die Beschwerdeführerin gab auch an, dass sie alleine das Haus verlassen habe. Dass sie dabei jedoch ausschließlich eine Burak getragen habe bzw. belästigt worden sei, ist für das Gericht nicht glaubhaft (OZ 12, S. 9). Die Beschwerdeführerin gab im Widerspruch zu ihren Angaben beim Bundesamt auch an, dass sie ausschließlich in Begleitung ihrer Mutter oder ihres Neffen einkaufen gegangen sei (OZ 12, S. 12). Das Gericht geht davon, aus, dass die Beschwerdeführerin alleine das Haus verlassen hat, selber einkaufen gegangen ist und auch selber ihre Aufträge bei der Schneiderei abgeholt hat.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand gründen auf den Angaben der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung, auf den vorgelegten Unterlagen (Beilage ./C) und auf dem Umstand, dass im Verfahren nichts Gegenteiliges hervorgekommen ist. Es haben sich im Verfahren keine Hinweise ergeben, wonach die Beschwerdeführerin an einer lebensbedrohlichen oder schweren Erkrankung leiden würde.

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit der Beschwerdeführerin ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister (Beilage ./I).

2.2. Zu den Feststellungen zum (Privat-)Leben der Beschwerdeführerin in Österreich:

Die Feststellungen zum Leben der Beschwerdeführerin in Österreich (insbesondere zur Aufenthaltsdauer, ihren mangelnden Deutschkenntnissen, ihren geringen sozialen Anknüpfungspunkten in Österreich und ihrer geringen Integration in Österreich) stützen sich auf die Aktenlage (vgl. insbesondere den Auszug aus dem Grundversorgungs-Informationssystem), auf die Angaben der Beschwerdeführerin und des Ehemanns in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie auf die von ihr in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen.

Die Feststellungen zu den Deutschkenntnissen konnten auch vom Gericht getroffen werden, da die Beschwerdeführerin in der Verhandlung die sehr einfachen auf Deutsch gestellten Fragen Großteils überhaupt nicht verstanden hat (OZ 12, S. 13). Die Beschwerdeführerin verfügt faktisch über keine Deutschkenntnisse, sie kann selbst in einfachen Alltagssituationen nicht auf elementarer Basis mit anderen Personen auf Deutsch kommunizieren.

Die Beschwerdeführerin gab in der mündlichen Verhandlung selber an, dass sie sich noch nicht an Behörden gewandt habe um sich betreffend Ausbildungs- und Berufsmöglichkeiten zu informieren. Aus den vagen Angaben, dass Freunde ihr angeboten haben ihr, wenn sie über ausreichende Deutschkenntnisse verfügen würde, helfen würden einen Ausbildungsplatz zu suchen, kann nicht erkannt werden, dass die Beschwerdeführerin sich bereits mit Ausbildungs- und Berufsmöglichkeiten in Österreich auseinandergesetzt hat. Dies wäre jedoch, würde tatsächlich ein Streben nach Selbständigkeit und Selbstverantwortlichkeit vorliegen, bei einem Aufenthalt von fast vier Jahren jedenfalls zu erwarten. Tatsächlich ist die Beschwerdeführerin nicht selbsterhaltungsfähig und lebt von der Grundversorgung (OZ 12. S. 18). Aufgrund der äußerst geringen Deutschkenntnisse ist die Beschwerdeführerin auf die Unterstützung anderer im Alltag (bei Arztwegen, Behördengängen, etc.) angewiesen (OZ 12, S. 18).

Die Beschwerdeführerin wurde in der Verhandlung zu ihren Berufswünschen in Österreich befragt. Sie gab dazu an: "Ich sehe mich dazu in der Lage jeden Beruf auszuüben. Wenn ich die Sprache gelernt habe, muss ich schauen, wie meine Möglichkeiten sind." (OZ 12, S. 18). Bereits hier ist zu erkennen, dass die Beschwerdeführerin sich überhaupt nicht mit Berufsmöglichkeiten in Österreich auseinandergesetzt hat. Auf weitere konkrete Befragung gab die Beschwerdeführerin an, dass sie in einem Supermarkt als Kassiererin arbeiten wollen würde bzw. würde sie auch als Schneiderin arbeiten wollen. Der Ehemann gab auf die Frage, wovon seine Frau in Österreich leben wolle an, dass dies

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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