TE Bvwg Erkenntnis 2019/7/17 I413 2217757-1

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Veröffentlicht am 17.07.2019
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Entscheidungsdatum

17.07.2019

Norm

ASVG §67 Abs10
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

I413 2217757-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Martin ATTLMAYR, LL.M. als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, vertreten durch Dr. Patrick RUTH, MMag. Daniel PINZGER, gegen den Bescheid der Vorarlberger Gebietskrankenkasse Hauptstelle (VGKK) vom XXXX zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid vom XXXX entschied die belangte Behörde wie folgt:

"1. Herr XXXX, geb. XXXX, wohnhaft in XXXX haftet für nachstehende Sozialversicherungsbeiträge der Firma XXXX: Beitragsnachverrechnung vom 14.12.2016 EUR 42.323,94 (Beitragszeitraum vom 04/2012 bis 04/2013) Haftungssumme EUR 42.323,94 2. Herr XXXX ist verpflichtet, den Betrag von EUR 42.323,94 zuzüglich Verzugszinsen ab Zustellung des Bescheides in der sich nach § 59 Abs 1 ASVG jeweils ergebenden Höhe (derzeit 3,38 %), berechnet aus EUR 42.323,94, binnen 14 Tagen nach Zustellung dieses Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen an die Vorarlberger Gebietskrankenkasse zu bezahlen." Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei Geschäftsführer der Cashworld Ltd gewesen. Über diese Gesellschaft sei mit Beschluss des Landesgerichts Feldkirch vom XXXX, XXXX der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach § 63 IO zurückgewiesen worden. Die Sozialversicherungsbeiträge seien daher als uneinbringlich anzusehen. Der Beschwerdeführer hafte gemäß § 67 Abs 10 ASVG als Geschäftsführer und Vertreter der Cashworld Ltd für schuldhafte Meldepflichtverletzungen aus der Nachverrechnung vom 14.12.2016.

2. Gegen diesen, dem Beschwerdeführer nicht vor 19.03.2018 zugestellten Bescheid richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Beschwerde, in welcher ausgeführt wird, dass die Inanspruchnahme des Beschwerdeführers zur Haftung zu Unrecht erfolgte und es unrichtig sei, dass für den Beitragszeitraum 04/2012 bis 04/2013 Sozialversicherungsbeiträge nicht ordnungsgemäß abgerechnet worden wären. Die Beiträge seien ordnungsgemäß abgerechnet worden. Überhaupt sei die Beitragsnachverrechnung nicht nachvollziehbar. Der Beschwerdeführer beantragte die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung und der Beschwerde Folge zu geben und den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufzuheben.

3. Mit Schriftsatz vom 23.04.2019, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt an diesem Tag, legte die belangte Behörde die Beschwerde samt dem Bezug habenden Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vor und erstattete zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde sowie zur Haftungssumme ein ergänzendes Vorbringen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der in Pkt I. dargestellte Verfahrensgang wird festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:

XXXX ist eine unter Company XXXX im Register des Regitrar of Companies für England und Wales am 14.12.2010 eingetragene Gesellschaft (limited liability corporation). Der Beschwerdeführer war vom Zeitpunkt der Gründung der Gesellschaft bis zum 27.05.2013 Geschäftsführer der XXXX

Laut Rückstandsausweis vom 14.01.2019 haftet auf dem Beitragskonto der Cashworld Ltd eine Forderung von EUR 101.228,96 zzgl Verzugszinsen und Nebengebühren betreffend den Beitragszeitraum 11/2011 bis 08/2016 unberichtigt aus.

Die Sozialversicherungsbeiträge der XXXX im Beitragszeitraum 04/2012 bis 04/2013 in Höhe von EUR 42.323,94 wurden nicht ordnungsgemäß abgerechnet.

Über XXXX wurde mit Beschluss des Landesgerichts Feldkirch vom XXXX, XXXX der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach § 63 IO zurückgewiesen. Die Sozialversicherungsbeiträge im Beitragszeitraum 04/2012 bis 04/2013 in Höhe von EUR 42.323,94 sind uneinbringlich.

Mit Schreiben vom 14.01.2019 informierte die belangte Behörde den Beschwerdeführer, dass Sozialversicherungsbeiträge der Cashworld Ltd unberichtigt aushaften. Er sei von 14.12.2010 bis zum 27.05.2013 Geschäftsführer dieser Gesellschaft gewesen. Mit Beschluss des Landesgerichts Feldkirch vom XXXX, AZ XXXX sei der Antrag der Vorarlberger Gebietskrankenkasse vom 27.01.2017, über das Vermögen der XXXX das Insolvenzverfahren zu eröffnen, zurückgewiesen worden. Als Geschäftsführer hafte er persönlich für diese Beitragsverbindlichkeiten und wies ausdrücklich auf § 67 Abs 10 ASVG hin. Ihm wurde die Gelegenheit eingeräumt, seine Sicht der Dinge in einer schriftlichen Stellungnahme binnen einer Frist von 14 Tagen darzulegen und wies darauf hin, dass im Falle, dass keine Stellungnahme erstattet werde, dies einer schuldhaften Meldepflichtverletzung bzw einer Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes nach den Bestimmungen des ASVG gleichkomme. Eine Stellungnahme brachte der Beschwerdeführer nicht ein.

Mit Schreiben vom 15.02.2019 teilte die belangte Behörde unter Bezugnahme auf ihr Schreiben vom 14.01.2019 mit, dass sie bislang keine Stellungnahme erhalten habe, es um eine Haftungssumme von EUR 42.323,94 für die Monate 04/2012 bis 04/2013 gehe und die Haftung eine schuldhafte Meldepflichtverletzung auf Grundlage der Beitragsnachverrechnung vom 13.12.2016 beinhalte. Die belangte Behörde räumte dem Beschwerdeführer die Möglichkeit ein, bis zum 06.03.2019 Stellung zu nehmen, ansonsten werde seine Haftung wegen schuldhafter Meldepflichtverletzung als gegeben angenommen und ein Bescheid erlassen.

Mit Telefonat vom 18.02.2019 reagierte der Beschwerdeführer auf dieses Schreiben und teilte mit, dass er seit drei Jahren in Privatkonkurs sei und nicht zahlen könne. Das Privatkonkursverfahren sei in Ansbach/BRD anhängig und sicherte zu, eine Stellungnahme zu schicken. Eine Stellungnahme erfolgte nicht.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt der belangten Behörde sowie den Gerichtsakt. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich zweifelsfrei aus dem Akteninhalt.

Der Beschwerdeführer bestreitet den von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt unsubstantiiert und erstattete in der Beschwerde auch kein konkretes sachverhaltsbezogenes Vorbringen, sodass das Bundesverwaltungsgericht den maßgeblichen Sachverhalt als ausreichend ermittelt ansieht und sich der von der belangten Behörde vorgenommenen, nachvollziehbaren Beweiswürdigung vollumfänglich anschließt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde

3.1. Gemäß § 67 Abs 10 ASVG haften die zur Vertretung juristischer Personen oder Personenhandelsgesellschaften (offene Gesellschaft, Kommanditgesellschaft) berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldnerin für die von diesen zu entrichtenden Beiträge insoweit, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten, nicht eingebracht werden können.

Zu den Geschäftsführern auferlegten Pflichten zählen die gemäß § 111 ASVG iVm § 9 VStG verwaltungsstrafrechtlich sanktionierten Melde- und Auskunftspflichten und die Verpflichtung zur Abfuhr von einbehaltenen Dienstnehmerbeiträgen (VwGH 12.12.2000, 98/08/0101).

Der Beschwerdeführer war im maßgeblichen Zeitraum April 2012 bis April 2013 der Geschäftsführer der XXXX Es kann ihn somit grundsätzliche eine Haftung nach § 67 Abs 10 ASVG treffen. Es ist daher zu prüfen ob die weiteren Voraussetzungen für eine Haftung des Beschwerdeführers nach § 67 Abs 10 ASVG vorliegen.

Vorauszuschicken ist, dass primäre Haftungsvoraussetzung die Uneinbringlichkeit der Forderung beim Primärschuldner (XXXX) ist. Nach § 67 Abs 10 ASVG kann ein (potentiell) Haftungspflichtiger jedenfalls so lange nicht in Anspruch genommen werden, als ein Ausfall beim Beitragsschuldner als Primärschuldner noch nicht angenommen werden kann.

Die Beiträge sind bei der Primärschuldnerin im vorliegenden Fall nicht einbringlich. Dies ist im Hinblick auf den vom Insolvenzgericht zurückgewiesenen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach § 63 IO zu bejahen und zutreffend von der belangten Behörde festgestellt worden. Bei dieser Gesellschaft ist keinerlei Vermögen vorhanden, was auch nicht durch den Beschwerdeführer bestritten wird. Zudem ist anzumerken, dass die Zurückweisung des Antrags auf Eröffnung eines Indolvenzverfahrens nicht bloß ein Indiz für Vermögenslosigkeit, sondern geradezu ein zwingender Beweis für das Unvermögen der Gesellschaft ist, Zahlungen zu leisten, was liquides Vermögen ausschließt. Daher ist das Tatbestandsmerkmal der Uneinbringlichkeit der Beiträge jedenfalls gegeben.

Weitere Voraussetzung für die Haftung gemäß § 67 Abs 10 ASVG ist neben der Uneinbringlichkeit der Beitragsschulden bei der Beitragsschuldnerin auch deren ziffernmäßige Bestimmtheit der Höhe nach und die Kausalität der schuldhaften Pflichtverletzung des Vertreters für die Uneinbringlichkeit.

Die Beitragsschuld beläuft sich im konkreten Fall auf € 42.323,94 zuzüglich Zinsen und ist somit ziffernmäßig der Höhe nach von der belangten Behörde bestimmt worden.

Zudem ist die Meldepflichtverletzung auch kausal für die Uneinbringlichkeit der Beiträge, da sich im Verfahren keinerlei Anhaltspunkte ergaben, dass bereits eine Uneinbringlichkeit zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Beiträge gegeben war. Die Insolvenzeröffnung erfolgte vielmehr erst Jahre nach der bereits eingetretenen Fälligkeit der Beiträge.

Ferner ist zu prüfen, ob die Nichtmeldung der Sozialversicherungsbeiträge rechtswidrig war bzw ob der Beschwerdeführer als Vertreter seiner gesetzlichen Verpflichtung, nämlich für die rechtzeitige Meldung zu sorgen, rechtswidrig nicht nachgekommen ist. Diese Frage ist ebenfalls zu bejahen. Der Beschwerdeführer war als Geschäftsführer der XXXX zur Meldung an die belangte Behörde verpflichtet (§ 58 Abs 5 ASVG), kam aber seiner Verpflichtung nicht nach. Die sozialversicherungsrechtliche Pflicht, die Sozialversicherungsbeiträge für geleistete Stunden von Dienstnehmern an die belangte Behörde zu melden, liegt im Grundwissen eines vertretungsbefugten Geschäftsführers einer GmbH. Es liegt daher - wie die belangte Behörde zutreffend ausführt - ein Meldeverstoß iSd § 111 ASVG vor. Eine Übertragung der Erfüllung der Meldepflichten auf einen Bevollmächtigten gemäß § 35 Abs 3 ASVG erfolgte darüber hinaus auch nicht, da ein solcher der belangten Behörde nicht bekannt gegeben wurde. Eine das Verschulden von Vornherein ausschließende Abwälzung der Verantwortlichkeit für die Einhaltung der Meldevorschriften nach dem ASVG liegt daher nicht vor, sodass der Beschwerdeführer, in seiner Funktion als Geschäftsführer der XXXX für die Erstattung der Meldungen verantwortlich und dazu persönlich verpflichtet war.

Wenn der Beschwerdeführer unsubstanitiiert behauptet, die Sozialversicherungsbeiträge im Beitragszeitraum 04/2012 bis 04/2013 seien ordnungsgemäß abgerechnet worden, so ist ihm das Ergebnis der Beitragsprüfung durch die belangte Behörde entgegenzuhalten, welches unmissverständlich aufzeigt, dass von einer ordnungsgemäßen Abrechnung keine Rede sein kann. Die Beschwerde legt keine Gründe dar, die auch nur einen Anhaltspunkt für das Zutreffen der Behauptung des Beschwerdeführers bezüglich der Ordnungsmäßigkeit der Beitragsabrechnung liefern würden.

Da somit alle Voraussetzungen für die Haftung des Beschwerdeführers nach § 67 Abs 10 ASVG gegeben sind, haftet der Beschwerdeführer nach dieser Bestimmung für die aus dem Titel der Meldepflichtverletzung vorgeschriebenen Beiträge.

Die Berechnung der vorgeschriebenen Beiträge wurde durch die vorliegende Beschwerde nicht substantiiert in Zweifel gezogen, sodass gegen die Höhe der vorgeschriebenen Haftungssumme und die jährlichen Verzugszinsen keine Bedenken bestehen. Die bloße Behauptung der mangelnden Nachvollziehbarkeit der Beitragsnachverrechnung genügt nicht.

Der Höhe nach wurde die Haftungssumme nicht bekämpft. Es ergaben sich im Verfahren keine Hinweise auf eine Unrichtigkeit der bestimmten Haftungssumme.

Der Beschwerde kommt aufgrund der vorstehenden Erwägungen keine Berechtigung zu, sodass diese gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 67 Abs 10 ASVG als unbegründet abzuweisen ist.

3.2. Gemäß § 24 Abs 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteienantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs 1 EMRK noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.

Im vorliegenden Fall ergibt sich der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt eindeutig aus den Akten des Verwaltungsverfahrens und lässt die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten. Die Notwendigkeit der Durchführung einer Verhandlung ist auch im Hinblick auf Art 6 Abs 1 EMRK und Art 47 GRC nicht ersichtlich. Auch nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt unbestritten und die Rechtsfrage von keiner besonderen Komplexität ist (VfSlg 17.597/2005; VfSlg 17.855/2006; zuletzt etwa VfGH 18.6.2012, B 155/12).

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich eindeutig aus den Akten des Verwaltungsverfahrens, sodass von einer mündlichen Erörterung - auch wenn sie beantragt wurde - keine weitere Klärung des Sachverhalts zu erwarten ist. Die völlig unsubstantiierte Beschwerde wirft keine strittigen Sachverhaltsfragen auf, weshalb von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs 4 VwGVG Abstand genommen werden konnte.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Geschäftsführer, Haftung, Meldeverstoß, Pflichtverletzung,
Uneinbringlichkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:I413.2217757.1.00

Zuletzt aktualisiert am

08.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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