Entscheidungsdatum
30.07.2019Norm
BFA-VG §22aSpruch
W250 2212444-1/14E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Michael BIEDERMANN als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Usbekistan, vertreten durch RA Edward W. DAIGNEAULT, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.12.2018, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:
A)
I. Der Beschwerde wird gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG iVm Art. 12 Abs. 4 der Verordnung EU Nr. 604/2013 (Dublin-III-VO) iVm § 76 Abs. 2 Z 3 FPG stattgegeben, der Schubhaftbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.12.2018, Zl. XXXX , sowie die Anhaltung in Schubhaft von 08.12.2018 bis 28.01.2019 für rechtswidrig erklärt.
II. Gemäß § 35 Abs. 1 und 2 VwGVG iVm § 1 Z. 1 VwG-AufwErsV hat der Bund dem Beschwerdeführer zu Handen seines ausgewiesenen Vertreters Aufwendungen in Höhe von € 737,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
III. Der Antrag des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 2 VwGVG abgewiesen.
IV. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Befreiung von der Eingabengebühr wird zurückgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Republik Usbekistan, reiste mit einem von der Botschaft der Republik Litauen am XXXX in Taschkent ausgestellten und vom 26.04.2018 bis 22.05.2018 gültigen Visum der Kategorie C ("Schengen-Visum") in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der Europäischen Union ein. Er wurde am 06.12.2018 von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes bei einer Kontrolle in Wien aufgegriffen und festgenommen.
2. Am 07.12.2018 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden als Bundesamt bezeichnet) einvernommen. Im Rahmen dieser Einvernahme stellte der Beschwerdeführer vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen Antrag auf internationalen Schutz.
3. Am 08.12.2018 fand die Erstbefragung des Beschwerdeführers im Asylverfahren statt. Am selben Tag wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 28 Abs. 2 Asylgesetz 2005 - AsylG mitgeteilt, dass das Bundesamt gemäß der Dublin-Verordnung Konsultationen mit Litauen führe, weshalb die in § 28 Abs. 2 AsylG definierte 20-Tages-Frist für Verfahrenszulassungen nicht gelte.
4. Am 08.12.2018 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesamt zur Sicherung des Überstellungsverfahrens einvernommen.
5. Mit Bescheid vom 08.12.2018 ordnete das Bundesamt gemäß Art. 28 Abs. 1 und 2 der Verordnung EU Nr. 604/2013 (Dublin-III-VO) iVm § 76 Abs. 2 Z. 3 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG über den Beschwerdeführer Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Überstellungsverfahrens an. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass erhebliche Fluchtgefahr im Sinne der Dublin-III-VO bestehe, da sich der Beschwerdeführer zumindest seit Juni 2018 unter Umgehung des Meldegesetzes in Österreich aufgehalten habe. Seinen Antrag auf internationalen Schutz habe er erst nach mehrmonatigem illegalen Aufenthalt gestellt als er von der Polizei kontrolliert worden sei. Der Beschwerdeführer habe versucht, sich der fremdenpolizeilichen Kontrolle zu entziehen. Der Beschwerdeführer verfüge über keinen Wohnsitz und sei in keinster Weise integriert. Er habe ein Visum C für die Einreise in das Gebiet der EU-Staaten genutzt und sei nach Österreich weitergereist. Es bestehe daher ein beträchtliches Risiko des Untertauchens. Auf Grund des bisherigen Verhaltens des Beschwerdeführers und seiner persönlichen Verhältnisse sei die Entscheidung verhältnismäßig und könne mit der Anordnung eines gelinderen Mittels nicht das Auslangen gefunden werden.
6. Am 13.12.2018 richtete das Bundesamt an die zuständige Behörde Litauens ein auf Art. 12 Abs. 2 der Dublin III-VO gestütztes Übernahmeersuchen, das in der Folge unbeantwortet blieb. Das Bundesamt teilte hierauf mit Schreiben vom 02.01.2019 der litauischen Behörde mit, dass die Zuständigkeit für die Entscheidung über den vom Beschwerdeführer gestellten Antrag auf internationalen Schutz auf Litauen übergegangen sei.
7. Gegen den Schubhaftbescheid vom 08.12.2018 und die darauf gestützte Anhaltung erhob der Revisionswerber am 09.01.2019 eine Beschwerde mit dem Antrag, die Schubhaft ab ihrer Verhängung für rechtswidrig zu erklären und festzustellen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Beschwerde die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorlägen. Darüber hinaus beantragte der Beschwerdeführer den Zuspruch der Eingabengebühr und Aufwandersatz im gesetzlichen Umfang.
8. Das Bundesamt legte am 09.01.2019 den Verwaltungsakt vor und beantragte die Beschwerde als unbegründet abzuweisen oder als unzulässig zurückzuweisen, festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft vorliegen sowie den Beschwerdeführer zum Ersatz des Vorlage- und Schriftsatzaufwandes der belangten Behörde zu verpflichten.
9. Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) wies die Beschwerde mit Erkenntnis vom 14.01.2019 gemäß Art. 28 Abs. 2 der Dublin III-VO iVm § 76 Abs. 2 Z 3 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet ab. Unter einem stellte es gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm Art. 28 Abs. 2 der Dublin III-VO iVm § 76 Abs. 2 Z 3 FPG fest, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlägen. Des Weiteren traf das BVwG diesem Ergebnis entsprechende Kostenentscheidungen. Schließlich sprach es gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
10. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 11.01.2019 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz, ohne in die Sache einzutreten, gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Litauen gemäß Art. 12 Abs. 2 der Dublin III-VO für die Prüfung des Antrages zuständig sei. Gleichzeitig wurde gegen den Beschwerdeführer die Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, angeordnet und ausgesprochen, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gem. § 61 Abs. 2 FPG nach Litauen zulässig sei.
Der dagegen erhobenen Beschwerde gab das BVwG mit Erkenntnis vom 25.01.2019, GZ W242 2213439-1/2E, statt, hob den Bescheid des Bundesamtes vom 11.01.2019 auf und ließ das Verfahren bezüglich des Antrags auf internationalen Schutz zu.
11. Der Beschwerdeführer erhob gegen das Erkenntnis des BVwG vom 14.01.2019 die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof.
12. Der Verwaltungsgerichtshof hob mit Erkenntnis vom 04.04.2019 das Erkenntnis des BVwG vom 14.01.2019 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts auf. Der Verwaltungsgerichtshof erwog unter anderem, dass die gegenständliche Schubhaft zwecks Sicherung des Verfahrens zur Überstellung des Revisionswerbers nach Litauen angeordnet worden sei. Dem sei die Annahme zugrunde gelegen, Litauen sei gemäß Art. 12 Abs. 2 der Dublin III-VO zur Prüfung des vom Beschwerdeführer in Österreich gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig, weil er im Besitz eines von diesem Staat ausgestellten Visums gewesen sei. Träfe diese Annahme nicht zu, wäre die Schubhaft von vornherein rechtswidrig. Entgegen den Ausführungen des BVwG sei gemäß Art. 12 Abs. 4 der Dublin III-VO der Mitgliedstaat zuständig, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden sei, wenn der Antragsteller ein Visum, aufgrund dessen er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates einreisen konnte, besitze, das seit mehr als sechs Monaten abgelaufen sei.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der unter Punkt I. geschilderte Verfahrensgang wird zur Feststellung erhoben.
Insbesondere wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer mit einem von der Botschaft der Republik Litauen am XXXX in Taschkent ausgestellten und vom 26.04.2018 bis 22.05.2018 gültigen Visum der Kategorie C ("Schengen-Visum"), Nr. LVA002358047, in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der Europäischen Union einreiste.
Der Beschwerdeführer stellte am 07.12.2018 im österreichischen Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.
Zum Zeitpunkt der Beantragung von internationalem Schutz im österreichischen Bundesgebiet war sein Visum bereits länger als sechs Monate abgelaufen.
Der Beschwerdeführer wurde von 08.12.2018 bis 28.01.2019 in Schubhaft angehalten.
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Akt des Bundesamtes, den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes, in das Zentrale Fremdenregister, in das Strafregister, in das Zentrale Melderegister und in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.
Die Feststellungen zum Verfahrensgang ergeben sich aus dem unbedenklichen Inhalt des Verfahrensaktes des Bundesamtes und des Aktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
Die Feststellungen betreffend das von der Botschaft der Republik Litauen am XXXX in Taschkent ausgestellten Visum ergeben sich aus einem Auszug aus dem Visa Informationssystems des Bundesministeriums für Inneres.
Dass der Beschwerdeführer am 07.12.2018 im österreichischen Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz stellte, ergibt sich aus dem unbedenklichen Inhalt des Verfahrensaktes des Bundesamtes.
Da das von der Botschaft der Republik Litauen am XXXX in Taschkent ausgestellte Visum von 26.04.2018 bis 22.05.2018 gültig war, ergibt sich, dass das Visum zum Zeitpunkt der Antragstellung am 07.12.2018 bereits länger als sechs Monate abgelaufen war.
Dass der Beschwerdeführer von 08.12.2018 bis 28.01.2019 in Schubhaft angehalten war, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt und den damit übereinstimmenden Angaben in der Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zu Spruchteil A. - Spruchpunkt I. - Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft
3.1.1. Gemäß § 76 Abs. 1 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77 FPG) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.
Gemäß § 76 Abs. 2 FPG darf die Schubhaft nur angeordnet werden, wenn
1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, 2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder 3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.
Gemäß Art. 28 Abs. 1 Dublin III-VO nehmen die Mitgliedstaaten eine Person nicht allein deshalb in Haft, weil sie dem durch diese Verordnung festgelegten Verfahren unterliegen.
Gemäß Art. 28 Abs. 2 Dublin III-VO dürfen die Mitgliedstaaten im Einklang mit dieser Verordnung, zwecks Sicherstellung von Überstellungsverfahren, wenn eine erhebliche Fluchtgefahr besteht und nur im Falle, dass Haft unverhältnismäßig ist und sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen, nach einer Einzelfallprüfung die entsprechende Person in Haft nehmen.
Der mit "Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft" überschriebene § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes lautet:
"§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn
1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,
2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder
3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.
(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.
(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.
(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.
(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.
(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig."
3.1.2. Die gegenständliche Schubhaft wurde zwecks Sicherung des Verfahrens zur Überstellung des Beschwerdeführers nach Litauen angeordnet. Dem lag erkennbar die Annahme zugrunde, Litauen sei gemäß Art. 12 Abs. 2 der Dublin III-VO zur Prüfung des vom Beschwerdeführers in Österreich gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig, weil er im Besitz eines von diesem Staat ausgestellten Visums gewesen sei. Träfe diese Annahme nicht zu, wäre die Schubhaft von vornherein rechtswidrig (vgl. VwGH 29.5.2018, Ro 2018/21/0005, Rn. 12).
Gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO ist - abgesehen von einer hier nicht gegebenen Ausnahme - der Mitgliedstaat, der das Visum erteilt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, wenn der Antragsteller ein gültiges Visum besitzt.
Gemäß Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO ist unter anderem der Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO nur dann anwendbar, wenn der Antragsteller ein Visum, aufgrund dessen er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, besitzt, das seit weniger als sechs Monaten abgelaufen ist. Besitzt der Antragsteller ein oder mehrere Visa, die seit mehr als sechs Monaten abgelaufen sind, aufgrund deren er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates einriesen konnte und hat er die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten nicht verlassen, so ist der Mitgliedstaat zuständig, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wird.
Im gegenständlichen Fall war der Beschwerdeführer Inhaber eines von der Botschaft der Republik Litauen in Usbekistan ausgestellten, vom 26.04.2018 bis zum 22.05.2018 gültigen Visum. Mit diesem Visum reiste der Beschwerdeführer in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten ein und in der Folge nach Österreich weiter, wo er am 07.12.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
Wie sich aus Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO ergibt, besteht die Zuständigkeit des das Visum ausstellenden Mitgliedstaats nicht mehr, wenn dessen Gültigkeit bereits seit sechs Monaten abgelaufen ist.
3.1.3. Das war in der gegenständlichen Konstellation schon im Zeitpunkt des Aufgriffs des Beschwerdeführers in Österreich am 06.12.2018 der Fall, weil die Gültigkeit des ihm von der Botschaft der Republik Litauen erteilten Visums bereits am 22.05.2018 geendet hatte. Demzufolge kam die Überstellung des Beschwerdeführers nach Litauen im Rahmen eines Verfahrens nach der Dublin III-VO von vornherein nicht (mehr) in Betracht, weshalb die zu diesem Zweck angeordnete Schubhaft von Anfang an rechtswidrig war.
Daran ändert nichts, dass die litauische Behörde auf das Aufnahmegesuch nicht innerhalb der hierfür gemäß Art. 28 Abs. 3 Unterabs. 2 der Dublin III-VO offen stehenden Frist von zwei Wochen geantwortet hatte (vgl. EuGH (Große Kammer) 7.6.2016, Ghezelbash, C-63/15, Rn. 61, und daran anschließend EuGH (Große Kammer) 26.7.2017, Mengesteab, C-670/16, Rn. 43 ff, insbesondere Rn. 59, 60 und 62, sowie EuGH (Große Kammer) 26.7.2017, A.S./Republik Slowenien, C-490/16, Rn. 32 ff). Vielmehr kann nach der zitierten Rechtsprechung des EuGH die richtige Anwendung der in Kapitel III der Dublin III-VO festgelegten Kriterien für die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates - ungeachtet einer bereits vorliegenden (ausdrücklichen oder stillschweigenden) Zustimmung eines anderen Mitgliedstaates zur Aufnahme des Antragstellers - zum Thema einer an das BVwG erhobenen Beschwerde gemacht werden (vgl. VwGH 18.10.2017, Ra 2017/19/0034, Rn. 17, mwH).
Es war daher der Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG iVm Art. 12 Abs. 4 der Verordnung EU Nr. 604/2013 (Dublin-III-VO) iVm § 76 Abs. 2 Z 3 FPG stattzugeben.
3.1.4. War der Schubhaftbescheid rechtswidrig, so muss das auch für die auf den Schubhaftbescheid gestützte Anhaltung gelten (VwGH vom 11.06.2013, 2012/21/0114). Die Anhaltung des BF in Schubhaft von 08.12.2018 bis 28.01.2019 war daher rechtswidrig.
3.2. Entfall einer mündlichen Verhandlung
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.
Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen.
3.3. Zu Spruchteil A. - Spruchpunkte II. bis IV. - Kostenersatz
3.3.1. Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).
3.3.2. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.
Im gegenständlichen Verfahren wurde sowohl gegen den im Spruch genannten Schubhaftbescheid als auch gegen die Anhaltung in Schubhaft Beschwerde erhoben. Sowohl der Beschwerdeführer als auch das Bundesamt haben einen Antrag auf Kostenersatz im Sinne des § 35 VwGVG gestellt.
Da der Beschwerde stattgegeben und sowohl der angefochtene Bescheid als auch die Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig erklärt werden, ist der Beschwerdeführer die obsiegende Partei. Ihm gebührt daher gemäß § 35 Abs. 1 und Abs. 2 VwGVG iVm § 1 Z. 1 VwG-AufwErsV Kostenersatz in der Höhe von EUR 737,60.
Dem Bundesamt gebührt als unterlegene Partei kein Kostenersatz.
Gemäß § 35 Abs. 4 VwGVG gelten als Aufwendungen gemäß Abs. 1 die Kommissionsgebühren sowie die Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen hat, die Fahrtkosten, die mit der Wahrnehmung seiner Parteirechte in Verhandlungen vor dem Verwaltungsgericht verbunden waren, sowie die durch Verordnung des Bundeskanzlers festzusetzenden Pauschalbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand. Den Ersatz der Eingabengebühr sieht § 35 VwGVG nicht vor, weshalb der diesbezügliche Antrag des Beschwerdeführers zurückzuweisen ist.
3.4. Zu Spruchteil B. - Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal der vorliegende Fall vor allem im Bereich der Tatsachenfragen anzusiedeln ist. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Schlagworte
Eingabengebühr, Kostenersatz, Rechtswidrigkeit, SchubhaftEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W250.2212444.1.01Zuletzt aktualisiert am
07.10.2019