Entscheidungsdatum
01.08.2019Norm
BFA-VG §22aSpruch
W117 2221015-1/16E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Druckenthaner als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Gambia, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.06.2019, Zahl: 1184097605 - 190636705/BMI-BFA_WIEN_RD, sowie die Anhaltung in Schubhaft vom 25.06.2019 bis 15.07.2019 zu Recht erkannt:
A)
I. Der Beschwerde wird gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG idgF, Art 2 lit n) und Art 28 Abs. 2. Dublin-VO, § 76 Abs. 2 Z. 3 FPG idgF, § 76 Abs. 3 1. Satz FPG idgF stattgegeben und der Schubhaftbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.06.2019, Zl. 1184097605 - 190636705/BMI-BFA_WIEN_RD, sowie die Anhaltung in Schubhaft vom 25.06.2019 bis 15.07.2019 für rechtswidrig erklärt.
II. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG idgF, hat der Bund dem Beschwerdeführer Aufwendungen in Höhe von € 1.659,60 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
III. Der Antrag der Verwaltungsbehörde auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG idgF abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer wurde zur beabsichtigten Schubhaftanordnung am 25.06.2019 niederschriftlich einvernommen; diese Einvernahme gestaltete sich - entscheidungswesentlich - wie folgt:
"L: Sie werden ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Sie im Fall von Verständigungsschwierigkeiten jederzeit rückfragen können.
Fühlen Sie sich heute psychisch und physisch in der Lage, die Einvernahme durchzuführen?
A: Ja.
L: Stehen Sie in ärztlicher Behandlung bzw. nehmen Sie Medikamente?
A: Nein, ich bin gesund.
L: Haben Sie gegen eine der anwesenden Personen wegen einer möglichen Befangenheit oder aus anderen Gründen Einwände?
A: Nein.
L: Haben Sie im gegenständlichen Verfahren einen Vertreter oder Zustellbevollmächtigten?
A: Nein
V: Ihnen werden die Anwesenden vorgestellt und der Zweck und Ablauf der Einvernahme erläutert. Sie werden davon in Kenntnis gesetzt, dass gegen Sie nunmehr ein Verfahren zur Erlassung einer Sicherungsmaßnahme geführt wird.
Zur Prüfung dieses Sachverhaltes sind Sie, auch in Ihrem Interesse einer möglichsten Vermeidung von Eingriffen in Ihre Rechte, zur mitwirkenden Klärung des Sachverhaltes verpflichtet und haben die Möglichkeit das Parteiengehör wahrzunehmen.
Verfahrensanordnung: Ihnen wird mitgeteilt dass kostenlos ein Rechtsberater durch das Bundesamt zur Seite gestellt wird. Zu diesem Zweck hat das Bundesamt den ARGE -Rechtsberatung .bestellt. Es steht Ihnen frei sich mit diesem zwecks Verfahrenshilfe ins Einvernahmen zu setzen. Ein Exemplar der Verfahrensanordnung wurde Ihnen ausgefolgt.
Vorhalt: Sie haben am 13.03.2018 in Österreich einen Asylantrag gestellt. Ein Konsultationsverfahren mit Italien ergab deren Zuständigkeit. Ihr Antrag wurde gemäß Artikel 5 AsylG zurückgewiesen und Sie nach Italien ausgewiesen. Sie brachten gegen diese Entscheidung eine Beschwerde ein, diese wurde vom BVwG als unbegründet abgewiesen. Der Bescheid erwuchs mit 11.07.2018 in II Instanz in Rechtskraft. Sie wurden bislang nicht nach Italien überstellt. Wo waren Sie aufhältig?
A: Am 13.07.2018 habe ich Österreich verlassen und reiste nach Deutschland. Ich war in Berlin und Magdeburg. Vor einer Woche bin ich nach Österreich zurückgekommen. Ich wollte meine Freundin sehen und dann nach Italien weiterreisen.
L: Haben Sie in Deutschland einen Asylantrag gestellt?
A: Ja, gleich nach der Ankunft in Berlin habe ich einen Asylantrag gestellt. Ich hatte einen Einvernahme und habe einen negativen Bescheid bekommen. Daraufhin habe ich beschlossen, nach Italien zurückzukehren.
Einvernahme wird für ED-Behandlung um 12.40 unterbrochen.
Ergebnis der ED-Behandlung eingelangt. Einvernahme wird um 13.10 Uhr fortgesetzt.
L: Wie lautete die Entscheidung der deutschen Behörden.
Sollten Sie nach Italien oder Gambia abgeschoben werden.
A: Die deutschen Behörden wollten mich nach ITALIEN abschieben.
L: Haben Sie sich nach der Rückkehr polizeilich gemeldet?
A: Nein, ich hatte nicht die Absicht, hier zu bleiben. Ich wollte nach ITALIEN.
L: Haben Sie Beweismittel oder Identitätsbezeugende Dokumente, die Sie vorlegen können und welche Sie bisher noch nicht vorgelegt haben?
A: Bei meinen Effekten befindet sich meine italienische Identitätskarte.
L: Haben Sie Familienangehörige in Österreich?
A: Nein
L: Es wird Ihnen zur Kenntnis gebracht, dass das Bundesamt aufgrund Ihrer Asylantragstellung in Deutschland ein Konsultationsverfahren mit Deutschland einleitet. Nach Einlangen der Zustimmung bekommen Sie im Zuge des Parteiengehörs, die Möglichkeit, zu diesem Sachverhalt Stellung zu nehmen und Sie nach Abschluss des Verfahrens nach Deutschland abzuschieben.
Es ist daher zur Sicherung dieser Maßnahmen beabsichtigt, gegen Sie die Schubhaft zu verhängen.
LA: Es konnte nicht erkannt werden, dass besondere Umstände in der Schubhaft entgegenstehen. Es besteht der dringende Verdacht, dass Sie bei einer Freilassung in die Anonymität abtauchen. Sie haben weder Verwandte noch eine Meldeadresse in Österreich. Möchten Sie noch irgendwelche Angaben machen.
VP: Ich möchte lieber nach Italien.
Der Schubbescheid wird Ihnen persönlich im Anschluss an diese Niederschrift zugestellt.
L: Ich beende jetzt die Befragung. Hatten Sie Gelegenheit alles vorzubringen, was Ihnen wichtig erscheint?
A: Ja
L: Haben Sie die Dolmetscherin einwandfrei verstanden, konnten Sie der Einvernahme folgen?
A: Ja.
L: Es wird Ihnen nunmehr die Niederschrift rückübersetzt und Sie haben danach die Möglichkeit noch etwas richtig zu stellen oder hinzuzufügen.
Anmerkung: Die gesamte Niederschrift wird wortwörtlich rückübersetzt.
L: Haben Sie nun nach Rückübersetzung Einwendungen vorzubringen?
A: Nein.
L: Wurde alles vollständig und richtig protokolliert?
A: Ja."
Mit im Spruch angeführten Bescheid der Verwaltungsbehörde wurde gemäß Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung iVm § 76 Abs. 2 Z 3 FPG über den Beschwerdeführer die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Überstellungsverfahrens angeordnet.
Die Behörde begründete ihre Entscheidung im Wesentlichen wie folgt:
(...)
Verfahrensgang
-
Ihr Antrag auf internationalen Schutz vom 13.03.2018 wurde ohne in die Sache einzutreten gem. § 5 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, als unzulässig zurückgewiesen. Für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz ist gemäß Artikel 18.1.d iVm. 25.2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates ITALIEN zuständig.
-
Mit Erkenntnis vom BVwG (GZ: W184 2197723-1/3E) erwuchs der Bescheid am 09.07.2018 in Rechtskraft II. Instanz.
-
Sie wurden am 24.06.2019 von der LPD NÖ am Bahnhofsplatz Felixdorf aufgegriffen und ein bestehender Festnahmeauftrag konnte vollzogen werden.
-
Eine erkennungsdienstliche Behandlung ergab das Sie bereits in Italien einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben. Es ist beabsichtigt, ein Konsultationsverfahren mit Italien zu führen und eine Anordnung zur Außerlandesbringung für Ihre Person zu erlassen.
-
Im Eurodac-Zentralsystem scheinen für Ihre Person mehrere Eurodac Treffer auf. Darunter scheint auch ein Treffer der Zahl IT 1CN01KQ8 vom 11.08.2015 auf.
-
Italien stimmte dem Konsultationsverfahren zu und eine Überstellung ist bis 30.09.2019 nach Italien möglich.
Sie wurden am 25.06.2019 zur möglichen Schubhaftverhängung einvernommen.
(...)
Beweismittel
Es wurden alle in Ihrem Akt Zl. IFA 1184097605 befindlichen Beweismittel sowie Ihre Befragungs- und Einvernahmeprotokolle herangezogen und gewürdigt.
Feststellungen
Der Entscheidung liegen folgende Feststellungen zugrunde:
Zu Ihrer Person:
Sie sind Staatsangehöriger aus Gambia. Sie sind Drittstaatsangehöriger.
Sie sind nicht österreichischer Staatsbürger.
Sie haben einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Dieser wurde mit Erkenntnis des BVwG am 09.07.2018 rechtskräftig negativ entschieden.
Sie sind volljährig.
Sie sind gesund und nehmen keine Medikamente.
Ihre Identität steht nicht fest.
Zu Ihrer rechtlichen Position in Österreich:
Sie unterliegen einem Verfahren nach der Dublin Verordnung
Es wurde ein Konsultationsverfahren nach der Dublin-Verordnung mit Italien eingeleitet. Eine Dublinüberstellung ist bis 30.09.2019 nach Italien möglich.
Zu Ihrem bisherigen Verhalten:
-
Sie hielten sich illegal in Österreich auf.
-
Sie haben mehrfach Asylverfahren im EWR Raum gestellt.
-
Im bisherigen Verfahren verhielten Sie sich unkooperativ, indem Sie sich dem Festnahmeauftrag entzogen haben und für die Behörden nicht greifbar waren.
-
Sie tauchten in Österreich unter, indem Sie keine aufrechte Meldeadresse haben. Sie haben keine alternative Wohnadresse bekannt gegeben.
-
Sie verfügen nicht über ausreichend Barmittel um Ihren Unterhalt zu finanzieren. Einer legalen Beschäftigung gehen Sie nicht nach.
-
Sie haben keinen ordentlichen Wohnsitz in Österreich und hielten sich bislang unangemeldet unter Verletzung des Meldegesetzes in Österreich auf.
-
Sie sind in keinster Weise integriert.
Zu Ihrem Privat- und Familienleben:
Sie sind in Österreich weder beruflich noch sozial verankert.
Sie haben keine Angehörigen in Österreich. Sie weisen im Bundesgebiet weder familiäre, noch berufliche oder andere relevante soziale Ankerpunkte auf.
Beweiswürdigung
Die von der Behörde getroffenen Feststellungen resultieren aus dem Inhalt Ihres BFA-Aktes, Zl. 1184097605, sowie aus Ihrer Einvernahme am 25.06.2019.
Rechtliche Beurteilung
(...)
In diesem Zusammenhang sind die Kriterien gem. § 76 Abs. 3 FPG zu beachten. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigten,
(...)
6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder;
(...)
9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.
(...)
Entsprechend ihres bisherigen Verhaltens begründen folgende Kriterien in Ihrem Fall eine Fluchtgefahr:
Sie haben bereits öfter im EWR Raum einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Sie verfügen über keine Barmittel, haben keine familiären Beziehungen und haben keinen ordentlichen Wohnsitz. Sie halten sich somit unter Verletzung der melderechtlichen Bestimmungen im Bundesgebiet auf und konnten keine alternative Wohnunterkunft nennen.
In Ihrem Fall besteht demnach erhöhte Gefahr des Untertauchens, somit wäre ein Verfahren auf freiem Fuß nicht zweckdienlich.
Am 24.06.2019 wurde der Festnahmeauftrag vollzogen da Sie im Zuge einer Personenkontrolle aufgehalten wurden.
Daher ist die Entscheidung auch verhältnismäßig. Ein Konsultationsverfahren ist bereits abgeschlossen worden und eine Dublinüberstellung ist bis 30.09.2019 möglich.
Die Sicherung des Verfahrens bzw. der Abschiebung ist erforderlich, da Sie sich aufgrund Ihres oben geschilderten Vorverhaltens als nicht vertrauenswürdig erwiesen haben. Es ist davon auszugehen, dass Sie auch hinkünftig nicht gewillt sein werden, die Rechtsvorschriften einzuhalten.
Aus Ihrer Wohn- und Familiensituation, aus Ihrer fehlenden sonstigen Verankerung in Österreich sowie aufgrund Ihres bisherigen Verhaltens kann geschlossen werden, dass bezüglich Ihrer Person ein beträchtliches Risiko des Untertauchens vorliegt.
Sie sind behördlich nicht gemeldet und somit für das fremdenrechtliche Verfahren nicht greifbar.
Zu Österreich bestehen keine beruflichen, sozialen oder familiären Bindungen. Ihre Familie lebt in Gambia.
Aus Ihrer Wohn- und Familiensituation, aus Ihrer fehlenden sonstigen Verankerung in Österreich sowie aufgrund Ihres bisherigen Verhaltens kann geschlossen werden, dass bezüglich Ihrer Person ein beträchtliches Risiko des Untertauchens vorliegt.
Einem geordneten Fremdenwesen kommt im Hinblick auf die öffentliche Ordnung und dem wirtschaftlichen Wohl des Staates ein hoher Stellenwert zu. Es besteht die Verpflichtung Österreichs, seinen europarechtlichen Vorgaben, als auch den Pflichten gegenüber seinen Staatsbürgern und anderen legal aufhältigen Personen nachzukommen.
Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft und ihrer Notwendigkeit ergibt daher in Ihrem Fall, dass Ihr privates Interesse an der Schonung Ihrer persönlichen Freiheit dem Interesse des Staates am reibungslosen Funktionieren der öffentlichen Verwaltung hintanzustehen hat.
Es wurde bereits ein Konsultationsverfahren nach der Dublin-Verordnung geführt. Eine Dublinüberstellung mit Italien ist bis 30.09.2019 möglich. Daher ist die Verhältnismäßigkeit der Schubhaft in Ihrem Fall gegeben.
Dabei wurde auch berücksichtigt, dass die Schubhaft eine ultima - ratio - Maßnahme darstellt. Es ist daher zu prüfen, ob die Anordnung gelinderer Mittel gleichermaßen zur Zweckerreichung dienlich wäre. In Betracht käme dabei das gelindere Mittel gem. § 77 FPG mit den dafür vorgesehenen Aufenthalts- und Meldepflichten bzw. der Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit. Dabei kommt die finanzielle Sicherheitsleistung aufgrund Ihrer finanziellen Situation schon von vornherein nicht in Betracht.
Doch auch was die Unterkunftsnahme in bestimmten Räumlichkeiten und die periodische Meldeverpflichtung betrifft, kann in Ihrem Fall damit nicht das Auslangen gefunden werden.
Wie oben ausführlich dargelegt, besteht in Ihrem Fall aufgrund Ihrer persönlichen Lebenssituation sowie aufgrund Ihres bisherigen Verhaltens ein beträchtliches Risiko des Untertauchens. Damit wäre jedoch der Zweck der Schubhaft, nämlich die Sicherung des Verfahrens bzw. der Abschiebung, vereitelt. Es liegt somit eine ultima - ratio - Situation vor, die die Anordnung der Schubhaftverhängung unabdingbar erfordert und eine Verfahrensführung, während derer Sie sich in Freiheit befinden, ausschließt.
Es ist weiters aufgrund Ihres Gesundheitszustandes davon auszugehen, dass auch die subjektiven Haftbedingungen, wie Ihre Haftfähigkeit, gegeben sind.
Sie gaben in der Einvernahme am 25.06.2019 an, gesund zu sein und keine Medikamente nehmen zu müssen.
Die Behörde gelangt daher zum Ergebnis, dass sowohl die gesetzlichen Formalerfordernisse vorliegen, als auch, dass die Schubhaft zum Zweck der Maßnahme in einem angemessenen Verhältnis steht und im Interesse des öffentlichen Wohls dringend erforderlich und geboten ist.
Gegen diesen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und die darauf aufbauende Anhaltung in Schubhaft erhob der Beschwerdeführer innerhalb offener Frist Beschwerde.
Begründend führte er aus:
"(...)
1. Sachverhalt (Kurzdarstellung)
Der BF stellte am 13.03.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher in zweiter Instanz mit Erkenntnis des BVwG rechtskräftig mit 09.07.2018 aufgrund der Zuständigkeit
Italiens zurückgewiesen wurde. Am 24.06.2019 wurde der BF im internationalen Reisezug NJ233 auf dem Weg von Wien nach Italien kontrolliert und festgenommen. Der BF wurde im Anschluss von der Polizei kurz befragt, wobei er angab, dass er nach Italien reisen wolle. Mit dem hier angefochtenen Bescheid vom 24.06.2019 wurde über den BF die Schubhaft verhängt. Die Schubhaft wird aktuell im PAZ Hernalser Gürtel vollzogen.
Im Fall des BF besteht jedoch keine (erhebliche) Fluchtgefahr. Jedenfalls wären gelindere Mittel zur Verfahrenssicherung ausreichend gewesen. Dies wird nachfolgend dargelegt.
2. Erhebliche Fluchtgefahr iSd Dublin-VO liegt nicht vor
Da im vorliegenden Fall die Schubhaft nach der Dublin III-VO zur Sicherung des Verfahrens zur Überstellung nach Italien verhängt wurde, sind zur Beurteilung des Sachverhaltes die in Art 28 der Dublin III-VO festgelegten Kriterien heranzuziehen. Gem Art 28 Abs 2 darf eine
Person nur nach Durchführung einer Einzelfallprüfung in Haft genommen werden und nur im Falle dass Haft verhältnismäßig ist und sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen.
Im vorliegenden Fall erweist sich die Argumentation der belangten Behörde, warum Fluchtgefahr vorliegen soll, als höchst unschlüssig.
Aus dem bisherigen behördlichen Aktivitäten im gegenständlichen Fall und insbesondere aus dem hier angefochtenen Schubhaftbescheid ergibt sich unzweifelhaft, dass die belangte Behörde beabsichtigt, den BF gem Dublin III-VO nach Italien abzuschieben. Dies ist vor allem deshalb beachtlich, da der BF im Zeitpunkt seiner Festnahme im Begriff war, selbständig nach Italien auszureisen.
Die belangte Behörde stellt im angefochtenen Bescheid fest, dass der BF am Bahnhofsplatz
Felixdorf aufgegriffen worden sei. Tatsächlich wurde der BF - wie auch aus der
Festnahmemeldung der L PD Wien hervor geht - nicht auf dem Bahnhofsplatz, sondern im
Reisezug NJ233 kontrolliert und in Folge festgenommen. Entgegen der Sachverhaltsdarstellung in der Festnahmemeldung der LPD Wien, befand sich der BF allerdings nicht auf dem Weg von Rom nach Wien, sondern von Wien nach Rom. Der Rechtsvertretung des BF war es nur möglich, die Festnahmemeldung einzusehen, nicht hingegen, in das polizeiliche Anhalteprotokoll Einsicht zu nehmen, da dieses von der belangten Behörde ohne Angabe von Gründen von der Akteneinsicht ausgenommen wurde. Zum Beweis dafür, dass der BF im Zeitpunkt seiner Festnahme auf dem Weg nach Italien und somit im Begriff war, seiner Ausreiseverpflichtung Folge zu leisten, wird ein Foto des Zugtickets vorgelegt, welches sich bei den Effekten des BF im PAZ Hernalser Gürtel befindet.
Weiters wird zum Beweis dafür, dass der BF auf dem Weg nach Italien war, die zeugenschaftliche Einvernahme seiner Lebensgefährtin, Frau XXXX , ladbar p.A. XXXX 1230 Wien beantragt. Diese hat den BF am Hauptbahnhof in Wien zum Zug nach Rom und bis zu seinem Sitzplatz begleitet.
Da der BF beabsichtigte, von sich aus in den zuständigen Mitgliedstaat weiterzureisen, ist die Annahme, der BF würde sich dem Verfahren zur Überstellung nach Italien entziehen, unbegründet. Dieser Versuch, selbständig nach Italien zu reisen, zeigt, dass der BF sich auch einer behördlichen Überstellung nicht widersetzen bzw. diese nicht behindern würde. Argumente für die gegenteilige Ansicht bringt die belangte Behörde nicht in nachvollziehbarer Form vor.
Hintergrund der Reisebewegung ist, dass im Asylverfahren in Deutschland die Zuständigkeit
Italiens festgestellt und sein dort gestellter Antrag als unzulässig zurückgewiesen wurde. In Entsprechung dieser Entscheidung wollte der BF - wie auch von ihm im Rahmen der Einvernahme vor der belangten Behörde vorgebracht - nach Italien ausreisen. Der Umstand, dass der BF auch in Deutschland einen Asylantrag gestellt hat, vermag insofern keine Fluchtgefahr zu begründen, als der BF selbst angegeben hat, dass er in Entsprechung der negativen Entscheidung in Deutschland nach Italien ausreisen wollte. Die von der belangten Behörde ins Treffen geführte vermeintliche fehlende soziale Verankerung, fehlende Barmittel, sowie fehlende Meldeadresse ist in einer klassischen Dublin-Konstellation ebenso nicht geeignet, eine erhebliche Fluchtgefahr zu begründen (vgl VwGH 30.08.2011, 2008/21/0498).
Somit gelingt es der Behörde nicht, im angefochtenen Bescheid das Vorliegen erheblicher Fluchtgefahr aufzuzeigen. Ganz im Gegenteil, versuchte der BF sogar freiwillig in den zuständigen Mitgliedstaat Italien auszureisen.
3. Zu den Voraussetzungen für die Anwendbarkeit gelinderer Mittel
Selbst bei Bestehen erheblicher Fluchtgefahr - was ausdrücklich in Abrede gestellt wird - ist die Schubhaft nur bei Vorliegen von Verhältnismäßigkeit zulässig und nur wenn gelindere Mittel nicht zur Zweckerreichung geeignet wären (§ 77 Abs 1 FPG und Art 28 Abs 2
Dublin III-VO). Grundsätzlich gilt der Vorrang des gelinderen Mittels (VfGH 03.10.2012, G 140/11 ua - (386/12 ua). Hier wäre es an der belangten Behörde gelegen, darzulegen, warum ein gelinderes Mittel anstatt der Schubhaft nicht in Frage kommt. Dies ist jedoch nicht in nachvollziehbarer Weise erfolgt. Dies trifft insbesondere auf das gelindere Mittel der Unterkunftnahme in bestimmten Räumlichkeiten gem § 77 Abs 3 Z 1 FPG zu.
Geht man - wie die belangte Behörde dies offenkundig tut - davon aus, dass der BF nicht berechtigt war, selbständig in den zuständigen Mitgliedstaat auszureisen, sondern dass er die behördlich organisierte Überstellung nach Italien hätte abwarten müssen, so ist es keineswegs nachvollziehbar, dass der BF dieses Verfahren im Stande der Schubhaft abwarten muss. Bei entsprechender Darlegung der Rechtslage wäre der BF jedenfalls einverstanden gewesen, dass er die Dauer des Konsultationsverfahrens und die weitere Zeit bis zur Überstellung in einer von der Behörde organisierten Unterkunft gern § 77 Abs 3 Z 1 FPG abwartet. Der BF hätte sich diesem gelinderen Mittel nicht entzogen. Somit wäre jedenfalls ein gelinderes Mittel ausreichend zur Verfahrenssicherung gewesen.
III. Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung
Sollte das Bundesverwaltungsgericht beabsichtigen, nicht antragsgemäß zu entscheiden, wird ausdrücklich die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung zur Klärung des maßgeblichen Sachverhaltes beantragt.
Die beweiswürdigenden Überlegungen im angefochtenen Bescheid wurden nicht ausreichend offen gelegt, der festgestellte Sachverhalt wurde in der Beschwerde substantiiert bestritten.
Weiters wurde die Nicht-Anwendbarkeit gelinderer Mittel, nämlich die periodische
Meldeverpflichtung nicht hinreichend geprüft und nachvollziehbar begründet. Eine mündliche Verhandlung erweist sich daher als erforderlich (vgl VwGH 28.05.2014, VwGH 28.05.2014, 2014/20/0017; VwGH 20.10.2016, 2016/21/0243).
IV. Zum Antrag auf des Aufwandes gem § 35 VwGVG
Gem § 35 Abs 1 und 4 Z 3 VwGVG stehen der obsiegenden Partei im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt der Ersatz der Aufwendungen gem VwG-Aufwandersatzverordnung (BGB'. Il Nr. 517/2013) zu. Daher beantragt der BF gern § 1 Z 1 VwG-Aufwandersatzverordnung als
Ersatz des Schriftsatzaufwands als obsiegende Partei iHv 737,60 Euro. Für den Fall der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wird zusäÞlich ein Ersatz des
Verhandlungsaufwands des BF als obsiegende Partei iHv 922,00 Euro beantragt.
Der BF beantragt darüber hinaus gem § 35 Abs 1 iVm Abs 4 Z 1 VwGVG den Ersatz sämtlicher Kommissionsgebühren und Barauslagen, für die er aufzukommen hat, insbesondere die Gebühren für Dolmetscher und Sachverständige, die diese für ihre
Aufwendungen im gegenständlichen Verfahren geltend machen.
Aus den genannten Gründen wird beantragt, das BVwG möge
* eine mündliche Verhandlung unter Einvernahme des BF und der oben genannten Zeugin zur Klärung des maßgeblichen Sachverhaltes durchführen;
* den angefochtenen Bescheid beheben und aussprechen, dass die Anordnung von Schubhaft und die bisherige Anhaltung in Schubhaft in rechtswidriger Weise erfolgte;
* im Rahmen einer "Habeas Corpus Prüfung" aussprechen, dass die Voraussetzungen zur weiteren Anhaltung des BF nicht vorliegen;
* der belangten Behörde den Ersatz der Aufwendungen gem VwGAufwandersatzverordnung sowie der Kommissionsgebühren und Barauslagen, für die der BF aufzukommen hat, auferlegen."
Mit der Beschwerdevorlage vom 13.06.2019 gab das BFA folgende Stellungnahme ab:
"(...)
Der Antrag auf internationalen Schutz vom 13.03.2018 wurde ohne in die Sache einzutreten gem. § 5 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, als unzulässig zurückgewiesen und eine Anordnung zur Ausserlandesbringung nach Italien gegen den Bf. erlassen. Für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz ist gemäß Artikel 18.1.d iVm. 25.2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates ITALIEN zuständig.
Mit Erkenntnis vom BVwG (GZ: W184 2197723-1/3E) erwuchs der Bescheid am 09.07.2018 in Rechtskraft II. Instanz.
Der Bf. wurde am 24.06.2019 von der LPD NÖ am Bahnhofsplatz Felixdorf aufgegriffen und aufgrund eines bestehenden Festnahmeauftrag vom 4.7.2018 festgenommen.
Im Eurodac-Zentralsystem scheinen für Ihre Person mehrere Eurodac Treffer auf. Darunter scheint auch ein Treffer der Zahl IT 1CN01KQ8 vom 11.08.2015 auf.
Es wurde ein Konsultationsverfahren mit Italien geführt, Italien stimmte diesem zu, eine Über-stellung ist bis 30.09.2019 nach Italien möglich.
Zu seinem tatsächlichen Aufenthalt und den persönlichen Verhältnissen gab der Bf. an, daß er nach Eintritt der Rechtskraft des abweisenden Bescheides am 13.07.2018 nach Deutschland ausgereist sei und in Berlin einen Asylantrag gestellt hatte. Dieser Antrag wurde ebenfalls negativ entschieden, er habe daraufhin beschlossen, nach Italien zurückzukehren.
Er sei eine Woche vor seinem Aufgriff nach Österreich zurückgekehrt. Ich wollte eine Freundin besuchen und dann nach Italien weiterreisen.
Am 25.6.2019 wurde gegen den Bf. zur Sicherung der Abschiebung Schubhaft verhängt und der Bescheid dem Bf. ordnungsgemäß zugestellt.
Der Sicherungsbedarf begründete sich auf mehrere Punkte gem. § 76 Abs. 3:
-
Die Identität des Bf. steht mangels eines Personendokumentes nicht fest. Die Daten zu seiner Person beruhen auf die unbewiesenen Angaben des Bfs.
-
der Bf. versuchte durch wiederholtes Stellen von ungerechtfertigten Asylanträgen seinen Aufenthalt im Bundesgebiet bzw. in einem Mitgliedsstaat zu verlängern.
-
Er entzog sich in einem Mitgliedsstaat seinen Asylverfahren.
-
unbekannter Aufenthalt des Bfs., der Bf. war für die Behörde nicht greifbar und hat zu seinem tatsächlichen Aufenthalt keine Angaben gemacht.
-
Punkt 9 trifft in vollem Umfang zu (keine soziale Verankerung, kein gesicherter Wohnsitz, keine behördliche Meldung, keine legale Erwerbstätigkeit, keine ausreichenden Existenzmittel).
Die Schubhaft wurde nicht als Standard-Maßnahme angewendet, sondern es konnten aufgrund des bisherigen Verhaltens zurzeit keine Gründe gefunden werden, welche eine Abstandnahme von dieser Sicherungsmaßnahme rechtfertigen würden.
Der Bf. verfügt über kein gültiges Reisedokument, er kann das Bundesgebiet nicht legal verlassen. Der Bf. ist nach eigenen Angaben etwa eine Woche vor seinem Aufgriff in Österreich eingereist, er hat behauptet, nach Italien weiterreisen zu wollen. Diese Behauptung kann der Bf. jedoch nicht untermauern. Es besteht für die Behörde keine Garantie, daß der Bf. auch tatsächlich seinen in Österreich unrechtmäßigen Aufenthalt beenden wird.
Der Bf. verfügt über keine ausreichenden Barmittel zu Bestreitung seines Lebensunterhaltes. Er hat über die Art und Weise, wie er seinen Lebensunterhalt bestreitet, keine Angaben gemacht. Fest steht, daß der Bf. keine Aussichten hat, legal einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.
Der Bf. ist in Österreich weder beruflich noch sozial verankert. Er hat keinen ordentlichen Wohnsitz begründet und nimmt in einem Quartier des Vereins Ute-Bock Unterkunft. Er ist nicht behördlich gemeldet. Er kann auch keine Angaben zum Aufenthalt seiner Lebensgefährtin und seines Sohnes machen, er lebt nicht in gemeinsamem Haushalt.
Es bestand der begründete Verdacht, dass der Bf., auf freiem Fuß belassen, sich dem folgenden fremdenrechtlichen Verfahren und somit seiner Abschiebung zu entziehen suchen werde.
Eine Entlassung des Bfs. aus der Schubhaft in ein Gelinderes Mittel mit Anordnung einer Unterkunftnahme mit periodischer Meldeverpflichtung erschien aus diesen Aspekten und aufgrund der bevorstehenden Außerlandesbringung als nicht verfahrenssichernd.
Aus der Wohn- und Familiensituation des Bfs., aus seiner fehlenden sonstigen Verankerung in Österreich sowie aufgrund seines bisherigen Verhaltens konnte geschlossen werden, dass bezüglich des Bfs. ein beträchtliches Risiko des Untertauchens vorliegt.
Nach Zustimmung Italiens zur Rückübernahme des Bfs. wurde ein Überstellungstermin für den 15.7.2019 festgelegt und ein Flug nach Rom gebucht.
Angemerkt wird, dass der Bf. bisher noch nicht zur Verhinderung seiner Überstellung in Hungerstreik getreten ist.
Am 9.7.2019 langte hieramts gegenständliche Beschwerde ein.
Dem Vorwurf der Unverhältnismäßigkeit der Haft wird insofern entgegengetreten, als der Bf. für die Behörde nicht greifbar war und mehrere Punkte eines Sicherungsbedarfes gem. § 76 Abs. 3 vorlagen.
Den privaten Interessen des Bf. und seinem Recht auf persönliche Freiheit stehen die öffentlichen Interessen an der Beendigung seines unrechtmäßigen Aufenthaltes im Sinne eines geordneten Fremdenwesens gegenüber und fallen hier stärker ins Gewicht.
Es wird beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge
1. die Beschwerde als unbegründet abweisen,
2. den Beschwerdeführer zum Ersatz der unten angeführten Kosten verpflichten.
Ersatz für den Vorlageaufwand der belangten Behörde € 57,40
Ersatz für den Schriftsatzaufwand der belangten Behörde € 368,80
Summe € 426,20"
Die Verwaltungsbehörde gab (auch noch) unmittelbar vor der für 15.07.2019 anberaumten Verhandlung bekannt, dass der Beschwerdeführer am Vormittag desselben Tages nach Italien rücküberstellt wurde.
Am 15.07.2019 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche, mündliche Verhandlung durchgeführt - diese nahm folgenden Verlauf.
"(...)
Eröffnung des Beweisverfahrens
Verlesen wird der Akteninhalt; insbesondere der Bericht der LPD NÖ vom heutigen Tag; der BF wurde um 11:33 Uhr außer Landes gebracht.
Insbesondere wurde entsprechend der Beschwerdeausführungen Einsicht genommen in die Festnahmemeldung. Die Festnahmemeldung vom 24.06.2019; zufolge der darin enthaltenen Sachverhaltsdarstellung befand sich der BF im Reisezug NJ 233 auf dem Wege von Rom nach Wien. Auf der Höhe des Bahnhofes Felixdorf wurde er festgenommen.
In Bezug auf die Festnahmemeldung sticht ins Auge die Diskrepanz zwischen den Ausführungen des Vorfalls-Ort "in Reisezug NJ 233 von Wien nach Rom..." und der Sachverhaltsdarstellung im Reisezug NJ 233 auf dem Wege von Rom nach Wien....
Aufgrund dieser Diskrepanz wurde im Internet auf ÖBB Fahrplan Einsicht genommen. Die Einsichtnahme ergab folgendes Ergebnis: Um die in der Festnahmemeldung angeführte Uhrzeit fährt gar kein Zug von Rom nach Wien; beim NJ 233 (nightjet) handelt es sich um einen Zug von Wien nach Rom.
Festgehalten wird, dass die RV mit der Beschwerde ein Zugticket vom 24.06.2019, die Strecke Wien nach Rom, in Kopie mitübersandte.
RV gibt dazu an, dass es sich dabei um eine online Buchung handelte, bei der Vorlage handelte es sich um ein Online Ausdruck. Das Ticket wurde von der in der Beschwerde angeführten und namenhaft gemachten Zeugin.
Festgehalten wird, dass die Verwaltungsbehörde eine Stellungnahme abgab, diese wird verlesen.
Zur Problematik, ob sich der BF in einem Zug von Rom nach Wien oder umgekehrt befand, findet sich in der Stellungnahme keine Ausführung.
RV gibt nach Verlesung dazu an, dass sich daraus für sie nicht erhebliche Fluchtgefahr ableitet.
Festgehalten wird, dass der BF am 25.06.2019 zur möglichen Schubhaftverhängung von einem Organ der Verwaltungsbehörde einvernommen wurde. Die Niederschrift wird gleichfalls verlesen.
RV bringt vor, dass sich aus den Angaben des BF ergäbe, dass er nach Italien wolle und nicht in Österreich bleiben möchte. BF verfügte zumindest über ein italienisches Ausweisdokument, eine sogenannte Identitätskarte.
Ich bitte die Zeugin hereinzuholen.
Beginn der Einvernahme der Zeugin:
Die Befragung der Zeugin beginnt um 14:10 Uhr.
Festgehalten wird, dass die Zeugin sich mit einem gültigen Reisepass (oben eingetragen) ausweist hat.
RI: Sie wurden von der RV namenhaft gemacht und zwar als Lebensgefährtin des BF.
Z: Ich bin eigentlich nicht die Lebensgefährtin, viel mehr Freundin, ich war mit ihm 3 Monate, wie er in Österreich war, zusammen.
RI belehrt die Z nach den einschlägigen Bestimmungen des AVG.
Die Zeugin gibt an, sie will auf jeden Fall aussagen.
Die Zeugin wird nochmals wahrheitsbelehrt.
Z: Wie gesagt, ich war mit ihm 3 Monate zusammen, als er in Österreich war, von Mitte April/ Anfang Mai bis ich glaube 17. Juli und dann ging er aber nach Deutschland.
RI: Hat er in dieser Zeit bei Ihnen gelebt?
Z: Nein, er hat auch in diesen 3 Monaten nicht bei mir gelebt. Ich habe mich nur so mit ihm getroffen.
RI: Wie Sie es darstellen, war es nicht sehr intensiv.
Z: Wir waren eher nur befreundet.
RI: Die RV hat gesagt, dass SIE das Ticket gekauft haben, ist dies Richtig?
Z: Ja, das ist richtig. Ich habe es online gekauft. Er war in Deutschland, hatte eine negative Entscheidung bekommen und wollte dann nach Italien zu seinem Bruder nach Napoli. Er hat dann gemeint, er will mich besuchen. Er ist am 17. Juni gekommen und am 24. Juni ist er wieder gefahren. Er hat bei mir in dieser Zeit auch genächtigt.
RI: Was sagte er Ihnen, er wolle ja nach Italien?
Z: Ja, weil er dort als Erntehelfer arbeiten kann. Außerdem sein Bruder in Napoli lebt. Mit dem Bruder selbst hatte ich nur insofern kontakt, während der Haftzeit des BF, wie es dem BF ginge und wann er nach Italien käme.
RI: In den 3 Monaten seines Aufenthaltes den Sie vorhin beschrieben haben, wovon hat er da gelebt?
Z: Er war als "Flüchtling" in Österreich registriert und hat vom Stadt bekommen. Ich konkretisiere meine Angaben, ich meinte Asylsuchender, weil er ist ja dann abgelehnt worden. In den 5 Tagen bei mir, hat er auch nicht von mir gelebt, er hatte einige Ersparnisse. Er hatte sich selbst billige Sachen gekauft und sich selbst gekocht. Das ich ihn melden hätte sollen/müssen, daran habe ich schon alleine deswegen nicht gedacht, weil wenn ein Freund ein paar Tage bei einem übernachtet, denkt man nicht daran.
Z: Ich möchte noch anführen, dass ich ihm auch noch ein Ticket von Rom weiter nach Napoli kaufte und dies Online gekauft habe.
Die Z zeigt dem RI die Flixbus Buchungsbestätigung #1043132638 von 24.06.2019, 21:30 Uhr Linie 576, Richtung Bari für 25.06.2019, 13:25 Uhr Roma Tiburtina (Busbahnhof) nach Napoli (Metropark Zentrale)
Sitz: 3A.
Z: Ich hatte diese Buchung natürlich storniert, als ich erfahren hatte, dass sie ihn aus dem Zug geholt haben.
Die Z zeigt dem RI die Buchungsstornierung vom 24.06.2019, 22:24 Uhr.
Das Handy wird nach Einsichtnahme wieder retourniert.
RI: Was können Sie sonst noch über den BF sagen? Wissen Sie etwas über Familienangehörigen in Österreich?
Z: Ich weiß nur bisschen was über seine Familie. Er hat niemanden hier in Österreich. Er hatte einen Freund in der Jägerstraße, es ist auch ein Gambianer mit dem er in Traiskirchen zusammen war.
RV: Haben Sie gesehen, wie der BF in den Zug eingestiegen ist?
Z: Ja, es war der Zug von Wien nach Rom und ich habe ihn zum Hauptbahnhof gebracht, weil er sich in Wien nicht auskennt. Ich habe ihn auch noch in den Wagon gesetzt, weil ein Teil vom Zug nach Triest oder nach Mailand fährt und er dann abgekoppelt wird an der Grenze.
RV hat keine weiteren Fragen an die Z.
RI: Wissen Sie etwas über die Vermögensverhältnisse?
Z: Nein.
RI: Während der BF in Deutschland war, hatten Sie Kontakt?
Z: Ich habe ihn zwei Mal besucht, ich wollte mir Berlin und Hamburg ansehen. Wir haben uns getroffen und gemeinsam was unternommen.
RI: Wann haben Sie ihn genau besucht?
Z: Es war im September 2018 und im Dezember 2018. Ich habe ihn zwei Mal besucht.
RI: Wo war er untergebracht?
Z: Er war in Markte Burg in einem Flüchtlingsheim untergebracht.
RV hat keine weiteren Fragen an die Z.
RI entlässt die Z aus dem Zeugenstand um 14:32 Uhr.
RV betont nochmals, dass keine erhebliche Fluchtgefahr besteht.
RV besteht, ich halte nochmals fest, er war im Zug von Österreich nach Italien, im Besonderen innerhalb von Italiens wäre er von Rom nach Neapel (Napoli) zu seinem Bruder gefahren, außerdem hätte er als Erntehelfer arbeiten können. Er hat in der Einvernahme ausdrücklich betont, nicht in Österreich bleiben oder gar untertauchen zu wollen. Nach dem Abschluss des Asylverfahrens hat er offensichtlich die Lage eingesehen und war geradewegs nach Italien unterwegs.
RV modifiziert die in der Beschwerde gestellten Anträge dahingehend, dass durch die heutige Abschiebung des BF nach Italien der entsprechende Antrag obsolet ist; nochmals wird aber betont, dass sowohl der Bescheid als auch die darauf bauende Anhaltung bis zur Abschiebung rechtswidrig festzustellen ist."
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die Beschwerde wie folgt erwogen:
Feststellungen:
Der Beschwerdeführer (nachfolgend auch als BF bezeichnet), ein Staatsangehöriger Gambias, stellte am 13.03.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher schließlich in zweiter Instanz mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes, W184 2197723-1/3E rechtskräftig mit 09.07.2018 aufgrund der Zuständigkeit Italiens zurückgewiesen wurde.
Während seines Aufenthaltes in Österreich hatte der Beschwerdeführer im Zeitraum "Mitte April/ Anfang Mai bis ich glaube 17. Juli" eine österreichische Freundin, welche mit "ihm zusammen war" (Zeugenaussage).
Nach der rechtskräftig negativen Entscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht begab sich der Beschwerdeführer selbständig nach Deutschland, wo er ebenfalls einen Asylantrag stellte; auch dieser wurde negativ - mit der Begründung der Zuständigkeit Italiens - entschieden (Verwaltungsakt). Während seines Aufenthaltes in Deutschland - der Beschwerdeführer war in einem Flüchtlingsheim in Magdeburg untergebracht, besuchte ihn die Freundin zweimal, und zwar im September und Dezember 2018 (Zeugenaussage).
Daraufhin nahm der Beschwerdeführer mit oben angeführter Freundin telefonischen Kontakt auf, wobei er der Freundin mitteilte, dass er nach Italien zu seinem Bruder zurückkehren und sie auf dem Rückweg besuchen wolle.
Der Beschwerdeführer hat einen Bruder in Napoli und hätte als Erntehelfer in Italien arbeiten können - der Bruder hatte während der Schubhaftanhaltung des Beschwerdeführers Kontakt mit der Freundin des Beschwerdeführers, erkundigte sich nach seinem Befinden und fragte nach, wann dieser nach Italien zurückkehre. In Österreich hat der Beschwerdeführer außer der angeführten Freundin keine nennenswerten sozialen Bezugspunkte (Zeugenaussage).
Der Beschwerdeführer reiste also am 17. Juni 2019 selbständig nach Österreich ein und hielt sich bis zum 24. Juni 2017 bei seiner Freundin auf; "dass ich ihn melden hätte sollen/müssen, daran habe ich schon alleine deswegen nicht gedacht, w