Entscheidungsdatum
02.08.2019Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
L511 2219474-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Sandra Tatjana JICHA als Vorsitzende und den Richter Dr. Martin DIEHSBACHER sowie den fachkundigen Laienrichter RR Johann PHILIPP als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice Landesstelle Oberösterreich vom 13.05.2019, Zahl: OB XXXX , betreffend Abweisung des Antrags auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang und Verfahrensinhalt
1. Verfahren vor dem Sozialministeriumservice [SMS]
1.1. Der Beschwerdeführer verfügt seit 16.12.1994 über einen Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 60% (Aktenzahl der elektronisch übermittelten Aktenteile [AZ] 2.20). Am 09.07.2018 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO (Parkausweis), welcher auch als Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" in den Behindertenpass gilt (AZ 2.6). Der Beschwerdeführer legte dazu im Verfahren medizinische Befunde vor (AZ 2.7-2.10).
1.2. Das SMS holte in der Folge zur Zusatzeintragung ein Sachverständigengutachten aus dem Fachgebiet der Orthopädie ein. Dieses Gutachten vom 04.12.2018 wurde auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 30.10.2018 und unter Einbeziehung der vorgelegten aktuellen Befunde erstattet. Als Ergebnis der Begutachtung wurde zur Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ausgeführt (AZ 2.17):
"Der Antragsteller ist in seiner Gehleistung eingeschränkt, unter Verwendung einer Stützkrücke rechts können aber 400-500m zurückgelegt werden. Er kann auch höhere Niveauunterschiede (bis 30 cm) zum Ein- und Aussteigen in ein öffentliches Verkehrsmittel überwinden. Es konnte auch keine Einschränkung der Standhaftigkeit erhoben werden. Diese insbesondere in Bezug auf das sichere Stehen, die Sitzplatzsuche oder bei einer notwendig werdenden Fortbewegung im öffentlichen Verkehrsmittel während der Fahrt. Weiters ist die Benützung von Haltegriffen und -stangen möglich."
1.3. Mit Schreiben vom 12.12.2018 übermittelte das SMS dem Beschwerdeführer das Gutachten vom 04.12.2018 mit dem Hinweis, dass dem dem Beschwerdeführer die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar sei sowie mit der Möglichkeit, binnen zwei Wochen nach Erhalt des Schreibens eine Stellungnahme abzugeben (AZ 2.16).
1.4. Mit Schreiben vom 18.12.2018 brachte der Beschwerdeführer vor, dass im laufenden Jahr zu den bereits wiederholt geschilderten Gesundheitsschädigungen noch ein schwerer Rotlauf (Bullöses Erysipel) dazugekommen sei. Er habe Beschwerden mit der Durchblutung und anschwellen des Unterschenkels bei längerer Belastung mit Gefühlsstörungen. Ebenfalls belaste ihn das schwere Schädelhirntrauma von 1985 ständig durch Kopfschmerzen und Konzentrationsstörungen. Dazu komme noch der Bandscheibenvorfall und die 2malige Auswechslung des linken Hüftgelenks. Es gehe ihm nicht um die Gratisvignette, sondern um den "Ausweis §29", der ihm als Berufstätigen das Parken in Eingangsnähe von Firmen und Krankenhäusern erleichtere, und ihm den beschwerlichen Fußmarsch erspare (AZ 2.8).
1.5. Im Zuge des vom SMS weitergeführten Ermittlungsverfahrens holte das SMS ein Sachverständigengutachten vom 10.05.2019 aus dem Fachgebiet der Neurologie ein. Dieses wurde auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 26.04.2019 sowie unter Einbeziehung des Vorgutachtens und neuer Befunde erstattet. Die vorhandene Funktionseinschränkungen wurden den entsprechenden Leidenspositionen nach der Einschätzungsverordnung zugeordnet und zur Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgestellt (AZ 2.20).
"Aufgrund der anhaltenden Kreuzschmerzen sowie des stattgehabten Rotlaufes am rechten Unterschenkel ist der Antragsteller zwar in seiner Gehleistung eingeschränkt, die allerdings unter Verwendung einer Unterarmstützkrücke zur Stabilisierung auf eine Strecke von mehr als 400 m erweitert werden kann. Es bestehen beim Antragsteller keine Lähmungserscheinungen, ebenfalls keine in Bezug auf den Rotlauf objektivierbaren dauerhaften Sensibilitätsstörungen. Im engeren Sinne können Niveauunterschiede, die in öffentlichen Verkehrsmitteln üblich sind, aufgrund der fehlenden Lähmungserscheinungen problemlos überwunden werden. Es besteht auch eine ausreichende Standfestigkeit ohne Hinweis auf eine posturale Instabilität. Dies gilt auch in Bezug auf das sichere Stehen, die Sitzplatzsuche oder bei einer notwendig werdenden Fortbewegung in öffentlichen Verkehrsmitteln während der Fahrt. Dem Antragsteller ist die Benützung von Haltegriffen und Stangen möglich. Der neu vorgelegte Befund ergibt keine entscheidende Erweiterung der Befundlage."
1.6. Mit Bescheid des SMS vom 13.05.2019, Zahl: XXXX , wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 09.07.2018 gemäß §§ 42 und 45 BBG abgewiesen, da beim Beschwerdeführer die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung nicht vorlägen (AZ 2.21).
Begründend verwies das SMS auf die Ergebnisse des Gutachtens vom 10.05.2019, welches als schlüssig erkannt wurde. Das Gutachten wurde als Beilage zum Bescheid übermittelt.
1.7. Mit Schreiben vom 20.05.2019 erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde [Bsw] gegen den oben bezeichneten Bescheid des SMS (AZ 1.2).
Darin führt der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, er erfülle Punkt 2 und 3 der geforderten Maßnahmen für den Zusatzeintrag. Er führt dazu aus: "Punkt2 - erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit. - Das entspricht meinem Krankheitsbild (Rotlauf mit Gefühlsstörungen, Bandscheiben, Hüfte, LWS, etc. - alles wie vermerkt). Punkt3 - erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer Fähigkeiten.- Entspricht ebenfalls meinem Krankheitsbild (schweres Schädel-Hirn Trauma mit Beschwerden wie angegeben, LWS)".
Die Ausführungen des Sachverständigen seien in einem Punkt zu bestreiten. Dieser führe an: "Untere Extremitäten: Bräunliche Verfärbung im Bereich des rechten Unterschenkels, KEINE SCHWELLUNG". Er sei jedoch gerade wegen dieser Schwellung in Behandlung bei der GKK, diese sei auch für jeden sichtbar und gerade deshalb habe er auch Gefühlsstörungen. Auch der Gutachter habe im Ergebnis der durchgeführten Begutachtung in Punkt 2 die Schwellung angegeben.
2. Die belangte Behörde legte dem Bundesverwaltungsgericht [BVwG] am 29.05.2019 die Beschwerde samt Auszügen aus dem Verwaltungsakt in elektronischer Form vor (Ordnungszahl des gegenständlichen Gerichtsaktes OZ 1 [=AZ 1.1-1.3, 2.1 -2.23]).
II. Zu A) Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. entscheidungswesentliche Feststellungen
1.1. Der Beschwerdeführer ist in Österreich wohnhaft und verfügt über einen gültigen Behindertenpass mit einem eingetragenen Gesamtgrad der Behinderung von 60 v.H.
1.2. Im Hinblick auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sind folgende Feststellungen zu treffen (AZ 2.2.17-2.18):
Der Beschwerdeführer ist aufgrund von anhaltenden Kreuzschmerzen sowie des stattgehabten Rotlaufes am rechten Unterschenkel in seiner Gehleistung eingeschränkt. Kurze Strecken bis 400 m sind bewältigbar, unter Verwendung einer Unterarmstützkrücke zur Stabilisierung kann dies auf eine Strecke von mehr als 400 m erweitert werden. Es bestehen keine Lähmungserscheinungen und in Bezug auf den Rotlauf auch keine objektivierbaren dauerhaften Sensibilitätsstörungen. Niveauunterschiede, die in öffentlichen Verkehrsmitteln üblich sind, können aufgrund der fehlenden Lähmungserscheinungen überwunden werden. Es besteht auch eine ausreichende Standfestigkeit ohne Hinweis auf eine posturale Instabilität. Dies gilt auch in Bezug auf das sichere Stehen, die Sitzplatzsuche oder bei einer notwendig werdenden Fortbewegung in öffentlichen Verkehrsmitteln während der Fahrt. Die Benützung von Haltegriffen und Stangen ist möglich.
2. Beweisaufnahme und Beweiswürdigung
2.1. Die Beweisaufnahme erfolgte durch Einsicht in die dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Auszüge aus dem Verwaltungsverfahrensakt (OZ 1 [=AZ 1.1-1.3, 2.1 -2.23]), aus denen sich auch der unter I. dargelegte Verfahrensgang ergibt. Zur Entscheidungsfindung wurden vom BVwG insbesondere folgende Unterlagen herangezogen:
* Sachverständigengutachten aus dem Fachgebiet der Orthopädie vom 04.12.2018 und der Neurologie vom 10.05.2019 (AZ 2.17-2.18)
* Bescheid des SMS vom 13.05.2019 (AZ 2.21)
* Beschwerde vom 20.05.2019 und Stellungnahme vom 18.12.2018 (AZ 1.2, 2.8)
* Datenstammblatt Behindertenpass (AZ 2.22)
* Einsicht in das Zentrale Melderegister [ZMR] (OZ 1)
2.2. Beweiswürdigung
2.2.1. Die allgemeinen Feststellungen (Punkt 1.1.) ergeben sich aus der Antragstellung und dem Datenstammblatt zum Behindertenpass des Beschwerdeführers, sowie dem ZMR und sind unstrittig (AZ 2.20, 2.6, OZ 1).
2.2.2. Die Feststellungen zur Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ergeben sich aus den Gutachten aus dem Fachgebiet der Orthopädie vom 04.12.2018 und der Neurologie vom 10.05.2019 (AZ 2.2.17-2.18). Die Feststellungen in den Gutachten sind nachvollziehbar, schlüssig und in sich widerspruchsfrei. Die Gutachten basieren jeweils auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers, berücksichtigen die vom Beschwerdeführer vorgelegten aktuellen Befunde (AZ 2.7-2.10) und stehen mit diesen auch nicht in Widerspruch (vgl. dazu VwGH 26.02.2016, Ro2014/03/0004).
2.2.2.1. Den Einwendungen des Beschwerdeführers wurde durch Einholung des weiteren Gutachten Rechnung getragen, welches sich auch mit dem Rotlauf auseinandersetzt. Die Schwellungen wurden bei der Feststellung des Grades der Behinderung auch berücksichtigt.
2.2.2.2. Zusammenfassend ist der Beschwerdeführer den Feststellungen im Gutachten daher nur pauschal und nicht ausreichend substantiiert entgegengetreten und hat auch keine begründeten Widersprüche oder eine Ergänzungsbedürftigkeit aufgezeigt (vgl. VwGH 24.10.2013, 2013/07/0088). Das SMS ist den Feststellungen im Gutachten nicht entgegengetreten (AZ 1.1). Der erkennende Senat legt daher im Gutachten getroffenen Feststellungen dem Verfahren zu Grunde.
3. Entfall der mündlichen Verhandlung
3.1. Eine Verhandlung kann entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist, oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist (§ 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG). Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, [EMRK] noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 [GRC] entgegenstehen (§ 24 Abs.4 VwGVG).
3.2. Der Anspruch einer Partei auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist kein absoluter. Nach der Rechtsprechung des EGMR und ihm folgend des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt unumstritten und nur eine Rechtsfrage zu entscheiden ist oder wenn die Sache keine besondere Komplexität aufweist (vgl. dazu für viele EGMR 12.11.2002, Döry / S, Rn37; VfGH 20.02.2015, B1534; sowie jüngst VwGH 18.12.2018, Ra 2018/03/0132, jeweils mwN).
3.3. Im gegenständlichen Fall ergab sich klar aus der Aktenlage, dass von einer mündlichen Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache zu erwarten war. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich zur Gänze aus den dem Beschwerdeführer bekannten vorliegenden Aktenteilen und war weder ergänzungsbedürftig (vgl. dazu VwGH 19.09.2018, Ra2018/11/0145) noch erschien er in entscheidenden Punkten als nicht richtig.
4. Rechtliche Beurteilung
4.1.1. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch Senat ergeben sich aus § 6 Bundesgesetz über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes [BVwGG] iVm § 45 Bundesbehindertengesetz [BBG].
4.1.2. Das Verfahren des Bundesverwaltungsgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) geregelt. Verfahrensgegenständlich sind demnach neben dem VwGVG auch die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, sowie jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen sinngemäß anzuwenden, die das SMS im erstinstanzlichen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (§ 17 VwGVG).
4.1.3. Die Beschwerde gegen den Bescheid des SMS ist rechtzeitig und zulässig.
4.1.4. Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des BBG lauten auszugsweise:
§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen [...].
§ 42. (1) [...] Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen. [...]
§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
4.1.5. § 1 der Verordnung über die Ausstellung von [VO] Behindertenpässen und Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 idF BGBl. II Nr. 263/2016, lautet auszugsweise:
§ 1 (4) Z 3: Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen: [...] die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten (Teilstrich 1) oder erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit (Teilstrich 2) oder erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen (Teilstrich 3) oder eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems (Teilstrich 4) oder eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach Abs. 4 Z 1 lit. b oder d (Teilstrich 5) vorliegen.
(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
4.2. Abweisung der Beschwerde
4.2.1. Der Beschwerdeführer verfügt über einen gültigen Behindertenpass mit einem eingetragenen Gesamtgrad der Behinderung von 60 v.H, womit die grundsätzliche Voraussetzung für die Vornahme einer Zusatzeintragung gemäß § 42 BBG erfüllt ist.
4.2.2. Die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist im verfahrensgegenständlichen Fall gemäß § 1 Abs. 5 VO Ausstellung von Behindertenpässen und Parkausweisen unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen. Die vom SMS eingeholten Sachverständigengutachten vom 04.12.2018 und vom 10.05.2019 sind (wie bereits im Zuge der Beweiswürdigung dargelegt) richtig, vollständig und schlüssig und die Art und Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung sowie deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sind in nachvollziehbarer Weise dargestellt worden (vgl. VwGH 19.12.2017, Ra2017/11/0288; 21.06.2017, Ra2017/11/0040 mwN).
4.2.3. In den Erläuterungen zur Stammfassung der VO Ausstellung von Behindertenpässen und Parkausweisen wird hinsichtlich der hier maßgeblichen Bestimmung des § 1 Abs. 4 Z 3 (vormals: § 1 Abs. 2 Z 3) - soweit im gegenständlichen Fall relevant - insbesondere Folgendes ausgeführt: Durch die Verwendung des Begriffes 'dauerhafte Mobilitätseinschränkung' hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses. [...] Die Begriffe ‚erheblich' und ‚schwer' werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleichbedeutend. Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen. Zusätzlich vorliegende Beeinträchtigungen der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.
4.2.4. Der Beschwerdeführer kann sich bei eingeschränkter Gehleistung im öffentlichen Raum selbständig fortbewegen und das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke zu Fuß, die Judikatur geht hier von 300 bis 400 Metern aus (VwGH 27.05.2014, Ro2014/11/0013), aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe ist ebenso gegeben wie das Überwinden üblicher Niveauunterschiede zum sicheren Ein- und Ausstieg in bzw. aus öffentliche/n Verkehrsmittel/n und die sichere Beförderung im öffentlichen Verkehrsmittel.
4.2.4.1. Bei der Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel kommt es entscheidend auf die Art und Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel an, nicht jedoch auf andere Umstände, etwa jene der Entfernung zwischen der Wohnung und der nächstgelegenen Haltestelle öffentlicher Verkehrsmittel (VwGH 19.12.2017, Ra2017/11/0288; 21.06.2017, Ra2017/11/0040 mwN).
4.2.4.2. Wenngleich der Beschwerdeführer subjektiv das Empfinden hat, dass ihn insbesondere der stattgehabte Rotlauf samt Schwellungen im Unterschenkelbereich einschränkt, so ist festzustellen, dass diese dem Gutachten folgend keine erheblichen Einschränkungen darstellen, da weder Lähmungserscheinungen noch objektivierbare dauerhafte Sensibilitätsstörungen vorliegen, welche etwa eine Standfestigkeit beinträchtigen würden.
4.2.5. Da somit die Voraussetzungen zur Vornahme der beantragten Zusatzeintragung in den Behindertenpass nicht vorliegen, ist die Beschwerde spruchgemäß abzuweisen.
4.3. Im Hinblick auf den gestellten Antrag auf Ausstellung eines Parkausweises nach § 29b StVO wird der Vollständigkeit halber angemerkt, dass es zwar zutrifft, dass dem Begehren des Beschwerdeführers auf Ausfolgung eines Parkausweises nach § 29b StVO erst dann entsprochen werden könnte, wenn im Behindertenpass die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung" vorgenommen wurde. Dennoch kann die bescheidmäßige Erledigung dieses Antrags nicht dadurch ersetzt werden, dass (lediglich) am Ende des nunmehr angefochtenen Bescheides angemerkt wird, dass die dafür erforderlichen Voraussetzungen nicht vorliegen würden.
III. ad B) Unzulässigkeit der Revision:
Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist zu begründen (§ 25a Abs. 1 VwGG). Die Revision ist (mit einer hier nicht zum Tragen kommenden Ausnahme) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art. 133 Abs. 4 B-VG).
Die gegenständliche Entscheidung stützt sich auf eine umfangreiche und einheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum BBG. Die angewendeten Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes und der Einschätzungsverordnung sind - soweit für den vorliegenden Fall maßgeblich - eindeutig. Zur Unzulässigkeit der Revision bei eindeutiger Rechtslage (trotz fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes) etwa VwGH 28.05.2014, Ro2014/07/0053. Zur Schlüssigkeit von Gutachten VwGH 27.06.2018, Ra2018/09/0079; 28.06.2017, Ra2017/09/0015; zur Form der Auseinandersetzung mit dem Gutachten insbesondere VwGH 26.02.2016, Ro2014/03/0004. Zu den Voraussetzungen zur Vornahme der verfahrensgegenständlichen Zusatzeintragung VwGH 19.12.2017, Ra2017/11/0288; 21.06.2017, Ra2017/11/0040 mwN.
Der Entfall der mündlichen Verhandlung steht weder mit der Judikatur der Höchstgerichte noch mit der Judikatur des EGMR in Widerspruch, siehe dazu insbesondere VwGH 26.01.2017, Ra2016/07/0061 mwN, und es ergeben sich auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage, so dass insgesamt die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht vorliegen.
Schlagworte
Behindertenpass, Sachverständigengutachten, ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:L511.2219474.1.00Zuletzt aktualisiert am
07.10.2019