TE Bvwg Erkenntnis 2019/8/6 W235 2219132-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.08.2019
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Entscheidungsdatum

06.08.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §34
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W235 2128453-2/9E

W235 2219132-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Maga. Sabine MEHLGARTEN-LINTNER als Einzelrichterin über die Beschwerden von 1. XXXX , geb. XXXX und 2. mj. XXXX , geb. XXXX , dieser gesetzlich vertreten durch: XXXX , beide StA. Somalia, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.11.2016, Zl. 15-1091809309 (ad 1.) sowie gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.08.2018, Zl. 18-1199274809 (ad 2.) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 09.05.2019 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerden werden gemäß § 3 Abs. 1 AsylG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1. Die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter des minderjährigen Zweitbeschwerdeführers. Beide Beschwerdeführer sind Staatsangehörige von Somalia.

Die Erstbeschwerdeführerin stellte bei der Österreichischen Botschaft Nairobi am 13.10.2015 einen Einreiseantrag gemäß § 35 AsylG. Begründend gab sie im Wesentlichen an, dass sie die Ehegattin des somalischen Staatsangehörigen XXXX , geb. XXXX , sei, dem in Österreich mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX , Zl. XXXX , der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden sei. Ferner ist dem Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin vor der Botschaft zu entnehmen, dass ihr Gatte im Mai 2011 geflüchtet sei. Er sei Journalist gewesen und von Al Shabaab mit dem Umbringen bedroht worden, wenn er diese Tätigkeit nicht aufgebe. Die Erstbeschwerdeführerin sei im April 2015 nach Nairobi gekommen, da einer ihrer Onkel seit acht Jahren hier lebe und sie die Lebensbedingungen in Somalia nicht möge. Sie habe keinen Grund mehr gehabt, dort zu bleiben. Nachdem sie am XXXX .04.2015 durch Zufall beim Einkaufen einen Freund ihres Gatten getroffen habe, der ihr dessen Telefonnummer in Österreich vermittelt habe, wolle sie mit ihrem Gatten in Österreich zusammenleben, arbeiten und eine Familie gründen.

In der Folge wurde der Erstbeschwerdeführerin die Einreise in das Bundesgebiet gestattet und sie reiste am 04.04.2016 legal und in Besitz eines von der österreichischen Botschaft in Nairobi ausgestellten Visums nach Österreich ein und stellte am 12.04.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Am Tag der Antragstellung fand die Erstbefragung der Beschwerdeführerin zu ihrem Antrag im Familienverfahren durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes unter Beiziehung eines Dolmetschers für die somalische Sprache statt, im Zuge derer die Beschwerdeführerin angab, dass sie keine eigenen Fluchtgründe habe. Sie stelle den Antrag auf internationalen Schutz, weil ihr Ehegatte, XXXX , in Österreich den Status eines subsidiär Schutzberechtigten erlangt habe und sie denselben Schutz wie ihr Ehegatte beantrage.

1.3. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.05.2016, Zl. 15-1091809309, wurde der Antrag auf internationalen Schutz der Beschwerdeführerin bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. dieses Bescheides wurde der Beschwerdeführerin der Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 3 leg. cit. zuerkannt, und es wurde ihr gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 08.07.2017 erteilt (Spruchpunkt III.).

1.4. Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides erhob die Beschwerdeführerin am 16.06.2016 fristgerecht Beschwerde und brachte begründend vor, dass sie zwar anlässlich ihrer Erstbefragung angegeben habe, abgesehen von den Asylgründen ihres Gatten, keine eigenen Fluchtgründe vorbringen zu wollen, jedoch sei keine gesonderte Einvernahme durchgeführt worden und basiere die Entscheidung der belangten Behörde lediglich auf der durchgeführten Erstbefragung. Nunmehr werde zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführerin wie folgt ausgeführt: Im Jahr 2012 sei Al Shabaab an die Beschwerdeführerin herangetreten und habe sie aufgefordert, eines ihrer Mitglieder zu heiraten, weil ihr Mann wegen seiner Arbeit für den Radiosender der Regierung kein Moslem sei und sich gegen Moslems engagiert habe. Daraufhin sei die Beschwerdeführerin im April 2015 nach Kenia geflüchtet und habe dort ihre Ausreise zu ihrem Mann nach Österreich vorbereitet. Der Vater der Beschwerdeführerin sei im Jänner 2016 von Al Shabaab entführt und ermordet worden.

1.5. In Erledigung dieser Beschwerde behob das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 02.09.2016, Zl. W235 2128453-1/3E, Spruchpunkt I. des bekämpften Bescheides und verwies die Angelegenheit mit der wesentlichen Begründung, das Bundesamt habe es unterlassen die Beschwerdeführerin zu ihren konkreten und individuellen Fluchtgründen zu befragen, gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurück.

2. Im nunmehr fortgesetzten Verfahren wurde die Erstbeschwerdeführerin am 03.11.2016 unter Beiziehung eines geeigneten Dolmetschers für die Sprache Somalisch und in Anwesenheit einer Vertrauensperson vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen und gab dabei zunächst an, dass sie keine psychischen oder physischen Probleme habe. Sie habe auch keine Krankheiten. Die Erstbeschwerdeführerin gehöre dem Clan der Hawiye sowie dem Subclan Baadi Cado an und bekenne sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Sie sei traditionell verheiratet und kinderlos. In Somalia habe sie bis August 2011 in XXXX in Mogadischu gelebt. Im Jänner 2016 sei ihr Vater ermordet worden.

Dezidiert zu ihren Fluchtgründen befragt gab die Erstbeschwerdeführerin an, wegen ihres Mannes Probleme gehabt zu haben. Im Juni 2011 hätten Männer sie zwangsverheiraten wollen und hätten sie informiert, dass ihr Mann ungläubig sei und sohin sei er automatisch nicht mehr ihr Ehemann. Anfang Juni 2011 sei sie von diesen Männern mehrfach angerufen und bedroht worden. Sie hätten am Telefon gesagt, die Erstbeschwerdeführerin solle "einen ihrer Männer" heiraten. Wenige Tage später seien Männer zu ihr nach Hause gekommen und hätten sie mitnehmen wollen. Sie hätten sie geschlagen und an der Hand mit einem Messer verletzt. Die Erstbeschwerdeführerin habe dann aus der Küche fliehen können. Da ein Stützpunkt der somalischen Regierungssoldaten in der Nähe des Hauses gewesen sei, dürften die Männer befürchtet haben, dass die Regierungssoldaten kommen würden und seien davon gefahren. Am selben Tag sei sie von Mogadischu auf das Land in die Nähe von XXXX geflohen, wo sie im Juni und Juli 2011 auf einem Bauernhof von Mitgliedern der Hawiye geblieben sei. Ihr Vater habe ihre weitere Flucht organisiert und so sei sie im August 2011 von diesem Bauernhof an die Grenze zu Kenia geflohen, wo sie sich in XXXX in Somalia aufgehalten habe. Dort habe sie gearbeitet. Am Freitag sei jedoch immer Al Shabaab gekommen und sie sei auf das Land geflüchtet. Bis XXXX .01.2015 sei die Erstbeschwerdeführerin in XXXX geblieben und sei dann zu ihrem Onkel nach Nairobi gefahren und nicht mehr nach Somalia zurückgekehrt.

Die Erstbeschwerdeführerin sei in Somalia nicht vorbestraft. Sie werde weder von der Polizei noch von einem Gericht oder von einer sonstigen Behörde gesucht. Auch habe sie niemals Probleme mit staatlichen Behörden gehabt und sei niemals festgenommen worden. Die Erstbeschwerdeführerin sei kein Mitglied einer politischen Gruppierung bzw. Partei und sei auch niemals wegen ihrer politischen Gesinnung verfolgt worden. Auch sei sie niemals aufgrund ihres Clans der Hawiye oder aufgrund ihrer sunnitischen Religionszugehörigkeit verfolgt worden. Die Hawiye seien ein mächtiger Clan in Somalia. Sie habe auch bei andern Hawiye Schutz und Unterkunft bekommen. Diese Familie auf dem Bauernhof habe sie nicht gekannt. Sie habe für sie auf dem Bauernhof gearbeitet. Die Erstbeschwerdeführerin sei zu der Familie gegangen, habe gesagt, dass sie auch Hawiye sei und habe von ihren Problemen erzählt. Dann hätten sie ihr geholfen.

Abgesehen von dem Vorfall im Juni 2011 als die Männer zu ihr nach Hause gekommen seien, habe es keine persönlichen Übergriffe auf die Erstbeschwerdeführerin gegeben und zwar weder von staatlicher noch von privater Seite. Die Männer, die verlangt hätten, sie solle "einen von ihnen" heiraten seien von Al Shabaab gewesen. Gekannt habe sie sie jedoch nicht, da sie vermummt gewesen seien. Auf die Frage, ob Männer vom Clan der Hawiye ihre Frauen vor Übergriffen durch Al Shabaab beschützen könnten, gab die Erstbeschwerdeführerin an, sie gehöre zu einem Minderheitensubclan und sie hätten keine Kraft und auch keine Beamten bei den Behörden. Die Familie, von der sie Schutz erhalten habe, habe immer gesagt, die Erstbeschwerdeführerin solle weggehen. Auf Vorhalt, sie sei von Mai 2011 bis Jänner 2015 ohne ihren Mann in Somalia gewesen und auf die Frage, ob es in dieser Zeit eine direkte und persönliche Kontaktaufnahme durch Al Shabaab gegeben habe, brachte die Erstbeschwerdeführerin vor, es habe diesen Vorfall von Juni 2011 gegeben. Danach habe es keine Kontaktaufnahme durch die Männer von Al Shabaab mehr gegeben. In XXXX habe sie in einem Hotel als Abwäscherin gearbeitet und sei ihr von der Hotelbesitzerin ein Zimmer und auch Verpflegung gratis zur Verfügung gestellt worden.

3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.11.2016 wurde der Antrag auf internationalen Schutz der Erstbeschwerdeführerin bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen.

In seiner Begründung stellte das Bundesamt zunächst fest, dass die Erstbeschwerdeführerin aus Somalia stamme, dem Clan der Hawiye sowie dem Subclan der Baadi Cado angehöre und sunnitische Moslemin sei. Sie sei traditionell verheiratet und legal in das Bundesgebiet eingereist. Es habe nicht festgestellt werden können, dass sich die Erstbeschwerdeführerin in medizinischer Behandlung befinde. Es habe nicht festgestellt werden können, dass die Erstbeschwerdeführerin aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung in Somalia einer staatlichen Verfolgungsgefahr ausgesetzt gewesen sei. Ihr vorgebrachter Fluchtgrund habe nicht als entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt werden können und sei mangels GFK-Relevanz nicht unter die taxativ angeführten Gründe subsumiert worden. Festgestellt werde, dass der Erstbeschwerdeführerin rechtskräftig mit Bescheid vom 10.05.2016 gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 3 AsylG der Status einer subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt worden sei. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl traf auf den Seiten 18 bis 70 im angefochtenen Bescheid Länderfeststellungen zur Lage in Somalia, darunter auch betreffend die Situation von Frauen.

Der Beweiswürdigung im angefochtenen Bescheid ist zu entnehmen, dass sich die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, Glaubens- und Volkgruppenzugehörigkeit sowie zu den Lebensumständen und zum Gesundheitszustand auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben der Erstbeschwerdeführerin stützen würden. Zudem hätten sich die Feststellungen zu ihrer Person aus dem Akteninhalt ergeben. Aufgrund der eigenen Angaben der Erstbeschwerdeführerin sei nachvollziehbar, dass sie im Fall einer Rückkehr keine Probleme mit Behörden hätte. Im Fall der Beschwerdeführerin sei die Behörde davon ausgegangen, dass der von ihr vorgebrachte Sachverhalt glaubhaft sei. Angemerkt werde, dass Zwangsehen durch Al Shabaab nur dort vorkämen, wo die Gruppe die Kontrolle habe. Dies untermauere auch die eigenen Angaben der Erstbeschwerdeführerin, wonach sie von Juni 2011 bis XXXX .01.2015 einem geregelten Leben habe nachgehen können und es zu keiner weiteren Kontaktaufnahme durch Al Shabaab gekommen sei. Aufgrund einer Gesamtschau gehe das Bundesamt davon aus, dass keine asylrelevante Verfolgungsgefahr für die Erstbeschwerdeführerin persönlich in Somalia bestehe. Aufgrund des Akteninhalts sei ihre Eigenschaft als Familienangehörige eines subsidiär Schutzberechtigten als glaubhaft zu werten. Die Feststellungen zum Herkunftsstaat würden auf einer Zusammenstellung der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl basieren.

In rechtlicher Hinsicht folgerte das Bundesamt zunächst, dass die Erstbeschwerdeführerin eine staatliche Verfolgung ausdrücklich verneint habe. Ihrem Vorbringen hätten sich keine konkreten, im zeitlichen Konnex zur Ausreise stehenden, individuell gegen die Erstbeschwerdeführerin gerichteten und die Intensität einer Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention entnehmen lassen. Im vorliegenden Fall habe daher kein asylrechtlich relevanter Sachverhalt festgestellt werden können. Da im Fall der Erstbeschwerdeführerin auch keinem anderen Familienmitglied der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden sei, sei auch für sie die Zuerkennung aufgrund des vorliegenden Familienverfahrens nicht in Betracht gekommen.

Mit Verfahrensanordnung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.11.2016 wurde der Erstbeschwerdeführerin für das Beschwerdeverfahren amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.

4. Gegen den oben angeführten Bescheid erhob die Erstbeschwerdeführerin im Wege ihrer nunmehr ausgewiesenen Vertretung fristgerecht Beschwerde. Begründend wurde ausgeführt, dass sie in Somalia von Männern der Al Shabaab überfallen worden sei und zwangsverheiratet hätte werden sollen. Die Erstbeschwerdeführerin sei als Zugehörige zur sozialen Gruppe der Frauen in Somalia einer asylrelevanten Verfolgung in ganz Somalia ausgesetzt.

5. Am 09.05.2019 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Zuhilfenahme einer geeigneten Dolmetscherin für die Sprache Somalisch statt, an der die Erstbeschwerdeführerin mit ihrer Vertreterin teilnahm. Ein Vertreter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl ist nicht erschienen; das Bundesamt hat sich mit E-Mail vom 02.04.2019 für die Teilnahme an der Verhandlung entschuldigt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Nach Aufruf der Sache wird festgehalten, dass die Erstbeschwerdeführerin mit einem ca. einjährigen Kind - dem Zweitbeschwerdeführer - zur Verhandlung erschienen ist. Auf Nachfrage der zuständigen Einzelrichterin gab die Vertreterin an, dass die Erstbeschwerdeführerin ein Kind habe, dem vom Bundesamt mit Bescheid vom 02.08.2018 im Familienverfahren subsidiärer Schutz zuerkannt worden sei. Offenbar sei im Verfahren des (nunmehrigen) Zweitbeschwerdeführers keine Beschwerde erhoben worden.

Eingangs der Verhandlung gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass sie eine Unterfunktion der Schilddrüse habe, wogegen sie Tabletten nehme. Sonst sei sie gesund. Die Erstbeschwerdeführerin sei nicht schwanger. Die Einvernahme vor dem Bundesamt sei ihr rückübersetzt worden; die Erstbefragung nicht. Sie habe bis dato die Wahrheit gesagt. Der Dolmetscher vor dem Bundesamt sei aus Somaliland gewesen und daher habe sie ihn nicht so gut verstanden. Das habe sie beim Bundesamt auch gesagt, woraufhin sie gefragt worden sei, ob jemand anderer übersetzen solle, was sie jedoch abgelehnt habe. Im Zuge der Rückübersetzung seien dann die Korrekturen, die sie angemerkt habe, eingefügt worden.

Ihr Reisepass sei von der somalischen Botschaft in Kenia ausgestellt worden. Ihre Heiratsurkunde sei im Magistrat in Mogadischu ausgestellt und an die somalische Botschaft in Kenia geschickt worden. Die Erstbeschwerdeführerin habe den Reisepass und die Heiratsurkunde von der somalischen Botschaft in Kenia bekommen. Sie selbst sei damals - im Juni 2015 - bereits in Kenia gewesen. Bei ihrer Ausreise sei sie mit dem Mann, der sie nach Österreich geholt habe, verheiratet gewesen. Dann habe er eine andere Frau kennen gelernt und die Erstbeschwerdeführerin verlassen. Aktuell sei sie mit dem Vater ihres Kindes (= Zweitbeschwerdeführer) verheiratet. Im Jänner 2011 habe sie zum ersten Mal geheiratet und zwar "islamisch". Als sie von der Botschaft aufgefordert worden sei, eine Heiratsurkunde für das Einreisevisum vorzulegen, habe sie diese bei den somalischen Behörden beantragt. Die Erstbeschwerdeführerin sei im Jahr 2016 "islamisch" geschieden worden. Die Scheidungsklage sei am 11.04.2017 eingebracht worden und das Urteil sei am 08.09.2017 ergangen. Das zweite Mal habe sie im September 2017 geheiratet. Ihr zweiter Mann sei ein Somalier, der in Großbritannien als anerkannter Flüchtling lebe. Sie hätten einander schon in Somalia gekannt und dann habe er sie auf Facebook kontaktiert. In der Folge sei er nach Österreich gekommen und sie hätten geheiratet. Im gemeinsamen Haushalt hätten sie nie gelebt. Ihr Mann lebe in England; wo genau, wisse sie nicht. Er sei zur Geburt des Zweitbeschwerdeführers gekommen und danach nicht mehr. Aber er schicke Geld für den Zweitbeschwerdeführer. Das letzte Mal habe sie ihn vor ca. neun Monaten gesehen. Sie seien islamisch "verheiratetet", würden aber nicht zusammen leben. Das Kind (= Zweitbeschwerdeführer) sei von ihm.

Die Erstbeschwerdeführerin sei somalische Staatsangehörige, sunnitische Moslemin und gehöre dem Hauptclan der Hawiye, dem Subclan der Gugundhabe, dem Subsubclan der Baadi Cado an und dann gehe es weiter mit Mamiyo. Sie gehöre zu den "kleinsten" Hawiye und habe ihr Clan nichts für sie gemacht. Auf Vorhalt, vor dem Bundesamt habe sie angegeben keine Probleme wegen ihrer Clanzugehörigkeit gehabt zu haben, gab die Erstbeschwerdeführerin an, sie habe doch erklärt, zu den Hawiye zu gehören, das ein großer Hauptclan sei, aber darunter gehöre sie zu den "Kleinsten". Auf Nachfrage brachte sie vor, dass sie deshalb keine Probleme gehabt habe, aber "sie" hätten sie nicht gegen Al Shabaab verteidigen können. Zu den bereits mit der Ladung versendeten Länderberichten zur Situation in Somalia wollten die Erstbeschwerdeführerin und ihre Vertreterin keine Stellungnahme abgeben, da die Erstbeschwerdeführerin ohnehin schon subsidiären Schutz habe.

Zu ihrem Wohnort, zu ihren Familienangehörigen und zu ihrem Leben in Somalia gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass sie nicht wisse, wo sich ihre Familie befinde. Sie wisse auch nicht, ob sie noch am Leben seien. Ihr Vater sei von der Gruppe, die die Erstbeschwerdeführerin verfolgt habe, getötet worden. Das sei im Jahr 2015 gewesen. Ein Al Shabaab Kommandant, der die Erstbeschwerdeführerin habe "haben" wollen, habe seine Männer zu ihrem Vater geschickt und da sie nicht mehr im Land gewesen sei, hätten sie ihren Vater dafür verantwortlich gemacht und getötet. Auf die Frage, in welchem Monat 2015 dies gewesen sei, gab die Erstbeschwerdeführerin an, es sei entweder im Dezember 2015 oder im Jänner 2016 gewesen. Sie habe "es" gehört, als sie schon in Österreich gewesen sei. Von ihrer Mutter wisse sie nichts. Sie habe noch zwei jüngere Schwestern. Ihre letzte Wohnadresse in Somalia sei in XXXX , in Mogadischu gewesen. "Sie" hätten ihre Mutter auch verfolgt und wisse die Erstbeschwerdeführerin nicht, ob sie ihre Mutter getötet hätten. Die Erstbeschwerdeführerin habe von Geburt an in Mogadischu gelebt. Dann hätten die Al Shabaab Männer nach ihr gesucht und sie im Juni 2011 töten wollen. Dann habe sie zwei Monate in XXXX und in weiterer Folge in XXXX gelebt. Als Al Shabaab nach ihr gesucht habe, habe sie Mogadischu verlassen. Im Jahr 2017 habe sie das letzte Mal Kontakt zu ihrer Familie gehabt. Ihre Mutter habe ihr damals gesagt, dass sie in XXXX lebe und Al Shabaab angezeigt habe. Als sie noch bei ihrer Mutter gelebt habe, habe die Erstbeschwerdeführerin die Schule bis zur dritten Klasse sowie eine Koranschule besucht und den Beruf der Schneiderin gelernt. Nach der Ehe sei die Arbeit bei der Familie [gemeint: in XXXX bzw. in XXXX ] gewesen.

Zu ihrer Ausreise und zu ihren Fluchtgründen gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass sie im Jahr 2011 ihre Familie und XXXX .01.2015 Somalia verlassen habe. Auf Vorhalt, in der Beschwerde werde angeführt, sie sei erst im April 2015 nach Kenia gekommen, brachte die Erstbeschwerdeführerin vor, im "ersten Monat" habe sie XXXX verlassen und sei nach Kenia gekommen. Genau, wann sie das letzte Mal in Somalia gewesen sei, wisse sie nicht mehr. Aber sie sei im "ersten Monat" nach Kenia gekommen. Nach Wiederholung des Vorhalts gab sie an, im "ersten Monat" sei sie im Flüchtlingsgebiet gewesen und im April sei sie in das Landesinnere gekommen. Ihr Heimatland habe sie verlassen, da sie eine Al Shabaab Gruppe angegriffen habe. Sie hätten ihr gesagt, die Religion, an die sie glaube, sei keine richtige Religion. Sie solle ihrem Glauben folgen. Sie hätten sie oft angerufen und seien zu ihr nach Hause gekommen. Sie hätten gedroht, sie würden die Erstbeschwerdeführerin töten, wenn sie nicht mache, was "sie" von ihr verlangten. Dann hätten sie das Haus gestürmt, seien gewaltsam hineingekommen und hätten die Erstbeschwerdeführerin mitnehmen wollen. Ihre Eltern seien zu Hause gewesen. Die Erstbeschwerdeführerin habe sich geweigert und "sie" hätten sie geschlagen und mit einem Bajonett an Stirn und Händen verletzt. Sie habe versucht, im Haus zu bleiben. Sie und ihre Familienmitglieder hätten geschrien. Dann habe man ein Auto gehört, das sich annähere. Da habe Al Shabaab Angst bekommen, dass Regierungssoldaten die Schreie gehört hätten und ins Elternhaus der Erstbeschwerdeführerin kämen. Aus Angst erwischt zu werden, seien sie mit dem Auto verschwunden. Deshalb hätten die Eltern der Erstbeschwerdeführerin entschieden, sie aus dem Land zu schicken. Sie habe dann zwei Monate bei einer Landwirtfamilie gelebt. Nachdem ihr Vater ihr Geld gegeben habe, sei sie von XXXX nach XXXX gekommen. Diese Männer hätten dann ihren Vater getötet; diese Männer gebe es noch in ihrem Land. Dann sei sie in XXXX gewesen und habe für eine Familie in deren Restaurant gearbeitet.

Auf die Frage, was "diese Männer" von ihr gewollt hätten, gab die Erstbeschwerdeführerin an, sie hätten ihren ersten Mann verfolgt. Er sei Moderator gewesen und sie hätten gemeint, alle Journalisten seien aus der Religion ausgetreten. Sie hätten gemeint, ihr Mann sei ein Abtrünniger und daher nicht mehr mit der Erstbeschwerdeführerin verheiratet. Sie hätten sie mitnehmen und ihr die Religion beibringen wollen. Welcher Moderator ihr Mann gewesen sei, habe sie vergessen. Es sei Radio und Fernsehen gewesen. Das erste Mal sei sie im fünften und im sechsten Monat 2011 angerufen worden. Auf Vorhalt, das erste Mal könne nicht in zwei Monaten gewesen sein, gab die Erstbeschwerdeführerin an, es sei lange her und sie könne sich nicht erinnern. Aber vier Wochen hintereinander hätten sie sie angerufen. Im sechsten Monat 2011 seien vier Männer zu ihr nach Hause gekommen. Auf Vorhalt, sie habe vor dem Bundesamt angegeben, dass sie diese Männer zwangsverheiraten hätten wollen, entgegnete die Erstbeschwerdeführerin, es sei das selbe, wenn sie sie mitnehmen hätten wollen und wenn sie sie für die Heirat mitnehmen hätten wollen. Sie würden Frauen nehmen, um sie zwangszuverheiraten. Sonst würden sie die Frauen nicht behalten. Die Religion, der Glaube sei so. Man wisse nicht, welchen Glauben Al Shabaab habe. Sie würden die Leute ständig töten. Nachdem die Männer in ihrem Elternhaus gewesen seien, habe ihr Vater mit den Regierungssoldaten gesprochen, aber diese hätten nichts getan.

Die weitere Einvernahme gestaltete sich folgendermaßen:

"R: Wenn die Regierungssoldaten nichts machen, wieso sind dann die Al Shabaab geflohen, als sie sie gehört haben?

BF: Al Shabaab kann direkt öffentlich nichts machen, aber sie machen alles heimlich, sie verüben immer noch Anschläge.

R: Wen hätten Sie denn eigentlich heiraten sollen?

BF: Ihr Chef hat sie geschickt. Dieser Chef hat den Befehl gegeben, meinen Vater zu töten. Meine Mutter wollten sie auch töten, nachdem sie sie angezeigt hat, sie suchen deshalb auch nach meiner Mutter, weil sie bei der Regierung angezeigt hat, dass sie meinen Vater getötet haben.

R: Wieso wissen Sie denn das?

BF: Meine Schwester hat mir das gesagt, sie haben den Mann meiner Schwester auch getötet. Meine Schwester hat zwei Kinder. Alle sind dann zusammen geflüchtet. Ich meine, meine zwei Schwestern und meine Mutter.

R: Wann hat Ihre Schwester das Ihnen gesagt?

BF: Im Jahr 2017."

Als die Erstbeschwerdeführerin in XXXX bei dem Landwirt gewesen sei, sei sie nicht bedroht, gesucht oder angesprochen worden. Auch in XXXX sei sie nicht gesucht oder angesprochen worden, da "sie" nicht gewusst hätten, wo sich die Erstbeschwerdeführerin befinde. Nachdem sie aus Mogadischu geflohen sei, habe man nicht versucht, sie zwangszuverheiraten oder zu entführen. Sie habe "sie" nicht mehr gesehen; sie hätten nicht herausgefunden, wo die Erstbeschwerdeführerin sei. Bei einer Rückkehr nach Somalia habe sie Angst vor diesen Leuten. Auf die Frage, warum diese Männer nach acht Jahren noch Interesse an der Erstbeschwerdeführerin haben sollten, gab sie an, sie wisse nicht, warum sie sie immer noch verfolgen würden. Sie wisse nur, dass sie ihr gesagt hätten, sie würden sie verheiraten wollen. Auf Vorhalt, im Interview im Zuge des Visaverfahrens habe sie angegeben, sie sei nach Nairobi gekommen, weil hier ein Onkel von ihr lebe und weil sie die Lebensbedingungen in Somalia nicht möge und keinen Grund habe, dort zu bleiben, allerdings habe sie von der Zwangsverheiratung bzw. von Al Shabaab nichts erwähnt, entgegnete die Erstbeschwerdeführerin, man habe ihr gesagt, dass ihr Asylverfahren in Österreich stattfinden werde und "es" für das Visaverfahren nicht nötig sei.

Der Zweitbeschwerdeführer habe keine eigenen Fluchtgründe. Er sei noch klein und wisse "das Ganze" nicht. Die Männer hätten nach ihr gesucht.

Vorgelegt wurde eine Teilnahmebestätigung an einem "Werte- und Orientierungskurs" am 27.01.2017.

6. Am 20.05.2019 langte im Wege der ausgewiesenen Vertretung die in der Verhandlung vereinbarte Stellungnahme der beiden Beschwerdeführer ein. In dieser wurde nach Zusammenfassung des bisherigen Vorbringens der Erstbeschwerdeführerin verfahrenswesentlich und zusammengefasst ausgeführt, dass aus den Länderinformationen hervorgehe, dass die Zwangsheirat in Somalia nach wie vor eine Problematik sei. In Al Shabaab kontrollierten Gebieten erscheine die Lage nicht einfach. In Al Shabaab Regionen würden Mädchen und Frauen in großer Gefahr leben, von Al Shabaab entführt und in Ehen gezwungen zu werden. Eine Verweigerung bedeute den Tod für die Frauen. In den Länderinformationen werde darauf hingewiesen, dass es auch in Städten unter Kontrolle von AMISOM und somalischer Armee Berichte diesbezüglicher Drohungen gebe. Dies treffe sehr wohl nach wie vor auf die Beschwerdeführerin zu. Nach Zitierung von Länderberichten bzw. von Auszügen aus den Länderfeststellungen des Bundesverwaltungsgerichtes wurde zusammengefasst vorgebracht, dass die Angaben der Erstbeschwerdeführerin hierdurch bestätigt würden. Die Furcht vor Zwangsheirat durch Al Shabaab sei in der Situation der Erstbeschwerdeführerin als alleinstehende Frau objektiv nachvollziehbar. Ihre Furcht vor Verfolgung aufgrund ihres Geschlechts und Familienstandes sei somit wohlbegründet und liege bei Wahrunterstellung eine asylrelevante Verfolgung aus den Gründen der Genfer Flüchtlingskonvention vor.

Diesem Schriftsatz waren folgende Unterlagen in Kopie beigelegt:

* Scheidungsurteil des Bezirksgerichts XXXX vom XXXX .06.2017, GZ. XXXX , mit welchem die am XXXX .01.2011 in Mogadischu geschlossene Ehe zwischen der Erstbeschwerdeführerin und Herrn XXXX geschieden wurde samt Bestätigung der Rechtskraft (seit XXXX .08.2017) vom XXXX .08.2017;

* britischer "Residence Permit" als "Refugee Settlement", ausgestellt am XXXX .05.2015 mit einer Gültigkeit bis XXXX .12.2024, lautend auf XXXX ;

* Auszug aus dem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.08.2018, Zl. 18-1199274809, mit welchem der Antrag auf internationalen Schutz des minderjährigen Zweitbeschwerdeführers vom 17.07.2018 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.), ihm unter Spruchpunkt II. gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 3 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG bis zum 08.07.2019 erteilt (Spruchpunkt III.) worden war;

* Geburtsurkunde des Zweitbeschwerdeführers, ausgestellt vom Standesamt XXXX am XXXX .07.2018, derzufolge er am XXXX als Sohn der Erstbeschwerdeführerin und Herrn XXXX geboren wurde;

* Vaterschaftsanerkenntnis durch XXXX betreffend den Zweitbeschwerdeführer vom XXXX .07.2018 und

* Beurkundung kindesnamensrechtlicher Erklärungen vom XXXX .07.2018, derzufolge der Zweitbeschwerdeführer den Familiennamen XXXX führt

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zu den Beschwerdeführern:

1.1.1. Die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter des minderjährigen Zweitbeschwerdeführers. Beide Beschwerdeführer sind Staatsangehörige von Somalia. Die Erstbeschwerdeführerin ist Zugehörige zum Clan der Hawiye (Subclan: Gugundhabe, Subsubclan: Baade Cado, Subsubsubclan: Mamiyo) und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Sie stammt aus der somalischen Hauptstadt Mogadischu, wo sie geboren und aufgewachsen ist. In einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt reiste die Erstbeschwerdeführerin von Somalia aus nach Kenia, wo sie am 13.10.2015 bei der Österreichischen Botschaft Nairobi einen Einreiseantrag gemäß § 35 AsylG stellte, wobei als Bezugsperson der in Österreich subsidiär schutzberechtigte somalische Staatsangehörige XXXX , als Ehemann der Erstbeschwerdeführerin genannt wurde. In der Folge reiste die Erstbeschwerdeführerin am 04.04.2016 legal in Besitz eines von der Österreichischen Botschaft Nairobi ausgestellten Visums in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 12.04.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Die Ehe zwischen der Erstbeschwerdeführerin und Herrn XXXX wurde mit Urteil des Bezirksgerichts XXXX vom XXXX .06.2017, GZ. XXXX , rechtskräftig am XXXX .08.2017, geschieden.

Der Zweitbeschwerdeführer wurde am XXXX als Sohn der Erstbeschwerdeführerin und Herrn XXXX in Österreich geboren und stellte am 17.07.2018 im Wege seiner gesetzlichen Vertreterin ebenso einen Antrag auf internationalen Schutz. Beim Vater des Zweitbeschwerdeführers handelt es sich um einen somalischen Staatsangehörigen, dem in Großbritannien der Status eines Asylberechtigten mit einer Aufenthaltsberechtigung bis zum XXXX .12.2024 zuerkannt worden war. Zwischen der Erstbeschwerdeführerin und Herrn XXXX besteht weder eine staatlich geschlossene Ehe noch eine Lebensgemeinschaft. Herr XXXX hat seinen ständigen Wohnsitz in Großbritannien und hat die Erstbeschwerdeführerin zuletzt im Zuge der Geburt des Zweitbeschwerdeführers persönlich getroffen. Die Vaterschaft zum Zweitbeschwerdeführer hat Herr XXXX ausdrücklich anerkannt.

1.1.2. Nicht als Sachverhalt zugrunde gelegt werden sämtliche Angaben der Erstbeschwerdeführerin zur behaupteten Bedrohungssituation in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia. Insbesondere wird nicht festgestellt, dass die Erstbeschwerdeführerin nach der Ausreise ihres damaligen Ehemannes im Jahr 2011 von Mitgliedern einer Al Shabaab Gruppierung mehrmals telefonisch bedroht und in ihrem Elternhaus körperlich angegriffen wurde. Ebenso wenig wird festgestellt, dass die Erstbeschwerdeführerin von Mitgliedern dieser Al Shabaab Gruppierung mitgenommen und zwangsweise verheiratet hätte werden sollen. Die Erstbeschwerdeführerin hat mit ihrem Vorbringen keine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention glaubhaft gemacht. Auch betreffend den minderjährigen Zweitbeschwerdeführer wurde keine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention geltend gemacht.

Nicht festgestellt wird, dass die Erstbeschwerdeführerin im Fall einer Rückkehr nach Somalia aus Gründen ihrer Zugehörigkeit zum Clan der Hawiye bzw. ihrer Glaubensrichtung oder aus sonst in ihrer Person gelegenen Gründen (etwa wegen der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Gesinnung) einer asylrelevanten Gefährdung ausgesetzt wäre. Auch eine drohende asylrelevante Verfolgung aus anderen Gründen ist nicht hervorgekommen und zwar weder aufgrund des Vorbringens der Erstbeschwerdeführerin noch aus amtswegiger Wahrnehmung. Ebenso wenig wird festgestellt, dass der minderjährige Zweitbeschwerdeführer im Fall einer Rückkehr nach Somalia aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention taxativ aufgezählten Gründen einer asylrelevanten Gefährdung ausgesetzt ist.

1.2. Zur verfahrensrelevanten Situation in Somalia:

1.2.1. Minderheiten und Clans:

Die somalische und auch die puntländische Verfassung bekennen sich zum Grundsatz der Nichtdiskriminierung (AA 1.1.2017). Allerdings waren Regierung und Parlament für lange Zeit entlang der sogenannten

"4.5 Lösung" organisiert, welche bedeutet, dass die Vertreter der großen Clans dieselbe Anzahl von Parlamentssitzen zustehen, während kleineren Clans und Minderheitengruppen gemeinsam die Hälfte dieser Sitze zustehen (ÖB 9.2016; vgl. USDOS 3.3.2017). So blieben die Clans der entscheidende Faktor in der somalischen und somaliländischen Politik. Gegen oder ohne sie lässt sich kein Staat aufbauen. Dementsprechend sind politische Parteien, lokale Verwaltungen und auch das nationale Parlament um die verschiedenen Clans bzw. Sub-Clans organisiert, wobei die vier größten Clans (Darood, Hawiye, Dir-Isaaq und Digil-Mirifle) Verwaltung, Politik, und Gesellschaft dominieren. Insgesamt hat sie bisher weder zu einem Fortschritt der ethnischen bzw. Clan-bedingten Gleichberechtigung beigetragen, noch hatte sie positive Auswirkungen auf das Miteinander auf Gemeindeebene (ÖB 9.2016). In politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Angelegenheiten ist die Clanzugehörigkeit also weiterhin wichtig, was Minderheiten und IDPs marginalisieren kann (SEM 31.5.2017).

Die Minderheiten sind im somalischen Parlament und der somalischen Regierung vertreten, ihre Stimme hat aber wenig Gewicht. Weder das traditionelle Recht xeer noch Polizei und Justiz benachteiligen die Minderheiten systematisch. Faktoren wie die Finanzkraft, das Bildungsniveau oder die zahlenmäßige Größe einer Gruppe können Minderheiten dennoch den Zugang zur Justiz erschweren. (SEM 31.5.2017). Viele Minderheitengemeinden leben in tiefer Armut und leiden an zahlreichen Formen der Diskriminierung und Exklusion (USDOS 3.3.2017). Einzelne Minderheiten (u.a. Jareer, Benadiri, Gabooye) leben unter besonders schwierigen sozialen Bedingungen und sehen sich in vielfacher Weise von der übrigen Bevölkerung - nicht aber systematisch von staatlichen Stellen - wirtschaftlich, politisch und sozial ausgegrenzt (AA 1.1.2017).

Minderheitengemeinden sind überproportional von der im Land herrschenden Gewalt betroffen (Tötungen, Folter, Vergewaltigungen etc.) (USDOS 3.3.2017).

Gruppen wie die Rahanweyn, die Bantu oder die Madhiban können nur in geringerem Ausmaß auf Rücküberweisungen durch Angehörige in der Diaspora zählen, da sich in der Diaspora verhältnismäßig wenige Rahanweyn und Bantu finden (SEMG 8.11.2017).

Bei al Shabaab gilt generell, dass jene Clans, die als gegen al Shabaab gerichtet erachtet werden, mit mehr Problemen zu rechnen haben - sei es z.B. eine höhere Besteuerung; ökonomische Isolierung; oder Plünderung (EASO 8.2014).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (1.1.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia;

* EASO - European Asylum Support Office (8.2014): South and Central Somalia: Country Overview,

http://www.ecoi.net/file_upload/90_1412334993_easo-2014-08-coi-report-somalia.pdf, Zugriff 21.11.2017;

* ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi (9.2016): Asylländerbericht Somalia;

* SEM - Staatssekretariat für Migration (Schweiz) (31.5.2017): Focus Somalia - Clans und Minderheiten, https://www.sem.admin.ch/dam/data/sem/internationales/ herkunftslaender/afrika/som/SOM-clans-d.pdf, Zugriff 22.11.2017;

* SEMG - Somalia and Eritrea Monitoring Group (8.11.2017): Report of the SEMG on Somalia,

https://www.un.org/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/2017/924, Zugriff 14.11.2017 und

* USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Somalia, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index. htm?year=2016&dlid=265300, Zugriff 13.9.2017

1.2.2. Bevölkerungsstruktur:

Mehr als 85% der Bevölkerung teilen eine ethnische Herkunft (USDOS 3.3.2017). Eine andere Quelle besagt, dass laut einer Schätzung aus dem Jahr 2002 die Minderheiten zusammen ungefähr ein Drittel der Bevölkerung Somalias ausmachen sollen (ÖB 9.2016). Jedenfalls gibt es in ganz Somalia eine Zersplitterung in zahlreiche Clans, Subclans und Sub-Subclans, deren Mitgliedschaft sich nach Verwandtschaftsbeziehungen bzw. nach traditionellem Zugehörigkeitsempfinden bestimmt (AA 1.1.2017; vgl. ÖB 9.2016, SEM 31.5.2017). Diese Unterteilung setzt sich fort bis hinunter zur Kernfamilie (SEM 31.5.2017).

Die Zugehörigkeit zu einem Clan ist der wichtigste identitätsstiftende Faktor für Somalis. Sie bestimmt, wo jemand lebt, arbeitet und geschützt wird (SEM 31.5.2017). Dieses Identifikationsmerkmal bestimmt, welche Position eine Person oder Gruppe im politischen Diskurs oder auch in bewaffneten Auseinandersetzungen einnimmt (AA 4.2017a). Darum kennen Somalis üblicherweise ihre exakte Position im Clansystem (SEM 31.5.2017). Allerdings gibt eines keine physischen Charakteristika, welche die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Clan erkennen ließen. Daher wissen die Menschen in Mogadischu und anderen großen Städten nicht automatisch, welchem Clan eine Person angehört (LI 4.4.2016).

Die sogenannten "noblen" Clanfamilien können ihre Abstammung auf einen mythischen gemeinsamen Vorfahren namens Hiil bzw. dessen Söhne Samaale und Saab zurückverfolgen, die vom Propheten Mohammed abstammen sollen. Die meisten Minderheiten können eine solche Abstammung hingegen nicht geltend machen (SEM 31.5.2017).

Die Somalis sehen sich also als Nation arabischer Abstammung. Die "noblen" Clanfamilien sind meist Nomaden:

* Die Darod sind gegliedert in die drei Hauptgruppen Ogaden, Marehan und Harti sowie einige kleinere Clans. Die Harti sind eine Föderation von drei Clans: Die Majerteen sind der wichtigste Clan Puntlands, während die Dulbahante und Warsangeli in den zwischen Somaliland und Puntland umstrittenen Grenzregionen leben. Die Ogaden sind der wichtigste somalische Clan in Äthiopien, haben aber auch großen Einfluss in den südsomalischen Jubba-Regionen sowie im Nordosten Kenias. Die Marehan sind in Süd-/Zentralsomalia präsent.

* Die Hawiye leben v.a. in Süd-/Zentralsomalia. Die wichtigsten Hawiye-Clans sind die Habr Gedir und die Abgaal, beide haben in und um Mogadischu großen Einfluss.

* Die Dir leben im Westen Somalilands sowie in den angrenzenden Gebieten in Äthiopien und Djibouti, außerdem in kleineren Gebieten Süd-/Zentralsomalias. Die wichtigsten Dir-Clans sind die Issa, Gadabursi (beide im Norden) und Biyomaal (Süd-/Zentralsomalia).

* Die Isaaq sind die wichtigste Clanfamilie in Somaliland, wo sie kompakt leben. Teils werden sie zu den Dir gerechnet.

* Die Rahanweyn bzw. Digil/Mirifle werden als weitere Clanfamilie gesehen. Sie gelten als Nachfahren von Saab, dem Bruder von Samaale (SEM 31.5.2017; vgl. AA 4.2017a).

Es ist nicht möglich, die genauen Zahlenverhältnisse der einzelnen Clans anzugeben. Hawiye, Darod, Isaaq und Digil/Mirifle stellen wohl je 20-25% der Gesamtbevölkerung, die Dir deutlich weniger (AA 4.2017a).

Alle Mehrheitsclans sowie ein Teil der ethnischen Minderheiten - nicht aber die berufsständischen Gruppen - haben ihr eigenes Territorium. Dessen Ausdehnung kann sich u.a. aufgrund von Konflikten verändern (SEM 31.5.2017).

Als Minderheiten werden jene Gruppen bezeichnet, die aufgrund ihrer geringeren Anzahl schwächer als die "noblen" Mehrheitsclans sind. Dazu gehören Gruppen mit nichtsomalischer ethnischer Abstammung;

Gruppen, die traditionell als unrein angesehene Berufe ausüben;

sowie die Angehörigen "nobler" Clans, die nicht auf dem Territorium ihres Clans leben oder zahlenmäßig klein sind (SEM 31.5.2017).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): Somalia - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Somalia/Innenpolitik_node.html, Zugriff 13.9.2017;

* AA - Auswärtiges Amt (1.1.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia;

* LI - Landinfo (4.4.2016): Somalia: Praktiske forhold og sikkerhetsutfordringer knyttet til reisevirksomhet i Sør-Somalia, http://www.landinfo.no/asset/3331/1/3331_1.pdf, Zugriff 15.12.2017;

* ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi (9.2016): Asylländerbericht Somalia;

* SEM - Staatssekretariat für Migration (Schweiz) (31.5.2017): Focus Somalia - Clans und Minderheiten, https://www.sem.admin.ch/dam/data/sem/internationales/ herkunftslaender/afrika/som/SOM-clans-d.pdf, Zugriff 22.11.2017 und

* USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Somalia, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index. htm?year=2016&dlid=265300, Zugriff 13.9.2017

1.2.3. Frauen:

Die aktuelle Verfassung betont in besonderer Weise die Rolle und die Menschenrechte von Frauen und Mädchen und die Verantwortung des Staates in dieser Hinsicht. Tatsächlich ist deren Lage jedoch weiterhin besonders prekär. Frauen und Mädchen bleiben den besonderen Gefahren der Vergewaltigung, Verschleppung und der systematischen sexuellen Versklavung ausgesetzt. Wirksamer Schutz gegen solche Übergriffe - insbesondere in IDP-Lagern - ist mangels staatlicher Autorität bisher nicht gewährleistet (AA 1.1.2017).

Die somalische Regierung hat 2014 einen Aktionsplan zur Bekämpfung sexueller Übergriffe verabschiedet. Die Implementierung geschieht jedoch sehr langsam (ÖB 9.2016). Außerdem wurde im Mai 2016 ein Nationaler Gender Policy Plan verabschiedet. Dieser Plan wurde von der Somali Islamic Scholars Union verurteilt; der Somali Religious Council hat die vorgesehene 30%-Quote für Abgeordnete im somalischen Parlament als gefährlich bezeichnet (USDOS 3.3.2017).

Auch wenn Gewalt gegen Frauen in der Verfassung verboten ist (USDOS 3.3.2017), bleiben häusliche (USDOS 3.3.2017; vgl. AA 1.1.2017, ÖB 9.2016) und sexuelle Gewalt gegen Frauen ein großes Problem (UNSC 5.9.2017). Generell grassiert sexuelle Gewalt ungebremst. Im Zeitraum September 2016 bis März 2017 wurden von UNSOM alleine in den von der Dürre betroffenen Gebieten 3.200 Fälle geschlechtsspezifischer Gewalt dokumentiert (UNHRC 6.9.2017). Besonders betroffen sind davon IDPs in Flüchtlingslagern (ÖB 9.2016; vgl. USDOS 3.3.2017, UNSC 5.9.2017). Im Jahr 2015 waren 75% der Opfer sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt IDPs (ÖB 9.2016). Die IDP-Lager bieten kaum physischen oder Polizeischutz (UNSC 5.9.2017). Auch Frauen und Mädchen von Minderheiten sind häufig unter den Opfern von Vergewaltigungen. Dabei gibt es aufgrund der mit einer Vergewaltigung verbundenen Stigmatisierung der Opfer eine hohe Dunkelziffer (USDOS 3.3.2017). Die Täter sind bewaffnete Männer, darunter auch Regierungssoldaten und Milizionäre (HRW 12.1.2017; vgl. USDOS 3.3.2017, ÖB 9.2016). Im ersten Trimester 2017 wurden 28 Fälle von konfliktbezogener sexueller Gewalt dokumentiert, im letzten Trimester 2016 waren es 13. Dieser Anstieg kann vermutlich mit der wachsenden Zahl an Dürre-bedingten IDPs erklärt werden (UNSC 9.5.2017). Von staatlichem Schutz kann - zumindest für die am meisten vulnerablen Fälle - nicht ausgegangen werden (HRW 12.1.2017; vgl. ÖB 9.2016).

Vergewaltigung ist zwar gesetzlich verboten (AA 1.1.2017), die Strafandrohung beträgt 5-15 Jahre, vor Militärgerichten auch den Tod (USDOS 3.3.2017). Strafverfolgung oder Verurteilungen wegen Vergewaltigung oder anderer Formen sexueller Gewalt sind in Somalia dennoch rar (AA 1.1.2017; vgl. ÖB 9.2016, USDOS 3.3.2017). Generell herrscht Straflosigkeit, bei der Armee wurden aber einige Soldaten wegen des Vorwurfs von Vergewaltigung verhaftet (USDOS 3.3.2017). Manchmal verlangt die Polizei von den Opfern, die Untersuchungen zu ihrem eigenen Fall selbst zu tätigen. Frauen fürchten sich davor, Vergewaltigungen anzuzeigen, da sie mit möglichen Repressalien rechnen (USDOS 3.3.2017).

Al Shabaab hat Vergewaltiger zum Tode verurteilt (USDOS 3.3.2017). Andererseits gibt es Berichte die nahelegen, dass sexualisierte Gewalt von der al Shabaab gezielt als Taktik im bewaffneten Konflikt eingesetzt wird (AA 1.1.2017).

Auch traditionelle bzw. informelle Streitschlichtungsverfahren können das schwache Durchgreifen des Staates nicht ersetzen, da sie dazu neigen, Frauen zu diskriminieren und Täter nicht zu bestrafen (ÖB 9.2016). Dabei werden Vergewaltigungen oder sexuelle Übergriffe meist vor traditionellen Gerichten abgehandelt, welche entweder eine Kompensationszahlung vereinbaren oder aber eine Ehe zwischen Opfer und Täter erzwingen (USDOS 3.3.2017; vgl. UNHRC 6.9.2017). Auch Gruppenvergewaltigungen werden hauptsächlich zwischen Ältesten verhandelt. Die Opfer erhalten keine direkte Entschädigung, diese geht an die Familie (UNHRC 6.9.2017). Das patriarchalische Clansystem und xeer an sich bieten Frauen keinen Schutz. Wird ein Vergehen gegen eine Frau gemäß xeer gesühnt, dann wird zwar die Familie des Opfers finanziell kompensiert, der Täter aber nicht bestraft (SEM 31.5.2017).

[...]

Auch unter der neuen Verfassung gilt in Somalia weiterhin das islamische Scharia-Recht, auf dessen Grundlage auch die Eheschließung erfolgt. Polygamie ist somit erlaubt, ebenso die Ehescheidung (ÖB 9.2016). Laut Übergangsverfassung sollen beide Ehepartner das "age of maturity" erreicht haben; als Kinder werden Personen unter 18 Jahren definiert. Außerdem sieht die Verfassung vor, dass beide Ehepartner einer Eheschließung freiwillig zustimmen müssen. Trotzdem ist die Kinderehe verbreitet. In ländlichen Gebieten verheiraten Eltern ihre Töchter manchmal schon im Alter von zwölf Jahren. Insgesamt wurden 45% der Frauen im Alter von 20-24 Jahren bereits mit 18 Jahren, 8% bereits im Alter von 15 Jahren verheiratet (USDOS 3.3.2017).

Zu von der al Shabaab herbeigeführten Zwangsehen kommt es auch weiterhin (SEMG 8.11.2017), allerdings nur in den von al Shabaab kontrollierten Gebieten (DIS 3.2017; vgl. USDOS 3.3.2017). Das Ausmaß ist unklar. Manchmal werden die Eltern der Braut bedroht. Zwangsehen der al Shabaab in städtischen Zentren sind nicht bekannt (DIS 3.2017). Die Gruppe nutzt zusätzlich das System der Madrassen (Religionsschulen), um potentielle Bräute für die eigenen Kämpfer zu identifizieren (SEMG 8.11.2017). Immer mehr junge Frauen werden radikalisiert und davon angezogen, eine "Jihadi-Braut" werden zu können (SEMG 8.11.2017; vgl. BFA 8.2017).

Al Shabaab setzt Frauen - manchmal auch Mädchen - zunehmend operativ ein, etwa für den Waffentransport in und aus Operationsgebieten; für die Aufklärung und zur Überwachung (SEMG 8.11.2017); oder als Selbstmordattentäterinnen (DIS 3.2017).

Sowohl im Zuge der Anwendung der Scharia als auch bei der Anwendung traditionellen Rechtes sind Frauen nicht in Entscheidungsprozesse eingebunden (USDOS 3.3.2017). Zudem gelten die aus der Scharia interpretierten Regeln des Zivilrechts und Strafrechts, die Frauen tendenziell benachteiligen bzw. einem (übersteigerten) paternalistischen Ansatz folgen. Für Frauen gelten entsprechend andere gesetzliche Maßstäbe als für Männer. So erhalten beispielsweise Frauen nur 50% der männlichen Erbquote. Bei der Tötung einer Frau ist im Vergleich zur Tötung eines Mannes nur die Hälfte des an die Familie des Opfers zu zahlenden "Blutgeldes" vorgesehen (AA 1.1.2017; vgl. USDOS 3.3.2017). Erwachsene Frauen und viele minderjährige Mädchen werden zur Heirat gezwungen (AA 1.1.2017). Insgesamt gibt es hinsichtlich der grundsätzlich diskriminierenden Auslegungen der zivil- und strafrechtlichen Elemente der Scharia keine Ausweichmöglichkeiten, die aus der Scharia interpretierten Regeln des Zivil- und Strafrechts gelten auch in Puntland und Somaliland. Gleichwohl gibt es politische Ansätze, die mittel- bis langfristig eine Annäherung des Status von Mann und Frau anstreben. In den von der al Shabaab kontrollierten Gebieten werden die Regeln der Scharia in extremer Weise angewandt - mit der entsprechenden weitergehenden Diskriminierung von Frauen als Folge (AA 1.1.2017).

Eigentlich wären für das Parlament 30% Sitze für Frauen vorgesehen. Bis zur Neuwahl des Parlaments stellten diese aber nur 14% von 275 Abgeordneten (USDOS 3.3.2017; vgl. UNSC 9.5.2017). Im neuen Unterhaus und im Oberhaus des Parlaments stellen Frauen nunmehr 24% der Abgeordneten. 23% der Mitglieder des Ministerkabinetts sind Frauen (UNSC 9.5.2017; vgl. UNHRC 6.9.2017). 13 von 54 Abgeordneten im Oberhaus sind Frauen (NLMBZ 11.2017). Im Ältestenrat von Puntland war noch nie eine Frau vertreten, im 66sitzigen Repräsentantenhaus sind es zwei, es gibt auch zwei Ministerinnen (USDOS 3.3.2017).

Generell haben Frauen nicht die gleichen Rechte, wie Männer, und sie werden systematisch benachteiligt (USDOS 3.3.2017). Frauen leiden unter schwerer Ausgrenzung und Ungleichheit in den Bereichen Gesundheit, Bildung und Beschäftigungsmöglichkeiten (ÖB 9.2016), und unter Diskriminierung bei Kreditvergabe, Bildung und Unterbringung. Laut einem Bericht einer somaliländischen Frauenorganisation aus dem Jahr 2010 besaßen dort nur 25% der Frauen Vieh, Land oder anderes Eigentum. Allerdings werden Frauen beim Besitz und beim Führen von Unternehmen nicht diskriminiert - außer in den Gebieten der al Shabaab (USDOS 3.3.2017).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (1.1.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia;

* BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, http://www.bfa.gv.at/files/berichte/FFM%20Report_Somalia%20Sicherheitslage_Onlineversion_2017_08_KE_neu.pdf, Zugriff 13.9.2017;

* DIS - Danish Immigration Service/Danish Refugee Council (3.2017):

South and Central Somalia Security Situation, al-Shabaab Presence, and Target Groups. Report based on interviews in Nairobi, Kenya, 3 to 10 December 2016, https://www.nyidanmark.dk /NR/rdonlyres/57D4CD96-E97D-4003-A42A-C119BE069792/0/South_and_Central_ Somalia_Report_March_2017.pdf, Zugriff 21.11.2017;

* HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - Somalia, http://www.ecoi.net/local_link/334750/476503_de.html, Zugriff 14.9.2017;

* NLMBZ - (Niederlande) Ministerie von Buitenlandse Zaken (11.2017):

Algemeen Ambtsbericht Zuid- en Centraal- Somalië, http://www.ecoi.net/file_upload/ 1226_1512376193_correctie-aab-zuid-en-centraal-somalie-2017-def-zvb.pdf, Zugriff 10.1.2018;

* ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi (9.2016): Asylländerbericht Somalia;

* SEM - Staatssekretariat für Migration (Schweiz) (31.5.2017): Focus Somalia - Clans und Minderheiten, https://www.sem.admin.ch/dam/data/sem/internationales /herkunftslaender/afrika/som/SOM-clans-d.pdf, Zugriff 22.11.2017;

* SEMG - Somalia and Eritrea Monitoring Group (8.11.2017): Report of the SEMG on Somalia,

https://www.un.org/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/2017/924, Zugriff 14.11.2017;

* UNHRC - UN Human Rights Council (6.9.2017): Report of the independent expert on the situation of human rights in Somalia http://www.refworld.org/docid /59c12bed4.html, Zugriff 11.11.2017;

* UNSC - UN Security Council (5.9.2017): Report of the Secretary-General on Somalia,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1505292097_n1726605.pdf, Zugriff 8.11.2017;

* UNSC - UN Security Council (9.5.2017): Report of the Secretary-General on Somalia,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1496910356_n1712363.pdf, Zugriff 10.11.2017 und

* USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Somalia, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index. htm?year=2016&dlid=265300, Zugriff 13.9.2017

1.2.4. Kinder:

Im ersten Trimester 2017 wurden 431 Fälle schwerer Menschenrechtsverletzungen an insgesamt 397 Kindern bei 148 Zwischenfällen dokumentiert (UNSC 9.5.2017). Im zweiten Trimester waren es 245 Zwischenfälle und 485 betroffene Kinder (UNSC 5.9.2017). Im letzten Trimester 2016 waren es noch 477 Zwischenfälle mit 854 betroffenen Kindern gewesen (UNSC 9.1.2017). Missbrauch und Vergewaltigung von Kindern sind ernste Probleme. Viele der Opfer von sexueller Gewalt sind Kinder (USDOS 3.3.2017).

Rund 900.000 Kinder sind akut unterernährt (UNHRC 6.9.2017). Die Zahl der akut unterernährten Kinder könnte bis Ende 2017 auf 1,4 Millionen ansteigen, darunter 275.000 mit schwerer - lebensbedrohlicher - akuter Unterernährung (UNHRC 6.9.2017; vgl. UNSC 5.9.2017).

Kinderarbeit ist weit verbreitet. Laut UNICEF mussten im Zeitraum 2009-2015 49% der Kinder im Alter von 5 bis 14 Jahren arbeiten (USDOS 3.3.2017). Im ländlichen Somalia ist meist von Feldarbeit oder nomadischer Hilfstätigkeit auszugehen. In urbanen Zentren werden Kinder als Dienstboten und für einfache Erledigungen eingesetzt (AA 1.1.2017; vgl. USDOS 3.3.2017).

Eine offizielle, staatlich geregelte Adoptionspraxis bzw. ein staatliches Adoptionsrecht existiert nicht. Elternlose Kinder werden zumeist relativ formlos bei nahen Verwandten oder Pflegefamilien untergebracht. Offizielle Dokumente sind daher zumeist nicht vorzufinden und selbst wenn, könnten diese nach Sicht der Botschaft einer Urkundenüberprüfung nicht standhalten (ÖB 9.2016).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (1.1.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia;

* ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi (9.2016): Asylländerbericht Somalia;

* UNHRC - UN Human Rights Council (6.9.2017): Report of the independent expert on the situation of human rights in Somalia http://www.refworld.org/ docid/59c12bed4.html, Zugriff 11.11.2017;

* UNSC - UN Security Council (5.9.2017): Report of the Secretary-General on Somalia,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1505292097_n1726605.pdf,

Zugriff 8.11.2017;

* UNSC - UN Security Council (9.5.2017): Report of the Secretary-General on Somalia,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1496910356_n1712363.pdf,

Zugriff 10.11.2017;

* UNSC - UN Security Council (9.1.2017): Report of the Secretary-General on Somalia,

https://www.ecoi.net/file_upload/1226_1484732800_n1647163.pdf,

Zugriff 20.11.2017 und

* USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Somalia, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport /index.htm?year=2016&dlid=265300, Zugriff 13.9.2017

2. Beweiswürdigung:

2.1.1. Die Feststellungen zur Person der Erstbeschwerdeführerin (Staatsangehörigkeit, Clan- sowie sämtliche Subclanzugehörigkeiten bzw. darunterliegende Clanebenen und Glaubensbekenntnis), zu ihrer familiären Beziehung zum Zweitbeschwerdeführer und zur ihrer Herkunft aus Mogadischu bzw. zu ihrem dortigen Leben ergeben sich aus dem bezüglich dieser Feststellungen widerspruchsfreien und daher glaubwürdigen Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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