TE Bvwg Erkenntnis 2019/8/6 W186 2221856-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.08.2019
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Entscheidungsdatum

06.08.2019

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z2
VwGVG §35 Abs3

Spruch

W186 2221856-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Judith PUTZER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch ARGE-Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.07.2019, Zahl: 1112611607-190665829, sowie die Anhaltung in Schubhaft seit 23.07.2019 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG i.V.m. § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG i.V.m. § 76 Abs. 2 Z 2 FPG wird festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.

III. Gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG i.V.m. § 1 Z. 3 und Z. 4 VwG-AufwErsV hat die beschwerdeführende Partei dem Bund Aufwendungen in Höhe von € 426,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

IV. Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. zulässig.

Hinsichtlich der Spruchpunkte III. und IV. ist die Revision nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge als BF bezeichnet), stellte am 24.04.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid vom 13.05.2017 wurde dieser Antrag gem. § 3 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AslyG abgewiesen und es wurde dem BF subsidiärer Schutz nicht zuerkannt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und die Abschiebung des BF nach Afghanistan für zulässig erklärt. Gegen diesen Bescheid erhob der BF am 02.06.2017 Beschwerde. Das Beschwerdeverfahren ist noch beim BVwG anhängig.

2. Am 13.06.2018 wurde der BF von der Polizei aufgegriffen; er befand sich vom 15.06.2018 bis zum 11.07.2018 in Untersuchungshaft und wurde am 11.07.2018 in die Justizanstalt Wien Josefstadt eingeliefert; die Überstellung in die JA Krems an der Donau erfolgte am 13.08.2018. Am 11.03.2019 wurde dem BF der gelockerte Vollzug ermöglicht, jedoch kehrte er am 13.06.2019 nicht von seinem Freigang zurück, war für die Behörden nicht mehr greifbar und wurde neuerlich zur Fahndung ausgeschrieben.

Am 23.06.2019 wurde der BF wieder aufgegriffen und in die JA Wien Josefstadt eingeliefert. Eine Überstellung in die JA Krems an der Donau erfolgte am 25.06.2019, wo sich der BF bis zur Überstellung in die Schubhaft in Strafhaft befunden hat.

3. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 10.07.2019 wurde über den BF Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme angeordnet.

Das Bundesamt traf in diesem Bescheid die folgenden Feststellungen:

"Zu Ihrer Person:

-

Sie befinden sich derzeit wegen einer Straftat gemäß §§ 27 Abs. 1 Ziffer 1 (erster Fall), 27 Abs. 1 Ziffer 1 (zweiter Fall), 27 Abs. 2, 27 Abs. 1 Ziffer 1 (achter Fall), 27 Abs. 2a, 27 Abs. 3 SMG § 15 StGB bis voraussichtlich 22.07.2019 in Strafhaft.

-

Sie sind nicht im Besitz einer österreichischen Staatsbürgerschaft;

-

Sie haben einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, welcher in I. Instanz negativ entschieden und eine Rückkehrentscheidung erlassen wurde, jedoch ist dieses Verfahren derzeit in Beschwerde und daher noch nicht durchführbar;

-

Sie wurden am XXXX in XXXX , AFGHANISTAN geboren;

-

Als Staatsangehöriger von AFGHANISTAN haben Sie den Status eines Drittstaatsangehörigen;

-

Ihr Familienstand ist ledig;

-

Sie verfügen über kein Identitäts-, bzw. Reisedokument, wodurch es bei den vorhandenen Daten um eine sogenannte Verfahrensidentität handelt;

-

Sie sind gesund und in einem arbeitsfähigen Alter;

-

Sie verfügen über eine Eintragung in der österreichischen Grundversorgung, jedoch haben Sie derzeit den Status "Inaktiv" und verfügen somit über keine Versorgung (000466485);

-

In Österreich verfügen Sie über eine Sozialversicherungsnummer, jedoch sind Sie derzeit abgemeldet (3215041399 - seit 28.03.2018);

-

Bei Ihren Effekten befindet sich kein Bargeld;

-

Die Namen Ihrer Eltern lauten XXXX (Vater) und XXXX (Mutter).

Zu Ihrer rechtlichen Position in Österreich:

-

Es ist ein Asylverfahren anhängig und befindet sich derzeit in Beschwerde;

-

Sie verfügen über faktischen Abschiebeschutz / die Entscheidung ist noch nicht durchführbar;

-

Sie wurden in Österreich straffällig und von einem inländischen Gericht verurteilt;

-

Aufgrund Ihres gezeigten Verhaltens besteht bei einem weiteren Aufenthalt von Ihrer Person eine aktuelle und gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit;

Zu Ihrem bisherigen Verhalten:

-

Sie sind am 24.04.2016 mit einem Zugticket von Ungarn kommend nach Österreich illegal eingereist und stellten am 25.04.2016 einen Asylantrag;

-

Nachdem Ihr Asylverfahren in Beschwerde ist, befinden Sie sich seit der Zulassung zum Asylverfahren rechtmäßig im Bundesgebiet;

-

Sie wurden in Österreich mehrmals straffällig und von einem inländischen Gericht rechtskräftig verurteilt;

-

Sie haben sich in Ihrem bisherigen Verfahren sehr unkooperativ verhalten, indem Sie vor Ihrer Festnahme aus mehreren Asylquartieren wegen disziplinären Maßnahmen verwiesen und mehrmals straffällig wurden;

-

Einer legalen Erwerbstätigkeit gehen Sie nicht nach und es besteht aufgrund Ihrer Vorstrafen eher keine Aussichten, dass Sie eine legale Arbeitsstelle finden werden;

-

Sie wurden während Ihrer Strafhaft von Ihren Unterkunftgeber "Tempus Verein" behördlich abgemeldet;

-

Für den Fall, dass Sie entlassen werden, konnten Sie keine Wohnadresse nennen;

-

Sie hoffen, dass Ihnen der Soziale Dienst eine neuerliche Asylunterkunft zuweist;

-

Sie haben noch eine Freund in Salzburg angeführt, bei dem Sie angeblich Unterkunft nehmen können, jedoch konnten Sie auch diese Adresse nicht nennen;

-

Aufgrund dessen, dass Sie nicht im Besitz eines gültigen Reisedokuments sind können Sie Österreich auch nicht aus eigenem Entschluss legal verlassen;

-

Sie haben mehrmals die österreichische Rechtsordnung bewusst missachten und sich dadurch als nicht vertrauenswürdig erwiesen;

-

Sie verfügend nicht über ausreichend Barmittel, um Ihren weiteren Aufenthalt bzw. Ausreise finanzieren zu können;

-

Sie haben auch nicht genügend Barmittel, um eine ausreichende Kaution zu hinterlegen;

-

Sie sind in keiner Weise als integriert anzusehen;

Zu Ihrem Privat- und Familienleben:

-

Sie haben angeführt, dass Ihr Bruder, Herr XXXX , geb. XXXX (IFA: 1113097603) in Österreich wohnt;

-

Ihre Mutter und die restlichen Familienmitglieder leben in Afghanistan;

-

Sie verfügen somit über keine ausreichenden familiären Bindungen zum Bundesgebiet.

-

In Österreich sind Sie weder beruflich, sozial noch ausreichend familiär verankert."

In rechtlicher Hinsicht fand die Behörde:

"Sie haben sich bereits schon einmal im laufenden Asylverfahren dem Verfahren entzogen und waren untergetaucht.

Sie sind im Zuge Ihrer Strafhaft von einen Freigang nicht ordnungsgemäß zurückgekehrt und galten somit als geflüchtet, wodurch Sie sich der Strafhaft bewusst entzogen haben.

Ihnen ist bekannt, dass die ha. Behörde bei einer negativen Asylentscheidung Ihre Abschiebung organisieren wird, sofern Sie nicht innerhalb von 14 Tagen freiwillig ausreisen bzw. ausreisen können. Außerdem wurde Ihnen mitgeteilt, dass es bei einer negativen Asylentscheidung beabsichtigt ist, gegen Sie eine Rückkehrentscheidung iVm Einreiseverbot zu erlassen, wobei Ihnen die aufschiebende Wirkung und die freiwillige Ausreise aufgrund der beurteilten aktuellen und gegenwärtigen Gefährdung nicht zugestanden wird.

Nachdem Sie während dem laufenden Asylverfahren untergetaucht waren und vom Freigang nicht zurückgekehrt sind, zeigt dieses Verhalten eindeutig, dass Sie sich bewusst der behördlichen Greifbarkeit entziehen wollten und es ist daher höchst unwahrscheinlich, dass Sie Ihr Verhalten ändern werden.

Ihnen wurde im Zuge der Einvernahme mitgeteilt, dass die ha. Behörde im Sinne der geltenden gesetzlichen Richtlinien zur Sicherung des Verfahrens und der Abschiebung die Schubhaft nach Entlassung aus der Strafhaft gegen Ihre Person verhängen wird.

Sie sind nicht im Besitz von Barmitteln bzw. Sparguthaben, wodurch Sie auch keine ausreichende Sicherheitsleistung (Kaution) hinterlegen können.

Einer legalen Beschäftigung gehen Sie in Österreich nicht nach, daher verfügen Sie über keine beruflichen Bindungen oder auch über sonst keine Ankerpunkte.

Nachdem Sie über kein gültiges Reisedokument verfügen, können Sie Österreich auch nicht aus eigenem Entschluss legal verlassen.

Sie haben bis dato keine Anstrengungen unternommen um ein gültiges Identitäts-, bzw. Reisedokument zu bekommen, daher wird die ha. Behörde für Sie ein Heimreisezertifikat beantragen.

Durch Ihr bisher gezeigtes Verhalten haben Sie bewiesen, dass Sie nicht gewillt sind, die österreichischen Gesetze einzuhalten und haben diese bewusst ignoriert, wodurch dies eine aktuellen und gegenwärtigen Gefährdung für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt du somit ein Sicherungsbedarf für das laufende Verfahren und der Effektuierung Ihrer Abschiebung unbedingt notwendig ist.

Daher ist die Entscheidung auch verhältnismäßig und unbedingt notwendig, da die ha. Behörde dafür zu sorgen hat, dass die österreichischen Gesetze eingehalten werden.

Es wurde beurteilt, dass Sie in Schubhaft genommen werden müssen, da dies die einzige Möglichkeit ist, das Sie für das noch offene Verfahren greifbar sind und die verlässige Effektuierung Ihrer Abschiebung sicher stellen zu können.

Die Sicherung des Verfahrens bzw. der Abschiebung ist erforderlich, da Sie sich aufgrund Ihres oben geschilderten Vorverhaltens als nicht vertrauenswürdig erwiesen haben. Es ist davon auszugehen, dass Sie auch hin künftig nicht gewillt sein werden, die Rechtsvorschriften einzuhalten.

Aus Ihrer Wohn- und Familiensituation, aus Ihrer fehlenden sonstigen Verankerung in Österreich sowie aufgrund Ihres bisherigen Verhaltens kann geschlossen werden, dass bezüglich Ihrer Person ein beträchtliches Risiko des Untertauchens vorliegt.

Sie haben sich schon einmal dem Asylverfahren entzogen und sind vom gelockerten Vollzug im Zuge des Freiganges geflüchtet, wodurch Sie sich erwiesener Maßen bewusst der behördlichen Greifbarkeit entzogen haben.

In Ihren fall wurde daher eine aktuelle Fluchtgefahr eindeutig beurteilt.

Sie haben oder wollten auch im Zuge Ihrer Einvernahme keinen Aufenthaltsort oder Unterkunftnahme in Bundesgebiet glaubhaft belegen.

Der Aussage, dass Sie bei einem Freund in Salzburg, den Sie nicht näher genannt haben, Unterkunft nehmen können, konnte kein Glauben geschenkt werden. Sollte sich dies aber trotzdem als richtig herausstellen, so sprechen die sonstigen Voraussetzungen durch Ihr gezeigtes Verhalten ebenfalls gegen eine Entlassung oder ein gelinderes Mittel, da eine Fluchtgefahr eindeutig vorliegt und nur die Erlassung einer Schubhaft die verhältnismäßigste Sicherungsmaßnahme darstellt.

Auch der Aufenthalt Ihres Bruder mindert den Sicherungsbedarf mittels Schubhaft, da Sie bei Ihrer letzten Flucht nur durch eine Fahndung neuerlich aufgegriffen werden konnten.

Würde Sie die ha. Behörde aus der Anhaltung entlassen, wäre Ihre Greifbarkeit nicht mehr gewährleistet, da aufgrund Ihres bisher gezeigten Verhaltens davon auszugehen ist, dass Sie abermals untertauchen werden.

Zu Österreich bestehen keine beruflichen, sozialen, privaten bzw. ausreichenden familiären Bindungen und auch sonst keine Ankerpunkte.

Verfahrensrelevante Integration ist in Ihrem Fall nicht erkennbar.

Gemäß § 67 Abs. 1 FPG ist Voraussetzung, dass das persönliche Verhalten die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.

Sie haben mit Ihren Verhalten gezeigt, dass eine immer wiederkehrende, fortlaufende, nachvollziehbare und zum Teil in der gleichen schädlichen Neigung verharrende Straffälligkeit durchführen.

Die wird durch Vielzahl an vorhandenen strafrechtlichen Verurteilungen untermauert.

Sie sind mehrmals wegen einer Straftat nach dem Suchtmittelgesetz rechtskräftig verurteilt worden. Sie haben z.B. an der öffentlichen Verkehrsfläche, nämlich in 1020 Wien, XXXX , vorschriftwidrig Suchtgift (zwei Baggies) an einer anderen Person überlassen. Sie gefährden mit dem Verkauf bzw. Weitergabe von Suchtgiftmittel die Volksgesundheit und die Gesundheit Ihrer Abnehmer. Hier handelt sich nicht um ein Kavaliersdelikt, sondern einer sehr bedenklichen Straftat. Hierzu kommt, dass Sie dadurch sicherlich einen Kunden-, bzw. Abnehmerkreis haben und diese Kontakte unter allen Umständen zu unterbinden bzw. verhindern sind. Auch die dadurch sicherlich vorhandenen Kontakte zur Suchtgiftscene sind unter allen Umständen zu verhindern.

Aufgrund Ihrer Vergangenheit und der immer wiederkehrenden Straffälligkeit in der gleichen schädlichen Neigung (Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften) ist mit einer großen Rückfälligkeit zu rechnen.

Eine Entlassung nach der Strafhaft würde daher eindeutig eine aktuelle und gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellen.

Bei der Prüfung der Fluchtgefahr ist auch ein massives strafrechtliches Verhalten des Fremden in Bezug auf Gewalt- und Vermögensdelikte in Verbindung mit der wegen seiner Mittellosigkeit naheliegenden Wiederholungsgefahr einzubeziehen (VwGH 25.03.2010, 2009/21/0276). Der VwGH hat auch ausgesprochen, dass eine erhebliche Delinquenz des Fremden das Gewicht des öffentlichen Interesses an der Effektivität einer baldigen Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 25.03.2010, 2009/21/0276).

Laut Strafregisterauszug scheinen folgende Verurteilungen zu Ihrer

Person auf:

Vorstrafen:

• Sie wurden vom LG F.STRAFS.WIEN, Zahl 152 HV 129/2016d, am 30.01.2017 (RK 30.01.2017), gemäß §§ 27 Abs. 1 Ziffer 1 (achter Fall), 27 Abs. 2a, 27 Abs. 3 SMG § 15 StGB, zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 4 Monate, unter Setzung einer Probezeit auf 3 Jahre, rechtskräftig verurteilt;

• Sie wurden vom LG F.STRAFS.WIEN, Zahl 142 HV 43/2017k, am 08.06.2017 (RK 08.06.2017), gemäß §§ 27 Abs. 1 Ziffer 1 (achter Fall), 27 Abs. 2a SMG, zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 4 Monate, unter Setzung einer Probezeit auf 3 Jahre, rechtskräftig verurteilt;

• Sie wurden vom LG F.STRAFS.WIEN, Zahl 161 HV 20/2018v, am 26.04.2018 (RK 01.05.2018), gemäß § 83 Abs. 1, 125 StGB, zu einer Freiheitsstrafe von 3 Monate bedingt, unter Setzung einer Probezeit auf 3 Jahre, rechtskräftig verurteilt;

Letztmalige Verurteilung:

• Sie wurden vom LG F.STRAFS.WIEN, Zahl 152 HV 44/2018g, am 11.07.2018 (RK 17.07.2018), gemäß §§ 27 Abs. 1 Ziffer 1 (erster Fall), 27 Abs. 1 Ziffer 1 (zweiter Fall), 27 Abs. 2, 27 Abs. 1 Ziffer 1 (achter Fall), 27 Abs. 2a, 27 Abs. 3 SMG § 15 StGB, zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 9 Monaten, rechtskräftig verurteilt.

Daher liegt in Ihrem Fall eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit iSd §§ 67 FPG und 76 Abs. 2 Z 1 FPG vor.

Einem geordneten Fremdenwesen kommt im Hinblick auf die öffentliche Ordnung und dem wirtschaftlichen Wohl des Staates ein hoher Stellenwert zu. Es besteht die Verpflichtung Österreichs, seinen europarechtlichen Vorgaben, als auch den Pflichten gegenüber seinen Staatsbürgern und anderen legal aufhältigen Personen nachzukommen.

Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft und ihrer Notwendigkeit ergibt daher in Ihrem Fall, dass Ihr privates Interesse an der Schonung Ihrer persönlichen Freiheit dem Interesse des Staates am reibungslosen Funktionieren der öffentlichen Verwaltung hintanzustehen hat.

Dabei wurde auch berücksichtigt, dass die Schubhaft eine ultima - ratio - Maßnahme darstellt. Es ist daher zu prüfen, ob die Anordnung gelinderer Mittel gleichermaßen zur Zweckerreichung dienlich wäre. In Betracht käme dabei das gelindere Mittel gem. § 77 FPG mit den dafür vorgesehenen Aufenthalts- und Meldepflichten bzw. der Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit. Dabei kommt die finanzielle Sicherheitsleistung aufgrund Ihrer finanziellen Situation schon von vornherein nicht in Betracht.

Doch auch was die Unterkunftsnahme in bestimmten Räumlichkeiten und die periodische Meldeverpflichtung betrifft, kann in Ihrem Fall damit nicht das Auslangen gefunden werden.

Ihnen wurde bereits das Vertrauen seitens der Justizbehörden mit dem gelockerten Vollzug geschenkt, jedoch haben Sie dieses missbraucht und sind vom Freigang nicht zurückgekehrt (geflüchtet).

Sie haben sich in der Vergangenheit schon mehrmals als nicht vertrauenswürdig erwiesen und waren (während dem Asylverfahren, Freigang) stattdessen unsteten Aufenthalts (untergetaucht) im Bundesgebiet und haben sich bewusst der behördlichen Greifbarkeit entzogen.

Ihnen ist jetzt bekannt, dass die ha. Behörde nach einer negativen Asylentscheidung für Ihre ehestmögliche Abschiebung sorgen wird.

Die ha. Behörde geht aufgrund Ihres bisher gezeigten Verhaltens davon aus, dass Sie einer regelmäßigen Meldeverpflichtung bei einer Polizeiinspektion nicht nachkommen werden.

Sie verfügen nicht über ausreichend Barmittel, um eine ausreichende Sicherheitsleistung (Kaution) bei der ha Behörde hinterlegen zu können.

Die Gefahr eines neuerlichen Untertauchens ist somit viel zu groß.

Dies gilt es zu verhindern, daher wurde beurteilt, dass nur die Erlassung einer Schubhaft eine sichere Abschiebung gewährleistet.

Wie oben ausführlich dargelegt, besteht in Ihrem Fall aufgrund Ihrer persönlichen Lebenssituation sowie aufgrund Ihres bisherigen Verhaltens ein beträchtliches Risiko des Untertauchens. Damit wäre jedoch der Zweck der Schubhaft, nämlich die Sicherung des Verfahrens bzw. der Abschiebung, vereitelt. Es liegt somit eine Ultima - Ratio - Situation vor, die die Anordnung der Schubhaftverhängung unabdingbar erfordert und eine Verfahrensführung, während derer Sie sich in Freiheit befinden, ausschließt.

Es ist weiters aufgrund Ihres Gesundheitszustandes davon auszugehen, dass auch die subjektiven Haftbedingungen, wie Ihre Haftfähigkeit, gegeben sind.

Sie haben in Ihrer niederschriftlichen Einvernahme keine gegenteiligen Behauptungen gemacht.

Sollten Sie dennoch ärztlicher Hilfe bedürfen, so kann Ihnen eine solche auch im Stande der Schubhaft gewährt werden.

Die Verhängung von Schubhaft wird daher als verhältnismäßig, zumutbar und notwendig beurteilt."

4. Der Beschwerdeführer erhob mit Schriftsatz vom 30.07.2019, durch seinen Rechtsberater als gewillkürten Vertreter, Beschwerde gegen den Bescheid vom 10.07.2018 sowie die Anhaltung in Schubhaft.

"...] Der Beschwerdeführer wurde erstmalig am 30.1.2017 (RK 30.1.2017) vom Landesgericht für Strafsachen Wien zur Zahl 152 HV 129/2016d gemäß §§ 27 Abs. 1 Ziffer 1 (achter Fall), 27 Abs. 2a, 27 Abs. 3 SMG § 15 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 4 Monate, unter Setzung einer Probezeit auf 3 Jahre, rechtskräftig verurteilt.

In der Folge wurde der BF am 8.6.2017 (RK 8.6.2017) vom Landesgericht für Strafsachen Wien zur Zahl 142 HV 43/2017k gemäß §§ 27 Abs. 1 Ziffer 1 (achter Fall), 27 Abs. 2a SMG, zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 4 Monaten, unter Setzung einer Probezeit auf 3 Jahre, rechtskräftig verurteilt;

Der Beschwerdeführer wurde am 26.04.2018 (RK 1.5.2018) vom Landesgericht für Strafsachen Wien zur Zahl 161 HV 20/20'8v, gemäß § 83 Abs. 1, 125 StGB, zu einer

Freiheitsstrafe von 3 Monate bedingt, unter Setzung einer Probezeit auf 3 Jahren, rechtskräftig verurteilt.

Der Beschwerdeführer wurde letztmalig vom Landesgericht für Strafsachen Wien am 11.7.2018 (RK 17.7.2018) zur Zahl 152 HV 44/20189 gemäß §§ 27 Abs. 1 Ziffer 1 (erster Fall), 27 Abs. 1 Ziffer 1 (zweiter Fall), 27 Abs. 2, 27 Abs. 1 Ziffer 1 (achter Fall), 27 Abs. 2a, 27 Abs. 3 SMG § 15 StGB, zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 9 Monaten, rechtskräftig verurteilt.

Der Beschwerdeführer bereut seine Taten zutiefst und hat sich vorgenommen, in Zukunft keine Straftaten mehr zu begehen.

Der Beschwerdeführer war von 13.6.2018 bis 13.6.2019 in Strafhaft, seit März 2019 war der Beschwerdeführer im gelockerten Vollzug, er kehrte stets wieder in die JA Krems zurück. Am 13.6.2019 kehrte er nach einem Freigang jedoch nicht mehr in die JA Krems zurück, der Beschwerdeführer bereut dies sehr. Am 23.6.2019 wurde der BF wieder aufgegriffen und war bis zum 23.7.2019 wieder in Strafhaft.

Der Beschwerdeführer wurde am 8.7.2019 zur möglichen Sicherungsmaßnahme durch einen Organwalter des BFA einvernommen und am 10.7.2019 der gegenständlich angefochtene Bescheid erlassen, mit dem das BFA über den BF gern § 76 Abs 2 Z 1 FPG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme angeordnete.

Am 23.7.2019 wurde der Beschwerdeführer aus der Haft entlassen und in das PAZ Hernalser Gürtel überstellt.

Der BF war im österreichischen Bundesgebiet stets behördlich gemeldet. Die Wiederaufnahme des Beschwerdeführers in die Grundversorgung ist wahrscheinlich.

Der Beschwerdeführer ist selbstverständlich kooperativ und auch bereit, an einem von der Behörde festgelegten Tag aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan auszureisen. Zudem würde er einem gelinderen Mittel jedenfalls Folge leisten.

Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich über ein soziales Netzwerk. Sein Bruder, mit dem er regelmäßig Kontakt hat, XXXX , XXXX : XXXX , 1230 Wien , ist in Österreich aufenthaltsberechtigt. Der Beschwerdeführer könnte zudem bei seinem Freund XXXX , XXXX , 1020 Wien, XXXX , Unterkunft nehmen. Dieser würde dem Beschwerdeführer im Falle seiner Enthaftung einen Schlafplatz bis zum Tag seiner Abschiebung unentgeltlich zur Verfügung stellen. Der Beschwerdeführer könnte an der genannten Adresse somit bis zum Tag seiner Ausreise unentgeltlich Unterkunft nehmen.

Im Falle des Beschwerdeführers liegt somit keine Fluchtgefahr vor.

Die Behörde hat das Vorliegen gelinderer Mittel nicht geprüft und den Beschwerdeführer dazu überhaupt nicht befragt. Im Falle des Beschwerdeführers kommen insbesondere die gelinderen Mittel der periodischen Meldeverpflichtung und der Unterkunftnahme in bestimmten Räumlichkeiten gern § 77 Abs 3 Z 1 FPG in Betracht.

Die Anordnung der Schubhaft sowie die Anhaltung in Schubhaft seit dem 23.7.2019 sind daher rechtswidrig. Der Beschwerdeführer erhebt gegen die Anordnung der Schubhaft mittels Bescheid und die auf diesen Bescheid gestützte Anhaltung in Schubhaft das gegenständliche Rechtsmittel.

Beweis: EV des Beschwerdeführers;

EV XXXX , XXXX , 1230 Wien , XXXX ;

XXXX , XXXX , 1020 Wien, XXXX .

...] Zur Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Anordnung der Schubhaft und der Anhaltung des Beschwerdeführers

1. Verletzung von Verfahrensvorschriften

Das von der Behörde durchgeführte Ermittlungsverfahren war grob mangelhaft, da diese ihrer nach §§ 37, 39 Abs 2 AVG bestehenden und in § 18 Abs 1 AsylG konkretisierten Verpflichtung zur amtswegigen Erforschung des maßgebenden Sachverhalts nicht nachgekommen ist. Gerade die Verhängung der Schubhaft als Einschränkung der persönlichen Freiheit verlangt eine Einzelfallabwägung der konkreten Situation eines Beschwerdeführers. Dazu gehört auch, dass die Behörde die Umstände, die für die Entscheidung, ob die Behörde Schubhaft über eine Person verhängt von immenser Bedeutung sind, selbständig ermittelt.

Die Behörde hat in diesem Fall insbesondere überhaupt nicht dahingehend ermittelt, ob der Beschwerdeführer sich kooperativ zeigt.

Beweis: EV des Beschwerdeführers.

2. Kein Vorliegen einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gemäß § 76 Abs 2 Z 1 FPG

Gemäß § 76 Abs 2 Z 1 FPG darf Schubhaft nur angeordnet werden, wenn dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsberechtigten Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist.

Mit dem mit FrÄG 2018 angepassten § 76 Abs 2 Z 1FPG wollte der Gesetzgeber der Haftgrund des Art. 8 Abs 3 lit e Aufnahme-RL in innerstaatliches Recht umsetzen, weshalb in der neu konzipierten Z 1 des § 76 Abs 2 FPG die Anordnung der Schubhaft gegen Fremden, die einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, dahingehend eingeschränkt werden sollte, dass neben Fluchtgefahr und Verhältnismäßigkeit auch eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit als zusätzliche Haftvoraussetzung vorliegen muss. Der Begriff der Gefährdung der nationalen Sicherheit oder Ordnung in Art. 8 Abs. 3 lit e Aufnahme-RL setzt voraus, dass eine tatsächliche, gegenwärtige und hinreichend erhebliche Gefahr vorliegt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und daher über die soziale Störung, die jedem Gesetzesverstoß innewohnt, hinausgeht.

Die Prüfung, ob eine derartige Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit vorliegt, hat daher nach einem äußerst strengen Maßstab zu geschehen. Mit dem Verweis auf § 67 FPG stellt der Gesetzgeber klar, dass hier nur Fälle schwerer Kriminalität erfasst werden sollen und zudem der Behörde ein entsprechender Begründungsaufwand zukommt.

Denn nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH zu § 67 FPG ist bei der zu treffenden Gefährdungsprognose das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahingehend vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzusteilen (vgl. bsp. Ra 2014/21/0039 vom 16.10.2014)

Diesen Anforderungen genügt die belangte Behörde nicht in der Begründung des angefochtenen Bescheides, insbesondere würdigt sie nicht, dass der Beschwerdeführer bis zum Jahr 2017 strafrechtlich unbescholten war und somit nicht der gesamte "bisherige Aufenthalt" des Beschwerdeführers die öffentliche Sicherheit und Ordnung beeinträchtigte. Schließlich wurde der Beschwerdeführer deswegen straffällig, weil er sich in einer psychischen Ausnahmesituation befand und selbst drogenabhängig war, dies gab er in der Einvernahme auch entsprechend an, die Behörde würdigte dies jedoch nicht. Der Beschwerdeführer bereut seine Taten zutiefst und ist mittlerweile nicht mehr suchmittelabhängig.

Zur Frage der Begründungspflicht hinsichtlich des notwendigen Gefährdungsmaßstabes ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Wie bereits ausgeführt ist dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen (vgl. VwGH vom 19.5.2015, Ra 2014/21/0057). Nach ständiger Judikatur des VwGH geht bei der zu erstellenden Gefährdungsprognose schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das ‚persönliche Verhalten' des Fremden abzustellen ist und strafrechtliche Verurteilungen alleine nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können.

Die belangte Behörde ist ihrer Begründungspflicht hinsichtlich des notwendigen Gefährdungsmaßstabes nicht nachgekommen. Allein aufgrund der Verurteilungen des BF kann keine derart schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit angenommen werden, wie sie vom neu geschaffenen § 76 Abs 2 Z 1 FPG in Umsetzung von Art. 8 Abs 3 lit e Aufnahme-RL verlangt wird. Vielmehr führt die Behörde bloß aus, dass der BF "nicht im Besitz von Barmitteln bzw. Sparguthaben" sei und auch keiner "legalen Beschäftigung" nachgehe sowie über kein "gültiges Reisedokument" verfüge - all die genannten Faktoren haben jedoch nichts mit der Prüfung des Vorliegens einerschwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu tun. Auch die Begründung der Behörde, der BF müsse in Schubhaft genommen werden, da dies die einzige Möglichkeit sei, dass er für das offene Verfahren noch greifbar wäre, hat nichts mit einer Prüfung des Vorliegens einer schwerwiegenden Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu tun.

Die belangte Behörde lässt weiters völlig außer Acht, dass der BF als Asylwerber grundsätzlich einen Anspruch auf Grundversorgung hat.

Mangels Vorliegen einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit im erforderlich schwerwiegenden Ausmaß ist die Verhängung der Schubhaft über den BF nicht zulässig.

Beweis: EV des Beschwerdeführers.

3. Nichtvorliegen von Fluchtgefahr gemäß § 76 Abs 2 Z 1 FPG, Unverhältnismäßigkeit der Haft

Neben dem Vorliegen der Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ist die Verhängung der Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz gern § 76 Abs 2 Z 1 FPG nur bei zusätzlichem Vorliegen von Fluchtgefahr und Verhäitnismäßigkeit zulässig. Art 3 Z 7 der Rückführungs-RL (Richtlinie 2008/115/EG) definiert Fluchtgefahr als Vorliegen von Gründen im Einzelfall, die auf objektiven, gesetzlich festgelegten Kriterien beruhen und zu der Annahme Anlass geben, dass sich Drittstaatsangehörige einem Rückkehrverfahren durch Flucht entziehen könnten.

Im gegenständlichen Fall liegen weder Fluchtgefahr noch Verhältnismäßigkeit vor.

Die Behörde legt nicht dar, welche Kriterien des § 76 Abs 3 aus ihrer Sicht im Falle des Beschwerdeführers erfüllt sind.

§ 76 Abs 3 Z 1 ist jedenfalls nicht erfüllt, da der Beschwerdeführer sehr wohl an dem ihn betreffenden Verfahren zur Erlassung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt und bisher mitgewirkt hat.

Zu der ebenfalls von der belangten Behörde implizit herangezogenen Bestimmung des § 76 Abs 3 Z 9 FPG hält der Beschwerdeführer fest, dass eine fehlende soziale Verankerung die Verhängung der Schubhaft - als einziges verbleibendes Kriterium - nicht zu tragen vermag, zumal es sich beim BF um einen Asylwerber handelt (vgl VwGH 24.10.2007, 2006/21/0045). Zudem ist der BF sehr wohl in Österreich sozial verankert, sein Bruder ist in Österreich aufenthaltsberechtigt und der BF spricht bereits sehr gut Deutsch.

Damit legt die belangte Behörde insgesamt keine Gründe dar, welche eine Fluchtgefahr begründen würden. Schubhaft darf nie als Standard-Maßnahme gegenüber Asylwerbern oder Fremden angewendet werden; weder eine illegale Einreise noch das Fehlen beruflicher Integration oder einer Krankenversicherung noch der Mangel finanzieller Mittel sind für sich genommen als Schubhaftgründe zu werten (VwGH 24.10.2007, 2006/21/0239).

Auch hat der Beschwerdeführer vor den österreichischen Behörden zu seiner Identität und zu seinen Reisebewegungen stets richtige Angaben gemacht, dies hat die Behörde jedoch nicht gewürdigt und in ihre Entscheidung einbezogen. Die Behörde hätte richtige Angaben zu Identität und Reisebewegungen nach der Judikatur des VwGH bei der Prüfung der Fluchtgefahr berücksichtigen müssen (VwGH 30.08.2011, 2008/21/0498).

Wie aufgezeigt, reichen daher die von der belangten Behörde dargelegten Umstände nicht aus, um im Falle des Beschwerdeführers eine Fluchtgefahr zu begründen.

Nicht nachvollziehbar ist außerdem, dass im gegenständlichen Fall {gerade aufgrund des aktuellen hohen Arbeitsanfalles beim BVwG) eben nicht absehbar ist, ob überhaupt mit einem Erkenntnis des BVwG innerhalb der höchstzulässigen Schubhaftdauer zu rechnen ist.

Auch hat der Beschwerdeführer vor den österreichischen Behörden zu seiner Identität und zu seinen Reisebewegungen stets richtige Angaben gemacht, dies hat die Behörde jedoch nicht gewürdigt und in ihre Entscheidung einbezogen. Die Behörde hätte richtige Angaben zu Identität und Reisebewegungen nach der Judikatur des VwGH bei der Prüfung der Fluchtgefahr berücksichtigen müssen (VwGH 30.08.2011, 2008/21/0498).

4. Zur Nicht-Anwendung eines gelinderen Mittels

Selbst bei Vorliegen einer Fluchtgefahr - welche der Beschwerdeführer ausdrücklich in Abrede stellt - ist die Schubhaft nur bei VorEiegen von VerhäEtnismäßigkeit zulässig und nur, wenn gelindere Mittel nicht zur Zweckerreichung geeignet wären (§ 77 Abs 1 FPG).

Es gilt der Vorrang des gelinderen Mittels (VfGH 03.10.2012, G140/11 ua - G86/12 ua). Es wäre am BFA gelegen, darzulegen, warum ein gelinderes Mittel anstatt der Schubhaft nicht in Frage kommt, stattdessen finden sich im Schubhaftbescheid dazu nur wenige allgemein gehaltene Sätze. Entsprechende Ausführungen oder Begründungen sind im Bescheid nicht zu finden, dies betrifft insbesondere das gelinderen Mittel einer periodischen Meldeverpflichtung gern § 77 Abs 3 Z 2 FPG sowie das gelindere Mittel der Unterkunftnahme in bestimmten Räumlichkeiten gern § 77 Abs 3 Z 1 FPG.

Im Falle des Beschwerdeführers kommen jedenfalls gelindere Mittel in Betracht:

So wäre im Falle des Beschwerdeführers etwa das gelindere Mittel einer periodischen Meldeverpflichtung naheliegend.

Alternativ wäre neben einer periodischen Meldeverpflichtung auch das gelindere Mittel der Unterkunftnahme in von der Behörde bestimmten Räumlichkeiten in Betracht gekommen, zumal die Landespolizeidirektionen gern § 77 Abs 9 FPG Vorsorge betreffend derartiger Räumlichkeiten getroffen haben. So stehen für diesen Zweck entsprechende Räumlichkeiten etwa an der Adresse XXXX , 1110 Wien, oder an der Adresse XXXX , 2540 Bad Vöslau, zur Verfügung.

Auch könnte der Beschwerdeführer bei seinem Freund XXXX , XXXX , 1020 Wien, XXXX , Unterkunft nehmen. Dieser würde dem Beschwerdeführer im Falle seiner Enthaftung einen Schlafplatz bis zum Tag seiner Abschiebung unentgeltlich zur Verfügung stellen. Der Beschwerdeführer könnte an der genannten Adresse somit bis zum Tag seiner Ausreise unentgeltlich Unterkunft nehmen.

Der Beschwerdeführer würde der Anordnung eines gelinderen Mittels unmittelbar Folge leisten.

Der Vollständigkeit halber weist der Beschwerdeführer darauf hin, dass die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Befehls - und Zwangsgewalt nicht entgegensteht und Betroffenen aufgetragen werden kann, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten (§ 77 Abs 5 FPG).

Der Beschwerdeführer ist bereit mit den Behörden zu kooperieren und würde insbesondere einer periodischen Meldeverpflichtung sowie einer anfälligen angeordneten Unterkunftnahme Folge leisten.

Die genannten gelinderen Mittel wären zur Erfüllung des angenommenen Sicherungszweckes jedenfalls ausreichend gewesen. Durch die mangelnde Prüfung der gelinderen Mittel erweist sich die Schubhaft als unverhältnismäßig und der angefochtene Bescheid als rechtswidrig."

5. Mit Beschwerdevorlage vom 31.07.2019 legte das Bundesamt die Akten vor und erstattete dazu Stellungnahme. Aus der Stellungnahme ergibt sich insbesondere:

"Kurze Zusammenfassung des bisherigen Verfahrensganges:

• 24.04.2016 Illegale Einreise nach Österreich (von Ungarn kommend)

• 25.04.2016 Asyl-Antrag

• 04.12.2016 Begehung einer Straftat

• 04.01.2017 Behördlich abgemeldet (Untergetaucht)

• 18.01.2017 Einstellung des Asylverfahrens gem. § 24 Abs. 1 Ziffer 1 (Untergetaucht)

• 18.01.2017 Festnahmeauftrag gem. § 34 Abs. 4 BFA-VG - Verfahrensentziehung

• 19.01.2017 Aufgriff - Einvernahme

• 30.01.2017 LG F.STRAFS.WIEN, Zahl 152 HV 129/2016d, am 30.01.2017 (RK 30.01.2017), gemäß §§ 27 Abs. 1 Ziffer 1 (achter Fall), 27 Abs. 2a, 27 Abs. 3 SMG § 15 StGB, zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 4 Monate, unter Setzung einer Probezeit auf 3 Jahre, rechtskräftig verurteilt

• 12.05.2017 Begehung einer neuerlichen Straftat

• 13.05.2017 Einlieferung JA Wien-Josefstadt

• 13.05.2017 Erlassung Bescheid IFA: 1112611607/160585416 - §§ 3, 8 AsylG negativ und Erlassung einer Rückkehrentscheidung in I Instanz

• 19.05.2017 Neg. Asylbescheid nachweislich übernommen

• 02.06.2017 Beschwerde gegen Bescheid IFA: 1112611607/160585416 eingebracht.

• 08.06.2017 LG F.STRAFS.WIEN, Zahl 142 HV 43/2017k, am 08.06.2017 (RK 08.06.2017), gemäß §§ 27 Abs. 1 Ziffer 1 (achter Fall), 27 Abs. 2a SMG,

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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