TE Vwgh Erkenntnis 1998/11/11 98/04/0123

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Veröffentlicht am 11.11.1998
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Index

25/01 Strafprozess;
50/05 Kammern der gewerblichen Wirtschaft;

Norm

HKG 1946 §47 Abs5;
StPO 1975 §83;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Urban, über die Beschwerde des R G in W, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 19. Mai 1998, Zl. 38.590/28-III/A/5/98, betreffend Suspendierung nach § 45 Abs. 5 HKG, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 19. Mai 1998 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 47 Abs. 5 HKG bis zum rechtskräftigen Abschluß des beim Landesgericht für Strafsachen Wien gegen ihn wegen §§ 146, 147 Abs. 2 StGB anhängigen Strafverfahrens von seinen näher bezeichneten Kammerfunktionen suspendiert. Zur Begründung führte der Bundesminister aus, nach § 47 Abs. 5 HKG seien Einzelorgane und Mitglieder von Kollektivorganen der Kammern der gewerblichen Wirtschaft dann zu suspendieren, wenn ein Strafverfahren wegen eines Vorsatzdeliktes eingeleitet worden sei, bei dem auf Grund des gesetzlichen Strafrahmens eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr möglich wäre. Laut Mitteilung des Landesgerichtes für Strafsachen Wien seien gegen den Beschwerdeführer seit 8. Jänner 1998 Vorerhebungen wegen Betruges bzw. schweren Betruges gemäß §§ 146, 147 Abs. 2 StGB anhängig. Da es sich beim Verbrechen des schweren Betruges um ein Vorsatzdelikt handle, das gemäß § 147 Abs. 1 in Verbindung mit § 147 Abs. 2 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bedroht sei, lägen die Voraussetzungen für eine Suspendierung von den im Spruch angeführten Funktionen vor.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer nach seinem gesamten Vorbringen in dem Recht verletzt, bei der gegebenen Sach- und Rechtslage nicht von seinen Kammerfunktionen suspendiert zu werden. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes macht er unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften eine Verletzung des Parteiengehörs geltend, weil ihm das Ergebnis der Beweisaufnahme der belangten Behörde nicht bekanntgegeben worden sei. Er habe vom laufenden Suspendierungsverfahren vielmehr erst durch Zustellung des angefochtenen Bescheides erfahren. Unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides bringt er vor, die Einleitung von Vorerhebungen bedeute noch nicht die Einleitung eines Strafverfahrens. Nach § 88 Abs. 1 StPO würden Vorerhebungen zu dem Zweck geführt, um die nötigen Anhaltspunkte für die Veranlassung des Strafverfahrens wider eine bestimmte Person oder für die Zurücklegung der Anzeige zu erlangen. In diesem Zeitpunkt könne daher noch nicht von der Einleitung eines Strafverfahrens gesprochen werden, weil zu diesem Zeitpunkt die Zurücklegung der Anzeige genauso gut möglich sei, wie die Veranlassung des Strafverfahrens. Vorerhebungen dienten daher im wesentlichen dazu, feststellen zu können, ob ein Strafverfahren auf Grund der vorliegenden Anhaltspunkte eingeleitet werden könne. Erst ab der Veranlassung eines Strafverfahrens könne daher davon ausgegangen werden, daß dieses auch eingeleitet sei. Die von der belangten Behörde vorgenommene Auslegung des Gesetzes, wonach bereits die Einleitung von Vorerhebungen als Einleitung des Strafverfahrens im Sinne des § 47 Abs. 5 HKG zu verstehen sei, würde zu dem Ergebnis führen, daß eine allenfalls leichtfertig erstattete Anzeige bereits die Suspendierung eines Funktionärs zur Folge habe. Damit könne die Bestimmung des § 47 Abs. 3 HKG, wonach die Mandatare ihre Tätigkeit ohne Bindung an einen Auftrag ausübten, an Bedeutung verlieren. Jeder Mandatar könnte nämlich durch die bloße Androhung einer Anzeige, die dann unmittelbar zur Suspendierung von seinen Funktionen führen würde, in seiner Entscheidungsfreiheit beeinträchtigt werden. Es könnte damit auch ein unbequemer Mandatar mundtot gemacht werden, und es wäre allfälligen mißbräuchlichen Anzeigeerstattungen der Weg geebnet.

Mit dem eine Verletzung des Parteiengehörs betreffenden Beschwerdevorbringen vermag der Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides schon deshalb nicht darzutun, weil gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG nicht jede Verletzung von Verfahrensvorschriften bereits zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof zu führen hat, sondern nur solche, bei deren Vermeidung die Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Diese Relevanz darzutun, ist - sofern sie nicht offenkundig ist - Sache des Beschwerdeführers. Im vorliegenden Fall unterläßt es der Beschwerdeführer aber darzutun, was er vorgebracht hätte und zu welchen anderen Sachverhaltsfeststellungen die belangte Behörde hätte kommen können, wenn ihm das von ihm vermißte Parteiengehör gewährt worden wäre.

Gemäß § 47 Abs. 5 HKG sind Einzelorgane und Mitglieder von Kollektivorganen der Kammern der gewerblichen Wirtschaft, gegen die wegen einer die Ausschließung von der Wählbarkeit begründenden strafbaren Handlung ein Strafverfahren eingeleitet wurde, bis zum rechtskräftigen Abschluß des Strafverfahrens von der Aufsichtsbehörde zu suspendieren.

Der Beschwerdeführer bestreitet nun nicht, daß gegen ihn wegen einer die Ausschließung von der Wählbarkeit begründenden strafbaren Handlung Vorerhebungen eingeleitet wurden, er bekämpft vielmehr nur die Rechtsansicht der belangten Behörde, bereits die Einleitung von Vorerhebungen wegen einer derartigen strafbaren Handlung sei als Einleitung eines Strafverfahrens im Sinne des § 47 Abs. 5 HKG zu verstehen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes wird als "Einleitung des Strafverfahrens" jede gerichtliche Maßnahme verstanden, die gegen einen bekannten oder unbekannten Täter ergriffen wird (vgl. die Entscheidungen des OGH JBl. 1976, 325 = RZ 1976/25 = ZVR 1976/161; JBl 1989, 454; JBl 1996, 532).

Gemäß § 88 Abs. 1 StPO ist der Staatsanwalt berechtigt, durch den Untersuchungsrichter, durch die Bezirksgerichte oder durch die Sicherheitsbehörden Vorerhebungen zu dem Zweck führen zu lassen, um die nötigen Anhaltspunkte für die Veranlassung des Strafverfahrens wider eine bestimmte Person oder für die Zurücklegung der Anzeige zu erlangen.

Es ist daher zwischen gerichtlichen und sicherheitsbehördlichen Vorerhebungen zu unterscheiden. Von der oben dargelegten Definition des Begriffes der Einleitung des Strafverfahrens durch den Obersten Gerichtshof, der sich der Verwaltungsgerichtshof anschließt, ausgehend, bewirken daher gerichtliche Vorerhebungen als gerichtliche Maßnahme die Einleitung eines Strafverfahrens, während sicherheitspolizeiliche Vorerhebungen diese Folge nicht nach sich ziehen.

Nach den Feststellungen im angefochtenen Bescheid teilte das Landesgericht für Strafsachen Wien der belangten Behörde mit, daß gegen den Beschwerdeführer seit 8. Jänner 1998 Vorerhebungen wegen der in Rede stehenden strafbaren Handlungen anhängig seien. Diese Mitteilung kann nur dahin verstanden werden, daß diese Vorerhebungen beim Landesgericht für Strafsachen Wien anhängig sind, und daß es sich damit um gerichtliche Vorerhebungen im obigen Sinn handelt. Der Verwaltungsgerichtshof vermag daher in der Rechtsansicht der belangten Behörde, die Anhängigkeit dieser Vorerhebungen bedeute, daß gegen den Beschwerdeführer ein Strafverfahren wegen der in Rede stehenden strafbaren Handlungen eingeleitet worden sei, auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens eine Rechtswidrigkeit nicht zu erblicken.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 11. November 1998

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1998040123.X00

Im RIS seit

05.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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