TE Vwgh Erkenntnis 1998/11/11 97/04/0116

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Veröffentlicht am 11.11.1998
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §37;
GewO 1994 §74 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Urban, über die Beschwerde des K B in W, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 3. April 1997, Zl. UVS-04/G/21/00862/96, betreffend Übertretung der Gewerbeordnung 1994, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.950,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 3. April 1997 wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, als gemäß § 39 Abs. 1 GewO 1994 bestellter gewerberechtlicher Geschäftsführer der X-AG für den Hauptstandort in W dafür verantwortlich zu sein, daß diese am 24. November 1995 um 10.00 Uhr in dem näher bezeichneten Standort eine genehmigungspflichtige Betriebsanlage (Backofen) zur Ausübung des Bäckergewerbes ohne die hiefür erforderliche gewerbebehördliche Betriebsanlagengenehmigung betrieben habe; durch die Verwendung des Backofens im Gassenlokal (es würden Topfengolatschen, Apfelstrudel, Marillentascherl, Kaisersemmeln und Baguette gebacken) habe es zu einer Geruchs- und Lärmbelästigung der Nachbarn kommen können. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs. 1 Z. 2 zweiter Fall GewO 1994 in Verbindung mit § 370 Abs. 2 leg. cit. begangen, weshalb über ihn eine Geldstrafe von S 1.500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 36 Stunden) verhängt worden sei. In der Begründung ihres Bescheides führte die belangte Behörde nach Darstellung des Verfahrensganges und der maßgeblichen Rechtslage im wesentlichen aus, unbestritten sei, daß die X-AG zur Tatzeit am näher bezeichneten Standort eine Lebensmittelkleinhandel-Filiale (Gemischtwarenhandel) betrieben habe. Weiters habe sie dort das Gewerbe der Bäcker ausgeübt, da im Gassenlokal in einem Backofen Topfengolatschen, Apfelstrudel, Marillentascherln, Kaisersemmeln und Baguette gebacken worden seien. Der Beschwerdeführer habe diesbezüglich auf ein anderes vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien anhängiges Verfahren verwiesen, in dem in der Verhandlung (am 10. Juni 1996) der dort bestellte Sachverständige zu einem dem gegenständlichen ähnlichen Backofen, der allerdings u. a. auch zum Backen von Pizzaschnitten verwendet werde, ausgeführt hätte, auf Grund des Dampfvernichters des Backschrankes, welcher als Kondensator für aus dem Backraum abziehende geruchsbehaftete Schwaden diene, würde ein großer Teil der bei dem Backvorgang aus dem Backgut freiwerdenden Gerüche wieder kondensiert und daher nicht im Verkaufsraum austreten. Dieser Schwadenkondensator wäre aber bei Backvorgängen mit fetthaltigen Substanzen als unzureichende Geruchsabsorbtionseinrichtung zu bewerten.

Die belangte Behörde führte weiters aus, daß es sich bei diesem vom Sachverständigen geschilderten Ofen um einen gleichartigen zum verfahrensgegenständlichen Backofen handle (ebenfalls elektrischer Backofen mit Dampfvernichter), weshalb nicht ausgeschlossen werden könne, daß dieser Backofen nicht nur zum Aufbacken von Gebäck, sondern auch bei Backvorgängen mit fetthaltigen Substanzen verwendet werde. Dafür sei jedoch der Schwadenkondensator zur Geruchsabsorbtion als unzureichend zu bewerten. Bei einer widmungsgemäßen Nutzung des Backofens sei somit eine Belästigung der Nachbarn durch Geruch nicht auszuschließen. Ebensowenig sei eine Belästigung der Nachbarn durch Lärm (hervorgerufen durch den Backofen selbst sowie durch Ladetätigkeit, Anlieferung der Zutaten bzw. der Halbfertigprodukte) auszuschließen. Da die im § 74 Abs. 2 GewO 1994 genannten Auswirkungen auf bestimmte Personen im Sinne der Z. 1 und 2 nicht auszuschließen seien, unterliege die in Rede stehende Betriebsanlage einer Genehmigungspflicht nach § 74 Abs. 2 Z. 2 GewO 1994. Zur Frage des Verschuldens führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer vermöge mit seiner, die Existenz eines Kontrollsystems im Betrieb in generell abstrakter Form behauptenden Darstellung - ohne konkret darzulegen, wie dieses Kontrollsystem im einzelnen, insbesondere in der gegenständlichen Betriebsanlage, funktionieren solle - mangelndes Verschulden im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG nicht glaubhaft zu machen. Er führe zwar an, daß für die Einholung der Bescheide eine Filialbauabteilung unter Leitung eines anordnungsbefugten und ausgebildeten Prokuristen eingerichtet sei, lege aber nicht näher dar, ob und gegebenenfalls in welcher Form der Prokurist in ein Kontrollsystem eingebunden sei. Diesen Ausführungen sei nicht zu entnehmen, daß und inwiefern der Beschwerdeführer ein wirksames Vorgehen und entsprechende wirksame Kontrollen durchgeführt habe. Es folgen im weiteren Ausführungen zur Strafbemessung.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit der die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes bzw., in eventu, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer "in seinem subjektiv-öffentlichen Recht wegen Übertretung des § 366 Abs. 1 Z. 2 zweiter Fall Gewerbeordnung 1994 - GewO 1994, BGBl. Nr. 194/1994, in Verbindung mit § 370 Abs. 2 Gewerbeordnung 1994 gemäß § 366 Einleitungssatz GewO 1994 nicht bestraft zu werden sowie in seinem Recht auf ein gesetzmäßiges Verfahren" verletzt. In Ausführung des so formulierten Beschwerdepunktes trägt der Beschwerdeführer vor, die belangte Behörde hätte ihm ihre Annahme vorhalten müssen, daß im gegenständlichen Backofen auch andere Produkte gebacken würden, um ihn in die Lage zu versetzen, darauf zu replizieren und taugliche Beweisanträge zu stellen. Denn nach ständiger Judikatur genüge eine bloß abstrakte Eignung einer gewerblichen Betriebsanlage, Gefährdungen hervorzurufen, noch nicht für eine Vorschreibung von Auflagen; ebensowenig, um sie der Genehmigungspflicht zu unterziehen. Im gegenständlichen Fall sei die konkrete Eignung zur Gefährdung überdies nicht nachgewiesen. Wenn die belangte Behörde davon ausgehe, daß aus dem Backofen irgendwelche Geruchsemissionen austräten, so hätte sie im Sinn der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes Feststellungen darüber zu treffen gehabt, zu welchen Nachbarn diese Gerüche dringen könnten, ob solche Nachbarn überhaupt in unmittelbarer Nähe existierten und ob nach Lage der Betriebsanlage der Geruch zu diesen Nachbarn hätte gelangen können. Dazu habe die Behörde aber keinerlei Feststellungen getroffen.

Darüber hinaus macht der Beschwerdeführer geltend, ihm als gewerberechtlichem Geschäftsführer könne kein höheres Fachwissen als einem Amtssachverständigen, dem Leiter der Bau- und Expansionsabteilung und dem Leiter der Rechtsabteilung zugemutet werden. Auch habe die Behörde die vom Beschwerdeführer angebotenen Beweismittel nicht ausgeschöpft, weil sie die Einvernahme zweier von ihm bezüglich des Kontrollsystems und der Durchführung der Kontrollen genannter Zeugen unterlassen habe.

Die Beschwerde ist im Ergebnis berechtigt:

Gemäß § 74 Abs. 2 Gewerbeordnung 1994 dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde (§§ 333, 334, 335) errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind, u. a. 1. das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des Arbeitnehmerschutzgesetzes, BGBl. Nr. 234/1972, unterliegenden mittätigen Familienangehörigen, der Nachbarn oder Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden und

2. die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen. Zufolge Abs. 3 dieser Gesetzesstelle besteht die Genehmigungspflicht auch dann, wenn die Gefährdungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteiligen Einwirkungen nicht durch den Inhaber der Anlage oder seine Erfüllungsgehilfen, sondern durch Personen in der Betriebsanlage bewirkt werden können, die die Anlage der Art des Betriebes gemäß in Anspruch nehmen.

Gemäß § 366 Abs. 1 Z. 2 Gewerbeordnung 1994 begeht eine Verwaltungsübertretung, die nach dem Einleitungssatz dieser Gesetzesstelle mit einer Geldstrafe bis zu S 50.000,-- zu bestrafen ist, wer eine genehmigungspflichtige Betriebsanlage (§ 74) ohne die erforderliche Genehmigung errichtet oder betreibt.

Wie sich aus § 74 Gewerbeordnung 1994 ergibt, ist jedenfalls unter dem Gesichtspunkt des Nachbarschutzes Voraussetzung der Genehmigungspflicht einer Betriebsanlage, daß von dieser Einwirkungen ausgehen, die geeignet sind, Nachbarn zu gefährden, zu belästigen oder in sonstiger Weise zu beeinträchtigen. Es trifft zwar zu, daß die grundsätzliche Eignung der Betriebsanlage, derartige Gefährdungen, Beeinträchtigungen oder Belästigungen hervorzurufen, für die Bejahung der Genehmigungspflicht genügt, ohne daß es Feststellungen darüber im Einzelfall bedarf, ob solche Gefährdungen, Beeinträchtigungen und Belästigungen von der konkreten Betriebsanlage tatsächlich ausgehen; dies festzustellen und allenfalls durch entsprechende Auflagen zu verhindern, ist Sache des Genehmigungsverfahrens selbst. Eine derartige Eignung ist aber nicht schon allein dann gegeben, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, daß von der Betriebsanlage Emissionen der verschiedensten Art ausgehen könnten. Erforderlich ist vielmehr auch das Vorhandensein von Nachbarn, auf die diese Emissionen gefährdend, beeinträchtigend oder belästigend einwirken können. Um beurteilen zu können, ob eine Betriebsanlage unter dem Gesichtspunkt des Nachbarschutzes der Genehmigungspflicht nach § 74 Abs. 2 Gewerbeordnung 1994 unterliegt, bedarf es daher neben der Feststellung der von der Betriebsanlage möglicherweise ausgehenden Einwirkungen auch konkreter Feststellungen über das Vorhandensein von Nachbarn, die durch solche Einwirkungen gefährdet, beeinträchtigt oder belästigt werden könnten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. November 1993, Zl. 93/04/0131).

Schon diesem Erfordernis kam die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides jedoch nicht nach. Sie verweist lediglich auf die Ausführungen des Sachverständigen in einem weiteren, vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat anhängigen Verfahren, welches zwar einen dem verfahrensgegenständlichen Gerät ähnlichen Backofen, jedoch eine andere Filiale und damit andere räumliche Naheverhältnisse zu allfällig betroffenen Nachbarn betrifft. Daraus ist daher nicht erkennbar, ob und allenfalls in welcher Entfernung von der gegenständlichen Betriebsanlage Nachbarn vorhanden sind, die durch von der Betriebsanlage ausgehende Emissionen gefährdet, beeinträchtigt oder belästigt werden könnten. Im übrigen wurden auch andere Genehmigungsvoraussetzungen nicht geprüft.

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 11. November 1998

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1997040116.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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