TE Bvwg Erkenntnis 2019/8/8 W117 2213452-5

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Veröffentlicht am 08.08.2019
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Entscheidungsdatum

08.08.2019

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W117 2213452-5/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Druckenthaner als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Nigeria, im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft zu Recht erkannt:

A) Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt

der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge als BF bezeichnet) reiste unrechtmäßig nach Österreich ein und stellte am 12.09.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz. Sowohl in seiner am 13.09.2017 durchgeführten Erstbefragung als auch bei seiner niederschriftlichen Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge als Bundesamt bezeichnet) gab der BF an, ein Staatsangehöriger Süd-Sudans zu sein.

Am 15.08.2018 wurde der BF nach den Bestimmungen der Strafprozessordnung festgenommen. In weiterer Folge wurde über ihn die Untersuchungshaft verhängt. Mit Urteil eines Landesgerichts vom 14.09.2018 wurde der BF wegen strafbarer Handlungen nach dem Suchtmittelgesetz zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt.

Ein am 06.10.2018 erstelltes Sprachgutachten ergab, dass der BF mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit aus Nigeria stammt. In einer auf Grund dieses Gutachtens am 12.10.2018 vom Bundesamt durchgeführten niederschriftlichen Einvernahme gab der BF weiterhin an, ein Staatsangehöriger Süd-Sudans zu sein, nigerianischer Staatsangehöriger sei er nicht.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 08.11.2018 wurde der Asylantrag des BF vollinhaltlich abgewiesen und ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Es wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig sei. Weiters wurde festgestellt, dass der BF sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet am 15.08.2018 verloren habe. Unter einem wurde gegen den BF ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen und einer Beschwerde gegen den Bescheid die aufschiebende Wirkung aberkannt. Zuletzt wurde festgestellt, dass keine Frist für eine freiwillige Ausreise bestehe. Gegen diesen Bescheid erhob der BF Beschwerde.

Am 15.01.2019 wurde der BF nach seiner Entlassung aus der Strafhaft auf Grund eines vom Bundesamt am 08.01.2019 erlassenen Festnahmeauftrages festgenommen. Bei seiner Einvernahme durch das Bundesamt am 15.01.2019 gab der BF wiederum an, aus Süd-Sudan zu stammen. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 15.01.2019 wurde über den BF Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme angeordnet.

Am 16.01.2019 leitete das Bundesamt ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF ein.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.01.2019 wurde die vom BF gegen den Schubhaftbescheid erhobene Beschwerde abgewiesen und festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft vorliegen.

Das Bundesamt führte am 12.02.2019, 13.03.2019 und 08.04.2019 Schubhaftprüfungen durch.

Am 19.04.2019 wurde der BF neuerlich vom Bundesamt einvernommen, wobei er wiederum angab, im Süd-Sudan geboren zu sein.

Mit Teilerkenntnis vom 06.05.2019 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde des BF gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 08.11.2019 bezüglich der Abweisung des Antrages des BF auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab und änderte den Spruchpunkt über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde insofern ab, als eine Abschiebung des BF erst nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Rückkehrentscheidung erfolgen darf. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass eine Entscheidung über die getroffene Rückkehrentscheidung erst nach einer Operation, der sich der BF auf Grund eines Knochentumors an der Hüfte unterziehen müsse, getroffen werde.

Am 10.05.2019 wurde der BF einer Delegation der nigerianischen Vertretungsbehörde vorgeführt und als nigerianischer Staatsangehöriger identifiziert.

Das Bundesverwaltungsgericht sprach mit Erkenntnissen vom 14.05.2019 und 19.06.2019 aus, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung des BF in Schubhaft vorliegen.

Das Bundesamt legte am 16.07.2019 den Verwaltungsakt zur neuerlichen Überprüfung der Schubhaft vor und teilte mit, dass der BF am 26.06.2019 operiert worden sei. Nach Abschluss der Untersuchungen werde einer neuerliche Verhandlung des Bundesverwaltungsgerichtes zur Entscheidung über die Rückkehrentscheidung sowie die Abschiebung im Asylverfahren durchgeführt. Nach Rechtskraft dieser Entscheidung werde der BF neuerlich der nigerianischen Delegation vorgeführt. Am 17.07.2019 legte das Bundesamt ein amtsärztliches Gutachten über den Gesundheitszustand des BF vor.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.07.2019, W W250 2213452-4/9E, sprach der zuständige Einzelrichter aus, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung des BF in Schubhaft vorliegen. Er begründete seine Entscheidung - entscheidungswesentlich - wie folgt:

"1. Feststellungen:

(...)

2. Zur Person des BF und den Voraussetzungen der Schubhaft

2.1. Der BF ist volljährig und verfügt über keine Dokumente, die seine Identität bescheinigen. Er wurde von der nigerianischen Vertretungsbehörde als nigerianischer Staatsangehöriger identifiziert. Die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht, er ist weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

2.2. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 14.09.2018 wurde der BF wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z. 1 achter Fall und Abs. 3 Suchtmittelgesetz sowie wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z. 1 erster und zweiter Fall Suchtmittelgesetz zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten, wovon ein Teil von 10 Monaten unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen wurde, verurteilt. Dieser Verurteilung liegen Taten zu Grunde, die der BF zwischen Weihnachten 2017 und dem 15.08.2018 begangen hat. Der BF wurde bis 15.01.2019 in Strafhaft angehalten.

2.3. Die Schweiz hat gegen den BF ein von 25.11.2016 bis 24.11.2019 gültiges Einreiseverbot, welches für das gesamte Schengener Gebiet gilt, erlassen. Diesem liegen folgende Verurteilungen in der Schweiz zugrunde:

2.3.1. Mit Urteil vom 02.12.2015 wurde der BF wegen Zuwiderhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz zu einer Freiheitsstrafe von 30 Tagen verurteilt.

2.3.2. Mit Urteil vom 13.02.2016 wurde der BF wegen Zuwiderhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz zu einer Freiheitsstrafe von 60 Tagen verurteilt.

2.3.3. Mit Urteil vom 07.12.2017 wurde der BF wegen Betäubungsmittelvergehen zu einer Freiheitsstrafe von 100 Tagen verurteilt.

2.4. Der BF litt an einem low grade Chondrosarkom Becken rechts. Dieser Tumor wurde am 26.06.2019 nach einer Osteotomie am Beckengürtel rechts vollständig entfernt. Der BF kann mit einer Krücke gehen und befindet sich in einem guten und fast schmerzfreien Allgemeinzustand. Die nächste Kontrolluntersuchung in einem Krankenhaus ist für den 25.07.2019 vorgesehen. Der BF ist transportfähig, einvernahmefähig, verhandlungsfähig und haftfähig.

2.5. Der BF wird seit 15.01.2019 in Schubhaft angehalten.

3. Zur Fluchtgefahr, zum Sicherungsbedarf und zur Verhältnismäßigkeit

3.1. Der BF stellte am 20.10.2015 einen Asylantrag in der Schweiz und wurde am 21.12.2016 nach den Bestimmungen der Dublin-III-VO von dort nach Spanien überstellt. Spätestens seit 04.07.2017 hielt sich der BF neuerlich unrechtmäßig in der Schweiz auf, er wurde am 16.08.2017 freigelassen und tauchte unter. Seinem Asylverfahren in der Schweiz hat sich der BF entzogen.

3.2. Der BF stellte am 12.09.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. In diesem Verfahren gab er bisher beharrlich an, ein Staatsangehöriger Süd-Sudans zu sein. Aus einem Sprachgutachten vom 06.10.2018 ergibt sich jedoch, dass der BF aus Nigeria stammt. Von der nigerianischen Vertretungsbehörde wurde der BF am 10.05.2019 als nigerianischer Staatsangehöriger identifiziert. Der BF hat am Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nicht mitgewirkt, da er einerseits falsche Angaben zu seiner Staatsangehörigkeit gemacht und andererseits keine identitätsbezeugenden Dokumente vorgelegt hat.

3.3. Obwohl der BF Anspruch auf Grundversorgung hatte, war sein Aufenthaltsort bereits seit 18.09.2017 unbekannt. Im Melderegister weist der BF lediglich eine Obdachlosmeldung auf.

3.4. In Österreich leben keine Familienangehörigen des BF, er verfügt über kein nennenswertes soziales Netz. Der BF ist ledig und hat keine Kinder.

3.5. Der BF verfügt über kein Einkommen, über kein die Existenz sicherndes Vermögen sowie über keinen eigenen gesicherten Wohnsitz.

3.6. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 08.11.2018 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz vollinhaltlich abgewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Teil-Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.05.2019 abgewiesen.

3.7. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 08.11.2018 wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung getroffen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist. Einer Beschwerde wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.05.2019 wurde die aufschiebende Wirkung zuerkannt um sicherzustellen, dass der BF nicht abgeschoben wird, wenn die - damals - anstehende Operation nicht erfolgreich war. Sobald der BF die Untersuchungen nach der nunmehr durchgeführten Operation abgeschlossen hat, wird das Bundesverwaltungsgericht eine neuerliche mündliche Verhandlung über die Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung sowie die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung anberaumen.

3.8. Der BF wurde von der nigerianischen Vertretungsbehörde am 10.05.2019 als nigerianischer Staatsangehöriger identifiziert. Eine Zustimmung zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates wird erst nach erfolgreicher Operation des BF erteilt.

3.9. Eine Änderung der Umstände für die Aufrechterhaltung der Schubhaft seit der letzten Schubhaftprüfung durch das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 19.06.2019 hat sich im Verfahren nicht ergeben.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Akt des Bundesamtes, den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes, in die Akte des Bundesverwaltungsgerichtes das Asylverfahren, die Schubhaftbeschwerde sowie die Schubhaftprüfungen des BF betreffend, in das Grundversorgungs-Informationssystem, in das Zentrale Fremdenregister, in das Strafregister, in das Zentrale Melderegister sowie in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.

(...)

2. Zur Person des BF und den Voraussetzungen der Schubhaft

2.1. Aus dem Verwaltungsakt das Asylverfahren des BF betreffend ergibt sich, dass der BF keine Dokumente vorgelegt hat, die seine Identität bescheinigen. Zweifel an der Volljährigkeit des BF bestehen nicht, auch er selbst behauptet nicht, minderjährig zu sein. Dass er von der nigerianischen Vertretungsbehörde als nigerianischer Staatsangehöriger identifiziert wurde, ergibt sich aus der Stellungnahme des Bundesamtes vom 15.07.2019. Anhaltspunkte dafür, dass er die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, finden sich in den bisherigen Verfahren nicht.

2.2. Die Feststellungen zur strafgerichtlichen Verurteilung des BF beruhen auf der im Asylakt einliegenden Ausfertigung des zitierten Urteils.

2.3. Die Feststellungen zu dem von der Schweiz erlassenen Einreiseverbot und den damit in Zusammenhang stehenden Verurteilungen ergeben sich aus der Mitteilung des Bundesministeriums für Inneres vom 22.06.2019 (AS226).

2.4. Auf Grund des amtsärztlichen Befundes sowie des erstatteten Gutachtens vom 17.07.2019 konnten die Feststellungen zum Gesundheitszustand des BF getroffen werden.

2.5. Der Zeitpunkt, seit dem der BF in Schubhaft angehalten wird, ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes sowie aus der Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.

3. Zur Fluchtgefahr, zum Sicherungsbedarf und zur Verhältnismäßigkeit

3.1. Die Feststellungen zur Asylantragstellung in der Schweiz, der Überstellung des BF nach Spanien, seinem neuerlichen Aufenthalt in der Schweiz und seinem Untertauchen ergeben sich aus der Mitteilung der schweizer Dublin-Behörde vom 20.09.2017 im Konsultationsverfahren auf Grund der Dublin-III-VO.

Die Feststellungen zu der vorliegenden Rückkehrentscheidung ergeben sich aus dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes das Asylverfahren des BF betreffend.

3.2. Dass der BF beharrlich behauptet, ein Staatsangehöriger Süd-Sudans zu sein, ergibt sich aus sämtlichen im Verwaltungsakt einliegenden und vom Bundesamt mit dem BF aufgenommenen Niederschriften. Im Asylakt befindet sich ein Sprachgutachten vom 06.10.2018, aus dem sich ergibt, dass der BF mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit aus Nigeria stammt. Selbst im Wissen um dieses Gutachten hat der BF in seinen Einvernahmen vom 12.10.2018 sowie vom 19.04.2019 weiterhin und vehement behauptet, Staatsangehöriger Süd-Sudans zu sein und seine nigerianische Herkunft abgestritten. Nachdem er auch von der nigerianischen Vertretungsbehörde als nigerianischer Staatsangehöriger identifiziert worden ist, steht fest, dass der BF falsche Angaben zu seinem Herkunftsstaat gemacht hat.

3.3. Die Feststellungen zum unbekannten Aufenthalt des BF gründen auf den Angaben im Grundversorgungs-Informationssystem, jene seine Obdachlosmeldung betreffend auf einer Einsichtnahme in das Zentrale Fremdenregister.

3.4. Die Feststellungen zu den mangelnden familiären und sozialen Anknüpfungspunkten, seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen sowie zum mangelnden Wohnsitz gründen sich auf die Angaben des BF in seiner Einvernahme durch das Bundesamt am 15.01.2019.

3.5. Die Feststellung zur Entscheidung über den Antrag des BF auf internationalen Schutz und die erlassene Rückkehrentscheidung gründen sich auf den Asylakt des Bundesamtes sowie den diesbezüglichen Akt des Bundesverwaltungsgerichtes.

3.6. Die Feststellungen zum Stand des Verfahrens zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF konnten auf Grund der vom Bundesamt abgegebenen Stellungnahme vom 15.07.2019 getroffen werden.

3.7. Eine Änderung der Umstände für die Aufrechterhaltung der Schubhaft seit der Überprüfung der Verhältnismäßigkeit mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.06.2019 ist dem Verwaltungsakt nicht zu entnehmen. Gegenteiliges ist auch im durchgeführten Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen.

Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchteil A. - Spruchpunkt I. - Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft

(...)

3.1.3. Der BF besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Ziff. 1 FPG. Er ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter, weshalb die Anordnung der Schubhaft grundsätzlich - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - möglich ist. Voraussetzung für die Verhängung der Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung ist das Vorliegen eines Sicherungsbedarfes, das Bestehen von Fluchtgefahr sowie die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft.

3.1.4. Im vorliegenden Fall geht das Gericht auch weiterhin von Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 FPG aus.

Dabei ist gemäß § 76 Abs. 3 Z. 1 FPG zu berücksichtigen, ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt. Der BF hat bisher beharrlich behauptet, ein Staatsangehöriger des Süd-Sudans zu sein. Diese Behauptung hielt er auch noch aufrecht, als ein Sprachgutachten vorlag, aus dem sich die nigerianische Herkunft des BF ergibt. Da er weder identitätsbescheinigende Dokumente vorgelegt hat noch richtige Angaben zu seinem Herkunftsstaat gemacht hat, hat der BF am Verfahren nicht mitgewirkt und den Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z. 1 FPG erfüllt.

Bei der Beurteilung der Fluchtgefahr ist gemäß § 76 Abs. 3 Z. 9 FPG auch der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes zu berücksichtigen. In Österreich befinden sich keine Familienangehörigen des BF, ein nennenswertes soziales Netz liegt nicht vor. Der BF geht keiner legalen Erwerbstätigkeit nach und verfügt weder über finanzielle Mittel noch über einen eigenen gesicherten Wohnsitz. Es liegen daher keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der BF auf Grund des Grades seiner familiären, sozialen und beruflichen Verankerung in Österreich einen so verfestigten Aufenthalt hat um nicht unterzutauchen.

Es liegt daher weiterhin Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 Z. 1 und 9 FPG vor.

Bei der Beurteilung des Sicherungsbedarfes ist das gesamte Verhalten des BF vor Anordnung der Schubhaft sowie seine familiäre, soziale und berufliche Verankerung im Inland in einer Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen. Der BF hat zwar Ladungen des Bundesamtes Folge geleistet, er hat jedoch konsequent falsche Angaben zu seiner Herkunft gemacht. Trotz der Möglichkeit, im Rahmen der Grundversorgung Unterkunft zu nehmen, zog es der BF vor unsteten Aufenthaltes zu sein. Dementsprechend verfügte er lediglich über eine Meldung als obdachlos. Dass er die ihn treffenden fremdenrechtlichen Bestimmungen nicht beachtet, zeigt sich insbesondere auch am Verhalten des BF vor seiner unrechtmäßigen Einreise nach Österreich. So stellte er in der Schweiz einen Asylantrag, tauchte jedoch unter und entzog sich damit seinem Verfahren. Dass er grundsätzlich nicht bereit ist, sich an die Gesetze zu halten, zeigt sich besonders daran, dass der BF sowohl in der Schweiz als auch in Österreich im Zusammenhang mit Suchtmitteldelikten bestraft wurde. Auch die Tatsache, dass über ihn von der Schweiz ein für den gesamten Schengenraum gültiges Einreiseverbot verhängt wurde, ignorierte der BF und reiste wiederum unrechtmäßig nach Österreich ein. Der BF ist im Bundesgebiet auch nicht familiär, beruflich oder sozial verankert und verfügt über keinen eigenen Wohnsitz. Es ist daher im Fall des BF von Sicherungsbedarf auszugehen.

3.1.5. Als weitere Voraussetzung ist die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft zu prüfen. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Der BF hält sich unrechtmäßig in Österreich auf, er verfügte lediglich über ein Meldung als obdachlos und machte durchwegs falsche Angaben zu seinem Herkunftsstaat. Der BF verfügt in Österreich über keine Angehörigen und er ist in Österreich weder sozial noch beruflich verankert. Über eigene Mittel zu Existenzsicherung verfügt er ebensowenig wie über einen eigenen gesicherten Wohnsitz.

Der BF litt zwar an einem Tumor an der rechten Hüfte, dieser wurde jedoch operativ entfernt. Diese Operation verlief erfolgreich und der BF ist mittlerweile in einem guten und fast schmerzfreien Allgemeinzustand.

Gemäß § 76 Abs. 2a FPG ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

Der BF weist eine Vorstrafe nach dem Suchtmittelgesetz auf. Er hat in einem Zeitraum von Weihnachten 2017 bis 15.08.2018 gewerbsmäßig Heroin und Kokain anderen überlassen. Bemerkenswert ist, dass der BF noch während seines anhängigen Asylverfahrens und trotz Anspruchs auf Grundversorgung mit Drogen gehandelt hat. Bereits in der Schweiz wurde der BF im Zeitraum von Dezember 2015 bis Dezember 2017 wegen Drogendelikten bestraft. Es besteht ein besonders hohes öffentliches Interesse an der Verhinderung von Suchtgiftdelikten. Da der BF nicht einmal durch die in der Schweiz erfolgten Verurteilungen zu einem gesetzeskonformen Verhalten bewegt werden konnte und der BF in Österreich bereits wenige Monate nach seiner unrechtmäßigen Einreise wiederum Drogendelikte begangen hat, ist davon auszugehen, dass der BF auch künftig Straftaten, insbesondere im Zusammenhang mit dem Verkauf von Drogen, begehen wird, sodass der Aufenthalt des BF die öffentliche Ordnung und Sicherheit massiv gefährdet und ein besonders hohes öffentliches Interesse an der baldigen Außerlandesbringung des BF besteht.

Insgesamt kommt den persönlichen Interessen des BF daher ein geringerer Stellenwert zu als dem öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen - insbesondere an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung - zumal der BF bereits in der Vergangenheit gezeigt hat, dass er die ihn treffenden Verpflichtungen nicht einhält und im Verfahren auch keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er dieses Verhalten in Zukunft ändert.

Das erkennende Gericht geht daher davon aus, dass die angeordnete Schubhaft auch weiterhin das Kriterium der Verhältnismäßigkeit erfüllt. Dies auch unter Berücksichtigung der Verpflichtung der Behörde auf eine möglichst kurze Dauer der Schubhaft hinzuwirken, da das Bundesamt bereits unmittelbar nach Anordnung der Schubhaft ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF eingeleitet und die Vorführung des BF vor die nigerianische Vertretungsbehörde veranlasst hat. Die bisherige Dauer der Schubhaft ist auch durch den Gesundheitszustand des BF bedingt. Nachdem nunmehr jedoch erfolgreich eine Operation durchgeführt wurde erscheint es möglich, dass nach Abschluss der Untersuchungen eine baldige Fortführung des Beschwerdeverfahrens die Rückkehrentscheidung betreffend und in weiterer Folge des Verfahrens zur Erlangung eines Heimreisezertifikates erfolgen wird.

Bei einer im Sinne des § 80 Abs. 4 Z. 2 FPG höchstzulässigen Dauer der Schubhaft von 18 Monaten erscheint die Aufrechterhaltung der seit 15.01.2019 bestehenden Anhaltung des BF in Schubhaft insbesondere im Hinblick auf die beharrliche Weigerung des BF am Verfahren mitzuwirken verhältnismäßig.

3.1.6. Zu prüfen ist, ob ein gelinderes Mittel im Sinne des § 77 FPG den gleichen Zweck wie die angeordnete Schubhaft erfüllt. Auf Grund des vom BF in der Vergangenheit gezeigten Verhaltens - insbesondere der Tatsache, dass er sich bereits in der Schweiz seinem Asylverfahren entzogen hat, trotz eines in der Schweiz erlassenen Einreiseverbotes den Schengenraum nicht verlassen hat und er bisher keinerlei den Tatsachen entsprechende Angaben zu seiner Herkunft gemacht hat - kann ein gelinderes Mittel nicht zum Ziel der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme führen. Da der BF nach einer erfolgreich durchgeführten Operation nunmehr fast schmerzfrei ist und sich in einem guten Allgemeinzustand befindet, ist die Anordnung eines gelinderen Mittels auch auf Grund des Gesundheitszustandes des BF nicht angezeigt.

Die Verhängung eines gelinderen Mittels kommt daher weiterhin nicht in Betracht.

3.1.7. Die hier zu prüfende Schubhaft stellt daher nach wie vor eine "ultima ratio" dar, da sowohl Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf als auch Verhältnismäßigkeit vorliegen und ein gelinderes Mittel nicht den Zweck der Schubhaft erfüllt. Das Verfahren hat keine andere Möglichkeit ergeben, eine gesicherte Außerlandesbringung des BF zu gewährleisten.

Es war daher gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festzustellen, dass die angeordnete Schubhaft nach wie vor notwendig und verhältnismäßig ist und dass die maßgeblichen Voraussetzungen für ihre Fortsetzung im Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen."

Am 07.08.2019 legte die Verwaltungsbehörde den Verfahrensakt zur neuerlichen Prüfung vor und gab folgende Stellungnahme ab:

"(...)

Mit Erkenntnis des BVwG vom 18.07.2019 zur Zahl W 250 2213452-4/9E wurde festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

Am 25.07.2019 war der BF neuerlich im AKH Wien zur Kontrolle. Es wurde festgestellt, dass eine vollkommene Heilung der Wunde eingetreten ist. Weiters zeigte das Röntgen keinen Hinweis auf einen Rest- oder Rezidiv Tumor und sind keine weiteren langfristigen onkologischen Nachsorgeuntersuchungen mehr durchzuführen.

Laut BVwG findet am 12.08.2019, um 14:00 Uhr die Verhandlung über die Entscheidung der Rückkehrentscheidung sowie Abschiebung im Asylverfahren statt.

Nach dieser Entscheidung wird der BF am 16.08.2019 der nigerianischen Delegation vorgeführt und nach Ausstellung eines HRZ nach Nigeria abgeschoben.

Die ha. Behörde hat bisher alles versucht, um die Schubhaftdauer so kurz wie möglich zu halten.

Die Regionaldirektion Wien ersucht das Bundesverwaltungsgericht um Feststellung, ob zum Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG (§ 22a Abs. 4 BFA-VG) die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist."

Das Bundesverwaltungsgericht hat von Amts wegen erwogen:

1. Feststellungen:

Der angeführte Verfahrensgang und die zitierten Entscheidungsgründe der Vorentscheidung werden übernommen und zu Feststellungen der gegenständlichen Entscheidung erhoben; ebenso die von der Verwaltungsbehörde in ihrer Stellungnahme anlässlich der Aktenvorlage angeführten Ausführungen.

Auf der Tatsachenebene liegt keine Änderung - die Fluchtgefahr betreffend - vor.

Der BF ist haftfähig, es sind keine Umstände hervorgekommen, dass die weitere Inschubhaftnahme - zumindest bis zur nächsten Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht "über die Entscheidung der Rückkehrentscheidung sowie Abschiebung im Asylverfahren" unverhältnismäßig wäre.

2. Beweiswürdigung:

Verfahrensgang, die getroffenen Feststellungen und die Haftfähigkeit des BF ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt der Behörde und dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes, insbesondere der zitierten Vorentscheidung sowie dem. Auch die Entscheidungsgründe der Vorentscheidung werden der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt.

Im Besonderen ist hervorzuheben, dass der Beschwerdeführer am 10.05.2019 als nigerianischer Staatsangehöriger identifiziert wurde, dass die Operation gut verlaufen ist "und keine weiteren langfristigen onkologischen Nachsorgeuntersuchungen mehr durchzuführen sind". Haftfähigkeit ist daher weiterhin offensichtlich gegeben.

Der Vollständigkeit halber sei darauf hinzuweisen, dass diese Einschätzung des Bundesverwaltungsgerichtes jedenfalls einmal Gültigkeit bis zur nächsten Verhandlung am 12.08.2019 in der Asylangelegenheit des Beschwerdeführers hat - sollten in dieser Verhandlung neue bisher nicht bekannte Umstände hervorkommen, die beispielsweise zur Unzulässigkeit der Abschiebung oder einer positiven Rückkehrentscheidung führen, wäre natürlich die Schubhaft aufzuheben.

Es konnte von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, da der Sachverhalt im Rahmen des behördlichen Verfahrens hinreichend geklärt wurde und das gerichtliche Verfahren keine wesentlichen Änderungen ergeben hat.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A. (Fortsetzung der Schubhaft):

Gesetzliche Grundlagen:

Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß

Die Grundlage zur Überprüfung der Verhältnismäßigkeit einer Fortsetzung der Schubhaft über die Viermonatsfrist im BFA-VG iVm. § 80 FPG lautet:

§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.

Zur Judikatur:

Insbesondere ist in diesem Zusammenhang auf Art 1 Abs. 3 PersFrSchG 1988 hinzuweisen, aus dem sich das für alle Freiheitsentziehungen geltende Gebot der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit ergibt, deren Prüfung im Einzelfall eine entsprechende Interessenabwägung verlangt. Für die Schubhaft ergibt sich das im Übrigen auch noch aus der Wendung "... wenn dies notwendig ist, um ..." in Art 2 Abs. 1 Z 7 PersFrSchG 1988. Dementsprechend hat der VfGH - nachdem er bereits in seinem Erkenntnis vom 24.06.2006, B 362/06, die Verpflichtung der Behörden betont hatte, von der Anwendung der Schubhaft jedenfalls Abstand zu nehmen, wenn sie im Einzelfall nicht notwendig und verhältnismäßig ist - in seinem Erkenntnis vom 15.06.2007, B 1330/06 und B 1331/06, klargestellt, dass die Behörden in allen Fällen des § 76 Abs. 2 FrPolG 2005 unter Bedachtnahme auf das verfassungsrechtliche Gebot der Verhältnismäßigkeit verpflichtet sind, eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung des Verfahrens und der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen vorzunehmen. Der VwGH hat dazu beginnend mit dem Erkenntnis vom 30.08.2007, 2007/21/0043, mehrfach festgehalten, dass die Schubhaft auch dann, wenn sie auf einen der Tatbestände des § 76 Abs. 2 FrPolG 2005 gestützt werden soll, stets nur ultima ratio sein dürfe." (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

Eine Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kann stets nur dann rechtens sein, wenn eine Abschiebung auch tatsächlich in Frage kommt. Die begründete Annahme, dass eine Aufenthaltsbeendigung erfolgen wird, ist dabei ausreichend. Dass die Effektuierung mit Gewissheit erfolgt, ist nicht erforderlich (vgl. dazu etwa VwGH 07.02.2008, Zl. 2006/21/0389; VwGH 25.04.2006, Zl. 2006/21/0039). Steht hingegen von vornherein fest, dass diese Maßnahme nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden. Anderenfalls erwiese sich die Schubhaft nämlich als für die Erreichung des Haftzweckes (der Abschiebung) "nutzlos". Umgekehrt schadet es - wie sich aus den Verlängerungstatbeständen des § 80 FPG ergibt - nicht, wenn der ins Auge gefassten Abschiebung zeitlich befristete Hindernisse entgegenstehen. Den erwähnten Verlängerungstatbeständen liegt freilich zu Grunde, dass die in Frage kommenden Hindernisse längstens innerhalb der zulässigen Schubhaftdauer beseitigt werden. Ist hingegen bereits bei Beginn der Schubhaft absehbar, dass das Abschiebehindernis nicht binnen dieser Frist zu beseitigen ist, so soll die Schubhaft nach den Vorstellungen des Gesetzgebers von Anfang an nicht verhängt werden. Dasselbe gilt, wenn während der Anhaltung in Schubhaft Umstände eintreten, aus denen erkennbar ist, dass die Abschiebung nicht in der restlichen noch zur Verfügung stehenden Schubhaftdauer bewerkstelligt werden kann. (vgl. VwGH 11.06.2013, Zl. 2013/21/0024, zum Erfordernis einer Prognosebeurteilung, ob die baldige Ausstellung eines Heimreisezertifikates trotz wiederholter Urgenzen durch das Bundesministerium für Inneres angesichts der Untätigkeit der Vertretungsbehörde des Herkunftsstaates zu erwarten ist; vgl. VwGH 18.12.2008, Zl. 2008/21/0582, zur rechtswidrigen Aufrechterhaltung der Schubhaft trotz eines ärztlichen Gutachtens, wonach ein neuerlicher Versuch einer Abschiebung des Fremden in den nächsten Monaten aus medizinischen Gründen nicht vorstellbar sei).

Aufgrund der oben zitierten gesetzlichen Bestimmungen hat die Behörde nach § 22a Abs. 4 BFA-VG dem Bundesverwaltungsgericht die Verwaltungsakten zur amtswegigen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit und Notwendigkeit der weiteren Anhaltung, welche über die Viermonatsfrist gehen solle, vorzulegen. Dabei hat sie darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig wäre. Es ist Aufgabe des Bundesverwaltungsgerichtes hierüber im Verfahren eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit durchzuführen und hat sich im Rahmen dieser Überprüfung auch im Hinblick auf die vorzunehmende Zukunftsprognose für das Gericht ergeben, dass eine weitere weiter als verhältnismäßig angesehen werden kann.

Vor dem Hintergrund des aktuell unbestritten feststehenden Sachverhaltes, welcher bereits umfassend dem angeführten Vorerkenntnis und der Aktenvorlage zugrunde gelegt wurde, waren, wie ausgeführt, keine für den Beschwerdeführer sprechenden Änderungen auf Sachverhaltsebene zu konstatieren; dies aber bedeutet, dass die im Vorerkenntnis seitens des Bundesverwaltungsgerichtes vorgenommene und im Rahmen des Verfahrensganges zitierte rechtliche Beurteilung, welche von erheblicher Fluchtgefahr und der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung ausgeht, weiterhin volle Gültigkeit aufweist.

Dies insbesondere vor dem Hintergrund der offensichtlich alsbald erfolgenden Finalisierung des Asylverfahrens - Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 12.08.2019 - und der aller Voraussicht nach daran anschließenden Rückführung des bereits als nigerianischen Staatsangehörigen identifizierten Beschwerdeführers; in diesem Sinne wird die weitere Anhaltung in Schubhaft mit großer Wahrscheinlichkeit nicht mehr lange währen, was diese in zeitlicher Hinsicht jedenfalls verhältnismäßig erscheinen lässt.

Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist nochmals auf die Straffälligkeit des Beschwerdeführers hinzuweisen:

Wie oben angeführt, wurde der BF mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 14.09.2018, Zl. 064 HV 82/2018y, nach dem Suchtmittelgesetz (§§ 27 (1) Z 1 8. Fall, 27 (3) SMG §§ 27 (1) Z 1

1. Fall, 27 (1) Z 1 2. Fall SMG) zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten, davon 10 Monate bedingt, verurteilt.

Gerade die Suchtgiftkriminalität des Beschwerdeführers lässt die weitere - wahrscheinlich nicht mehr lange währende - Anhaltung auch unter dem Aspekt des §76 Abs. 2a FPG als verhältnismäßig erscheinen.

Es war daher die Fortsetzung der Schubhaft auszusprechen.

Zu Spruchteil B. - Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Im vorliegenden Akt findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Fluchtgefahr, Fortsetzung der Schubhaft, öffentliche Interessen,
Rückkehrentscheidung, Schubhaft, Sicherungsbedarf, strafrechtliche
Verurteilung, Überprüfung, Untertauchen, Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W117.2213452.5.00

Zuletzt aktualisiert am

03.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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