TE Bvwg Erkenntnis 2019/8/9 W169 2199685-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.08.2019
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Entscheidungsdatum

09.08.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W169 2199685-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Barbara MAGELE als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.05.2018, Zl. 1181833804-180167147, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005 idgF, § 9 BFA-VG idgF, §§ 52 und 55 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler schlepperunterstützter Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 15.02.2018 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei seiner Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 16.02.2018 gab er zu Protokoll, dass er aus dem Bundesstaat Punjab stamme und die Sprache Punjabi beherrsche. Er gehöre der Religionsgemeinschaft der Sikhs und der Volksgruppe der Jat an. Im Herkunftsstaat habe er zehn Jahre die Grundschule und zwei weitere Jahre eine AHS besucht. Zuletzt sei er als Landarbeiter tätig gewesen. Die Eltern und der Bruder des Beschwerdeführers würden in den USA leben. Nach seinen Fluchtgründen befragt gab er an, dass er im August 2015 an einer Demonstration teilgenommen habe, bei welcher sie die Bestrafung der Verantwortlichen für das Zerreißen des heiligen Buches der Sikhs gefordert hätten und sei im Zuge dessen von der Polizei auf die Demonstranten geschossen worden. Auch seien Menschen dabei ums Leben gekommen. Der Beschwerdeführer sei von der Polizei festgenommen sowie misshandelt und nach vier Tagen gegen Bezahlung von Bestechungsgeldern entlassen worden. Später habe er erfahren, dass er von der Polizei angezeigt worden sei, da er einen unabhängigen Sikh-Staat anstrebe. Für den Fall einer Rückkehr fürchte er um sein Leben.

2. Am 29.05.2018 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen und gab er an, dass er aus dem Bundesstaat Punjab stamme und die Sprachen Punjabi und Hindi spreche. In Indien habe er fünf Jahre die Grundschule und sieben Jahre die Hauptschule besucht habe. Den Lebensunterhalt habe er durch seine Arbeit als Landwirt und als Taxifahrer bestritten;

der Beschwerdeführer habe durch den Verdienst sehr gut leben können. Die Eltern und der Bruder des Beschwerdeführers seien, als der Beschwerdeführer noch ein Kleinkind gewesen sei, in die USA gezogen;

der Beschwerdeführer sei in Indien geblieben und habe zunächst fünf Jahre lang bei seinen Großeltern mütterlicherseits gelebt und sei danach zu seinen Großeltern väterlicherseits gezogen. Nachdem diese im Jahr 2005/2006 verstorben seien, habe er bis zur Flucht im Jahr 2015 im Haus der Großeltern gelebt. Im Jahr 2015 sei der Beschwerdeführer für zwei Monate nach Mumbai gezogen. Im Herkunftsstaat würde ein Onkel mütterlicherseits leben, der sehr wohlhabend sei. Der Beschwerdeführer sei ledig, kinderlos und gesund.

Zu seinem Fluchtgrund brachte der Beschwerdeführer Folgendes vor (VP: nunmehriger Beschwerdeführer; LA: Leiter der Amtshandlung):

" (...)

LA: Wurden Sie jemals von Behörden in Ihrem Heimatland erkennungsdienstlich behandelt?

VP: Ich habe nur wegen der Gründung unseres unabhängigen Staates namens Khalistan Probleme mit der Polizei, sonst habe ich nirgends eine Straftat begangen.

Anm.: Wiederholung der Frage.

VP: Nein.

LA: Waren Sie jemals im Gefängnis oder in Polizeihaft?

VP: Ja, ich war in der Stadt Moga im Oktober 2015 für ca. eine Woche insgesamt in Haft. Die ersten drei Tage davon war ich in Anhaltung und danach im Gefängnis.

LA: Gehörten Sie jemals selbst einer politischen Partei an?

VP: Nein.

LA: Hatten Sie jemals persönlich Probleme mit heimatlichen Behörden bzw. werden Sie von heimatlichen Behörden - etwa Polizei, Militär oder sonstigen Behörden - offiziell in Ihrer Heimat gesucht, besteht ein Haftbefehl gegen Sie?

VP: Ja, es gibt einen offiziellen Haftbefehl gegen mich und ich werde von der Polizei wegen der Gründung Khalistans gesucht.

LA: Haben Sie in Ihrem Heimatland jemals aus eigenem Antrieb, d. h. von sich aus eine Sicherheitsdienststelle, Polizeidienststelle oder Staatsanwaltschaft oder Gericht aufgesucht? Haben Sie jemals eine solche Einrichtung aufgesucht weil Sie von diesen Behörden etwas benötigt haben?

VP: Ich war einmal bei einem Anwalt und erklärte ihm das Ganze, dass ich grundlos von der Polizei misshandelt und geärgert werde. Bei einer staatlichen Behörde war ich nicht.

LA: Gehörten Sie jemals einer bewaffneten Gruppierung an? (bei pos.

Antwort: Funktion, Dauer, Position, Tätigkeiten, Gründe des Beitritts, ideologischer Inhalt, Sitz der Gruppierung)

VP: Nein.

LA: Warum stellen Sie einen Asylantrag? Nennen Sie Ihre Fluchtgründe!

VP: Wir haben gegen diejenigen, die unser heiliges Buch zerrissen haben, demonstriert. Wir wollten, dass die Polizei diese Straftäter festnimmt und bestraft. Aber stattdessen, um uns auseinander zu bringen, eröffnete die Polizei das Feuer auf uns. Zwei Burschen kamen ums Leben. Einige von uns wurden dann festgenommen, wobei ich auch unter den Festgenommenen war. Mir wurde dann vorgeworfen, dass ich ein Täter bin, der in der Gründung von Khalistan solche Demonstrationen organisiert.

LA: Warum sind Sie aus Ihrem Heimatland ausgereist?

VP: Die Polizei fing an, gegen mich Anzeigen zu erstatten und ich wurde immer wieder belästigt. Leute, welche im Jahr 1984 festgenommen wurden, sind immer noch im Gefängnis. Wenn sie mich erwischt hätten, hätten sie mich bestimmt auch für den Rest meines Lebens hinter Gitter gesteckt.

LA: Haben Sie sonst Probleme, außer den geschilderten, in Ihrem Heimatland?

VP: Sonst habe ich keine Probleme. Das ist mein einziges Problem.

LA: Wo und wann genau fand diese Demonstration statt?

VP: Im Bezirk Moga, im Dorf XXXX am 12.10.2015.

LA: Nahmen Sie an dieser Demonstration einfach nur teil?

VP: Ja.

LA: Wie viele Leute waren an der Demonstration beteiligt?

VP: Es waren sehr viele Leute, ich glaube zwischen 5.000 und 10.000 müssen es gewesen sein. Aber es waren noch weitere Leute unterwegs zu dieser Demonstration, als die Polizei dazwischen schon das Feuer eröffnete.

LA: Wie viele Personen wurden festgenommen?

VP: Genau kann ich es nicht sagen, aber ich habe gesehen, dass die Polizeiautos voll waren mit Festgenommenen und ich war einer davon.

LA: War diese Demonstration angemeldet und genehmigt?

VP: Ich weiß nicht, ob sie genehmigt wurde oder nicht. Ich habe einfach teilgenommen. Ich wurde von Freunden angerufen und habe gehört, dass unser heiliges Buch zerrissen wurde. Ich habe gehört, dass es diesbezüglich eine Demonstration gibt und mich einfach angeschlossen.

LA: Was genau wurde Ihnen vorgeworfen, als Sie festgenommen wurden?

VP: Ich fragte sie, warum sie mich festgenommen hätten und nicht die Täter suchen würden, die das heilige Buch zerrissen haben. Darauf sagten sie zu mir, dass ich ein Gründer Khalistans wäre und ich sagte ja, wenn sie uns unsere Rechte nicht geben und nicht das geben, was uns zusteht, dann sollten sie uns unser eigenes unabhängiges Land geben. Ich wurde also festgenommen, weil ich ein Gründer Khalistans bin.

LA: Was genau geschah unmittelbar nach Ihrer Festnahme und in weiterer Fogle?

VP: Sie brachten mich zum Gefängnis und stellten mir Fragen, warum wir uns hier versammelt hätten. Sie haben mich immer wieder dasselbe gefragt und ich habe gefragt, warum nicht gegen die Täter ermittelt wird und warum das Feuer auf die Demonstranten eröffnet wurde. Wir Sikh gehören zu den Minderheiten in Indien, die Hindus haben die Macht. Ich wurde von den Polizisten geschlagen und misshandelt und nach einigen Tagen hat mich mein Freund, mit dem ich zusammen auf den Feldern gearbeitet habe, gegen Bestechungsgeld freigekauft.

LA: Inwiefern wurden Sie misshandelt, was geschah genau?

VP: Ich wurde von Polizisten in dieser Zelle mit Holzstöcken geschlagen und mit Füßen getreten. Es waren hundert Leute, die sie da festgenommen haben. Was mit den anderen geschah, weiß ich nicht. Mit mir war noch ein weiterer Bursche in demselben Raum, er war aus einer wohlhabenden Familie. Seine Familie hat ihn schneller freigekauft, als ich mich durch meinen Freund freikaufen konnte. Wegen diesen Schlägen mit den Holzstöcken auf den Rücken habe ich immer noch Rückenschmerzen.

LA: Wo waren Sie da in einer Zelle?

VP: In Ludhiana, weil dort ist das größere Gefängnis.

LA: Wer hat wie viel Geld bezahlt, damit Sie freikamen? Bitte geben Sie die persönlichen Daten Ihres Freundes an.

VP: Er heißt XXXX , er hat 200.000 Rupien bezahlt.

LA: Woher hatte Ihr Freund dieses Geld?

VP: Er hat auf seinen Grundstücken viel gearbeitet.

LA: Wurden Sie im Zuge dieser Festnahme angezeigt?

VP: Ja.

LA: Wie haben Sie erfahren, dass man Sie angezeigt hat?

VP: Als mein Freund bei der Polizei war, um mich rauszuholen, haben sie ihm gesagt, dass sie die Anzeige aus dem Register löschen würden, sobald sie das Geld erhalten haben. Aber sie haben die Anzeige nicht gelöscht, das erfuhr ich durch meinen Freund.

LA: Woher weiß Ihr Freund, dass die Polizei die Anzeige nicht löschte?

VP: Nach ein paar Tagen war die Polizei wieder in unserem Dorf. Sie waren auf der Suche nach mir, aber ich war zum Glück nicht zu Hause. Sie haben meinen Freund getroffen, der sie fragte, was sie noch von mir wollten, da das Geld ja bezahlt worden ist. So hat mein Freund dann erfahren, dass ich in der Liste, wo die Gründungsmitglieder von Khalistan eingetragen sind, eingetragen bin. Es gab noch drei oder vier weitere Anzeigen gegen mich, was ich von ihm gehört habe. Wenn man öffentlich über die Gründung von Khalistan in Indien redet, ist es eine Straftat.

LA: Wann war dieses Gespräch zwischen der Polizei und Ihrem Freund?

VP: Ich glaube, es war Ende Oktober 2015.

LA. Wurden die anderen Demonstrationsteilnehmer auch angezeigt?

VP: Ja, sie wurden auch angezeigt, aber was da rauskam, weiß ich nicht.

LA: Weshalb und seit wann besteht ein Haftbefehl gegen Sie?

VP: Weil ich einen unabhängigen Staat Khalistan haben möchte und ein Mitglied dieser Bewegung bin. Der Haftbefehl besteht zumindest seit dem Tag, als die Polizei in unserem Dorf war. Mein Freund sagte, dass ein Haftbefehl gegen mich erlassen wurde.

LA: Warum haben Sie sich nicht dauerhaft in einem anderen Landesteil Ihres Heimatlandes, z.B. in Mumbay, niedergelassen, um diesen Problemen zu entgehen? In Indien besteht kein Meldewesen, Sie hätten daher leicht in einer anderen Stadt oder einem anderen Distrikt in die Anonymität untertauchen können.

VP: Ich war zwei Monate in Mumbay, um das Ganze hinter mir zu lassen. Eines Tages erhielt ich einen Anruf von meinem Freund XXXX , in dem er mir sagte, dass im Dorf schon viele wüssten, dass ich in Mumbay aufhältig wäre. Außerdem gibt es in Indien jetzt überall Überwachungskameras, es ist nicht wie früher. Man kann sehr leicht ausgeforscht werden. Anschließend ging ich zu einem Sikh-Tempel im Mumbay, dort habe ich eine Person getroffen. Dann kam ich hierher.

LA: Welche Person haben Sie dort getroffen?

VP: Er war ein Schlepper. Ich habe ihm dann alles erzählt, was mit mir passiert ist und er sagte, es wäre besser, wenn ich das Land verlassen würde.

LA: Gab es konkret Sie betreffende Vorfälle in Mumbay?

VP: Nein.

(...)"

Zu den Lebensumständen in Österreich gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, dass er im Bundesgebiet keine Verwandten habe und mit niemandem in einer Familiengemeinschaft oder in einer familienähnlichen Lebensgemeinschaft lebe. Er wohne privat in einer Mietwohnung und teile ab und zu Werbematerial aus. Der Beschwerdeführer spreche kein Deutsch, sei nicht Mitglied von Vereinen oder Organisationen und habe auch keine Kurse oder Ausbildungen absolviert.

Am Ende der Einvernahme wurden dem Beschwerdeführer die Länderberichte zur aktuellen Situation in Indien zur Kenntnis gebracht und ihm die Möglichkeit gegeben, in diese Einsicht zu nehmen und eine Kopie davon ausgefolgt zu bekommen. Dazu hab er an, dass er diese nicht benötige, da er immer über das Internet wisse, was aktuell los sei.

3. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Dem Beschwerdeführer wurde gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen sowie weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt III.). Weiters wurde innerhalb des Spruches ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 FPG vierzehn Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass dem Vorbringen des Beschwerdeführers zu den von ihm behaupteten Verfolgungsgründen die Glaubwürdigkeit abzusprechen gewesen sei. Unabhängig davon stehe dem Beschwerdeführer aber eine innerstaatliche Fluchtalternative offen. Auch eine refoulementschutzrechtlich relevante Gefährdung im Fall einer Rückkehr nach Indien sei nicht gegeben. Der Beschwerdeführer erfülle nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG, der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe sein Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens angesichts der kurzen Aufenthaltsdauer und des Fehlens von familiären oder privaten Bindungen im Inland nicht entgegen. Angesichts der abweisenden Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergebe sich die Zulässigkeit einer Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien. Die Frist für die freiwillige Ausreise von vierzehn Tagen ergebe sich aus § 55 FPG, da besondere Umstände, die der Beschwerdeführer bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen habe, nicht gegeben seien.

4. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde. Nach Wiederholung der Fluchtgründe wurde ausgeführt, dass die Behörde sich nicht hinreichend mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers auseinandergesetzt habe und ihm überdies nicht einmal eine Frist für die Beschaffung von Beweismitteln gegeben worden sei. Eine innerstaatliche Fluchtalternative sei aufgrund der staatlichen Verfolgung im Gesamten Gebiet Indiens nicht gegeben und sei dem Beschwerdeführer zumindest der Status des subsidiär Schutzberechtigten zu gewähren gewesen, zumal ihm für den Fall einer Rückkehr eine unmenschliche Strafe drohen würde. Beantragt wurde die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung.

5. Mit Strafverfügung der Landespolizeidirektion Niederösterreich vom 23.08.2018, Zl. VStV/918301159177/2018, wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in der Höhe von 100,- Euro wegen des Aufenthaltes außerhalb des Gebietes, in welchem er gemäß § 12 Abs. 2 AsylG 2005 geduldet sei, verhängt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Indien aus dem Bundesstaat Punjab, gehört der Religionsgemeinschaft der Sikhs und der Volksgruppe der Jat an. Seine Identität steht nicht fest. Er beherrscht die Sprachen Punjabi und Hindi. Im Herkunftsstaat besuchte er zwölf Jahre die Schule und arbeitete in der Landwirtschaft und als Taxifahrer; ihm ging es finanziell sehr gut. Er lebte, nachdem seine Eltern und sein Bruder in die USA gezogen waren, fünf Jahre gemeinsam mit seinen Großeltern mütterlicherseits und danach mit seinen Großeltern väterlicherseits, bis diese im Jahr 2005/2006 starben. Danach wohnte er alleine im Haus der Großeltern. Zwei Monate vor der Ausreise im Jahr 2015 lebte der Beschwerdeführer in Mumbai. Der Beschwerdeführer ist ledig, kinderlos und gesund.

Die Verfolgungsbehauptungen des Beschwerdeführers sind nicht glaubhaft. Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer in Indien eine an asylrelevante Merkmale anknüpfende Verfolgung droht. Dem Beschwerdeführer steht in Indien eine inländische Schutz- bzw. Fluchtalternative offen.

Der Beschwerdeführer hat keine Verwandten oder Familienangehörigen im Bundesgebiet und lebt mit niemandem in einer Familiengemeinschaft oder in einer familienähnlichen Lebensgemeinschaft. Er wohnt privat in einer Mietwohnung und teilt ab und zu Werbematerial aus. Der Beschwerdeführer spricht kein Deutsch, ist nicht Mitglied von Vereinen oder Organisationen und hat auch keine Kurse oder Ausbildungen absolviert. Im Herkunftsstaat lebt ein Onkel mütterlicherseits des Beschwerdeführers, der sehr vermögend ist.

Der Beschwerdeführer nimmt keine Leistungen aus der Grundversorgung in Anspruch und ist strafgerichtlich unbescholten.

Mit Strafverfügung der Landespolizeidirektion Niederösterreich vom 23.08.2018, Zl. VStV/918301159177/2018, wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in der Höhe von 100,- Euro wegen des Aufenthaltes außerhalb des Gebietes, in welchem er gemäß § 12 Abs. 2 AsylG geduldet ist, verhängt.

1.2. Zur Situation im Herkunftsstaat wird Folgendes festgestellt:

Sicherheitslage

Indien ist reich an Spannungen entlang von Ethnien, Religionen, Kasten und auch Lebensperspektiven. Widersprüche, Gegensätze oder Konflikte entladen sich in den gesellschaftlichen Arenen und werden von der Politik aufgegriffen, verarbeitet und teilweise instrumentalisiert (GIZ 11.2016). Blutige Terroranschläge haben in den vergangenen Jahren in Indiens Millionen-Metropolen wiederholt Todesopfer gefordert (Eurasisches Magazin 24.5.2014). Die Spannungen im Nordosten des Landes gehen genauso weiter wie die Auseinandersetzung mit den Naxaliten (GIZ 11.2016). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der "Naxaliten" in Frage gestellt (AA 16.8.2016).

Terroristische Anschläge in den vergangenen Jahren (Dezember 2010 in Varanasi, Juli 2011

Mumbai, September 2011 New Delhi und Agra, April 2013 in Bangalore, Mai 2014 Chennai und Dezember 2014 Bangalore) und insbesondere die Anschläge in Mumbai im November 2008 haben die Regierung unter Druck gesetzt. Von den Anschlägen der letzten Jahre wurden nur wenige restlos aufgeklärt und die als Reaktion auf diese Vorfälle angekündigten Reformvorhaben zur Verbesserung der indischen Sicherheitsarchitektur wurden nicht konsequent umgesetzt (AA 24.4.2015). Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2011 1.073 Todesopfer durch terrorismusrelevante Gewalt, für das Jahr 2012 803, für das Jahr 2013 885, für das Jahr 2014 976 für das Jahr 2015 722 und für das Jahr 2016 835 [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 9.1.2017).

Konfliktregionen sind Jammu und Kashmir, die nordöstlichen Regionen und der maoistische Gürtel. In Jharkhand und Bihar setzten sich die Angriffe von maoistischen Rebellen auf Sicherheitskräfte und Infrastruktur fort. In Punjab kam es bis zuletzt durch gewaltbereite Regierungsgegner immer wieder zu Ermordungen und Bombenanschlägen. Neben den islamistischen Terroristen tragen die Naxaliten (maoistische Untergrundkämpfer) zur Destabilisierung des Landes bei. Von Chattisgarh aus kämpfen sie in vielen Unionsstaaten (von Bihar im Norden bis Andrah Pradesh im Süden) mit Waffengewalt gegen staatliche Einrichtungen. Im Nordosten des Landes führen zahlreiche Separatistengruppen einen Kampf gegen die Staatsgewalt und fordern entweder Unabhängigkeit oder mehr Autonomie (United Liberation Front Assom, National Liberation Front Tripura, National Socialist Council Nagaland, Manipur People's Liberation Front etc.). Der gegen Minderheiten wie Moslems und Christen gerichtete Hindu-Radikalismus wird selten von offizieller Seite in die Kategorie Terror eingestuft, vielmehr als "communal violence" bezeichnet (ÖB 12.2016).

Gegen militante Gruppierungen, die meist für die Unabhängigkeit bestimmter Regionen eintreten und/oder radikalen Auffassungen anhängen, geht die Regierung mit großer Härte und Konsequenz vor. Sofern solche Gruppen der Gewalt abschwören, sind in der Regel Verhandlungen über ihre Forderungen möglich. Gewaltlose Unabhängigkeitsgruppen können sich politisch frei betätigen (AA 16.8.2016).

Punjab

Laut Angaben des indischen Innenministeriums zu den Zahlen der Volkszählung im Jahr 2011 leben von den 21 Mio. Sikhs 16 Millionen. im Punjab (MoHA o.D.) und bilden dort die Mehrheit (USDOS 10.8.2016).

Der Terrorismus im Punjab ist Ende der 1990er Jahre nahezu zum Erliegen gekommen. Die meisten hochkarätigen Mitglieder der verschiedenen militanten Gruppen haben den Punjab verlassen und operieren aus anderen Unionsstaaten oder Pakistan. Finanzielle Unterstützung erhalten sie auch von Sikh-Exilgruppierungen im westlichen Ausland (ÖB 12.2016). Nichtstaatliche Kräfte, darunter organisierte Aufständische und Terroristen, begehen jedoch zahlreiche Morde und Bombenanschläge im Punjab und Konfliktregionen wie etwa Jammu und Kaschmir (USDOS 13.4.2016). Im Juli 2015 griffen Mitglieder einer bewaffneten Gruppe eine Polizeiwache und einen Busbahnhof in Gurdaspur im Bundesstaat Punjab an und töteten drei Zivilpersonen und vier Polizisten. 15 Personen wurden verletzt (USDOS 2.7.2016; vgl. auch: AI 24.2.2016). Es handelte sich dabei um den ersten größeren Anschlag seit den Aktivitäten militanter Sikhs in 1980er und 1990er Jahren (USDOS 2.7.2016).

Im Oktober 2015 gab es in fünf Distrikten des Punjab weitverbreitete und gewalttätige Proteste der Sikhs gegen die Regierung in Punjab. Dabei hat die Polizei auf Protestanten geschossen und zwei Personen getötet sowie 80 Personen verletzt. Grund der Proteste waren Berichte, laut denen unbekannte Täter das heilige Buch der Sikhs entweiht hätten. Die Polizei hat ein Duzend Protestanten wegen versuchten Mordes, Beschädigung öffentlichen Eigentums und des Tragens von illegalen Waffen festgenommen. Was die Aufarbeitung der Gewaltausbrüche im Jahr 1984, bei denen 3.000 Menschen, darunter hauptsächlich Sikhs, ums Leben gekommen seien betrifft, so kommen Gerichtsverfahren nur langsam voran. Zivilgesellschaftliche Aktivisten und Interessensverbände der Sikhs zeigen sich weiterhin besorgt, dass die Regierung die Verantwortlichen noch nicht zur Rechenschaft ziehen konnte (USDOS 10.8.2016).

Der illegale Waffen- und Drogenhandel von Pakistan in den indischen Punjab hat sich in letzter Zeit verdreifacht. Im Mai 2007 wurden dem indischen Geheimdienst Pläne der ISI bekannt, die gemeinsam mit BKI und anderen militanten Sikh- Gruppierungen Anschläge auf Städte im Punjab (Jalandhar, Ludhiana, Pathankot) beabsichtigten. Die Sicherheitsbehörden im Punjab konnten bislang die aufkeimende Wiederbelebung der militanten Sikh-Bewegung erfolgreich neutralisieren (ÖB 12.2016). In Jammu und Kaschmir, im Punjab und in Manipur haben die Behörden besondere Befugnisse ohne Haftbefehl Personen zu suchen und zu inhaftieren (USDOS 13.4.2016; vgl. auch:

BBC 20.10.2015). Menschenrechtsberichten zufolge kommt es im Punjab regelmäßig zu Fällen von Menschenrechtsverletzungen insbesondere der Sicherheitsbehörden (extralegale Tötungen, willkürliche Festnahmen, Folter in Polizeigewahrsam, Todesfolge von Folter etc.) (ÖB 12.2016). Ehrenmorde stellen vor allem in den nördlichen Bundesstaaten Haryana und Punjab weiterhin ein Problem dar. Menschenrechtsorganisationen schätzen, dass bis zu 10% aller Tötungen in diesen Staaten sogenannte Ehrenmorde sind (USDOS 13.4.2016).

Die Staatliche Menschenrechtskommission im Punjab hat in einer Reihe von schweren Menschenrechtsverletzungen durch die Sicherheitskräfte (Folter, Folter mit Todesfolge, extra-legale Tötungen etc.) interveniert. In vielen Fällen wurde die Behörde zu Kompensationszahlungen verpflichtet. Die Menschenrechtskommission erhält täglich 200-300 Beschwerden über Menschenrechtsverletzung und ist in ihrer Kapazität überfordert. Oft sind Unterkastige oder Kastenlose Opfer der polizeilichen Willkür (ÖB 12.2016).

Die Zugehörigkeit zur Sikh-Religion ist kein Kriterium für polizeiliche Willkürakte Die Sikhs, 60% der Bevölkerung des Punjabs, stellen im Punjab einen erheblichen Teil der Beamten, Richter, Soldaten und Sicherheitskräfte. Auch hochrangige Positionen stehen ihnen offen (ÖB 12.2016).

In Indien ist die Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit rechtlich garantiert und praktisch von den Behörden auch respektiert; in manchen Grenzgebieten sind allerdings Sonderaufenthaltsgenehmigungen notwendig. Sikhs aus dem Punjab haben die Möglichkeit sich in anderen Landesteilen niederzulassen, Sikh-Gemeinden gibt es im ganzen Land verstreut. Sikhs können ihre Religion in allen Landesteilen ohne Einschränkung ausüben. Aktive Mitglieder von verbotenen militanten Sikh-Gruppierungen, wie Babbar Khalsa International müssen mit polizeilicher Verfolgung rechnen (ÖB 12.2016).

Quellen:

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AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights - India, http://www.ecoi.net/local_link/319831/466697_de.html, Zugriff 5.1.2017

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BBC - British Broadcasting Corporation (20.10.2015): Why are Indian Sikhs angry?,

http://www.bbc.com/news/world-asia-india-34578463, Zugriff 5.1.2017

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MoHA - Government of India, Ministry of Home Affairs, Office of the Registrar General & Census Commissioner, India (o.D.): C-1 Population By Religious Community, http://www.censusindia.gov.in/2011census/C-01.html, Zugriff 5.1.2017

-

ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2016):

Asylländerbericht Indien

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USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/322482/461959_de.html, Zugriff 5.12.2016

-

USDOS - US Department of State (2.7.2016): Country Report on Terrorism 2015 - Chapter 2 - India, http://www.ecoi.net/local_link/324726/464424_de.html, Zugriff 5.1.2017

-

USDOS - US Department of State (10.8.2016): 2015 Report on International Religious Freedom - India, http://www.ecoi.net/local_link/328426/469205_de.html, Zugriff 21.12.2016

Allgemeine Menschenrechtslage

Indien hat 1948 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte unterzeichnet (AA 16.8.2016). Die nationale Gesetzgebung in Menschenrechtsangelegenheiten ist breit angelegt. Alle wichtigen Menschenrechte sind verfassungsrechtlich garantiert (ÖB 12.2016). Die Umsetzung dieser Garantien ist allerdings häufig nicht in vollem Umfang gewährleistet (AA 16.8.2016). Eine Reihe von Sicherheitsgesetzen schränken die rechtsstaatlichen Garantien, z.B. das Recht auf ein faires Verfahren, aber ein. Diese Gesetze wurden nach den Terroranschlägen von Mumbai im November 2008 verschärft; u. a. wurde die Unschuldsvermutung für bestimmte Straftatbestände außer Kraft gesetzt. Besonders in Unruhegebieten haben die Sicherheitskräfte zur Bekämpfung sezessionistischer und terroristischer Gruppen weitreichende Befugnisse, die oft exzessiv genutzt werden (AA 16.8.2016).

Die wichtigsten Menschenrechtsprobleme sind Missbrauch durch Polizei und Sicherheitskräfte einschließlich außergerichtlicher Hinrichtungen, Folter und Vergewaltigung. Korruption bleibt weit verbreitet und trägt zur ineffektiven Verbrechensbekämpfung, insbesondere auch von Verbrechen gegen Frauen, Kinder und Mitglieder registrierter Kasten und Stämme sowie auch gesellschaftlicher Gewalt aufgrund von Geschlechts-, Religions-, Kasten- oder Stammeszugehörigkeit bei (USDOS 13.4.2016).

Die Menschenrechtslage ist in Indien regional sehr unterschiedlich (BICC 6.2016), eine verallgemeinernde Bewertung kaum möglich:

Drastische Grundrechtsverletzungen und Rechtsstaatsdefizite koexistieren mit weitgehenden bürgerlichen Freiheiten, fortschrittlichen Gesetzen und engagierten Initiativen der Zivilgesellschaft. Vor allem die Realität der unteren Gesellschaftsschichten, die die Bevölkerungsmehrheit stellen, ist oftmals von Grundrechtsverletzungen und Benachteiligung geprägt (AA 16.8.2016). Ursache vieler Menschenrechtsverletzungen in Indien bleiben tiefverwurzelte soziale Praktiken wie nicht zuletzt das Kastenwesen (AA 16.8.2016). Frauen, Mitglieder ethnischer und religiöser Minderheiten sowie niedriger Kasten werden systematisch diskriminiert (BICC 6.2016). Während die Bürger- und Menschenrechte von der Regierung größtenteils respektiert werden, ist die Lage in den Regionen, dort wo es interne Konflikte gibt teilweise sehr schlecht. Dies trifft insbesondere auf Jammu und Kaschmir und den Nordosten des Landes zu. Den Sicherheitskräften, aber auch den nicht-staatlichen bewaffneten Gruppen, seien es separatistische Organisationen oder regierungstreue Milizen, werden massive Menschenrechtsverletzungen angelastet. Dem Militär und den paramilitärischen Einheiten werden Entführungen, Folter, Vergewaltigungen, willkürliche Festnahmen und außergerichtliche Hinrichtungen vorgeworfen. Insbesondere hinsichtlich der Spannungen zwischen Hindus und Moslems, welche im Jahr 2002 zu Tausenden von Todesfällen führten, wird den Sicherheitskräften Parteilichkeit vorgeworfen Die Stimmung wird durch hindunationalistische Parteien angeheizt, welche auch in der Regierung vertreten sind (BICC 6.2016).

Separatistische Rebellen und Terroristen in Jammu und Kaschmir, den nordöstlichen Bundesstaaten und im Maoistengürtel begehen schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen, darunter Morde an Zivilisten, Polizisten, Streitkräften und Regierungsbeamten. Aufständische sind für zahlreiche Fälle von Entführung, Folter, Vergewaltigung, Erpressung und den Einsatz von Kindersoldaten verantwortlich (USDOS 13.4.2016).

Die Behörden verstoßen auch weiterhin gegen die Privatsphäre der Bürger. In manchen Bundesstaaten schränkt das Gesetz die religiöse Konversion ein und es gibt Berichte von Verhaftungen, aber keine Verurteilungen nach diesem Gesetz. Manche Einschränkungen in Bezug auf die Bewegungsfreiheit dauern an (USDOS 13.4.2016).

Im Oktober 1993 wurde die Nationale Menschenrechtskommission (National Human Rights Commission - NHRC) gegründet. Ihre Satzung beinhaltet den Schutz des Menschenrechtgesetzes aus dem Jahre 1993. Die Kommission verkörpert das Anliegen Indiens für den Schutz der Menschenrechte. Sie ist unabhängig und wurde durch ein Umsetzungsgesetz des Parlaments gegründet. Die NHRC hat die Befugnis eines Zivilgerichtes (NHRC o.D.). Die NHRC empfiehlt, dass das Kriminalermittlungsbüro alle Morde, in denen die angeblichen Verdächtigen während ihrer Anklage, Verhaftung, oder bei ihrem Fluchtversuch getötet wurden, untersucht. Viele Bundesstaaten sind diesem unverbindlichen Rat nicht gefolgt und führten interne Revisionen im Ermessen der Vorgesetzten durch. Die NHRC Richtlinien weisen die Bundesstaatenregierungen an, alle Fälle von Tod durch Polizeihandlung binnen 48 Stunden an die NHRC zu melden, jedoch hielten sich viele Bundesstaatenregierungen nicht an diese Richtlinien. Die NHRC forderte von den Bundesstaatenregierung, den Familien von Opfern eine finanzielle Kompensation zu bieten, aber die Bundesstaatenregierungen erfüllten diese Richtlinien nicht konsequent. Die Behörden haben die Streitkräfte nicht dazu aufgefordert, Todesfälle während der Haft an die NHRC zu melden (USDOS 13.4.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

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BICC - Bonn International Centre for Conversion (6.2016):

Informationsdienst - Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte: Länderinformation Indien,

http://ruestungsexport.info/uploads/pdf/countries/201607/indien.pdf, Zugriff 13.12.2016

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NHRC - The National Human Rights Commission India (o. D.): The National Human Rights Commission India, http://www.nhrc.nic.in/Documents/Publications/NHRCindia.pdf, Zugriff 5.1.2017

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ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2016):

Asylländerbericht Indien

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USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/322482/461959_de.html, Zugriff 13.12.2016

Religionsfreiheit

Die Verfassung garantiert Religionsfreiheit (USDOS 10.8.2016; vgl. auch: AA 16.8.2016), ordnet eine säkularen Staat an, fordert den Staat auf, alle Religionen unparteilich zu behandeln und verbietet Diskriminierung auf religiöser Basis. Nationales und bundesstaatliches Recht setzen die Religionsfreiheit jedoch unter dem Vorbehalt der öffentlichen Ordnung, Gesundheit und Moral (USDOS 10.8.2016). Der Schutz umfasst sowohl die innere Glaubensfreiheit als auch die Ausübung und im Prinzip auch die Verbreitung der Religion (AA 16.8.2016). Religionsfreiheit wird im Allgemeinen auch in der Praxis respektiert (FH 27.1.2016) und kaum eingeschränkt (AA 16.8.2016). Premierminister Modi hat sich im Februar 2015 zur Religionsfreiheit und der Gleichwertigkeit aller Religionen bekannt (AA 25.4.2015). Gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen den Religionsgruppen werden von der Regierung nicht geduldet (AA 25.4.2015). Das friedliche Nebeneinanderleben im multi-ethnischen, multi-religiösen Indien ist zwar die Norm, allerdings sind in einigen Unionsstaaten religiöse Minderheiten immer wieder das Ziel fundamentalistischer Fanatiker, oft auch mit Unterstützung lokaler Politiker (ÖB 12.2016). Die existierenden Spannungen, haben in der Vergangenheit auch zu massiven Gewaltausbrüchen geführt (zuletzt 2013 in Muzzafarnagar/Uttar Pradesh mit mehr als 40 Toten) (AA 16.8.2016). Berichten zufolge kommt es zu religiös motivierten Morden, Überfällen, Unruhen, Zwangskonvertierungen, Aktionen, die das Recht des Einzelnen auf Änderung seiner religiösen Überzeugung zum Ziel haben sowie zu Diskriminierung und Vandalisumus. Es kommt auch zu Bedrohungen und Übergriffen von Hindu-Nationalisten auf Muslime und Christen sowie zur Zerstörung ihres Eigentums aufgrund ihres Glaubens und im Zuge von Streitereien über die örtliche Lage von Kirchen und Moscheen (USDOS 10.8.2016).

Die größten religiösen Gruppen, nach ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung bei der Volkszählung aus dem Jahr 2001, sind Hindus (79,8%), Muslime (14,2%), Christen (2,3%) und Sikhs (1,7%) (CIA Factbook 12.12.2016). Muslime, Sikhs, Christen, Parsis, Janais und Buddhisten gelten als gesetzlich anerkannte Minderheitengruppen unter den religiösen Gruppierungen (USDOS 10.8.2016; vgl. auch: AA 16.8.2016), deren Vertreter in einer staatlichen Nationalen Minderheitenkommission sitzen. Hinzu kommen eine schier unüberschaubare Vielzahl unterschiedlicher indigener Volksgruppen mit eigenen animistischen Riten ("Adivasis" genannt), und die zahlenmäßig kleinen jüdischen und Bahai-Gemeinschaften (AA 16.8.2016). Das Gesetz legt fest, dass die Regierung die Existenz dieser religiösen Minderheiten schützt und Konditionen für die Förderung ihrer individuellen Identitäten begünstigt. Bundesstaatliche Regierungen sind dazu befugt, religiösen Gruppen gesetzlich den Status von Minderheiten zuzuerkennen (USDOS 10.8.2016).

Die Gesetzgebung in mehreren Staaten mit Hindumehrheit verbietet religiöse Konversion, die aus Zwang oder "Verlockung" erfolgt - was sehr weit ausgelegt werden kann, um Personen, die missionarisch tätig sind, zu verfolgen. Manche Bundesstaaten fordern für Konversion eine Genehmigung der Regierung (FH 27.1.2016). In sechs der 29 Bundesstaaten (Arunachal Pradesh, Gujarat, Himachal Pradesh, Chhattisgarh, Odisha, und Madhya Pradesh) bestehen Anti-Konvertierungsgesetze. Es gibt in diesem Zusammenhang Berichte über Verhaftungen, jedoch nicht über Verurteilungen nach diesem Gesetz In Arunachal Pradesh ist dieses Anti-Konvertierungsgesetz aufgrund fehlender Freigabe der Gesetzgebung nicht implementiert. Ausländische Missionare jeglicher Religionszugehörigkeit benötigen "Missionsvisa" ("missionary visa") (USDOS 10.8.2016).

Bundesorgane, einschließlich des Ministeriums für Minderheitenangelegenheiten (Ministry for Minority Affairs), die Nationale Menschenrechtskommission (National Human Rights Commission - NHRC) und die Nationale Kommission für Minderheiten (National Commission for Minorities - NCM) können Behauptungen über religiöse Diskriminierung untersuchen (USDOS 10.8.2016). Religiöse Minderheiten, vor allem Muslime und Christen, werfen den Behörden vor, nicht genug zum Schutz ihrer Rechte zu tun (HRW 27.1.2016).

Personenstandsgesetze gelten nur für bestimmte Religionsgemeinschaften in Fragen der Ehe, Scheidung, Adoption und Vererbung. Die Regierung gewährt bei der Ausarbeitung dieser Gesetze erhebliche Autonomie für die Personenstandsgremien. Das hinduistische, das christliche, das Parsi und das islamisches Personenstandsgesetz sind rechtlich anerkannt und gerichtlich durchsetzbar (USDOS 10.8.2016). Im Familienrecht genießen Muslime wie auch Christen besondere Freiheiten, die ihnen die Beachtung ihrer Traditionen ermöglichen (AA 16.8.2016).

Der Wahlsieg der hindu-nationalen BJP im Jahr 2014 löste in der Öffentlichkeit eine intensive Diskussion über das Spannungsfeld zwischen den Werten einer säkularen Verfassung und einer in Teilen zutiefst religiösen Bevölkerung aus; die Debatte zu religiös motivierter Gewalt wird lebhaft und kontrovers geführt (AA 16.8.2016). Im Vorfeld der Wahlen kam es 2013 zu Vorfällen von Gewalt gegen religiöse Minderheiten. Regierungsquellen zufolge wurden dabei in 823 Vorfällen 133 Personen getötet und 2.269 verletzt (HRW 29.1.2015). Die gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Religionsgruppen im Jahr 2015 haben nach offiziellen Angaben zugenommen: Im Vergleich zum Vorjahr gab es rund 17% mehr Zwischenfälle (von 644 auf 751), mit insgesamt 97 Toten (95 in 2014). 2.264 Personen wurden bei derartigen Zwischenfällen verletzt (1.921 im Vorjahreszeitraum). Die Mehrzahl der Übergriffe dürfte hindu-fundamentalistisch motiviert sein; eine offizielle Aufschlüsselung gibt es nicht. Gewalttätige Übergriffe durch selbsternannte Retter der "gau mata" (Heilige Mutter Kuh im Hinduismus) haben an Intensität und Zahl zugenommen (AA 16.8.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

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AA - Auswärtiges Amt (25.4.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien

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CIA - Central Intelligence Agency (12.12.2016): The World Factbook

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India,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/in.html, Zugriff 9.1.2017

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FH - Freedom House (27.1.2016): Freedom in the World 2016 - India, http://www.ecoi.net/local_link/327703/468368_de.html, Zugriff 21.12.2016

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HRW - Human Rights Watch (29.1.2015): World Report 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/295494/430526_de.html, Zugriff 21.12.2016

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HRW - Human Rights Watch (27.1.2016): World Report 2016 - India, http://www.ecoi.net/local_link/318378/457381_de.html, Zugriff 21.12.2016

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ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2016):

Asylländerbericht Indien

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USDOS - US Department of State (10.8.2016): 2015 Report on International Religious Freedom - India, http://www.ecoi.net/local_link/328426/469205_de.html, Zugriff 21.12.2016

Ethnische Minderheiten

Minderheiten sind nach indischem Recht als religiöse und sprachliche Minderheiten definiert (ÖB 12.2016). Die Verfassung enthält eine Garantie zum Schutz vor Diskriminierungen wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religion, Rasse, Kaste, Geschlecht oder Geburtsort. Minderheiten haben das Recht auf eigene Bildungseinrichtungen sowie auf Pflege ihrer Sprache und Kultur (AA 16.8.2016). Das Gesetz räumt dem Präsidenten auch die Befähigung ein, benachteiligte Kasten und Stämme für spezielle Quoten und Begünstigungen zu bestimmen (USDOS 13.4.2016). Gesetze setzen Quoten bei Bildungseinrichtungen und Regierungsanstellungen für sogenannte "registrierte" Kasten (Dalits) und Stämme, sowie einige andere sogenannte "benachteiligte Klassen", fest (FH 27.1.2016).

Historisch sind weite Teile der Gesellschaft in Kasten oder Clans organisiert (USDOS 13.4.2016) und Mitglieder unterer Kasten und Minderheiten sind weiterhin alltäglicher Diskriminierung ausgesetzt (FH 27.1.2016). Die Kaste ist ein komplexes traditionelles Hierarchiesystem, das auf ritueller Reinheit und Berufsgruppen beruht. Obwohl mit der Verfassung von 1949 Kastendiskriminierung verboten wurde, bleibt die Registrierung zum Zwecke positiver Förderprogramme bestehen und die Regierung betreibt weiterhin verschiedene Programme, um Mitglieder niederer Kasten zu stärken (USDOS 13.4.2016). Besonders auf dem Land bleiben Diskriminierungen aufgrund der Kastenzugehörigkeit, die in der Struktur der indischen Gesellschaft angelegt sind und auf sozialen und religiösen Traditionen fußen und vielfach implizit verlaufen, jedoch weit verbreitet (USDOS 13.4.2016).

Um Minderheiten stärker in das öffentliche Leben zu integrieren und ihre Teilhabe zu erhöhen, erfahren die unterste Schicht der Kastenordnung (sog. "Dalits" oder "Unberührbare") sowie die Adivasis eine positive Diskriminierung, deren Zulässigkeit in der Verfassung festgeschrieben ist. Im Bildungswesen (u.a. Studienplätze) und in der staatlichen Verwaltung (u.a. Stellenvergabe) sind Quoten von bis zu 49,5% für die sogenannten "Scheduled" Castes and "Scheduled" Tribes ("scheduled" = in der Verfassung erwähnte Kasten und Stämme) sowie für andere benachteiligte Gruppen, "Other Backward Castes", vorgesehen. Quoten werden auf zentralstaatlicher Ebene nur nach Kastenzugehörigkeit und sozialem Status, nicht aber nach Religion, zugeordnet. Allerdings gibt es in einigen Bundesstaaten Quotenregelungen für bestimmte religiöse Gemeinschaften, so z.B. in Tamil Nadu, Kerala und Andhra Pradesh für "rückständige" Christen und Muslime (AA 16.8.2016).

Trotz dieser umfangreichen positiven Förderprogramme, weitreichender gesetzlichen Schutzbestimmungen und verfassungsmäßigem Verbot von "Unberührbarkeit" (Artikel 17) werden Angehörige von niederen Kasten und Dalits in Indien noch immer massiv und systematisch diskriminiert, vor allem auch durch Polizei und Strafjustiz (AA 16.8.2016; vgl. auch: FH 27.1.2016).

Zum Schutz der benachteiligten Gruppen und zur Gewährleistung ihrer Repräsentation im Unterhaus des Parlaments, muss jeder Bundesstaat Sitze für die geschützten Kasten und Stämme in Proportion zur Bevölkerung des Staates reservieren. Nur Kandidaten, die diesen Gruppen angehören dürfen an den Wahlen in den reservierten Wahlkreisen teilnehmen. Bei den Wahlen 2014 waren 84 Sitze für Kandidaten der geschützten Kasten und 47 für jene der geschützten Stämme reserviert, was insgesamt 24% der Sitze im Unterhaus ergab. Mitglieder der Minderheitenbevölkerung dienten als Premierminister, Vizepräsidenten, Richter des Obersten Gerichts und Mitglieder des Parlaments (USDOS 13.4.2016).

Englisch genießt den Status der sekundär offiziellen Sprache, ist aber die wichtigste Sprache für nationale, politische und wirtschaftliche Kommunikation. Hindi ist die am weitest verbreitet gesprochene Sprache und die Hauptsprache von 41% der Menschen. Es gibt 14 weitere offizielle Sprachen: Bengali, Telugu, Marathi, Tamil, Urdu, Gujarati, Malayalam, Kannada, Oriya, Punjabi, Assamese, Kashmiri, Sindhi, und Sanskrit. Hindustani ist eine populäre Variante des Hindi/Urdu und wird weitgehend im Norden Indiens gesprochen, ist aber gemäß Zensus aus dem Jahr 2001 keine offizielle Sprache (CIA Factbook 12.12.2016). Die nationale Volkszählung kategorisiert die Bevölkerung anhand der gesprochenen Sprachen, aber nicht nach rassischen oder ethnischen Gruppen (USDOS 13.4.2016).

Vor allem in Indiens abgelegenen Nordosten gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Stämme und Ethnien. Ihr Verhältnis untereinander und gegenüber der Zentralregierung birgt großes

Konfliktpotential. Dieses beruht v.a. auf der Missachtung der großen ethnischen und kulturellen Vielfalt der dortigen Bevölkerungsgruppen, ihren Bestrebungen zur Wahrung ihrer kulturellen Identität sowie auf der wirtschaftlichen Vernachlässigung seitens der indischen Zentralregi

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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