Entscheidungsdatum
19.08.2019Norm
BEinstG §9Spruch
W217 2221407-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Julia STIEFELMEYER als Vorsitzende und die fachkundigen Laienrichter Mag. Harald STELZER sowie Mag. Christa MARISCHKA als Beisitzer über die Beschwerde der XXXX , vertreten durch Mag. Bernd Trappmaier, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien, vom 11.06.2019, OB: XXXX , betreffend die Zurückweisung der gegen den Bescheid vom 16.05.2019 eingebrachten Vorstellung, in nicht-öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid vom 11.06.2019 aufgehoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE
I. Verfahrensgang:
1. Mit Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien (im Folgenden: belangte Behörde), vom 16.05.2019 wurde der Beschwerdeführerin für das Kalenderjahr 2018 gemäß § 9 Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG) die Entrichtung einer Ausgleichstaxe in der Höhe von € 3.084,00 vorgeschrieben.
In der Rechtsmittelbelehrung hat die belangte Behörde ausgeführt, dass gegen diesen Bescheid innerhalb von zwei Wochen nach seiner Zustellung beim Sozialministeriumservice schriftlich Vorstellung erhoben werden könne.
Der Bescheid wurde laut Abfertigungsvermerk der belangten Behörde am 21.05.2019 an das Zustellorgan übergeben.
2. Gegen diesen Bescheid hat die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 11.06.2019, Poststempel 11.06.2019, Vorstellung erhoben, welche am 12.06.2019 bei der belangten Behörde eingelangt ist.
3. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 11.06.2019 hat die belangte Behörde die Vorstellung gegen den Bescheid vom 16.05.2019 betreffend die Vorschreibung einer Ausgleichstaxe für das Kalenderjahr 2018 als verspätet eingebracht zurückgewiesen.
Begründend führt die belangte Behörde aus, dass eine Vorstellung gegen einen Bescheid, mit welchem die Vorschreibung einer Ausgleichstaxe erfolge, binnen zwei Wochen nach seiner Zustellung beim Sozialministeriumservice einzubringen sei. Der angefochtene Bescheid sei am 21.05.2019 abgefertigt worden. Die Zustellung des Bescheides gelte gemäß § 26 Abs. 2 Zustellgesetz am dritten Werktag nach der Übergabe an das Zustellorgan als bewirkt und die Vorstellungsfrist habe daher mit 07.06.2019 geendet. Es handle sich bei der vorliegenden Frist um eine gesetzliche Frist gemäß § 33 Abs. 4 AVG, die auch mit Willen der Behörde nicht abgeändert werden könne. Die per E-Mail am 11.06.2019 gesendete Vorstellung sei demnach nicht fristgerecht eingebracht worden und daher zurückzuweisen.
4. Gegen diesen Bescheid wurde von der Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde erhoben, wobei im Wesentlichen vorgebracht wird, dass der Bescheid bei der Beschwerdeführerin erst am 27.05.2019 eingegangen sei. Sei der Tag der Zustellung strittig, habe der vom Empfänger angegebene Tag der Zustellung solange als der wirkliche Zustelltag zu gelten, als von der Behörde nicht die Unrichtigkeit dieser Behauptung bewiesen wurde.
Die Beschwerdevorlage ist am18.07.2019 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 16.05.2019 wurde der Beschwerdeführerin eine Ausgleichstaxe in Höhe von € 3.084,00 für das Kalenderjahr 2018 vorgeschrieben. In der Rechtsmittelbelehrung dieses Bescheides wird ausgeführt, dass innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Bescheides schriftlich Vorstellung erhoben werden kann.
Der Leitweg zum Verfahren XXXX der belangten Behörde weist das Versanddatum 21.05.2019 auf.
Die belangte Behörde hat die Zustellung des Bescheides vom 16.05.2019 ohne Zustellnachweis an die Beschwerdeführerin verfügt.
Die Vorstellung gegen den Bescheid vom 16.05.2019 wurde am 11.06.2019 per E-Mail sowie per Post (Aufgabedatum ebenfalls 11.06.2019) eingebracht.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 11.06.2019 hat die belangte Behörde die Vorstellung gegen den Bescheid vom 16.05.2019 gemäß § 19a Abs. 1 BEinstG als verspätet eingebracht zurückgewiesen.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus dem vorliegenden Akteninhalt. Insbesondere den Bescheiden vom 16.05.2019 und 11.06.2019, dem Leitweg der belangten Behörde und den Angaben der Beschwerdeführerin zum Datum des Einlangens des Bescheides vom 16.05.2019 am 27.05.2019.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungs-gericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 19b Abs. 1 BEinstG BGBl. I Nr. 22/1970, idF BGBl. II Nr. 59/2014 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in Verfahren über Beschwerden in Rechtssachen in den Angelegenheiten der §§ 8, 9, 9a und 14 Abs. 2 durch den Senat. Im Beschwerdefall liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Zu Spruchpunkt A)
Gemäß § 19a Abs. 1 BEinstG kann gegen Bescheide gemäß § 19 Abs. 2, die ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens auf Grund gespeicherter Daten oder auf Grund von den Trägern der Sozialversicherung oder von sonstigen Institutionen auf maschinell verwertbaren Datenträgern übermittelten Daten im Wege der automationsunterstützten Datenverarbeitung erlassen worden sind, bei der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Bescheides schriftlich Vorstellung erhoben werden. Die Behörde hat nach Prüfung der Sach- und Rechtslage die Angelegenheit neuerlich zu entscheiden. Der Vorstellung kommt aufschiebende Wirkung zu. Die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht kann erst nach Entscheidung über die Vorstellung erhoben werden.
Gemäß § 26 Abs. 1 ZustG wird - wurde die Zustellung ohne Zustellnachweis angeordnet - das Dokument zugestellt, indem es in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (§ 17 Abs. 2) eingelegt oder an der Abgabestelle zurückgelassen wird.
Gemäß § 26 Abs. 2 ZustG gilt die Zustellung als am dritten Werktag nach der Übergabe an das Zustellorgan bewirkt. Im Zweifel hat die Behörde die Tatsache und den Zeitpunkt der Zustellung von Amts wegen festzustellen. Die Zustellung wird nicht bewirkt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam.
Gemäß § 32 Abs. 2 AVG enden nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat. Fehlt dieser Tag im letzten Monat, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monats.
Gemäß § 33 Abs. 1 AVG werden Beginn und Lauf einer Frist durch Samstage, Sonntage oder gesetzliche Feiertage nicht behindert.
Gemäß § 33 Abs. 2 AVG ist, fällt das Ende einer Frist auf einen Samstag, Sonntag, gesetzlichen Feiertag, Karfreitag oder 24. Dezember, der nächste Tag, der nicht einer der vorgenannten Tage ist, als letzter Tag der Frist anzusehen.
Gemäß § 33 Abs. 3 AVG werden die Tage von der Übergabe an einen Zustelldienst im Sinne des § 2 Z 7 des Zustellgesetzes zur Übermittlung an die Behörde bis zum Einlangen bei dieser (Postlauf) werden in die Frist nicht eingerechnet.
Gemäß § 33 Abs. 4 AVG können durch Gesetz oder Verordnung festgesetzte Fristen, wenn nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, nicht geändert werden.
Die belangte Behörde hat ihren Bescheid vom 16.05.2019 im Sinne des § 19 Abs. 2 BEinstG unter Verwendung elektronischer Datenverarbeitungsanlagen erstellt, der auf gespeicherten Daten der Anzahl der bei der Beschwerdeführerin beschäftigten Personen beruht.
Gemäß § 19a Abs. 1 erster Satz BEinstG kann gegen einen solchen Bescheid innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Bescheides schriftlich Vorstellung erhoben werden.
Bei der Frist zur Erhebung einer Vorstellung nach § 19a Abs. 1 BEinstG handelt es sich um eine nach Wochen bemessene Frist. Gemäß § 32 Abs. 2 AVG endet diese Frist mit Ablauf des letzten Tages der letzten Woche, welcher durch seine Benennung dem Tag entspricht, auf den das fristauslösende Ereignis fällt.
Nach Angaben der belangten Behörde wurde der Bescheid vom 16.05.2019 am 21.05.2019 dem Zustellorgan zur Beförderung übergeben, wodurch die Frist zur Einbringung der Vorstellung am 07.06.2019 geendet hätte.
Ein Nachweis über die Zustellung des Bescheides vom 16.05.2019 ist dem vorgelegten Verwaltungsakt jedoch nicht zu entnehmen; es findet sich darin auch keine Zustellverfügung, die eine Zustellung des Bescheides mit Zustellnachweis verfügt hätte. Dass dieses Schreiben der Beschwerdeführerin tatsächlich vor dem 27.05.2019 zugekommen wäre, hat die belangte Behörde nicht dargelegt.
Nach Angaben der Beschwerdeführerin ist der Bescheid am 27.05.2019 bei ihr eingegangen. Ausgehend von diesem Datum der Zustellung endete somit die zweiwöchige Vorstellungsfrist mit Ablauf des 11.06.2019.
Die Behörde hat bei Zustellungen ohne Zustellnachweis die Folge zu tragen, dass der Behauptung der Partei, sie habe ein Schriftstück nicht empfangen, nicht wirksam entgegengetreten werden kann. Bei bestrittenen Zustellungen ohne Zustellnachweis hat die Behörde die Tatsache der Zustellung nachzuweisen. In diesem Fall muss - mangels Zustellnachweis - der Beweis der erfolgten Zustellung auf andere Weise von der Behörde erbracht werden. Gelingt dies nicht, muss die Behauptung der Partei über die nicht erfolgte Zustellung als richtig angenommen werden. (vgl. VwGH vom 27.06.2014, Zl. 2013/02/0102; vom 20.09.2012, Zl. 2011/10/0146 und 20. Dezember 2007, Zl. 2007/16/0175).
Da im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen der Beschwerdeführerin nicht auszuschließen ist, dass die Zustellung des Bescheides vom 16.05.2019 erst am 27.05.2019 erfolgte, kann die von der Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid erhobene Vorstellung, eingebracht am 11.06.2019, somit nicht zu Recht als verspätet eingebracht angesehen werden.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Ausgleichstaxe, Rechtsmittelfrist, Verspätung, Vorstellung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W217.2221407.1.00Zuletzt aktualisiert am
04.10.2019