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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Urban, über die Beschwerde des M und des WB in G, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 25. Juni 1997, Zl. 23.030/31-II/A/3/97, betreffend ein Verfahren gemäß § 18 Abs. 8 Washingtoner
Artenschutzübereinkommen-Durchführungsgesetz, BGBl. Nr. 179/1996, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Unbestritten ist, daß die Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 7. Februar 1997 und des Oberlandesgerichtes Graz vom 5. Mai 1997 rechtskräftig der illegalen Einfuhr bzw. Beteiligung an der illegalen Einfuhr von 426 Stück lebenden Testudo hermanni und 10 Stück lebenden Testudo marginata (griechische Landschildkröten) für schuldig erkannt, im Zuge dieses Strafverfahrens die gegenständlichen Tiere beschlagnahmt und am 7. Februar 1997 letztendlich gemäß Art. 18 Artenschutzübereinkommen-Durchführungsgesetz eingezogen wurden.
Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde die Rückführung der eingezogenen Tiere gemäß § 18 Abs. 8 Washingtoner Artenschutzübereinkommen- Durchführungsgesetz, WA-Durchführungsgesetz, BGBl. Nr. 179/1996, in den Ausfuhrstaat Griechenland verfügt. Der Ersatz der Kosten dieser Überführung in der Höhe von S 25.000,-- wurde den Beschwerdeführern auferlegt. Mit der Durchführung der Überführung der Exemplare wurde der Tiergarten Schönbrunn beauftragt. Zur Begründung führte die belangte Behörde aus, die beiden Beschwerdeführer seien mit Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 7. Februar 1997, rechtskräftig seit 5. Mai 1997, und des Oberlandesgerichtes Graz vom 5. Mai 1997, rechtskräftig seit 5. Mai 1997, der illegalen Einfuhr bzw. der Beteiligung an der illegalen Einfuhr von 10 Stück lebenden Testudo marginata und 426 Stück lebenden Testudo hermanni für schuldig befunden worden. Die lebenden Exemplare seien eingezogen worden. Gemäß § 18 Abs. 8 WA-Durchführungsgesetz, BGBl. Nr. 179/1996, seien lebende eingezogene Exemplare in den Ausfuhrstaat auf Kosten des Verursachers zurückzuführen. Nach Auskunft eines namentlich genannten Experten des Tiergartens Schönbrunn, der mit der vorübergehenden Verwahrung und Pflege der Exemplare betraut worden sei, sei eine Rückführung der Exemplare und ihre Aussetzung im Ursprungsland Griechenland wissenschaftlich vertretbar und sinnvoll. Mit den Behörden des Ausfuhrstaates sei das Einvernehmen hergestellt und die für die Rückführung notwendigen Vorkehrungen getroffen worden. Die Durchführung durch den Tiergarten Schönbrunn gewährleiste die fachmännische Betreuung der Exemplare. Die Höhe der Kosten der Rückführung ergebe sich aus den vom Tiergarten Schönbrunn vorgelegten Belegen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführer erachten sich nach ihrer ausdrücklichen Erklärung in "ihren subjektiv-öffentlichen Rechten auf ein gesetzmäßiges Verfahren" sowie, ihrem gesamten sonstigen Vorbringen zufolge, im Recht verletzt, nur die tatsächlich aufgelaufenen Kosten der Rückführung der lebenden Exemplare tragen zu müssen. Dazu bringen die Beschwerdeführer im wesentlichen vor, die belangte Behörde habe ihnen zu Unrecht die Überweisung von S 25.000,-- für die Rückführkosten auferlegt, denn hätte sie Erkundigungen eingeholt, wäre sie zum Ergebnis gekommen, daß die Rückführung tatsächlich kostenlos durchgeführt worden wäre. In den Pressemeldungen zur gegenständlichen Causa sei ausdrücklich darauf hingewiesen worden, daß die Rückführung der lebenden Tiere durch die Fluglinie kostenlos abgewickelt werde. Aus der Aktenlage ginge auch in keiner Weise hervor, ob von der mit der Rückführung beauftragten Fluglinie nun tatsächlich eine Rechnung ausgestellt worden sei. Die belangte Behörde berufe sich in der Begründung des angefochtenen Bescheides auf die vom Tiergarten Schönbrunn vorgelegten Belege. Solche Belege seien jedoch im Akt nicht auffindbar, sondern es liege darin lediglich ein Schreiben des Tiergartens, in dem unter anderem angeführt sei, die Transport- inklusive Nebenkosten seien auf etwa S 25.000,-- zu kalkulieren. Daraus gehe hervor, daß dieser Betrag lediglich auf einer Hochrechnung bzw. Vermutung des Tiergartens beruhe, jedoch gerade nicht durch entsprechende Belege gedeckt sei, womit eine Aktenwidrigkeit in einem wesentlichen Punkt im Sinn des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. a VwGG vorliege. In Wahrheit könnten sich die Transportkosten niedriger oder höher bewegt haben bzw. könnten überhaupt keine Kosten entstanden sein. Es liege daher nicht nur Aktenwidrigkeit, sondern vielmehr auch die Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG vor. Die belangte Behörde wäre aufgrund der Aktenlage verpflichtet gewesen, ein gemäß dem AVG vorgeschriebenes ausreichendes Ermittlungsverfahren durchzuführen. Es sei Sache der Behörde gewesen, die tatsächlich aufgelaufenen Transportkosten in einem Ermittlungsverfahren festzustellen. Dies könnte nur durch entsprechende Rechnung der den Rücktransport durchführenden Fluglinien oder durch detaillierte Belege des Tiergartens, in denen die tatsächlich aufgelaufenen Kosten dargelegt und nicht bloß kalkuliert würden, erfolgen. Diesfalls hätte die belangte Behörde jedenfalls zum Schluß kommen müssen, daß keinerlei Kosten der Überführung entstanden und solche daher auch von den Beschwerdeführern nicht zu ersetzen seien.
Die Beschwerde ist im Ergebnis berechtigt:
Dem Vorbringen der Beschwerdeführer, daß die Berufung der belangten Behörde auf die vom Tiergarten Schönbrunn vorgelegten "Belege" einer Aktenwidrigkeit gleichkomme, ist zunächst entgegenzuhalten, daß - selbst wenn dies zutreffen sollte - eine aktenwidrige Sachverhaltsannahme der Behörde für sich allein noch nicht zur Aufhebung des Bescheides führt, sondern nur dann, wenn ihr eine solche in einem wesentlichen Punkt (§ 42 Abs. 2 Z. 3 lit. a VwGG) unterlaufen ist. Aktenwidrigkeit liegt im übrigen vor, wenn die in den Verwaltungsakten aufliegenden Unterlagen eindeutig und offenkundig den Feststellungen im Bescheid widersprechen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. Februar 1994, 93/18/0378). Im vorliegenden Fall hat sich die belangte Behörde jedoch, indem sie die im Verwaltungsakt aufliegende, ihre Berechnung der Rückführkosten von S 25.000,-- begründende Unterlage, nämlich das Schreiben des Tiergartens Schönbrunn, als "Belege" bezeichnete, allenfalls in der konkreten Bezeichnung dieser "Kostenkalkulation" vergriffen. Damit liegt aber kein Widerspruch zwischen dem Inhalt dieses Aktenstückes einerseits und der Wiedergabe desselben durch die Behörde andererseits vor, sodaß eine Aktenwidrigkeit nicht gegeben ist (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 30. September 1993, 93/18/0199). Eine (wesentliche) Aktenwidrigkeit liegt auch nicht darin, daß die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid die Rückführung von 426 Stück lebenden Testudo hermanni und 10 Stück lebenden Testudo marginata verfügte, obwohl laut dem bezogenen Schreiben des Tiergartens vom 9. Juni 1997 zu diesem Zeitpunkt nur noch 377 Exemplare der erstgenannten und 5 Exemplare der zuletzt genannten Art am Leben waren. Nach Inhalt dieses Schreibens wurde nämlich die Zahl der nötigen Begleitpersonen (und damit auch die Höhe der Rückführkosten von S 25.000,--) bereits unter Berücksichtigung der tatsächlichen Anzahl noch lebender Schildkröten kalkuliert.
Allerdings erschöpft sich diese Berechnung in der Aussage "Die Transportkosten sind mit Transportkisten, Flug,
Personalkosten, etc. auf ÖS 25.000,-- zu kalkulieren."
Gemäß § 18 Abs. 8 WA-Durchführungsgesetz, BGBl. Nr. 179/1996, hat der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten, sobald ein lebendes Exemplar für verfallen erklärt wird, dieses Exemplar auf Kosten desjenigen, der die strafbare Handlung begangen hat, und nach Anhörung des Ausfuhrstaates an diesen zurückzusenden oder es in ein Schutzzentrum oder an einen anderen Ort (§ 18 Abs. 7 WA-Durchführungsgesetz) zu bringen. Die gemäß dieser Bestimmung festzusetzenden Kosten in ihrer tatsächlichen Höhe sind Gegenstand des von der belangten Behörde nach Maßgabe der Vorschriften der §§ 37 ff AVG zu führenden Ermittlungsverfahrens. Dabei hätte die Behörde zu berücksichtigen gehabt, daß bei Verfahren, in denen die entscheidende Behörde - wie im vorliegenden Fall - zugleich erste und letzte Instanz ist, mit besonderer Sorgfalt zu führen sind, da unterlaufene Verfahrensfehler in einem Berufungsverfahren nach dem AVG wegen Fehlens eines Instanzenzuges nicht aufgezeigt und behoben werden können (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. März 1983, 81/10/0019, sowie vom 15. Jänner 1985, 583/79, u.a.). Es mag zutreffen, daß die Rückführung der lebenden Exemplare - entsprechend den Auskünften der Experten des Tiergartens Schönbrunn - nur bis zum Eintritt der großen Sommerhitze in Griechenland sinnvoll ist, weshalb die belangte Behörde bei Ermittlung der von ihr angesetzten Rückführkosten unter Zeitdruck stand. Aufgrund des Inhaltes des Aktes läßt sich aber für den - die Entscheidung der Behörde lediglich
nachprüfenden - Verwaltungsgerichtshof nicht nachvollziehen, daß die den Beschwerdeführern auferlegten Kosten den tatsächlich für den Transport aufgelaufenen entsprechen. Durch die Festlegung der Rückführkosten alleine aufgrund des Schreibens des Tiergartens Schönbrunn, welches lediglich eine hinsichtlich ihrer Grundlagen nicht näher aufgeschlüsselte Schätzung enthielt, mit einem "Pauschalbetrag" von S 25.000,-- ist das Ermittlungsverfahren in einem entscheidungswesentlichen Punkt unzulänglich geblieben. Einem ordnungsgemäß durchgeführten Ermittlungsverfahren kann nur durch die exakte Erhebung der zu erwartenden Kosten entsprochen werden. Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht befugt, selbst Feststellungen über die tatsächlich aufgelaufenen Kosten (etwa anhand der zum Zeitpunkt seiner Entscheidung vorliegenden Belege) zu treffen und diese seinen Erwägungen zugrunde zu legen. Eine bloße Schätzung (wie hier vorliegend) erlaubt nicht die Berücksichtigung eventuell auftretender, unvorhergesehener - sei es eine Erhöhung oder auch Senkung der Kosten bewirkender - Änderungen. Einer genaueren Ermittlung der tatsächlichen Kosten durch die belangte Behörde stand auch nicht die Intention des WA-Durchführungsgesetzes - nämlich Schutz und rasche wie auch effiziente Rückführung der beschlagnahmten Exemplare in den Ausfuhrstaat - entgegen, hätte die belangte Behörde doch über die Rückführung der Exemplare einerseits und über die dabei entstehenden Kosten andererseits getrennt absprechen können. Denn gemäß § 59 Abs. 1 AVG hat zwar der Spruch eines Bescheides die in Verhandlung stehende Angelegenheit und alle die Hauptfrage betreffenden Parteienanträge, ferner die allfällige Kostenfrage in der Regel zur Gänze zu erledigen. Läßt jedoch der Gegenstand der Verhandlung eine Trennung nach mehreren Punkten zu, so kann, wenn dies zweckmäßig erscheint, über jeden dieser Punkte, sobald er spruchreif ist, gesondert abgesprochen werden. Die Zulässigkeit eines Teilbescheides im Sinne des § 59 Abs. 1 zweiter Satz AVG setzt voraus, daß jeder der getrennten Bescheidpunkte für sich allein und ohne inneren Zusammenhang mit anderen Punkten einem gesonderten Abspruch zugänglich ist. Dies ist nur dann nicht der Fall, wenn ein Bescheidpunkt die notwendige Grundlage für den weiteren Bescheidinhalt darstellt (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 13. März 1984, Slg. N.F. Nr. 11.357/A). Im vorliegenden Fall hätte die belangte Behörde, sofern ihr eine genaue Festsetzung der Kosten - wie von ihr in der Gegenschrift vorgebracht - vorerst nicht rechtzeitig möglich erschien, über diese gesondert entscheiden können.
Demnach war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 11. November 1998
Schlagworte
Instanzenzug Zuständigkeit Besondere Rechtsgebiete Trennbarkeit gesonderter AbspruchEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1997040137.X00Im RIS seit
20.11.2000