TE Bvwg Erkenntnis 2019/8/27 W198 2203612-1

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Veröffentlicht am 27.08.2019
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Entscheidungsdatum

27.08.2019

Norm

AlVG §1 Abs1 lita
ASVG §4 Abs1 Z1
ASVG §4 Abs2
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W198 2203612-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Karl SATTLER als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX , vertreten durch die EFFIZIENT STEUERBERATUNG OG, gegen den Bescheid der Wiener Gebietskrankenkasse vom 06.07.2018, Zl. VA-VR 52643027/18-Mag.CS, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Wiener Gebietskrankenkasse (im Folgenden: WGKK) hat mit Bescheid vom 06.07.2018, Zl. VA-VR 52643027/18-Mag.CS, festgestellt, dass Herr XXXX , VSNR XXXX , aufgrund seiner Beschäftigung bei der XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführerin) von 20.10.2017 bis laufend gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG der Voll- (Kranken-, Unfall- und Pensions-)versicherungspflicht unterliege.

Begründend wurde ausgeführt, dass Herr XXXX seit 20.10.2017 Kommanditist der Beschwerdeführerin sei. Zuvor habe er eine Lehre in der XXXX . absolviert und sei danach mit Unterbrechungen in dieser Firma bis 19.10.2017 als Monteur unselbständig tätig gewesen. An seiner Tätigkeit habe sich seit der Übernahme seines Kommanditanteils nichts geändert. Ein Gesellschafter könne - neben seiner durch Gesellschaftsvertrag begründeten Stellung als Gesellschafter - auch in einem Dienstverhältnis zur Gesellschaft stehen. Es komme vor allem darauf an, ob der Gesellschafter persönlich einen wesentlichen Einfluss auf die Geschäftsführung der Gesellschaft ausübe. Dies sei im gegenständlichen Fall nicht der Fall. Ein Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit liege im gegenständlichen Fall unzweifelhaft vor.

2. Gegen diesen Bescheid der WGKK hat die Rechtsvertretung der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 08.08.2018 fristgerecht Beschwerde erhoben. Begründend wurde ausgeführt, dass die Ansicht der belangten Behörde, wonach ein Dienstverhältnis vorliege, nicht korrekt sei. Der wichtigste und entscheidende Grund, dass kein Dienstverhältnis vorliegen könne, nämlich das Unternehmerrisiko, sei nicht gewürdigt worden. Aufgrund der Gewinnbeteiligung des Herrn

XXXX von 20% würden sich seine Einkünfte ausschließlich nach dem Erfolg des Unternehmens richten. Daraus folge, dass das Einkommen von Herrn XXXX bei einem Verlust in einem Jahr z.B. Null sein könne bzw. weit über dem von der WGKK angesetzten Bruttolohn hinausschießen könne. Dieses Unternehmerrisiko sei für ein Dienstverhältnis völlig unüblich. Die Bemessungsgrundlagen müssten im Nachhinein immer angepasst werden. Die Schwankungen zwischen den Jahren wären auch erheblich.

3. Die Beschwerde wurde unter Anschluss der Akten des Verfahrens am 16.08.2018 dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Herr XXXX ist seit 20.10.2017 Kommanditist der Beschwerdeführerin. Zuvor hat er eine Lehre in der XXXX . absolviert und war danach mit Unterbrechungen in dieser Firma bis 19.10.2017 als Monteur unselbständig tätig.

An der Tätigkeit des Herrn XXXX hat sich seit der Übernahme seines Kommanditanteils nichts geändert.

Herr XXXX ist mit einer Haftungssumme in der Höhe von € 20.000,00 und Stimmrechts- und Gewinnanteilen in der Höhe von 20% an der KG beteiligt. Beschlüsse werden mit einfacher Mehrheit gefasst, wobei der unbeschränkt haftende Gesellschafter über 60% der Stimmrechte verfügt. Die Haftung von Herrn XXXX gegenüber Gläubigern der Beschwerdeführerin ist auf seine übernommene Haftsumme beschränkt.

Herr XXXX ist berechtigt, entsprechend seiner Beteiligung an der Gesellschaft Entnahmen zu tätigen, wobei die Höhe dieser Entnahmen nach dem zu erwartenden Unternehmenserfolg bzw. Arbeitsumfang festzulegen ist.

Herr XXXX ist nicht an der Geschäftsführung beteiligt.

Die Arbeitszeit des Herrn XXXX beträgt 38,5 Stunden (Montag bis Donnerstag 07:00 Uhr bis 16:15 Uhr; Freitag 07:00 Uhr bis 12:00 Uhr) und wird wöchentlich erfasst. Er übt seine Tätigkeit auf diversen Baustellen der Beschwerdeführerin aus. Sämtliche Betriebsmittel werden ihm von der Beschwerdeführerin zur Verfügung gestellt.

Herr XXXX ist zur persönlichen Arbeitsleistung verpflichtet und es besteht keine Möglichkeit für ihn, sich vertreten zu lassen. Er erhält Arbeitsanweisungen seitens der Beschwerdeführerin und seine Arbeitsleistung wird von der Beschwerdeführerin kontrolliert.

Herr XXXX erhält monatlich ein Fixgehalt in der Höhe von netto €

2.200,00.

2. Beweiswürdigung:

Der Umstand, dass Herr XXXX seit 20.10.2017 Kommanditist der Beschwerdeführerin ist, sowie seine vorhergehende Tätigkeit in der XXXX ist unstrittig.

Die Feststellungen zur Haftungssumme, zu den Stimmrechts- und Gewinnanteilen und Entnahmerechten sowie zu den Beschlussfassungsregelungen ergeben sich aus dem Gesellschaftsvertrag. Aus dem Gesellschaftsvertrag geht hervor, dass die Pflichteinlage von Herrn XXXX in der Höhe von € 20.000,00 seiner Haftsumme entspricht. Zudem ist dem Gesellschaftsvertrag zu entnehmen, dass ausschließlich der unbeschränkt haftende Gesellschafter zur Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft nach außen berechtigt ist. Gesellschafterbeschlüsse sind mit einfacher Mehrheit zu fassen. Es ist ausdrücklich geregelt, dass die Kommanditisten keine geschäftsführende Mitarbeit leisten und ihre Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern auf ihre jeweilige Haftsumme beschränkt ist.

Die Feststellungen zur konkreten Ausgestaltung der Tätigkeit des Herrn XXXX sowie zu seinem monatlichen Gehalt in der Höhe von €

2.200,00 ergeben sich aus seinen Ausführungen in seiner niederschriftlichen Einvernahme am 17.01.2018.

Beweiswürdigend ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin mit Schreiben der belangten Behörde vom 10.11.2017 aufgefordert wurde, eine Stellungnahme abzugeben, weshalb sie nicht vom Vorliegen einer Pflichtversicherung nach dem ASVG ausgehe. Die Beschwerdeführerin hat jedoch keine Stellungnahme abgegeben.

Des Weiteren ist festzuhalten, dass die WGKK ihre Erhebungsergebnisse, wonach ein Dienstverhältnis des Herrn XXXX vorliege, am 22.06.2018 der SVA mitteilte und um Stellungnahme ersuchte, ob diese die Rechtsansicht der WGKK teile. Mit Schreiben vom 22.06.2018 teilte die SVA mit, dass sie im vorliegenden Fall ebenfalls von keiner Zuordnung nach dem GSVG ausgehe.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts:

§ 414 Abs. 1 ASVG normiert die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung über Beschwerden gegen Bescheide eines Versicherungsträgers.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 414 Abs. 2 ASVG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht nur in Angelegenheiten nach

§ 410 Abs. 1 Z 1, 2 und 6 bis 9 ASVG und nur auf Antrag einer Partei durch einen Senat. In der vorliegenden Angelegenheit wurde kein derartiger Antrag gestellt. Somit obliegt die Entscheidung der vorliegenden Beschwerdesache dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Nach § 9 Abs. 2 Z 1 VwGVG ist belangte Behörde in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat.

Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht:

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Zu A.) Abweisung der Beschwerde:

Gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 ASVG sind die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigten Dienstnehmer in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung pflichtversichert.

Aufgrund der Bestimmungen des § 4 Abs. 2 ASVG ist als Dienstnehmer anzusehen, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt ist. Hierzu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.

Ein Gesellschafter kann - neben seiner durch Gesellschaftsvertrag begründeten Stellung als Gesellschafter - auch in einem Dienstverhältnis zur Gesellschaft stehen (vgl. VwGH vom 25. Mai 2005, 2003/08/0131).

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich insbesondere mit der Stellung von Kommanditisten einer KG bereits mehrmals befasst und ausgeführt, dass es keineswegs ausgeschlossen ist, dass ein an der Geschäftsführung nicht beteiligter Kommanditist in einem Verhältnis wirtschaftlicher und persönlicher Abhängigkeit zur Gesellschaft als Dienstgeberin beschäftigt sein kann (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 2. Mai 2012, 2010/08/0083, und vom 10. Juni 2009, 2007/08/0142). Andererseits könnte die Rechtsstellung eines Kommanditisten durch entsprechende Vertragsgestaltung, insbesondere durch Einräumung von Geschäftsführungsbefugnissen, auch der eines Komplementärs so weit angenähert werden, dass seine Tätigkeit der eines selbständig Erwerbstätigen entspricht (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 17. März 2004, 2001/08/0170, und vom 14. Jänner 2004, 2000/08/0108, mwN).

Für die Beurteilung, ob ein Kommanditist im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG "selbständig erwerbstätig" ist, kommt es darauf an, ob ihm durch den Gesellschaftsvertrag eine über die bloße Kommanditistenstellung hinausgehende Rechtsposition - im Sinn eines Mitspracherechts bei der Unternehmensführung - eingeräumt wird, die jener eines Komplementärs gleichkommt. Der Kommanditist ist daher als selbständig erwerbstätig anzusehen, wenn ihm auf Grund rechtlicher Gegebenheiten Geschäftsführungsbefugnisse über die gesetzlich zustehenden Mitwirkungsrechte hinaus zukommen und er damit auch einen maßgeblichen Einfluss auf die laufende Geschäftsführung nehmen kann (VwGH vom 12.09.2018, Zl. Ra 2015/08/0032 mwH).

Im gegenständlichen Fall kann Herr XXXX keinerlei maßgeblichen Einfluss auf die laufende Geschäftsführung nehmen. Beschlüsse werden mit einfacher Mehrheit gefasst, was ein maßgebliches Mitbestimmungsrecht des Herrn XXXX praktisch ausschließt, da die Mehrheit der Anteile dem unbeschränkt haftenden Gesellschafter allein zukommen. Herrn XXXX kommt sohin kein unternehmerisches Mitspracherecht zu, das als selbständige Erwerbstätigkeit im Sinn des § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG zu erachten gewesen wäre (vgl. VwGH vom 12.09.2018, Zl. Ra 2015/08/0032).

Ein Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit liegt im gegenständlichen Fall vor, zumal Herr XXXX - den oben getroffenen Feststellungen folgend - zu persönlicher Arbeitsleitung verpflichtet ist, sich nicht vertreten lassen kann, Weisungen von der Beschwerdeführerin erhält, seine Arbeit kontrolliert wird, er an Arbeitszeiten gebunden ist und sämtliche Betriebsmittel von der Beschwerdeführerin zur Verfügung gestellt werden.

Wenn von der Beschwerdeführerin vorgebracht wird, dass Herr XXXX einen Gewinnanteil von 20% erhalte, egal ob er mehr oder weniger arbeite, und die Entlohnung je nach Höhe des Gewinns unterschiedlich sei, so ist dem entgegenzuhalten, dass sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergibt, dass die Höhe der den Kommanditisten erlaubten Entnahme unter anderem abhängig vom Arbeitsumfang zu bestimmen ist und liegt somit ein Entgelt iSd § 49 Abs. 1 ASVG vor.

Herr XXXX steht sohin in einem Dienstverhältnis zur Beschwerdeführerin und unterliegt daher der Voll- (Kranken-, Unfall- und Pensions-)versicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2

ASVG.

Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die Abweisung der Beschwerde ergeht in Anlehnung an die oben zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum ASVG. Die gegenständliche Entscheidung weicht daher weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch mangelt es an einer derartigen Rechtsprechung; sie ist auch nicht uneinheitlich. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage liegen nicht vor.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Dienstnehmereigenschaft, Gesellschaft, Kommanditgesellschaft,
persönliche Abhängigkeit, Pflichtversicherung, wirtschaftliche
Abhängigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W198.2203612.1.00

Zuletzt aktualisiert am

08.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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