TE Vwgh Erkenntnis 1998/11/11 98/04/0108

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Veröffentlicht am 11.11.1998
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §37;
GewO 1994 §366 Abs1 Z3;
GewO 1994 §74 Abs2;
GewO 1994 §81 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Urban, über die Beschwerde der F-Gesellschaft m.b.H. in N, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in N, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Burgenland vom 23. April 1998, Zl. 5-G-A1399/1-1998, betreffend Verfahren gemäß § 360 Abs. 1 GewO 1994, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See vom 19. Jänner 1998 wurde gemäß § 360 Abs. 1 zweiter Satz GewO 1994 die Schließung von insgesamt zehn näher bezeichneten Teilen der Betriebsanlage der Beschwerdeführerin an einem näher bezeichneten Standort verfügt.

Mit dem Bescheid des Landeshauptmannes von Burgenland vom 23. April 1998 wurde die von der Beschwerdeführerin dagegen erhobene Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 360 Abs. 1 zweiter Satz GewO 1994 als unbegründet abgewiesen. Nach Darstellung des Verfahrensganges führte der Landeshauptmann aus, aus dem bezughabenden Verwaltungsakt ergebe sich, daß dem Rechtsvorgänger der Beschwerdeführerin mit Bescheid der Erstbehörde vom 5. Mai 1983 die Konzession für das Gastgewerbe mit näher bezeichneten Berechtigungen in der Betriebsart "Pension" erteilt und gleichzeitig die Eignung dieser Betriebsräume für eine ordnungsgemäße Gewerbeausübung festgestellt worden sei. Aus der Begründung dieses Bescheides sei der nähere Umfang der betroffenen Betriebsanlage zu entnehmen. Anläßlich einer am 31. Juli 1995 durchgeführten Überprüfung dieser Betriebsanlage sei die Beschwerdeführerin aufgefordert worden, um die gewerbebehördliche Genehmigung der vorgenommenen Änderungen anzusuchen. Die im Konzessionserteilungsbescheid vom 5. Mai 1983 bezeichneten Betriebsräumlichkeiten und -flächen seien gemäß § 153 a GewO 1994 als gemäß § 74 Abs. 2 leg. cit. genehmigte Betriebsanlage anzusehen. Jene Anlagenteile, die den Gegenstand des vorliegenden Verfahrens nach § 360 GewO 1994 bildeten, seien von dieser Genehmigungsfiktion nicht umfaßt. Sie würden nämlich weder in der Begründung des Konzessionserteilungsbescheides aufgezählt, noch könnten sie aus den 1983 vorhandenen Planunterlagen, die im Verwaltungsakt auflägen, entnommen werden. Diese Teile würden daher nicht konsensgemäß betrieben. Bei Überprüfungen am 6. Mai 1997 und am 24. Juni 1997 sei festgestellt worden, daß die fraglichen Anlagenteile betrieben würden. Dasselbe sei am 30. September 1997 festgestellt worden. Am 16. Oktober 1997 sei festgestellt worden, daß die Betriebsanlage geschlossen gewesen sei. Dies sei aber saisonbedingt der Fall gewesen, weil diese Betriebsanlage hauptsächlich nur im Frühjahr und im Sommer des jeweiligen Jahres betrieben werde. Es sei daher auch im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides die Notwendigkeit der verfügten Maßnahme zu bejahen, weil zu erwarten sei, daß die gesamte Betriebsanlage samt den nicht genehmigten Änderungen auch in Hinkunft betrieben werden werde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin in dem subjektiv-öffentlichen Recht auf den Betrieb einer ordnungsgemäß bewilligten Betriebsanlage und der einzelnen Anlagenteile und in dem Recht auf Änderung einer genehmigten Betriebsanlage sowie auf Betrieb der geänderten Betriebsanlage, wenn die Änderung gemäß § 81 GewO 1994 einer Genehmigungspflicht nicht unterliegt, und schließlich in dem Recht auf Unterbleiben der Schließung von Teilen der Betriebsanlage verletzt. In Ausführung des so formulierten Beschwerdepunktes macht die Beschwerdeführerin zunächst eine Verletzung des Parteiengehörs geltend. Als aktenwidrig rügt sie die Annahme der belangten Behörde, zwei von der Schließung durch den angefochtenen Bescheid betroffenen Küchenräume seien zum Zeitpunkt der Konzessionserteilung schon Betriebsräume und daher Anlageteile gewesen. Unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit legt sie der belangten Behörde eine rechtswidrige Auslegung der Bestimmung des § 153 a GewO 1994 zur Last. Ferner bekämpft die Beschwerdeführerin die Annahme der belangten Behörde, die in Rede stehenden Anlagenteile hätten als Änderung der Betriebsanlage einer Genehmigung nach § 81 GewO 1994 bedurft, weil durch diese Änderung das Immissionsverhalten der Anlage nicht nachteilig beeinflußt worden sei. Die Schließung des Gastgartens hinter der Betriebsanlage sei schon im Hinblick auf die Bestimmung des § 148 GewO 1994 rechtlich verfehlt, weil nach dieser Bestimmung solche Gastgärten innerhalb der dort genannten Tageszeiten jedenfalls betrieben werden dürften. Schließlich habe die belangte Behörde auch die Bestimmung des § 153 Abs. 5 GewO 1994 mißachtet.

Die Beschwerde erweist sich schon auf Grund folgender Erwägungen als berechtigt:

Gemäß § 360 Abs. 1 GewO 1994 hat die Behörde, wenn der Verdacht einer Übertretung gemäß § 366 Abs. 1 Z. 1, 2 oder 3 besteht, unabhängig von der Einleitung eines Strafverfahrens den Gewerbeausübenden bzw. den Anlageninhaber mit Verfahrensanordnung zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes innerhalb einer angemessenen, von der Behörde zu bestimmenden Frist aufzufordern. Kommt der Gewerbeausübende bzw. der Anlageninhaber dieser Aufforderung innerhalb der gesetzten Frist nicht nach, so hat die Behörde mit Bescheid die zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes jeweils notwendigen Maßnahmen, wie die Stillegung von Maschinen oder die Schließung von Teilen des Betriebes oder die Schließung des gesamten Betriebes zu verfügen.

Die belangte Behörde ging bei Erlassung des angefochtenen Bescheides erkennbar davon aus, es bestehe der Verdacht einer Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994, wonach eine Verwaltungsübertretung begeht, wer eine genehmigte Betriebsanlage ohne die erforderliche Genehmigung ändert oder nach der Änderung betreibt. Gemäß § 81 Abs. 1 GewO 1994 bedarf die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung im Sinne der vorstehenden Bestimmungen, wenn es zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen erforderlich ist.

Wie sich aus der zuletzt genannten Bestimmung zweifelsfrei ergibt, bedarf nicht jede Änderung einer gewerblichen Betriebsanlage einer behördlichen Genehmigung, sondern nur eine solche, die geeignet ist, die im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen zu verletzen. Es begeht daher auch nur derjenige Inhaber einer Betriebsanlage eine Übertretung nach § 366 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994, der seine Betriebsanlage in einer Weise ändert, daß dadurch die im § 74 Abs. 2 GewO 1994 umschriebenen Interessen verletzt werden könnten.

Von dieser Rechtslage ausgehend hätte es im vorliegenden Fall zur Lösung der Frage, ob die Errichtung und der Betrieb der in Rede stehenden Teile der Betriebsanlage der Beschwerdeführerin den Verdacht einer Übertretung nach § 366 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 begründen, entsprechender Sachverhaltsfeststellungen bedurft, die die Beurteilung der Frage zulassen, ob durch die Errichtung und/oder den Betrieb dieser Anlagenteile die Gefahr einer Verletzung der im § 74 Abs. 2 GewO 1994 umschriebenen Interessen besteht.

Da die belangte Behörde derartige Feststellungen unterließ, erweist sich der angefochtene Bescheid schon aus diesem Grund als mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben, ohne daß es eines Eingehens auf das übrige Beschwerdevorbringen bedurfte.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 11. November 1998

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1998040108.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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