TE Vwgh Beschluss 2016/10/10 Ro 2014/17/0079

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.10.2016
beobachten
merken

Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §69 Abs1
AVG §70 Abs1
VwGG §33 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky und die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner, Mag.a Nussbaumer-Hinterauer und Dr. Leonhartsberger sowie Hofrat Mag. Brandl als Richterinnen bzw Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kratschmayr, über die Revision des J S in R, vertreten durch die Gheneff - Rami - Sommer Rechtsanwälte OG in 9020 Klagenfurt, Völkermarkter Ring 1, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom 16. Dezember 2013, BMLFUW-LE.4.1.10/1805-I/7/2013, betreffend einheitliche Betriebsprämie 2012, in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird für gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.

Ein Kostenersatz findet nicht statt.

Begründung

1 Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft änderte mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 16. Dezember 2013 den bekämpften erstinstanzlichen Bescheid im Umfang der Berechnung der Zahlungsansprüche ab, sprach für das Jahr 2012 eine einheitliche Betriebsprämie im Ausmaß von EUR 2.979,11 zu und wies das Mehrbegehren ab. Die Bescheidbegründung zum Ausmaß der ermittelten Almfutterflächen bezieht sich einerseits auf die S-Alm und andererseits auf die M-Alm.

2 Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte deren Behandlung mit Beschluss vom 12. März 2014, B 200/2014-5, ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

3 In dieser Konstellation kann - analog § 4 Abs 1 erster Satz Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG) - in sinngemäßer Anwendung des Art 133 Abs 1 Z 1 B-VG Revision beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden (vgl etwa VwGH vom 29. April 2015, Ro 2014/08/0079, oder vom 24. März 2015, Ro 2014/21/0079). Davon wurde nach Abtretung der Beschwerde in Befolgung des dann erteilten Verbesserungsauftrages Gebrauch gemacht. Für die Behandlung der Revision gelten gemäß § 4 Abs 5 fünfter Satz VwGbk-ÜG die Bestimmungen des VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung.

4 In der gegenständlichen Revision werden Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht und (ua) die kostenpflichtige Aufhebung der Entscheidung beantragt.

5 Das gemäß § 9 Abs 1 VwGbk-ÜG iVm Art 151 Abs 51 Z 9 B-VG an die Stelle des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft getretene Bundesverwaltungsgericht übermittelte die Akten des Verwaltungsverfahrens und begehrte unter Hinweis auf die zur Revision erstattete Stellungnahme der belangten Behörde die Abweisung der Revision.

6 Mit Eingabe vom 20. Mai 2016 legte die Agrarmarkt Austria dem Verwaltungsgerichtshof einen von ihr erlassenen Wiederaufnahmebescheid vom 26. März 2015 verbunden mit der Entscheidung über die einheitliche Betriebsprämie 2012, die dagegen erhobene Beschwerde sowie die darüber ergangene (abweisende) Beschwerdeentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. Dezember 2015 vor. Im Rahmen des Wiederaufnahmeverfahrens wurde dem Antrag hinsichtlich der S-Alm stattgegeben, hinsichtlich der M-Alm dagegen nicht. In inhaltlicher Hinsicht wurde spruchgemäß über die einheitliche Betriebsprämie 2012 dahingehend entschieden, dass ein Betrag von EUR 3.873,22 zuerkannt wurde. Gleichzeitig wurden die Zahlungsansprüche geändert.

7 Auf Anfrage des Verwaltungsgerichtshofs erklärte der Revisionswerber mit Äußerung vom 11. Juli 2016, das zitierte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. Dezember 2015 sei seinem auch vor dem Bundesverwaltungsgericht ausgewiesenen Vertreter nicht zugestellt worden. Der Revisionswerber sei daher nicht klaglos gestellt. Sollte sich aus der nicht zugestellten Entscheidung - die Zustellung wurde mittlerweile nachgeholt - ergeben, dass zwar hinsichtlich der Flächen der S-Alm keine Sanktionen verhängt worden seien, wohl aber hinsichtlich der M-Alm, läge dennoch keine Klaglosstellung vor. Der Revisionswerber habe nämlich nicht nur die Sanktionsthematik bekämpft, sondern auch den Umstand der angeblich zu geringen Fläche und damit die entsprechenden, aufgrund der angeblichen Minderflächen nicht zuerkannten Prämien.

8 Nach der Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts hat die Bewilligung bzw Verfügung der Wiederaufnahme des Verfahrens zur Folge, dass der Bescheid, mit dem das wiederaufzunehmende Verfahren abgeschlossen wurde, außer Kraft tritt (vgl VwGH vom 20. Oktober 2015, 2013/05/0201, und vom 28. August 2009, 2007/19/1116, jeweils mwN; vgl auch die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 zu § 70 AVG, Pkt 1., zitierte hg Judikatur). Der nachträgliche Wegfall des Anfechtungsgegenstandes bewirkt regelmäßig den Wegfall des Rechtsschutzinteresses des Revisionswerbers.

9 Fraglich könnte im vorliegenden Verfahren sein, ob die Verfahrenswiederaufnahme tatsächlich den gesamten Verfahrensgegenstand des Revisionsverfahrens umfasst. Der hier maßgebliche Spruch beinhaltet gleichzeitig sowohl die Entscheidung über die Wiederaufnahme des Verfahrens als auch die inhaltliche Entscheidung im wiederaufgenommenen Verfahren über den Antrag auf Gewährung der einheitlichen Betriebsprämie 2012. Er ist insofern auslegungsbedürftig, als dem Wiederaufnahmeantrag förmlich nur hinsichtlich der S-Alm - und nicht auch hinsichtlich der M-Alm - stattgegeben wurde, aber dennoch - im Rahmen des wiederaufgenommenen Verfahrens - inhaltlich eine einheitliche Betriebsprämie für das Jahr 2012 gewährt wurde. Da die Entscheidung über die einheitliche Betriebsprämie ihrem Wesen nach - soweit beantragt - die gesamten Flächen eines Betriebes umfasst liegt - auch nach dem Wortlaut - nahe, dass dieser Spruchteil den Antrag auf Gewährung der einheitlichen Betriebsprämie zur Gänze erledigt.

10 Aus der zur Auslegung des unklaren Verhältnisses der Spruchteile zueinander heranzuziehenden (vgl die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 zu § 59 AVG, Pkt 4., zitierte hg Judikatur) Begründung der Verwaltungsbehörde ist ersichtlich, dass bei der Berechnung der einheitlichen Betriebsprämie (das Bundesverwaltungsgericht nahm keine Neuberechnung vor) sowohl die Flächen der S-Alm als auch jene der M-Alm berücksichtigt wurden. Daraus ergibt sich, dass über den verfahrenseinleitenden Antrag auf Gewährung der einheitlichen Betriebsprämie zur Gänze entschieden wurde, sodass das wiederaufgenommene Verfahren denselben Verfahrensgegenstand wie das hier zu beurteilende Verfahren (über die ursprüngliche, nunmehr außer Kraft getretene Entscheidung) hat. Die eine Einschränkung nahelegende Abweisung des Wiederaufnahmeantrags hinsichtlich der M-Alm scheint lediglich Ausdruck dessen zu sein, dass hinsichtlich dieser Alm das Vorliegen eines Wiederaufnahmegrundes zu verneinen war, ändert aber nichts daran, dass das Verfahren insgesamt (im gesamten Umfang) wiederaufzunehmen war und auch wiederaufgenommen wurde.

11 Ob der sich auf die Wiederaufnahme beziehende Spruchteil (Differenzierung nach Almen) für sich allein rechtskonform ist, ist im vorliegenden Verfahren nicht zu beurteilen. Maßgeblich ist hier nur, dass das Verfahren über den Antrag auf Gewährung einer einheitlichen Betriebsprämie für das Jahr 2012 im Umfang des vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Berufungsbescheides wiederaufgenommen wurde. Dies ist nach dem Vorgesagten zu bejahen.

12 Bei einer Bescheidbeschwerde (bzw bei einer Übergangsrevision gegen einen Bescheid) ist unter einer Klaglosstellung nach § 33 Abs 1 VwGG nur eine solche zu verstehen, die durch eine formelle Aufhebung des beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheides eingetreten ist. Eine solche liegt im Revisionsfall nicht vor (vgl VwGH vom 5. Mai 2011, 2008/22/0301).

13 § 33 Abs 1 VwGG ist aber nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht nur auf die Fälle der formellen Klaglosstellung beschränkt; ein Einstellungsfall liegt etwa auch dann vor, wenn der Beschwerdeführer (der Revisionswerber) kein rechtliches Interesse mehr an einer Sachentscheidung des Gerichtshofes hat (vgl zu alldem VwGH vom 22. April 2015, Ro 2014/12/0038). Dies ist vorliegendenfalls im Hinblick auf die Rechtsfolge des Außer-Kraft-Tretens des vormaligen Bescheides durch die Wiederaufnahme des Verfahrens über den Antrag auf Gewährung einer einheitlichen Betriebsprämie zu bejahen.

14 Die Revision war daher gemäß § 33 Abs 1 VwGG als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen.

15 Mangels einer formellen Klaglosstellung liegt die Voraussetzung für einen Kostenzuspruch gemäß § 56 VwGG nicht vor. Vielmehr kommt § 58 Abs 2 VwGG zur Anwendung. Da die Entscheidung über die Kosten im Sinne dieser Gesetzesbestimmung einen unverhältnismäßigen Aufwand verursachen würde, wird gemäß ihrem letzten Halbsatz von einem Kostenzuspruch abgesehen.

Wien, am 10. Oktober 2016

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2016:RO2014170079.J00

Im RIS seit

08.10.2019

Zuletzt aktualisiert am

08.10.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten