TE Vwgh Beschluss 2019/8/28 Ra 2019/14/0090

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Veröffentlicht am 28.08.2019
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §32 Abs1 Z2

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, die Hofrätin Mag. Rossmeisel und Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schweinzer, über die Revision des XY, vertreten durch Mag. Michael Nierla, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Annagasse 5 Stiege 2/15, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Jänner 2019, W107 2160803-2/2E, betreffend Wiederaufnahme in Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 4. August 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid vom 18. Mai 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

2 Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Erkenntnis vom 2. Oktober 2018 als unbegründet ab. Hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten führte das BVwG aus, dem Revisionswerber stehe in der Provinz Herat bzw. in den Städten Kabul und Mazar-e Sharif eine innerstaatliche Fluchtalternative offen. Die Feststellungen zur Situation in Afghanistan stützte des BVwG auf das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation. Beweiswürdigend führte es dazu aus, die Sicherheitslage in Afghanistan stelle sich seit Jahren im Wesentlichen unverändert dar. Auch die UNHCR-Richtlinien (zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender) vom 30. August 2018, bei welchen es sich um eine neue Einschätzung zur Sicherheits- und Versorgungslage in Kabul auf Basis bereits im Zeitpunkt der letzten Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme bestandenen Tatsachen handle, seien nicht geeignet, ein anderes Ergebnis betreffend die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat herbeizuführen.

3 Am 22. Oktober 2018 beantragte der Revisionswerber die Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG. Begründend brachte er vor, nach den "zwischenzeitig" veröffentlichten UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30. August 2018 könne die Region Kabul nicht (mehr) als taugliche innerstaatliche Fluchtalternative angesehen werden. Hinsichtlich des übrigen Staatsgebietes von Afghanistan werde in den UNHCR-Richtlinien ausgeführt, dass auf Grund der großen Anzahl an Binnenvertriebenen und einer verheerenden Dürre ein menschenwürdiges Überleben nach Afghanistan Zurückgeschobener nicht sichergestellt werden könne. Diese bereits im Entscheidungszeitpunkt gültigen UNHCR-Richtlinien, die dem Revisionswerber erst am 10. Oktober 2018 bekannt geworden seien, stellten neue Tatsachen oder Beweismittel dar, auf Grund derer ihm zumindest der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen gewesen wäre.

4 Mit dem angefochtenen Beschluss wies das BVwG den Antrag des Revisionswerbers ab und sprach aus, dass die Revision nicht zulässig sei. Begründend führte es aus, die UNHCR-Richtlinien vom 30. August 2018 stellten keine neuen Tatsachenfeststellungen dar, sondern vielmehr eine geänderte Einschätzung des UNHCR auf Basis der bereits zum Entscheidungszeitpunkt bestandenen und dem Erkenntnis des BVwG vom 2. Oktober 2018 zu Grunde gelegten Tatsachen. Bei der Beurteilung, ob einem Antragsteller auf internationalen Schutz eine innerstaatliche Fluchtalternative offen stehe, handle es sich aber um eine dem BFA bzw. dem BVwG obliegende rechtliche Beurteilung. Überdies hätte auch die Zugrundelegung der UNHCR-Richtlinien vom 30. August 2018 zu keinem anderen Verfahrensergebnis geführt.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG). 6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 8 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob die jeweils aktuellen UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender als neue Tatsachen bzw. Beweismittel iSd § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG anzusehen seien, wenn ihre rechtzeitige Verwertung der Partei ohne ihr Verschulden unmöglich war. Das BVwG sei auch von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, weil es im Rahmen der Entscheidung über den Wiederaufnahmeantrag eine neuerliche, im Ergebnis gleichlautende Prüfung unter Berücksichtigung der UNHCR-Richtlinien 2018 vorgenommen habe, ohne vorher das Verfahren wiederaufzunehmen.

9 Gemäß § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG rechtfertigen neu hervorgekommene Tatsachen und Beweismittel (also solche, die bereits zur Zeit des früheren Verfahrens bestanden haben, aber erst später bekannt wurden) - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - eine Wiederaufnahme des Verfahrens, wenn sie die Richtigkeit des angenommenen Sachverhalts in einem wesentlichen Punkt als zweifelhaft erscheinen lassen (vgl. VwGH 25.2.2019, Ra 2018/19/0611, mwN).

10 Die als Wiederaufnahmegrund geltend gemachten UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30. August 2018 waren zum Zeitpunkt der Erlassung des wiederaufzunehmenden Erkenntnisses vom 2. Oktober 2018 bereits veröffentlicht und wurden vom BVwG im Rahmen der Beweiswürdigung zu den Feststellungen zur Situation in Afghanistan, die das Gericht seiner Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten zu Grunde gelegt hat, auch berücksichtigt. Da diese Richtlinien also bereits Gegenstand des wiederaufzunehmenden Verfahrens waren, handelt es sich bei ihnen nicht um neu hervorgekommene Tatsachen oder Beweismittel iSd § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG.

11 Die Entscheidung über die Revision hängt folglich nicht von der Lösung der geltend gemachten Rechtsfragen ab.

12 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 28. August 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019140090.L00

Im RIS seit

03.10.2019

Zuletzt aktualisiert am

03.10.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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