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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AsylG 2005 §11Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätinnen Mag. Rossmeisel und Dr.in Lachmayer sowie den Hofrat Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schweinzer, in der Revisionssache des X Y, vertreten durch Mag. Michael Nierla, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Annagasse 5/2 DG, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. Oktober 2018, W107 2160803- 1/20E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 4. August 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend brachte er vor, die Taliban hätten ihn zwangsrekrutieren wollen und seinen Vater, der sich ihnen widersetzt habe, geschlagen. Im Laufe des Verfahrens brachte er zusätzlich vor, die Taliban hätten auch ihn selbst bedroht und misshandelt.
2 Mit Bescheid vom 18. Mai 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
4 Die Feststellungen zur Situation in Afghanistan stützte des BVwG auf das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation. Beweiswürdigend führte es dazu aus, die Sicherheitslage in Afghanistan stelle sich seit Jahren im Wesentlichen unverändert dar. Auch die UNHCR-Richtlinien (zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender) vom 30. August 2018, bei welchen es sich um eine neue Einschätzung zur Sicherheits- und Versorgungslage in Kabul auf Basis bereits im Zeitpunkt der letzten Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme bestandenen Tatsachen handle, seien nicht geeignet, ein anderes Ergebnis betreffend die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat herbeizuführen.
5 Die Heimatprovinz des Revisionswerbers (Baghlan) sei zwar vergleichsweise instabil, weshalb eine Rückführung dorthin erschwert oder sogar verunmöglicht wäre. Dem Revisionswerber stünde jedoch eine innerstaatliche Fluchtalternative in der Provinz Herat und in den Städten Kabul und Mazar-e Sharif offen. Der junge, gesunde und kinderlose Revisionswerber, der über Schul- und Berufsausbildung verfüge und bei dem die grundsätzliche Teilnahme am Erwerbsleben vorausgesetzt werden könne, sei zwar in Pakistan geboren, aber im Alter von dreizehn Jahren nach Afghanistan zurückgekehrt, wo sich seine Familie noch immer aufhalte. Er spreche verschiedene Sprachen und sei mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Heimatstaates bestens vertraut. Die Sicherheitslage in der Stadt Kabul sei zwar angespannt. Die afghanische Regierung habe jedoch die Kontrolle über die Stadt. Kabul sei für Normalbürger, die nicht mit Ausländern zusammenarbeiten, vergleichsweise sicher und über den Flughafen gut erreichbar. Zwar sei die wirtschaftliche Lage in Kabul, insbesondere der Arbeits- und Wohnungsmarkt sowie die Versorgung mit lebensnotwendigen Gütern als angespannt zu bezeichnen, jedoch könne den Länderfeststellungen kein grundlegender Mangel in der Versorgung entnommen werden. Zudem verfüge der Revisionswerber über familiäre Unterstützung in Kabul. Vergleichbares gelte im Wesentlichen für die Provinz Herat und die Stadt Mazar-e Sharif. Der Revisionswerber werde in der Lage sein, sich dort seinen Lebensunterhalt zu sichern und eine Existenz aufbauen.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. 7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu treffen. 8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, das BVwG sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, weil es die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30. August 2018 nicht berücksichtigt habe. Darin komme der UNHCR zum Ergebnis, dass in Kabul im Allgemeinen keine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung stehe. Hinsichtlich des übrigen Staatsgebietes werde darin ausgeführt, die Lebensbedingungen hätten sich durch die große Anzahl der Binnenvertriebenen und eine verheerende Dürre so verschlimmert, dass weder familiäre Netze noch der Staat ein menschenwürdiges Überleben nach Afghanistan Abgeschobener sicherstellen könnten. Diese Ausführungen würden sich auf alle anderen (gemeint: außer Kabul) im angefochtenen Erkenntnis genannten innerstaatlichen Fluchtalternativen gleichermaßen beziehen. Zudem fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, ob ausgehend von diesen UNHCR-Richtlinien in Afghanistan überhaupt noch innerstaatliche Fluchtalternativen offen stünden.
10 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes haben die Asylbehörden bei den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat als Grundlage für die Beurteilung des Vorbringens von Asylwerbern die zur Verfügung stehenden Informationsmöglichkeiten und insbesondere Berichte der mit Flüchtlingsfragen befassten Organisationen in die Entscheidung einzubeziehen. Das gilt ebenso für von einem Verwaltungsgericht geführte Asylverfahren. Auch das Bundesverwaltungsgericht hat daher seinem Erkenntnis die zum Entscheidungszeitpunkt aktuellen Länderberichte zugrunde zu legen. Es reicht aber nicht aus, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel aufzuzeigen (vgl. VwGH 28.3.2019, Ra 2018/14/0315, mwN).
11 Eine solche Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels vermag die Revision mit ihrem Vorbringen zu den UNHCR-Richtlinien vom 30. August 2018 nicht darzulegen. Die Revision zeigt nicht auf, dass die Einschätzung des BVwG, dem Revisionswerber stehe jedenfalls in der Stadt Mazar-e Sharif eine innerstaatliche Fluchtalternative offen, fallbezogen mit einer vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Rechtswidrigkeit belastet wäre (vgl. VwGH 27.5.2019, Ra 2019/14/0153, Rn 140, mwN;
25.6.2019, Ra 2018/19/0644; 25.6.2019, Ra 2019/19/0144;
jeweils mwN).
12 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG - in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat - in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Wien, am 28. August 2019
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018140239.L00Im RIS seit
10.10.2019Zuletzt aktualisiert am
10.10.2019