Index
10/07 VerwaltungsgerichtshofNorm
AVG §59 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens, die Hofräte Dr. Pürgy und Mag. Stickler, die Hofrätin Dr.in Lachmayer und den Hofrat Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, über die Revision des K J alias J K, vertreten durch Dr. Georg Rihs, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kramergasse 9/3/13, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. September 2018, Zl. W257 2185015- 2/9E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl),
Spruch
I. zu Recht erkannt:
Das angefochtene Erkenntnis wird, soweit damit über die Verhängung des Einreiseverbotes abgesprochen wurde, wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
II. den Beschluss gefasst:
Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 10. Mai 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend brachte er vor, seine Familie sei aufgrund der Tätigkeit seines Vaters bei der Nationalarmee von den Taliban bedroht worden. Sein Vater sei verschwunden und sein Onkel von den Taliban umgebracht worden. Zudem habe es mit den Nachbarn Grundstücksstreitigkeiten gegeben, weswegen er von diesen mit einem Messer attackiert worden sei.
2 Mit Bescheid vom 11. Juni 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers zur Gänze ab (Spruchpunkte I. und II.), erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Das BFA erkannte der Beschwerde die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass der Revisionswerber sein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet ab dem 30. März 2017 verloren habe (Spruchpunkt V.).
3 Der Revisionswerber wurde bereits im Jahr 2017 zweimal vom Landesgericht für Strafsachen Wien jeweils wegen des Vergehens des teils versuchten, teils vollendeten gewerbsmäßigen unerlaubten Umganges mit Suchtmitteln gemäß §§ 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall, 27 Abs. 2a, 27 Abs. 3 und 15 StGB als Jugendstraftat (§ 5 Z 4 JGG) zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Monaten und einer teilbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von sieben Monaten rechtskräftig verurteilt. Mit Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 25. Juli 2018 wurde der Revisionswerber wegen des Verbrechens der versuchten absichtlichen schweren Körperverletzung gemäß §§ 15 und 87 Abs. 1 StGB, den Vergehen der gefährlichen Drohungen gemäß § 107 Abs. 1 StGB und § 107 Abs. 1 und Abs. 2 StGB sowie dem Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen gemäß § 206 Abs. 1 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren rechtskräftig verurteilt.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 26. September 2018 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die gegen den Bescheid des BFA erhobene Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. mit einer Maßgabe und hinsichtlich des Spruchpunktes III. gänzlich als unbegründet ab. Das BVwG stellte fest, dass der Revisionswerber sein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet ab dem 21. November 2017 verloren habe und erließ gegen ihn ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot. Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG wurde für nicht zulässig erklärt.
5 Begründend führte das BVwG aus, die vom Revisionswerber verwirklichten Delikte seien in ihrer Gesamtheit als besonders schweres Verbrechen zu werten und traf aufgrund seiner mehrfachen Straffälligkeit - insgesamt zwei Verbrechen und vier Vergehen in einem Zeitraum von drei Jahren und vier Monaten, wobei er sich weder durch vorangehende Verurteilungen noch durch die Verbüßung einer Strafhaft von der Begehung weiterer Straftaten habe abhalten lassen - sowie der mangelnden Einsicht im Rahmen der mündlichen Verhandlung eine negative Gefährdungsprognose. Da der Revisionswerber somit einen Asylausschlussgrund gesetzt habe, sei der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung von Asyl abzuweisen gewesen. Zur Herkunftsprovinz hielt das BVwG fest, dass sich aus den dem Erkenntnis zugrunde gelegten Länderberichten ergebe, dass die Provinz relativ sicher sei, weshalb dem Revisionswerber bei seiner Rückkehr kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohe. Aufgrund der zweiten Verurteilung des Revisionswerbers wegen eines Suchtgiftdelikts zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von sieben Monaten sowie den vom Revisionswerber verwirklichten Delikten gegen die körperliche Unversehrtheit und die sexuelle Integrität, weswegen er zu einer unbedingten Freiheitstrafe in der Dauer von zwei Jahren verurteilt worden sei, wären die Voraussetzungen des § 53 Abs. 3 Z 1 FPG 2005 erfüllt. Ein zehnjähriges Einreiseverbot sei aufgrund der Gefährdungsprognose gerechtfertigt.
6 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, das BVwG sei mit der Verhängung des Einreiseverbots von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte abgewichen.
7 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Revision nach Einleitung des Vorverfahrens, in dem eine Revisionsbeantwortung nicht erstattet wurde, erwogen:
Zu I:
8 Zulässig und auch berechtigt ist die Revision insoweit, als sie vorbringt, das BVwG habe durch die erstmalige Verhängung eines Einreiseverbotes im Beschwerdeverfahren (aufgrund von Verurteilungen des Revisionswerbers, die im Zeitpunkt der Erlassung der behördlichen Entscheidung noch nicht vorgelegen seien) den Beschwerdegegenstand überschritten.
9 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat das Verwaltungsgericht grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden und somit nicht nur die gegen den verwaltungsbehördlichen Bescheid eingebrachte Beschwerde, sondern auch die Angelegenheit zu erledigen, die von der Verwaltungsbehörde zu entscheiden war. Wenn das Verwaltungsgericht in der Sache selbst entscheidet, hat es seine Entscheidung an der zum Zeitpunkt seiner Entscheidung maßgeblichen Sach- und Rechtslage auszurichten; allfällige Änderungen des maßgeblichen Sachverhalts und der Rechtslage sind also zu berücksichtigen. 10 Die Prüfbefugnis der Verwaltungsgerichte ist jedoch keine unbegrenzte. Der äußerste Rahmen für die Prüfbefugnis ist die "Sache" des bekämpften Bescheides. "Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht ist jedoch nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des (bescheidmäßigen) Spruchs der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde gebildet hat (vgl. zum Ganzen VwGH 9.9.2015, Ro 2015/03/0031, 0032, mwN).
11 Da das BFA lediglich eine Rückkehrentscheidung erließ, war es dem BVwG im Beschwerdeverfahren gegen den erstinstanzlichen Bescheid - trotz Änderung der Sachlage aufgrund der nach Bescheiderlassung ergangenen Verurteilung des Revisionswerbers - verwehrt, erstmals ein Einreiseverbot zu verhängen. Indem das BVwG dies verkannte und ein Einreiseverbot gegen den Revisionswerber erließ, überschritt es die Sache des Beschwerdeverfahrens (vgl. zur insoweit übertragbaren Rechtslage vor der Einführung der zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit VwGH 10.10.2012, 2012/18/0104, mwN) und belastete das angefochtene Erkenntnis, soweit damit über die Verhängung des Einreiseverbotes abgesprochen wurde, mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit. Dieses war daher im spruchgemäßen Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG aufzuheben.
Zu II:
12 Die Zulässigkeitsbegründung der Revision beinhaltet ausschließlich im Zusammenhang mit dem durch das angefochtene Erkenntnis verhängte Einreiseverbot stehende Ausführungen. Insoweit sich die vorliegende Revision in ihren Revisionsgründen mit näheren Ausführungen gegen die davon trennbaren Spruchpunkte hinsichtlich der Nichtgewährung des Status des Asylberechtigten sowie des subsidiär Schutzberechtigten wendet, erweist sich die Revision schon deshalb als unzulässig, weil damit dem Erfordernis des § 28 Abs. 3 VwGG, wonach die Revision gesondert jene Gründe zu enthalten hat, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts die Revision für zulässig erachtet wird, nicht entsprochen wird (vgl. etwa VwGH 12.12.2018, Ra 2018/19/0476). 13 Die Revision war daher, soweit sie nicht zur Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses hinsichtlich des verhängten Einreiseverbotes mit Spruchpunkt I. geführt hat, gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
14 Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 29. August 2019
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018190629.L01Im RIS seit
10.10.2019Zuletzt aktualisiert am
10.10.2019