Index
40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
AsylG 2005 §19 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und die Hofräte Dr. Kleiser und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kieslich, über die Revision der M D, in U, vertreten durch Mag. Susanne Singer, Rechtsanwältin in 4600 Wels, Ringstraße 9, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. März 2018, Zl. L519 2172331-1/18E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die Revisionsweberin, eine iranische Staatsangehörige, stellte am 10. Februar 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Beschluss vom 19. Mai 2017, 3 P 39/16k-23, bestellte das Bezirksgericht Freistadt gemäß § 268 ABGB für die Revisionswerberin Rechtsanwalt Dr. S als Sachwalter (nunmehr Erwachsenenvertreter) für die Vertretung im Asylverfahren. 2 Mit Bescheid vom 29. August 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten ab (Spruchpunkt I.), erkannte der Revisionswerberin den Status der subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihr eine bis zu 28. August 2018 befristete Aufenthaltsbewilligung (Spruchpunkt III.).
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 7. März 2018 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides erhobene Beschwerde der Revisionswerberin als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision nicht zulässig sei.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 Zur Zulässigkeit moniert die Revision zunächst eine Verletzung der amtswegigen Ermittlungspflicht durch das BVwG, weil der Revisionswerberin im Hinblick darauf, dass sie nicht in der Lage gewesen sei, weder in der Erstbefragung noch in der Einvernahme vor dem BFA bzw. dem BVwG "Angaben zu ihren augenscheinlich sehr belastenden Erlebnissen im Heimatland zu machen", nicht Gelegenheit gegeben worden sei, umfassende Angaben bzw. Ergänzungen zu ihren Fluchtgründen auf schriftlichem Wege geltend zu machen. Soweit die Revisionswerberin nicht in der Lage gewesen sei, ohne massive gesundheitliche Beeinträchtigungen über ihre Fluchtgründe zu sprechen, hätte das Verwaltungsgericht alternative Möglichkeiten suchen müssen, eine verwertbare - allenfalls auch schriftliche - Aussage zu erhalten. Im Hinblick auf das im behördlichen Verfahren vorgelegte, offensichtlich mit Hilfe einer Dolmetscherin verfasste Schreiben über ihre Fluchtgründe wäre es naheliegend gewesen, der Revisionswerberin mit Hilfe einer ihr zur Verfügung gestellten Amtsdolmetscherin Gelegenheit zu geben, "ihr Vorbringen schriftlich zu erstatten bzw. allfällige Fragen des Gerichts zu beantworten". 8 Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, muss nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des behaupteten Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, in konkreter Weise dargetan werden (vgl. VwGH 19.6.2019, Ra 2018/01/0379 bis 0381, Rn. 14, mwN). Diesem Erfordernis wird die Revision nicht gerecht. 9 Im Übrigen war die durch ihren Sachwalter im Asylverfahren vertretene Revisionswerberin entgegen dem Revisionsvorbringen nicht gehindert, die von ihr behaupteten Fluchtgründe zumindest schriftlich dem Verwaltungsgericht darzulegen. So hatte sie während des gesamten Beschwerdeverfahrens Gelegenheit, dem Verwaltungsgericht eine allenfalls mit Hilfe einer vom Sachwalter beauftragten Dolmetscherin erstellte, (weitere) schriftliche Darlegung ihrer Fluchtgründe vorzulegen.
10 Aus § 18 Abs. 1 AsylG 2005 geht zwar hervor, dass das BFA und das BVwG in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken haben, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrags geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Beweismittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Beweismittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrags notwendig erscheinen (vgl. VwGH 15.10.2018, Ra 2018/14/0143 bis 0145, Rn. 9, mwN). Eine Verletzung dieser Pflicht vermag die Revision jedoch im konkreten Einzelfall nach dem Obgesagten nicht aufzuzeigen.
11 Mit dem bloßen Hinweis im Zulässigkeitsvorbringen, es wäre zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit der von der Revisionswerberin behaupteten Konversion von Amts wegen geboten gewesen, "allfällige Zeugen", insbesondere nicht näher genannte Angehörige der Freikirche, der die Revisionswerberin nunmehr angehöre, "zu befragen", selbst wenn deren Einvernahme nicht beantragt worden sei, vermag die Revision ebenso wenig die notwendige Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels in konkreter Weise darzulegen. 12 Überdies zeigt die Revision die Relevanz des im Zusammenhang mit der behaupteten zeitweisen Abwesenheit des Vertreters der Revisionswerberin während eines Großteils der Beschwerdeverhandlung geltend gemachten Verfahrensmangels nicht in konkreter Weise auf, zumal dem Protokoll der Beschwerdeverhandlung die zeitweise Abwesenheit des Vertreters der Revisionswerberin während deren Einvernahme nicht zu entnehmen ist.
13 Soweit sich die Revision in ihrem Zulässigkeitsvorbringen gegen die Beweiswürdigung des BVwG mit dem Vorwurf der mangelnden Bedachtnahme auf die Bestellung eines Sachwalters für die Revisionswerberin wegen einer posttraumatischen Belastungsstörung und ihrer damit zusammenhängenden "Aussageunfähigkeit", der undifferenzierten Berücksichtigung der "nicht datierten" schriftlichen Darstellung der Fluchtgründe sowie der Bezugnahme auf Widersprüche der Aussage in der Erstbefragung zur vorgelegten schriftlichen Darlegung der Fluchtgründe wendet, ist darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz tätig und zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt ausschließlich dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. für viele VwGH 5.7.2019, Ra 2019/01/0229, Rn. 6, mwN).
14 Richtig ist, dass der Verwaltungsgerichtshof in seiner mittlerweile gefestigten Rechtsprechung zwar wiederholt Bedenken gegen die unreflektierte Verwertung von Beweisergebnissen der Erstbefragung erhoben hat, weil sich diese Einvernahme nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat. Gleichwohl hat der Verwaltungsgerichtshof insofern aber betont, dass es nicht generell unzulässig ist, sich auf eine Steigerung des Fluchtvorbringens zwischen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der weiteren Einvernahme eines Asylwerbers zu stützen (vgl. etwa VwGH vom 25.6.2019, Ra 2018/19/0546, Rn. 8, mwN). Im vorliegenden Fall stützte sich das BVwG in seiner Beweiswürdigung auf zusätzliche, für sich tragende Erwägungen, denen die Revision nicht entgegentritt, und begegnet die Beweiswürdigung damit keinen Bedenken im Sinne der dargestellten Rechtsprechung. Auch sonst vermag die Revision einen derart krassen, die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Fehler der Beweiswürdigung des BVwG nicht darzulegen.
15 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, weshalb die Revision zurückzuweisen war.
16 Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.
Wien, am 3. September 2019
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018010187.L00Im RIS seit
07.10.2019Zuletzt aktualisiert am
07.10.2019