TE Vwgh Erkenntnis 1998/11/11 98/12/0154

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Veröffentlicht am 11.11.1998
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;

Norm

AVG §38;
AVG §68 Abs1;
BDG 1979 §10 Abs4 Z4;
BDG 1979 §43 Abs2;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Julcher, über die Beschwerde der M in P, vertreten durch Dr. Walter Riedl u.a., Rechtsanwälte in Wien I, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 30. April 1998, Zl. 6235/209-II/4/98, betreffend Kündigung des provisorischen Dienstverhältnisses einer Sicherheitswachebeamtin, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin stand als Inspektorin in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund; mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 1995 war sie auf die Planstelle einer Aspirantin der Verwendungsgruppe E 2c im Planstellenbereich der Bundesgendarmerie ernannt worden; sie absolvierte bis 31. Juli 1996 die theoretische Ausbildung bei der Schulungsabteilung in Wien und wurde mit Wirksamkeit vom 1. August 1996 zum Dienst beim Gendarmerieposten Vösendorf eingeteilt.

Am 5. Februar 1997 kam es am Gendarmerieposten Vösendorf zu einem Vorfall, der zu einer Disziplinaranzeige gegen die Beschwerdeführerin und schließlich zu ihrer strafgerichtlichen Verurteilung durch das Landesgericht Wiener Neustadt vom 29. Juli 1997 führte. Auf Grund ihrer Berufung wurde der Vollzug der verhängten Geldstrafe durch das Oberlandesgericht Wien vom 25. November 1997 bedingt nachgesehen.

Bereits vor der strafgerichtlichen Verurteilung wurde die Beschwerdeführerin auf eigenes Ersuchen mit Bescheid der Dienstbehörde erster Instanz vom 22. April 1997 zum Gendarmerieposten Korneuburg versetzt.

Mit Bescheid vom 15. Dezember 1997 (- nach der rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilung -) sprach die Dienstbehörde erster Instanz die Kündigung der Beschwerdeführerin wie folgt aus:

"Ihr provisorisches Dienstverhältnis wird gemäß § 10 Absatz 4, Ziffer 4 in Verbindung mit den Absätzen 2 und 3 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl Nr 333, wegen pflichtwidrigen Verhaltens unter Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Kündigungsfrist im Ausmaße von drei Kalendermonaten mit Ablauf des

31. MÄRZ 1998 gekündigt.

Einer Berufung gegen diesen Bescheid kommt gemäß § 12 Absatz 2 des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl Nr 29, aufschiebende Wirkung zu.

Nach § 27 Absatz 1 Ziffer 1 lit b des Gehaltsgesetzes 1956, BGBl Nr 54/1956, gebührt Ihnen eine Abfertigung im Ausmaße des Doppelten des Monatsbezuges."

Zur Begründung wurde nach Wiedergabe der Rechtslage im wesentlichen weiter ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe am 5. Februar 1997 in der Zeit zwischen 19.10 Uhr und 19.45 Uhr entgegen den Bestimmungen der §§ 8, 12 und 18 der "Kraftfahrzeugvorschrift für die österreichische Bundesgendarmerie" außer Dienst unbefugt ein näher bezeichnetes Streifenkraftfahrzeug in Betrieb genommen, um für sich private Erledigungen (Einkäufe) durchzuführen. Weiters habe sie einen namentlich genannten Kollegen dadurch einer dienstbehördlichen Verfolgung - einer von Amts wegen zu verfolgenden Verletzung der Dienstpflichten - ausgesetzt, indem sie dem erhebenden Dienstvorgesetzten gegenüber angegeben habe, daß ihr die unbefugte, gegen die Bestimmungen der Kraftfahrzeugvorschrift für die österreichische Bundesgendarmerie erfolgte Inbetriebnahme des Dienstkraftfahrzeuges nach 19.00 Uhr und außer Dienst von diesem gestattet worden sei. Ein solches Verhalten sei nicht tolerierbar und runde das Bild der Persönlichkeit der Beschwerdeführerin ab. Im Zusammenhang damit sei die Beschwerdeführerin mit sofortiger Wirksamkeit vom Dienst suspendiert worden. Diese Suspendierung sei mit Bescheid der Disziplinarkommission bei der belangten Behörde vom 5. März 1997 aufgehoben worden. Unbeschadet der Aufhebung der Suspendierung habe die Dienstbehörde aber darauf Bedacht zu nehmen, daß ein solches Verhalten mit dem Charakterbild eines Exekutivbeamten unvereinbar sei. Es müsse ein Kennzeichen des Berufsbeamtentums bleiben, daß Beamte in und außer Dienst an das Gesetz gebunden, auch ohne laufende Kontrolle, sich rechtmäßig verhielten. Diesbezüglich treffe den Beamten von vornherein eine höhere Verantwortung, als sie im allgemeinen bei unselbständig tätigen Bediensteten in der Privatwirtschaft gegeben sei. Außerdem habe die Beschwerdeführerin über ihre strafgerichtliche Verantwortlichkeit hinaus die Dienstpflichten nach § 44 Abs. 1 BDG 1979 hinsichtlich der Verpflichtung zur Befolgung von Weisungen mehrfach schuldhaft verletzt.

Auf Grund der unbefugten Inbetriebnahme des Streifenkraftwagens habe der Gendarmerieposten Vösendorf am 24. Februar 1997 gegen die Beschwerdeführerin Strafanzeige wegen der Vergehen nach §§ 297 Abs. 1, 136 Abs. 1 in Verbindung mit § 313 StGB erstattet. Dies habe zur Verurteilung wegen des Vergehens nach § 136 StGB beim Landesgericht Wiener Neustadt am 26. Juni 1997 zu einer unbedingten Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je S 250,--, im Nichteinbringungsfall zu 40 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe, geführt. Dieses Urteil sei am 25. November 1997 bei der Berufungsverhandlung beim Oberlandesgericht Wien dahin gehend abgeändert worden, daß die verhängte Geldstrafe auf die Dauer von drei Jahren bedingt ausgesprochen worden sei. Weiters sei am 27. Februar 1997 gegen die Beschwerdeführerin Disziplinaranzeige erstattet worden.

Die Dienstbehörde erster Instanz weist weiters auf das nach Parteiengehör durchgeführte Kündigungsverfahren hin, in dem sich aber jede Auseinandersetzung mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin im Hinblick auf ihre rechtskräftige Verurteilung nach § 136 StGB erübrige. Da das provisorische Dienstverhältnis den Zweck verfolge, den Beamten auf seine Eignung für den Dienst in der österreichischen Bundesgendarmerie in körperlicher, geistiger und charakterlicher Hinsicht zu prüfen und in der Folge nur jene Beamte in das definitive Dienstverhältnis zu übernehmen, die allen Anforderungen entsprächen, die an sie in Anbetracht ihrer Verwendung gestellt werden müßten, sei die Dienstbehörde erster Instanz verpflichtet, das provisorische Dienstverhältnis der Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 4 Z. 4 in Verbindung mit den Abs. 2 und 3 BDG 1979 zu kündigen.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung, in der sie im wesentlichen vorbrachte, die Dienstbehörde erster Instanz sei entgegen ihrer Ausführungen in der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides nicht verpflichtet gewesen, auf Grund der strafgerichtlichen Verurteilung mit einer Kündigung vorzugehen. Hätte die Behörde die mit dem Vorfall im Zusammenhang stehenden Fakten berücksichtigt (wird näher ausgeführt), so hätte dies gezeigt, daß überhaupt kein Kündigungsgrund vorliege. Auch das Oberlandesgericht Wien sei von einem geringen Grad der Schuld und praktisch vernachlässigbaren Folgen der Tat ausgegangen. Die Anwendung des § 42 StGB durch das Oberlandesgericht sei nur aus generalpräventiven Gründen unterblieben. Daraus folge, daß in bezug auf die Beschwerdeführerin gar keine Verurteilung für notwendig erachtet worden sei. Die positive Beurteilung der Beschwerdeführerin werde auch durch ihren nunmehrigen Kommandanten bestätigt. Das weitere Vorbringen beschäftigt sich mit dem Verhalten des angeblich durch die Beschwerdeführerin in den Verdacht einer strafbaren Handlung gesetzten Kollegen, das sich für die unerfahrene Beschwerdeführerin als konkludente Zustimmung zu ihrer Vorgangsweise dargestellt habe.

Ohne weitere Erhebungen erging der angefochtene Bescheid, mit dem wie folgt entschieden worden ist.

"Ihre Berufung vom 24.12.1997 gegen den Bescheid des LGK für Niederösterreich vom 15. Dezember 1998 (richtig: 1997), GZ 6235/8-20/97, wird gemäß § 10 Abs. 4 Ziffer 4 BDG 1979, BGBl. Nr. 333, idgF, abgewiesen und der angefochtene Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG dahingehend abgeändert, als die Kündigung mit Ablauf desjenigen Monats erfolgt, in dem die Zustellung des Bescheides erfolgt."

Zur Begründung wird auf den erstinstanzlichen Bescheid hingewiesen und darauf, daß die Beschwerdeführerin wegen mehrfach schuldhafter Dienstpflichtverletzung nach § 44 Abs. 1 BDG 1979 hinsichtlich der Verpflichtung zur Befolgung von Weisungen suspendiert worden sei und am 24. Februar 1997 nach den §§ 297 Abs. 1, 136 Abs. 1 in Verbindung mit § 313 StGB gegen die Beschwerdeführerin Strafanzeige erstattet worden sei. Nach Hinweis auf die Berufung folgt eine Darstellung des der Verurteilung wegen unbefugten Fahrzeuggebrauches zugrunde liegenden Sachverhaltes. In weiterer Folge gibt die belangte Behörde dann die Rechtslage und die einschlägige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wieder und führt schließlich beschwerdefallbezogen aus, die Frage der Kündigung eines provisorischen Beamten sei losgelöst von einem allfälligen Disziplinar- bzw. Verwaltungsstrafverfahren zu beurteilen. Die Frage der ausgesprochenen Kündigung sei daher ausschließlich auf Grund des von der Beschwerdeführerin gesetzten Verhaltens zu beurteilen. Sie sei als Gendarmeriebeamtin Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Sinne des Sicherheitspolizeigesetzes mit der Aufgabe der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, Ruhe und Sicherheit sowie der Gefahrenabwehr betraut. Weiters sei die Beschwerdeführerin bewaffnete Uniformträgerin sowie Organ der Straßenaufsicht. Um eine solche Tätigkeit ausüben zu können, bedürfe es eines entsprechenden Verhaltens in und außerhalb des Dienstes, weil es auch um die Akzeptanz und das Standesansehen der betroffenen Person einerseits sowie der Institution andererseits gehe. Solcherart habe sich grundsätzlich jeder Exekutivbeamte all jener Verhaltensweisen zu enthalten, die geeignet seien, seine (moralische) Autorität in Frage zu stellen. Dies gelte insbesondere auch institutsintern, weil sich der Dienstgeber grundsätzlich darauf verlassen können müsse, daß die Amtsträger sowohl im als auch außer Dienst entsprechendes Verhalten an den Tag legten und insbesondere keine solchen Taten setzten, zu deren Verhinderung sie Dienst zu leisten hätten. Die Beschwerdeführerin habe durch ihr Verhalten jedoch mehrfach gezeigt, daß sie nicht gewillt sei, ihre Dienstpflichten hinsichtlich der Befolgung von Weisungen nach § 44 Abs. 1 BDG 1979 einzuhalten; dies habe sogar zu einer vorübergehenden Suspendierung vom Dienst geführt. Des weiteren habe sie durch ihr Verhalten im besonderen gezeigt, daß sie die Bestimmungen der "Kraftfahrzeugvorschrift für die österreichische Bundesgendarmerie" weder zu berücksichtigen noch einzuhalten bereit sei. Sie habe das Gendarmeriekraftfahrzeug ihrer Dienststelle ohne Erlaubnis außer Dienst unbefugt für private Einkünfte in Betrieb genommen. Zu ihrem pflichtwidrigen Verhalten habe sie noch dazu einen Kollegen einer von Amts wegen zu verfolgenden Verletzung von Dienstpflichten ausgesetzt, wobei sie gegenüber dem in ihrer Angelegenheit erhebenden Dienstvorgesetzten wahrheitswidrig angegeben habe, daß ihr dieser Kollege die unbefugte Inbetriebnahme des Dienstkraftfahrzeuges außer Dienst gestattet hätte. Wegen dieses Vorfalles sei sie nach § 136 Abs. 1 StGB (unbefugter Gebrauch von Fahrzeugen) zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Das Verhalten der Beschwerdeführerin und ihre gerichtliche Verurteilung stelle einen eklatanten Vertrauensbruch zwischen dem Dienstgeber und der Beschwerdeführerin dar. Das notwendige Vertrauen durch den Dienstgeber sei aus diesem Grund eindeutig nicht mehr gegeben und habe wegen des pflichtwidrigen Verhaltens die Kündigung zur Folge. Es sei daher nur logisch, das Dienstverhältnis mit einer Person, die sich aus mehreren Gründen als für den Exekutivberuf nicht für geeignet erwiesen habe, zu kündigen. Vor diesem Hintergrund habe die Dienstbehörde erster Instanz das provisorische Dienstverhältnis der Beschwerdeführerin zu Recht gelöst.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes bzw. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat unter Abstandnahme von der beantragten mündlichen Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG erwogen:

Die Beschwerdeführerin sieht sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht darauf, daß ihr provisorisches Dienstverhältnis nicht gekündigt wird, durch unrichtige Anwendung des § 10 Abs. 4 Z. 4 BDG 1979 sowie der Vorschriften über die Sachverhaltsermittlung, das Parteiengehör und die Bescheidbegründung verletzt.

In Ausführung dieses Beschwerdepunktes bringt die Beschwerdeführerin im wesentlichen vor, auch wenn das provisorische Dienstverhältnis der Erprobung des Beamten für seine Eignung für den Dienst diene, begründe nicht jede einem im provisorischen Dienstverhältnis stehenden Beamten unterlaufene Verletzung auch nur irgendeiner seiner Dienstpflichten schon den Kündigungsgrund des pflichtwidrigen Verhaltens nach § 10 Abs. 4 Z. 4 BDG 1979. Dies werde insbesondere dann nicht der Fall sein, wenn die nur zu einem bestimmten Zeitpunkt unterlaufene Dienstpflichtverletzung geringfügig sei, auf bloßer Nachlässigkeit beruhe, einmalig gewesen sei und keine Wiederholung besorgen lasse, also insgesamt ihrer Schwere nach in keinem Verhältnis zur Schwere der Ahndung in Form einer Kündigung stehe (Hinweis auf Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. November 1997, Zl. 95/12/0209).

Unbestritten sei im Beschwerdefall, daß der Vorfall, der zur Kündigung des provisorischen Dienstverhältnisses der Beschwerdeführerin geführt habe, einmaliger Art gewesen sei. Auch das Element der Geringfügigkeit sei gegeben. Dies werde insbesondere durch das Ergebnis des zweitinstanzlichen Verfahrens vor dem Oberlandesgericht Wien dokumentiert (wird näher ausgeführt).

Der Anwendung des § 42 StGB im strafgerichtlichen Verfahren seien (nur) generalpräventive Überlegungen entgegengestanden; dadurch habe aber das Oberlandesgericht Wien im Ergebnis bestätigt, daß es in bezug auf die Beschwerdeführerin einer strafgerichtlichen Verurteilung überhaupt nicht bedurft hätte, um sie von der Begehung weiterer derartiger Handlungen abzuhalten.

Da der ranghöchste am 5. Februar 1997 dienstversehende Gendarmeriebeamte (Insp. M. F.) der Beschwerdeführerin unter den gegebenen Umständen die Fahrt zumindest formell nicht untersagt habe, sei das Verhalten der Beschwerdeführerin im Kollegenkreis offenkundig als geringfügige Verfehlung eingestuft worden, zu deren Verhinderung dem dienstälteren Beamten ein Einschreiten nicht notwendig erschienen sei und das von einem weiteren Beamten bloß im Rahmen eines Gespräches als klärbar erachtet worden sei. Schon auf Grund dieses Verfahrensergebnisses folge, daß das Verhalten der Beschwerdeführerin den anderen Beamten bewußt gewesen sei. Diese hätten daher durchaus die Möglichkeit gehabt, die Beschwerdeführerin von der Fahrt abzuhalten oder ihr konkret diese zu verbieten; nichts derartiges sei aber geschehen. Das weitere Beschwerdevorbringen legt die klaglose und gute Dienstverrichtung der Beschwerdeführerin an ihrer neuen Dienststelle dar und verweist auf die positive Beschreibung ihrer Persönlichkeit durch den neuen Dienststellenleiter, die zu ihrem Verhalten vom 5. Februar 1997 im "schroffen Gegensatz" stehe. Es liege demnach ein einmaliges Fehlverhalten vor, dessen Wiederholung nicht zu befürchten sei; insgesamt stehe die Schwere des pflichtwidrigen Verhaltens in keinem Verhältnis zur Schwere der Ahndung in Form einer Kündigung.

Als Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bringt die Beschwerdeführerin vor, die belangte Behörde habe sich in keiner Weise mit ihrem Berufungsvorbringen auseinandergesetzt. Es genüge nicht einer ordnungsgemäßen Begründung, sich auf "Stehsätze und Wiedergabe von (im übrigen im gegenständlichen Fall nicht zutreffender) Judikatur" zurückzuziehen. Die belangte Behörde wäre vielmehr verpflichtet gewesen, die angebotenen Beweise aufzunehmen, weil nur auf diese Art und Weise eine verläßliche Beurteilung der Angelegenheit hätte erfolgen können. Durch die Beweisaufnahme hätte sich auch die Geringfügigkeit des Fehlverhaltens der Beschwerdeführerin, dessen Einmaligkeit, dessen Ermöglichung und Duldung durch Vorgesetzte und andere Beamten gezeigt, insbesondere hätten sich auch die günstigen Zukunftsprognosen erwiesen. Auffällig sei in diesem Zusammenhang auch, daß einen Tag vor der für den 6. Mai 1998 anberaumten Disziplinarverhandlung der angefochtene Bescheid zugestellt worden sei. Auf Grund dieses Umstandes habe die Disziplinarkommission ohne Einvernahme der bereits geladenen Zeugen die Disziplinarverhandlung auf unbestimmte Zeit vertagt.

Gemäß § 10 Abs. 1 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 (BDG 1979), BGBl. Nr. 333, kann das provisorische Dienstverhältnis mit Bescheid gekündigt werden. Nach Ablauf der Probezeit ist die Kündigung nach § 10 Abs. 3 BDG 1979 nur mit Angabe des Grundes möglich. Ein Kündigungsgrund stellt nach § 10 Abs. 4 Z. 4 BDG 1979 pflichtwidriges Verhalten dar.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 7. Oktober 1998, Zl. 98/12/0278, zu einer vergleichbaren Rechtslage klargestellt, daß pflichtwidriges Verhalten als Kündigungsgrund dessen Schuldhaftigkeit voraussetzt, und in Weiterführung seiner bisherigen Rechtsprechung dargelegt, daß ein Kündigungsverfahren wegen pflichtwidrigen Verhaltens nicht die Durchführung eines Disziplinarverfahrens voraussetzt. Gleichfalls steht auf Grund der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fest, daß die Dienstbehörde im Kündigungsverfahren im Fall einer rechtskräftigen Verurteilung wegen der mit der Rechtskraft verbundenen Bindungswirkung von den dem Schuldspruch zugrunde gelegten Tatsachenfeststellungen auszugehen hat (vgl. insbesondere Erkenntnis vom 19. November 1997, Zl. 95/12/0209, mwN).

Im gleichen Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof zur Kündigung eines provisorischen Exekutivbeamten ausgeführt, nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verfolge die Einrichtung des provisorischen Dienstverhältnisses den Zweck, den Beamten auf seine Eignung für den Dienst zu prüfen und nur Beamte in das definitive Dienstverhältnis zu nehmen, die allen Anforderungen entsprechen, die an einen Beamten im allgemeinen wie in Anbetracht der Verwendung, für die er aufgenommen wurde, gestellt werden müssen. Damit sollen alle sich nicht voll bewährenden Beamten noch vor Erlangung einer unkündbaren Stellung von der Beamtenlaufbahn, für die sie sich nicht eignen, ausgeschlossen werden. Dabei ist es gleichgültig, ob die Gründe, die zur Kündigung eines provisorischen Dienstverhältnisses führen, eine längere oder eine kürzere Zeit zurückliegen; denn die Dienstbehörde hat nach dem Gesagten das Recht und die Pflicht, vor der Definitivstellung eines Beamten sein ganzes dienstliches oder außerdienstliches Verhalten zu prüfen.

Es trifft auch zu, daß ein "pflichtwidriges Verhalten" im Sinne des § 10 Abs. 4 Z. 4 BDG 1979 nicht nur dann vorliegt, wenn es sich über einen längeren Zeitraum erstreckt oder in der gleichen Art immer wiederholt wird. Auch die einmalige Tat eines Beamten kann - ungeachtet seines dienstlichen und außerdienstlichen Wohlverhaltens - derart schwerwiegend sein, daß durch sie der Kündigungsgrund des § 10 Abs. 4 Z. 4 BDG 1979 verwirklicht wird. Zu beachten ist allerdings, daß nicht jede einem im provisorischen Dienstverhältnis stehenden Beamten unterlaufene Verletzung auch nur irgendeiner seiner Dienstpflichten schon den Kündigungsgrund des "pflichtwidrigen Verhaltens" nach § 10 Abs. 4 Z. 4 BDG 1979 begründet; dies wird insbesondere dann nicht der Fall sein, wenn die nur zu einem bestimmten Zeitpunkt unterlaufene Pflichtverletzung geringfügig ist, auf bloßer Nachlässigkeit beruht, einmaliger Art war und keine Wiederholung besorgen läßt, also insgesamt ihrer Schwere nach in keinem Verhältnis zur Schwere der Ahndung in Form einer Kündigung steht.

Im Beschwerdefall wird der Beschwerdeführerin als dienstliches Fehlverhalten, das eine Kündigung des provisorischen Dienstverhältnisses rechtfertigt, Folgendes angelastet:

Sie habe durch ihr Verhalten mehrfach gezeigt, daß sie nicht gewillt sei, ihre Dienstpflichten hinsichtlich der Befolgung von Weisungen einzuhalten. Dies habe auch zu einer vorübergehenden Suspendierung vom Dienst geführt.

Weiters habe sie durch ihr Verhalten gezeigt, daß sie die "Kraftfahrzeugvorschriften für die österreichische Bundesgendarmerie" weder zu berücksichtigen noch einzuhalten bereit sei, weil sie das Gendarmeriekraftfahrzeug ohne Erlaubnis außer Dienst für private Einkäufe in Betrieb genommen habe. Hiefür sei sie nach § 136 Abs. 1 StGB wegen unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen zu einer bedingten Geldstrafe verurteilt worden.

Im Zusammenhang mit dem unter 2. dargestellten Vorwurf habe sie einen Kollegen dem Vorwurf einer von Amts wegen zu verfolgenden Dienstpflichtverletzung ausgesetzt, weil sie wahrheitswidrig angegeben habe, daß ihr der Kollege die unbefugte Inbetriebnahme des Dienstkraftfahrzeuges gestattet habe.

Dem der Beschwerdeführerin unter 1. angelasteten Vorwurf mangelt jegliche sachverhaltsmäßige Substantiierung. Auch der Gegenschrift und den vorgelegten Verwaltungsakten ist diesbezüglich nichts Entscheidendes zu entnehmen. Einer Heranziehung dieses Vorwurfes als Kündigungsgrund steht demnach bereits die Unklarheit des zugrunde liegenden Sachverhaltes entgegen.

Im wesentlichen Gleiches gilt für den Vorwurf unter 3., weil die Beschwerdeführerin in ihrer Berufung ihre nicht unplausible Sicht des Sachverhaltes dargelegt hat, nach der sie von einer konkludenten Zustimmung ihrer Kollegen hätte ausgehen können. Die belangte Behörde hat sich mit diesem Vorbringen und seiner Glaubwürdigkeit nicht auseinandergesetzt, sodaß es dem daraus gegen die Beschwerdeführerin erhobenen Vorwurf jedenfalls am Nachweis der Schuld der Beschwerdeführerin mangelt.

Letztlich verbleibt der unter 2. dargestellte Vorwurf, der durch die strafgerichtliche Verurteilung objektiviert ist. Diesbezüglich steht aber fest, daß es sich lediglich um ein singuläres Fehlverhalten, das - abgesehen von der strafgerichtlichen Verurteilung der Beschwerdeführerin - im wesentlichen für den Dienstgeber nur geringe nachteilige Folgen nach sich zog, gehandelt hat. Nach den diesbezüglichen wesentlichen Urteilsfeststellungen fragte die Beschwerdeführerin, die am 5. Februar 1997 ab 7.00 Uhr früh Dienst versehen hatte, kurz vor 19.00 Uhr ihren Kollegen L., ob sie sich unter Verwendung des Dienstwagens etwas zum Abendessen holen dürfe. Dieser antwortete, daß sie sich diesfalls beeilen müsse, weil um 19.00 Uhr Dienstschluß sei und im übrigen die Firma Merkur um 19.00 Uhr schließe. Die Beschwerdeführerin habe sich in der Folge erst nach 19.00 Uhr in den Journaldienstraum begeben, den Schlüssel eines ihr nicht zugeteilten Streifenwagens an sich genommen und dem Nachtdienst versehenden Kollegen Insp. M. F. mitgeteilt, daß sie sich etwas zum Essen hole. Sie sei dann ohne Erlaubnis, den Wagen auch nach Dienstschluß benützen zu dürfen und mit dem die fehlende Einwilligung eines Berechtigten umfassenden Vorsatz zuerst zur Firma Merkur in Vösendorf, in weiterer Folge zur Firma Interspar in der Shopping City Süd gefahren. Um ca. 19.45 Uhr habe sie den Wagen zurückgebracht und die ihr von Insp. M. F. wegen ihres Fehlverhaltens gemachten Vorwürfe ignoriert.

In der Beurteilung dieses Sachverhaltes führte das Oberlandesgericht Wien im wesentlichen aus, es sei der Beschwerdeführerin zwar zuzugestehen, daß ihr Verschulden im Hinblick auf das Verhalten der dienstälteren Kollegen, die von einer Inbetriebnahme nicht abgeraten hätten, gering sei. Auch seien durch die unbefugte Inbetriebnahme in Ansehung der relativ kurzen Fahrtstrecke nur unbedeutende Folgen entstanden. Der Anwendung des § 42 StGB stünden daher keine spezialpräventiven Erwägungen, wohl aber generalpräventive Überlegungen entgegen, weil jeder Anschein vermieden werden müsse, daß ein vorschriftswidriges Verhalten eines Sicherheitswachebeamten als vernachlässigbares "Kavaliersdelikt" gewertet werde.

Nach dem Spruch des angefochtenen Bescheides ist die Beschwerdeführerin wegen pflichtwidrigen Verhaltens gekündigt worden; der Begründung des angefochtenen Bescheides ist zweifelsfrei zu entnehmen, daß die Kündigung der Beschwerdeführerin deshalb erfolgte, weil sie sich "aus mehreren Gründen" für den "Exekutivberuf" als nicht geeignet erwiesen habe. Davon ausgehend ist die Kündigung aus dem Zusammenwirken mehrerer Umstände heraus erfolgt. Da - wie vorher dargelegt - aber die unter 1. und 3. dargestellten Vorwürfe sachverhaltsmäßig nicht oder nur mangelhaft festgestellt worden sind, ist der angefochtene Bescheid schon deshalb mit Rechtswidrigkeit belastet.

Die belangte Behörde vertritt aber in Abweichung von der dem angefochtenen Bescheid offensichtlich zugrunde liegenden Auffassung in ihrer Gegenschrift nunmehr im wesentlichen die Meinung, die strafgerichtliche Verurteilung eines Exekutivbeamten stelle jedenfalls einen groben Verstoß gegen die Dienstpflichten dar und müsse daher schon deshalb zur Kündigung des provisorischen Beamten führen. Auch wenn der belangten Behörde im Sinne der von ihr zitierten Rechtsprechung (vgl. insbesondere Erkenntnis vom 1. März 1982, Slg. N. F. Nr. 10.666/A) einzuräumen ist, daß ein "pflichtwidriges Verhalten" auch durch eine einmalige Handlung eines Beamten verwirklicht werden kann, darf bei dieser Rechtsaussage nicht das damals gesetzte Delikt (Nötigung nach § 105 StGB) sowie weiters übersehen werden, daß in dem genannten Erkenntnis ausdrücklich ausgeführt wurde: "Auch eine einmalige Tat eines Beamten kann derart schwerwiegend sein, daß durch sie der Kündigungsgrund des § 10 Abs. 4 Z. 4 BDG 1979 verwirklicht wird."

Vor dem zweifelsfrei durch die Bindung an das strafgerichtliche Urteil festgestellten Sachverhalt der unbefugten Inbetriebnahme des Dienstkraftwagens durch die Beschwerdeführerin und unter Mitberücksichtigung der gesamten Tatumstände teilt der Verwaltungsgerichtshof nicht die von der belangten Behörde erst in der Gegenschrift vertretene Auffassung, daß bereits die Tatsache einer strafgerichtlichen Verurteilung oder das dieser zugrunde liegende Fehlverhalten der Beschwerdeführerin am 5. Februar 1997 für sich allein als so schwerwiegend zu werten ist, daß daraus die Kündigung der Beschwerdeführerin zu rechtfertigen wäre. Ausgehend von dem im strafgerichtlichen Verfahren festgestellten Sachverhalt kann der Verwaltungsgerichtshof unter Mitberücksichtigung der Tatumstände in dem strafgerichtlich mit einer bedingten Verurteilung geahndeten singulären Fehlverhalten der Beschwerdeführerin nicht jene Gewichtigkeit erkennen, die die Beendigung des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses der Beschwerdeführerin durch Kündigung geboten erscheinen läßt.

Da die belangte Behörde dies verkannte, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 11. November 1998

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Bindung der Verwaltungsbehörden an gerichtliche Entscheidungen VwRallg9/4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1998120154.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

27.08.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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