TE Vwgh Erkenntnis 1998/11/11 98/12/0223

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.11.1998
beobachten
merken

Index

L24007 Gemeindebedienstete Tirol;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §13a;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
AVG §56;
GdBG Innsbruck 1970 §43 Abs1;
GdBG Innsbruck 1970 §45 Abs1 lita;
GdBG Innsbruck 1970 §45 Abs3 lita;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Julcher, über die Beschwerde des R in I, vertreten durch Dr. Heinz Mildner, Rechtsanwalt in Innsbruck, Templstraße 6, gegen den Bescheid des Stadtsenates der Stadt Innsbruck vom 26. Juni 1998, Zl. GSB-1393/98, betreffend Versetzung in den zeitlichen Ruhestand (§ 43 Abs. 1 des Innsbrucker Gemeindebeamtengesetzes 1970) und Bemessung des Ruhegenusses, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Landeshauptstadt Innsbruck Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der 1947 geborene Beschwerdeführer steht seit 1. Juli 1998 auf Grund des angefochtenen Bescheides in einem öffentlich-rechtlichen Ruhestandsverhältnis zur Landeshauptstadt Innsbruck.

Seit 1. April 1997 war der Beschwerdeführer, der zuletzt bei den Stadtwerken (nunmehr Innsbrucker Kommunalbetriebe Aktiengesellschaft) tätig war, ununterbrochen wegen Krankheit vom Dienst abwesend. In der Folge ersuchte die Dienstbehörde den Amtsarzt zu folgenden Fragen Stellung zu nehmen:

"1. Ist es dem Beamten möglich, seine dienstlichen Aufgaben zu erfüllen bzw. welche Tätigkeiten können ihm aufgrund des Krankheitsbildes nicht mehr zugemutet werden?

2. Welche Tätigkeiten und Belastungen gleichwertiger Arbeitsplätze sind dem Beamten zumutbar?

3. Wann ist mit einer Besserung des Krankheitsbildes und mit der Wiedererlangung der Dienstfähigkeit sowie einer kontinuierlichen Arbeitsleistung zu rechnen?

4. Inwieweit begünstigt ein Erholungsurlaub außerhalb der gewohnten Umgebung sein Krankheitsbild?

5. Welche Maßnahmen wären aus medizinischer Sicht notwendig, damit eine rasche Wiedererlangung der Dienstfähigkeit und der kontinuierlichen Arbeitsleistung erwartet werden kann?"

Der Amtsarzt zog seinerzeit zur Beantwortung der gestellten Fragen den gerichtlichen Sachverständigen und Facharzt für Psychiatrie und Neurologie sowie Psychotherapie UnivProf. Dr. P. bei. Auf Grund von verschiedenen Befunden (insbesondere der Befunde des den Beschwerdeführer behandelnden Facharztes für Psychiatrie und Neurologie Dr. G. aus den Jahren 1993, 1995, 1996 und Februar 1997) sowie einer neurologisch-psychiatrischen Untersuchung des Beschwerdeführers am 15. November 1997 gelangte Dr. P. in seinem Gutachten vom 26. Februar 1998 zum Ergebnis, der Beschwerdeführer weise, abgesehen von einer Bewegungseinschränkung des rechten Schultergelenkes, neurologischerseits keine die Arbeitsfähigkeit beeinträchtigenden Störungen auf. Lediglich aus somatisch-neurologischer Sicht seien - entsprechend der Beurteilungskriterien der Arbeits- und Sozialgerichte - schwere und andauernde mittelschwere Arbeiten nicht mehr zumutbar (wird näher ausgeführt). Aus psychiatrischer Sicht liege eine neurotische Depression vor. Der Beschwerdeführer scheine auch zu seinem Tätigkeitsbereich nicht den inneren Bezug zu haben, sodaß auch emotionale Probleme daraus ableitbar seien. Eine endomorphe (endogene) Depression liege nicht vor (wird näher begründet). Die Art der Depression des Beschwerdeführers verlange zusätzlich das Vermeiden von Streß (Akkordarbeit; Arbeit am Fließband, Schichtarbeit), darüber hinausgehende Beschränkungen aus psychiatrischer Sicht seien nicht erforderlich. Der Sachverständige beantwortete die ihm gestellten fünf Fragen wie folgt:

"ad 1): Dem Beamten ist es zumutbar, seine dienstlichen Aufgaben zu erfüllen. Einschränkungen bezüglich des Verrichtens von leichten bis teilweise mittelschweren Arbeiten sind umseitig angeführt.

ad 2): Ich schließe mich den Ausführungen von Dr. G. insoferne an, als daß aufgrund der eingeschränkten Flexibilität (die Fähigkeit zu Umstellungen) (dem Beschwerdeführer) möglichst einen Arbeitsplatz mit gewohnter Tätigkeit, ohne sich zusätzlich mit neuen Anforderungen beschäftigen zu müssen, beibehalten sollte.

ad 3): Nach meiner Einschätzung ist eine Dienstfähigkeit mit einer kontinuierlichen Arbeitsleistung derzeit vorhanden.

ad 4): Die Aufenthalte (12 oder 13) in Ischia bzw. Abano wurden offensichtlich wegen der Schulterproblematik durchgeführt. Lediglich aus psychiatrischen Gründen ließe sich die Gewährung eines Kuraufenthaltes in Ischia oder Abano nicht begründen.

ad 5): Lediglich aus neurologisch-psychiatrischer Sicht ist meiner Meinung nach auch derzeit eine Dienstfähigkeit vorhanden. Durch eine zusätzliche Betreuung durch einen erfahrenen Psychotherapeuten ließe sich eine Festigung des derzeitigen Arbeitskalküls auf Dauer erwarten."

Mit Schreiben vom 15. April 1998 ersuchte der Gestellungsbetrieb der Stadt Innsbruck den Beschwerdeführer unter Hinweis auf das Gutachten Dris. P. um eine Vorsprache. Mit Schreiben vom 16. April 1998 teilte der Gestellungsbetrieb dem Beschwerdeführer mit, aus dem Gutachten Dris. P. gehe laut Ansicht der Dienstbehörde eindeutig hervor, daß die Dienstfähigkeit des Beschwerdeführers (mit sehr geringen Einschränkungen) gegeben sei. Er werde daher aufgefordert, seinen Dienst am 20. April 1998 wieder anzutreten. Laut Niederschrift vom 17. April 1998 bestätigte der Beschwerdeführer, das Schreiben vom 16. April 1998 entgegengenommen zu haben; weiters erklärte er, in das Gutachten Dris. P. Einsicht genommen zu haben.

In der Folge trat der Beschwerdeführer jedoch seinen Dienst nicht an, sondern legte neuerlich eine "Krankmeldung" (laut Angabe der belangten Behörde in der Gegenschrift wegen Sehnenscheidenentzündung) vor.

Mit Schreiben vom 20. April 1998 nahm Dr. G. unter Hinweis auf eine Vorsprache seines Patienten (des Beschwerdeführers) am 17. April 1998 zum Gutachten Dris. P. Stellung. Es sei nachvollziehbar, daß sein Patient bei der Begutachtung durch Dr. P. in relativ guter Verfassung gewesen sei, woraus dann die Dienstfähigkeit mit sehr geringen Einschränkungen abgeleitet worden sei. Dieser relativ gute Zustand ergebe sich aus dem einjährigen Krankenstand des Beschwerdeführers. Bereits nach dem Bekanntwerden des Gutachtens von Dr. P. und der daraus gezogenen Konsequenzen seien aber beim Beschwerdeführer tiefe Betroffenheit und Verzweiflung als Ausdruck einer bereits wieder verstärkten Depression zu beobachten gewesen. Den Krankheitsverlauf des Beschwerdeführers kenne er persönlich seit Mai 1990, wobei die Beschwerden seines Patienten bereits 1985 eingesetzt hätten. Das Befinden des Beschwerdeführers habe sich von Jahr zu Jahr verschlechtert, seine Leistungsfähigkeit habe insbesondere während der Frühjahrs- und Herbstmonate in den letzten Jahren zunehmend abgenommen (wird näher ausgeführt). Schon jetzt sei ein "chronifizierter Krankheitsverlauf" zu beschreiben, der sich unter neuerlichem Arbeitsdruck mit Sicherheit verschlechtern würde. Daher sei seines Erachtens eine berufliche Rehabilitation des Beschwerdeführers nicht zu erwarten.

Mit Schreiben vom 22. Juni 1998 teilte der Beschwerdeführer dem Gestellungsbetrieb der Stadt Innsbruck mit, ihm sei bei einer Besprechung am heutigen Tag mitgeteilt worden, daß beabsichtigt sei, ihn in den zeitlichen Ruhestand zu versetzen. Dazu teile er mit, "daß ich keine Einwände gegen eine Versetzung in den zeitlichen Ruhestand habe, da aufgrund meines gesundheitlichen Zustandes derzeit Dienstunfähigkeit gegeben ist."

Mit Schreiben vom 25. Juni 1998 (eingelangt am 26. Juni 1998) teilte Dr. G. der belangten Behörde unter Hinweis auf seinen Befund vom 30. (richtig wohl: 20.) April 1998 mit, daß sich das Befinden des Beschwerdeführers in der Zwischenzeit nicht geändert habe und mit Sicherheit Berufsunfähigkeit vorläge.

In der Folge erließ die belangte Behörde den nunmehr angefochtenen Bescheid.

Der erste Satz des Spruches des angefochtenen durch einen Organwalter "Für den Bürgermeister" unterfertigten, an den Beschwerdeführer gerichteten Bescheid vom 26. Juni 1998 lautet:

"Laut Stadtsenatsbeschluß vom 24.06.1998 werden Sie gemäß § 43 Abs. 1 des Innsbrucker Gemeindebeamten-Gesetzes 1970, LGBl. Nr. 44/1970 i.d.g.F. mit Wirkung vom 01.07.1998 in den zeitlichen Ruhestand versetzt."

In den folgenden Sätzen des Spruches des angefochtenen Bescheides wird der Ruhegenuß des Beschwerdeführers bemessen. Die belangte Behörde begründete die Ruhestandsversetzung (Satz 1 des angefochtenen Bescheides) nach Wiedergabe des § 43 Abs. 1 IGBG 1970 damit, der Beschwerdeführer sei seit dem 1. April 1997 ununterbrochen zufolge Krankheit vom Dienst abwesend. Zum Zeitpunkt des vorliegenden amtsärztlichen Sachverständigengutachtens vom 11. April 1997, aber auch in den sechs Monaten danach, sei der Beschwerdeführer nicht dienstfähig gewesen. Dauernde Dienstunfähigkeit sei aus dem Gutachten des Amtsarztes zum damaligen Zeitpunkt nicht abzuleiten gewesen, sodaß der Beschwerdeführer unter Berücksichtigung des § 43 Abs. 1 IGBG 1970 in den zeitlichen Ruhestand zu versetzen gewesen sei. Einwendungen gegen die Absicht der Dienstbehörde, ihn in den zeitlichen Ruhestand zu versetzen, seien vom Beschwerdeführer nicht erhoben worden bzw. habe er dieser Maßnahme in der Niederschrift vom 22. Juni 1998 zugestimmt. In der Folge begründete die belangte Behörde näher die Bemessung des Ruhegenusses des Beschwerdeführers.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 28 Abs. 2 lit. a des Stadtrechtes der Landeshauptstadt Innsbruck 1975 (im folgenden StR-I), LGBl. Nr. 53, ist der Stadtsenat unter anderem zur selbständigen Beschlußfassung über die Versetzung von Beamten in den zeitlichen oder dauernden Ruhestand zuständig.

Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, geht der Instanzenzug gegen Bescheide des Bürgermeisters und des Stadtmagistrates in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches nach § 41 Abs. 1 StR-I an den Stadtsenat. Gegen die Entscheidung des Stadtsenates ist ein weiteres ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Der Stadtsenat übt auch die in den verfahrensrechtlichen Bestimmungen vorgesehenen oberbehördlichen Befugnisse aus.

Nach § 1 Abs. 2 des Innsbrucker Gemeindebeamtengesetzes 1970 (IGBG 1970), LGBl. Nr. 44, gelten die Zuständigkeitsbestimmungen des Stadtrechtes der Landeshauptstadt Innsbruck 1975, LGBl. Nr. 53, in der jeweils geltenden Fassung, soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist. Letzteres trifft für die hier interessierende Ruhestandsversetzung nicht zu.

§ 43 IGBG 1970 regelt die Versetzung in den zeitlichen Ruhestand. Nach dessen Abs. 1 Satz 1 ist der Beamte in den zeitlichen Ruhestand zu versetzen, wenn er über ein Jahr dienstunfähig war, die Voraussetzungen für seine Versetzung in den dauernden Ruhestand jedoch nicht vorliegen. § 43 Abs. 2 IGBG 1970 regelt die Versetzung in den zeitlichen Ruhestand als Folge einer derartigen Disziplinarstrafe (§ 61 Abs. 1 lit. e).

§ 44 leg. cit. regelt die Beendigung des zeitlichen Ruhestandes. Nach dessen Abs. 1 hat sich der in den zeitlichen Ruhestand versetzte Beamte bei sonstigem Verlust seiner Bezüge nach Beendigung des zeitlichen Ruhestandes zur Dienstleistung auf seinem bisherigen oder einem im Wege der Versetzung oder Beförderung zugewiesenen anderen Dienstposten wieder verwenden zu lassen, der nach § 43 Abs. 1 in den zeitlichen Ruhestand versetzte Beamte jedoch nur dann, wenn er nach dem Gutachten des Amtsarztes wieder dienstfähig ist. Der im zeitlichen Ruhestand befindliche Beamte hat seiner Dienstbehörde jede erwerbsmäßige Tätigkeit vor ihrer Aufnahme anzuzeigen.

Bei Wiederverwendung eines in den zeitlichen Ruhestand versetzten Beamten wird nach Abs. 2 dieser Bestimmung die Zeit des Ruhestandes bei der Festsetzung des Vorrückungsstichtages nicht berücksichtigt.

Wird ein nach § 43 Abs. 1 in den zeitlichen Ruhestand versetzter Beamter binnen drei Jahren nicht wieder verwendet, so ist er nach § 44 Abs. 3 IGBG 1970 in den dauernden Ruhestand zu versetzen; die Dauer des zeitlichen Ruhestandes ist ihm für die Bemessung des Ruhegenusses anzurechnen.

§ 45 IGBG 1970 regelt die Versetzung und den Übertritt in den dauernden Ruhestand. Nach seinem Abs. 1 hat der Beamte Anspruch auf Versetzung in den dauernden Ruhestand, wenn er

a) dienstunfähig wird und die Erlangung seiner Dienstfähigkeit nicht mehr zu erwarten ist oder

b) das 60. Lebensjahr überschritten hat.

Nach Abs. 3 dieser Bestimmung ist der Beamte in den dauernden Ruhestand zu versetzen,

a) wenn er dauernd unfähig ist, seinen Dienst ordnungsgemäß zu versehen;

b)

unter der Voraussetzung des § 44 Abs. 3;

c)

auf Grund eines Disziplinarerkenntnisses, das die Versetzung in den dauernden Ruhestand ausspricht (§ 61 Abs. 1 lit. e).

Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinen Rechten, insbesondere auf Versetzung in den dauernden Ruhestand nach § 45 Abs. 1 lit. a IGBG 1970, verletzt. Seine Beschwerde richtet sich nur gegen die im ersten Satz des Spruches des angefochtenen Bescheides verfügte Versetzung in den zeitlichen Ruhestand, weil die Beschwerdegründe nur Ausführungen zu § 45 Abs. 1 lit. a IGBG 1970 enthalten.

Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bringt er im wesentlichen vor, die belangte Behörde gehe zu Unrecht davon aus, daß die Voraussetzungen nach § 45 Abs. 1 lit. a IGBG 1970 nicht vorlägen. Er habe mit Schreiben vom 25. März 1997 seine gesundheitliche Beeinträchtigung dargelegt und medizinische Unterlagen vorgelegt. Nach Auffassung seines Arztes Dr. G. sei davon auszugehen, daß eine Wiedererlangung seiner Dienstfähigkeit nicht mehr zu erwarten sei. Nach Vorliegen der gutachterlichen Stellungnahme von Dr. P. sei mit den beiden Schreiben von Dr. G. vom 20. April und 25. Juni 1998 dargelegt worden, aus welchen Gründen der Untersuchungsbefund Dris. P. auf falschen Grundlagen beruhe (im wesentlichen: relativ gute Verfassung des Beschwerdeführers auf Grund des Fehlens einer Arbeitsbelastung seit ca. einem Jahr und Hinweis auf die Verschlechterung der Depression auf Grund der bloßen Bekanntgabe des Gutachtens Dris. P.). Dennoch sei keine neuerliche Begutachtung unter diesem Blickwinkel veranlaßt worden; der Beschwerdeführer sei auch nicht zur neuerlichen Antragstellung gemäß § 13 (gemeint wohl: 13a) AVG angeleitet worden. Befund und Gutachten Dris. P. beruhten auf unvollständigen Annahmen, sodaß eine neuerliche Begutachtung - allenfalls durch einen weiteren Sachverständigen - notwendig gewesen wäre. Dabei wäre zutage gekommen, daß der Beschwerdeführer auf Grund seines gesundheitlichen Zustandes auf Dauer nicht mehr in der Lage gewesen sei, seinen Dienst ordnungsgemäß zu versehen.

Dem ist folgendes zu erwidern:

Im Beschwerdefall ist unbestritten, daß der Beschwerdeführer keinen Antrag auf Ruhestandsversetzung gestellt hat und die erste Tatbestandsvoraussetzung für die mit dem angefochtenen Bescheid ausgesprochene Versetzung in den zeitlichen Ruhestand nach § 43 Abs. 1 IGBG 1970 (mehr als ein Jahr bestehende Dienstunfähigkeit) erfüllt ist. Strittig ist, ob die zweite Tatbestandsvoraussetzung nach der genannten Bestimmung (Nichtvorliegen der Voraussetzungen für die Versetzung in den dauernden Ruhestand) zu Recht von der belangten Behörde bejaht wurde oder nicht. Im Beschwerdefall kommt dabei nur § 45 Abs. 1 lit. a bzw. Abs. 3 lit. a leg. cit. in Betracht: Beide Gesetzesstellen haben dabei - ungeachtet ihrer unterschiedlichen Textierung - denselben Fall der dauernden Dienstunfähigkeit vor Augen.

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Beamte nach § 43 Abs. 1 erster Satz in Verbindung mit § 45 Abs. 1 lit. a IGBG 1970 auch im amtswegig eingeleiteten Ruhestandsversetzungsverfahren ein Recht darauf, daß er nicht in den zeitlichen Ruhestand versetzt wird, wenn die Voraussetzungen für den dauernden Ruhestand (hier: "dauernde" Dienstunfähigkeit im Sinne des § 45 Abs. 1 lit. a bzw. Abs. 3 lit. a IGBG 1970) gegeben sind. Dies folgt zum einen aus der Formulierung des § 45 Abs. 1, der unter anderem im Fall der lit. a dem Beamten einen Anspruch auf Versetzung in den dauernden Ruhestand einräumt, ohne daß dies der Gesetzgeber ausdrücklich an einen Antrag des Beamten geknüpft hätte. Andererseits kommt - wie aus § 45 Abs. 3 lit. a IGBG 1970 abzuleiten ist - auch in diesem Fall die amtswegige Versetzung in den Ruhestand in Betracht.

Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch, daß dem Beamten im zeitlichen Ruhestand nach § 43 Abs. 1 IGBG 1970 eine andere dienstrechtliche Stellung (verstanden als die Summe von Rechten und Pflichten) zukommt als dem Beamten, der in den dauernden Ruhestand versetzt wurde.

Nur bei dem nach § 43 Abs. 1 in den zeitlichen Ruhestand versetzten Beamten endet im Falle der Wiedererlangung seiner Dienstfähigkeit innerhalb von drei Jahren der zeitliche Ruhestand, was seine Verpflichtung zur weiteren Dienstleistung (als Beamter des Dienststandes) auslöst (vgl. § 44 Abs. 1 und Abs. 3 in Verbindung mit § 45 Abs. 3 lit. b IGBG 1970), während im Fall der dauernden Ruhestandsversetzung eine derartige

"Reaktivierung" - selbst im Falle der Wiedererlangung der Dienstfähigkeit (zumindest dann, wenn kein Fall der Wiederaufnahme vorliegt) - im Gesetz nicht vorgesehen ist.

Nur den im zeitlichen Ruhestand befindlichen Beamten trifft auch die Anzeigepflicht nach § 44 Abs. 1 letzter Satz IGBG 1970.

Der Beschwerdeführer kann daher durch den ersten Satz des Spruches des angefochtenen Bescheides in dem von ihm genannten Recht nach § 45 Abs. 1 lit. a IGBG 1970 verletzt werden.

Eine solche Rechtsverletzung liegt aber im Beschwerdefall nicht vor. Der Beschwerdeführer mißt nämlich seiner Erklärung vom 22. Juni 1998 und ihrer zeitlichen Lagerung im Verwaltungsgeschehen keinerlei Bedeutung zu. Diese Erklärung erfolgte nach der Stellungnahme des ihn behandelnden Artzes Dr. G. vom 20. April 1998, in der sich dieser kritisch mit dem Gutachten des Sachverständigen Dr. P. vom 26. Februar 1998 auseinandersetzte, das die Dienstfähigkeit des Beschwerdeführers bejaht hatte. Die belangte Behörde hat offenkundig, gestützt auf dieses Gutachten, den Beschwerdeführer zum Wiederantrtt des Dienstes am 20. April 1998 aufgefordert; als Reaktion darauf erfolgte eine neuerliche "Krankmeldung" des Beschwerdeführers. Offenbar im Hinblick darauf hat die belangte Behörde ihre bisherige Auffassung, der Beschwerdeführer sei dienstfähig, aufgegeben und in der Folge dem Beschwerdeführer die Versetzung in den zeitlichen Ruhestand angekündigt, mit der der Beschwerdeführer laut Niederschrift vom 22. Juni 1998 wegen seiner derzeit gegebenen Dienstunfähigkeit einverstanden war. Sofern die Stellungnahme Dris. G. vom 20. April 1998 ihrem Inhalt nach so zu verstehen war, es läge aus medizinischer Sicht eine dauernde Dienstunfähigkeit des Beschwerdeführers vor, hat der Beschwerdeführer mit seiner späteren Erklärung vom 22. Juni 1998 diese Position offenkundig aufgegeben. Abgesehen davon, daß das spätere Schreiben Dris. G. vom 25. Juni 1998 erst nach der Beschlußfassung im Kollegialorgan des Stadtsenates bei der belangten Behörde einlangte und schon deshalb nach ständiger Rechtsprechung keine Verpflichtung der belangten Behörde bestand, darauf einzugehen (vgl. z.B. VwSlg. Nr. 7974 A/1971, sowie z.B. das hg. Erkenntnis vom 21. März 1991, 89/09/0040), ist auch nicht zu erkennen, daß Dr. G. als bevollmächtiger Vertreter des Beschwerdeführers (§ 10 AVG) eingeschritten ist, was im übrigen auch der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde nicht behauptet hat. Unter Berücksichtigung dieser besonderen Umstände des Beschwerdefalles war es aber nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde - ausgehend von der Erklärung des Beschwerdeführers vom 22. Juni 1998 - davon absah, weitere Ermittlungen zur Frage anzustellen, ob eine dauernde Dienstunfähigkeit des Beschwerdeführers gegeben sei oder nicht. Die Manuduktionspflicht geht nämlich nicht so weit, daß die Parteien dahingehend beraten werden müßten, mit welchen Mitteln sie bereits von der Behörde aufgenommene Beweise widerlegen oder in Frage stellen könnte (vgl. dazu z.B. das hg. Erkenntnis vom 22. Juni 1987, 87/12/0033).

Aus diesen Gründen war die vorliegende Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Kostenzuspruch stützt sich im Rahmen des gestellten Antrages - die belangte Behörde hat sich bei ihrem generell gestellten Kostenantrag ausdrücklich auf die Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 104/1991 gestützt - auf die §§ 47 ff VwGG.

Wien, am 11. November 1998

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Verfahrensgrundsätze im Anwendungsbereich des AVG Offizialmaxime Mitwirkungspflicht Manuduktionspflicht VwRallg10/1/1Ablehnung eines Beweismittels

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1998120223.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

19.04.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten