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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck, Hofrat Mag. Straßegger sowie Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision des G, MSc, in G, vertreten durch Dr. Bernhard Gumpoldsberger, Rechtsanwalt in 4642 Sattledt, Schulstraße 8, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 28. Jänner 2019, Zl. LVwG 30.13-1463/2018-20, betreffend Übertretung des ASchG (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: Bezirkshauptmannschaft Weiz), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Der Revisionswerber hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Der Revisionswerber ist Regionalverkaufsleiter näher bestimmter Filialen der H. KG. Mit Wirksamkeit vom 30. Mai 2016 wurde er von den zur Vertretung nach außen berufenen Organen der H. KG zum verantwortlichen Beauftragten - unter anderem - für die Einhaltung aller Arbeitnehmerschutzvorschriften und des Arbeitsinspektionsgesetzes (ArbIG) hinsichtlich der in der Filiale G. beschäftigten Bediensteten bestellt.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis legte das Verwaltungsgericht dem Revisionswerber als verantwortlichem Beauftragten nach § 23 ArbIG und "somit als zur Vertretung nach außen Berufenen gemäß § 9 Abs. 1 VStG" der Firma H. KG (Arbeitgeberin) folgende Verwaltungsübertretung zur Last: Es sei am 22. September 2016 bei einer Überprüfung durch das zuständige Arbeitsinspektorat festgestellt worden, dass sich die Filialleiterstellvertreterin P. am 2. September 2016 in der Arbeitsstätte H. KG in G. im Lagerbereich verletzt habe. Sie sei von der Arbeitnehmerin B. mit einem deichselgeführten E-Hubwagen aufgehoben worden, um einen Kleiderständer "auf eine(m) Verkaufsraum zu lagern." Beim Anheben habe sich die Verunfallte am Staplermasten festgehalten und sich zwei Finger durch Einquetschen schwer (Bruch) verletzt. Den Arbeitnehmerinnen sei kein geeignetes Arbeitsmittel zum Heben von Personen (wie etwa ein Arbeitskorb) zur Verfügung gestellt worden. Dadurch sei § 21 Abs. 1 AM-VO (iVm. § 130 Abs. 1 Z 16 ASchG) verletzt worden, weshalb das Verwaltungsgericht die von der belangten Behörde gegen den Revisionswerber verhängte Geldstrafe in der Höhe von EUR 1.500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe zwei Tage und 13 Stunden) bestätigte. 3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.
4 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die kostenpflichtige Zurück- bzw. Abweisung der Revision beantragt.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 8 In der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision wird ausgeführt, die verfahrensgegenständlich zu lösende Rechtsfrage, ob ein einmaliges weisungswidriges Fehlverhalten einer leitenden Angestellten (Filialleiterstellvertreterin) einem verantwortlichen Beauftragten in objektiver und subjektiver Hinsicht zuzurechnen sei, wenn vom Dienstgeber zahlreiche Maßnahmen zur Einhaltung der Arbeitsnehmerschutzvorschriften gesetzt worden seien, werde in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet. 9 Die Revision ist aus diesem Grund nicht zulässig:
10 Nach der hg. Rechtsprechung zur Einrichtung von Kontrollsystemen ist es für die Befreiung von der Verantwortlichkeit zusammengefasst entscheidend, ob Maßnahmen getroffen wurden, die im Ergebnis mit gutem Grund erwarten lassen, dass die Einhaltung der maßgeblichen Vorschriften gewährleistet ist. (Betriebliche) Kontrollsysteme gleichen sich in der Regel nicht und unterliegen daher einer einzelfallbezogenen Beurteilung durch das Verwaltungsgericht. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG läge nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgte und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Ergebnis führte (vgl. VwGH 29.1.2018, Ra 2017/04/0144; 20.2.2017, Ra 2017/02/0022).
11 Vor diesem Hintergrund gelingt es dem Revisionswerber mit den von ihm ins Treffen geführten hg. Entscheidungen, mit denen der Verwaltungsgerichtshof im Einzelfall Fragen nach der originären strafrechtlichen Verantwortlichkeit von zur Vertretung nach außen berufenen Organen von Kapitalgesellschaften behandelte (VwGH 30.10.1991, 91/09/0060; 28.2.2014, 2012/16/0101; 16.5.2011, 2009/17/0185), keine Uneinheitlichkeit der hg. Rechtsprechung zu Kontrollsystemen aufzuzeigen. Dass die im gegenständlichen Fall ebenso einzelfallbezogene Beurteilung des Verwaltungsgerichts, das vom Revisionswerber eingerichtete Kontrollsystem sei nicht geeignet gewesen, unter vorhersehbaren Umständen die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften zu gewährleisten und den gegenständlichen Arbeitsunfall zu verhindern, grob fehlerhaft erfolgt wäre, wird in der Revision nicht dargetan. Da sich das Verwaltungsgericht zur Begründung des angefochtenen Erkenntnisses auf die hg. Rechtsprechung zu Kontrollsystemen in Zusammenhang mit der Verletzung von Arbeitsnehmerschutzvorschriften stützte, ist eine Unvertretbarkeit dieser Einschätzung auch nicht zu erkennen. 12 In der Revision werden daher keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
13 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 51 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
14 Von der Durchführung der in der Revision beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.
Wien, am 13. September 2019
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019020073.L00Im RIS seit
07.10.2019Zuletzt aktualisiert am
07.10.2019