Kopf
Das Oberlandesgericht Linz als Rekursgericht hat durch Senatspräsident Dr. Ewald Greslehner, den Richter Mag. Bernhard Telfser und die Richterin Dr. Sabine Plöckinger in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Landesgerichtes Linz zu FN ***** eingetragenen S***** GmbH, *****, *****, wegen Eintragung einer Änderung des Gesellschaftsvertrages, über den Rekurs der Gesellschaft, vertreten durch Mag. Paul Schöffl, öffentlicher Notar in Freistadt, gegen den Beschluss des Landesgerichtes Linz vom 31. Juli 2019, 32 Fr 2510/19t-8, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der ordentliche Revisionsrekurs ist gemäß § 62 Abs 1 AußStrG zulässig.
Text
Begründung:
Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht den Antrag des Geschäftsführers M***** S***** auf Eintragung der Änderung des Gesellschaftsvertrages in seinem Punkt X. laut Generalversammlungsbeschluss vom 8. Mai 2019 ab.
Mit Generalversammlungsbeschluss vom 8. Mai 2019 wurde Punkt X. des Gesellschaftsvertrages neu gefasst und diverse Aufgriffsrechte des Gesellschafters M***** S***** festgelegt. Unter anderem soll dieser ein Aufgriffsrecht haben bei Insolvenz anderer Gesellschafter. Der Aufgriffspreis soll dann nach dem Wiener Verfahren ermittelt und um 50 % reduziert werden. Der gleiche Aufgriffspreis gilt auch für andere Aufgriffstatbestände; teilweise ist hier jedoch kein Abschlag von 50 % vorgesehen.
Das Erstgericht erachtete diese Regelung über den Aufgriffspreis für sittenwidrig, weil die Gläubiger im Insolvenzfall der Gesellschafter nur 50 % des ermittelten Wertes erhalten sollen. Dies ergebe sich aus der oberstgerichtlichen Entscheidung 6 Ob 35/16i. Damit sei der OGH von Vorjudikatur abgegangen. Dass der reduzierte Aufgriffspreis auch für andere Aufgriffstatbestände gelten solle, sei irrelevant. Abgesehen davon sei die Ermittlung des Wertes eines Geschäftsanteils nach dem Wiener Verfahren kein betriebswirtschaftlich anerkanntes Verfahren. Dem Firmenbuchgericht sei es verwehrt, sittenwidrige Satzungsbestimmungen einzutragen. Sonst müsste es die Eintragung nach § 10 Abs 1 FBG sogleich wieder löschen.
Die Gesellschaft bekämpft diesen Beschluss mit Rekurs aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Die Rekurswerberin beantragt die Abänderung des angefochtenen Beschlusses im Sinne einer Bewilligung der beantragten Eintragung.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
Die von der Rekurswerberin umfangreich ausgeführte Rechtsrüge lässt sich dahin zusammenfassen, dass das Erstgericht die oberstgerichtliche Entscheidung 6 Ob 35/16im überschießend interpretiert habe. Der Abtretungspreis nach dem Wiener Verfahren sei in der Regel sogar höher als der Buchwert. Da dessen Heranziehung für die Berechnung des Abfindungspreises anerkannte Grundlage sei, so müsse dies umso mehr für die Berechnung des Abtretungspreises nach dem Wiener Verfahren gelten. Der Oberste Gerichtshof habe in 6 Ob 35/16i hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, von der Vorjudikatur 6 Ob 142/05h nicht abzugehen. Die Zugrundelegung von Abfindungsbeschränkungen sei daher nicht per se unzulässig, sofern sie auch für vergleichbare Fälle und nicht nur für die Konkurseröffnung vorgesehen worden sei. Die Berechnung des Abtretungspreises gelte in der beantragten Änderung nicht nur im Konkursfall, sondern auch in anderen Fällen. Auch sei die These vom uneingeschränkten Vorrang der Gläubigerinteressen aus § 76 Abs 4 GmbHG nicht abzuleiten. Eine sittenwidrige Gläubigerbenachteiligung liege nicht vor, sondern vielmehr ein gerechter Interessenausgleich im Sinne einer langfristigen Planbarkeit der Übereinstimmung von Ein- und Verkaufspreis der Geschäftsanteile. Im Übrigen hätte das Erstgericht nur jene Bestimmungen der Satzungsänderung einer Prüfung unterziehen dürfen, die durch den Antrag tatsächlich abgeändert werden sollen. Schon bisher unzulässige, aber durch den Antrag nicht veränderte Klauseln könnten keine Abweisung des Eintragungsbegehrens zur Folge haben.
Soweit sich die Rekursargumentation in weiten Teilen auf die oberstgerichtlichen Entscheidungen 6 Ob 35/16i und 6 Ob 142/05h und deren Auslegung im Schrifttum erstreckt, ist ihr zunächst entgegenzuhalten, dass der Oberste Gerichtshof in beiden Fällen abweisende Entscheidungen der Rekursgerichte bestätigt hat. In beiden Fällen waren ähnliche Eintragungsbegehren wegen sittenwidriger Gläubigerbenachteiligung in allen drei Instanzen erfolglos geblieben. Als Argument in die Gegenrichtung, also für die Bewilligung eines ähnlichen Eintragungsbegehrens, eignen sich die beiden oberstgerichtlichen Entscheidungen schon deshalb nicht. Selbst wenn die zur Abweisung der Eintragungsbegehren führenden Gründe in den oberstgerichtlichen Entscheidungen 6 Ob 35/16i und 6 Ob 142/05h hier nicht zuträfen, wären die Unterinstanzen ihrer amtswegigen Prüfpflicht im Hinblick auf unzulässige Gläubigerbenachteiligung nicht enthoben.
Das Rekursgericht beurteilt das vom Erstgericht abgewiesene Eintragungsbegehren rechtlich wie folgt:
Die Eröffnung des Konkurses über den Gesellschafter hat zur Folge, dass der Geschäftsanteil des Gesellschafters gemäß § 1 IO als Exekutionsobjekt in die Insolvenzmasse fällt. Die mit dem Geschäftsanteil verbundene Rechtsausübung steht dann dem Insolvenzverwalter zu. Eine Immunisierung des Geschäftsanteils gegenüber dem Zugriff der Gläubiger gibt es in der Insolvenz des Gesellschafters nicht. Diesem Schutz der Gläubiger dient § 26 Abs 3 IO. Demnach bleibt der Masseverwalter zur Ausübung seiner Rechte befugt. Ob die Abfindungsklausel auch andere Fälle neben der Insolvenz erfasst, ist hiefür nicht relevant.
Diese Rechtslage hat das Oberlandesgericht Linz als Berufungsgericht bereits in seinem Berufungsurteil 2 R 80/98t, nachzulesen in den Entscheidungsgründen von 6 Ob 241/98d, dargelegt. Wenngleich der Oberste Gerichtshof in 6 Ob 241/98d das Berufungsurteil des OLG Linz aus einem anderen Grund bestätigt hat, so gibt der vorliegende Fall doch keinen Anlass, von dieser zweitinstanzlichen Judikatur abzuweichen, zumal der Oberste Gerichtshof in 6 Ob 21/79 (NZ 1981, 8) eine damit konform gehende Entscheidung des OLG Wien, wonach ein in einem GmbH-Gesellschaftsvertrag verankertes Übertragungsgebot nicht für den Masseverwalter im Gesellschafterkonkurs gilt, für nicht offenbar gesetzwidrig im Sinne des § 16 AußStrG (alte Fassung) gehalten hat. Damit konform geht auch die Kommentarmeinung von Weber-Wilfert/Widhalm-Budak in Konecny/Schubert § 26 KO Rz 91 ff; ebenso die überwiegende Rechtsprechung der Gerichte zweiter Instanz, vgl. Umlauft, Die Auswirkung des Insolvenzrechts auf gesellschaftsvertragliche Aufgriffsrechte in GesRz 2009, Seite 6). Weiters geht damit konform, dass der Oberste Gerichtshof in 8 Ob 4/92 die Bestimmung des § 26 Abs 3 KO auf Kaufoptionen angewendet hat. In ihren wirtschaftlichen Auswirkungen ist eine Kaufoption einem Aufgriffsrecht gleichzuhalten.
Die hier vorgesehene Reduktion des Aufgriffspreises auf 50% stellt noch ein zusätzliches Argument für eine Gläubigergefährdung dar. Dass der auf 50 % reduzierte Aufgriffspreis auch für andere Fälle gelten soll, bringt den Gläubigern nichts.
Was die Rekursausführungen zum Thema der langfristigen Planbarkeit im Sinne eines Mitarbeiterbeteiligungsmodells betrifft, so ergibt sich aus § 76 Abs 4 GmbHG die Wertung des Gesetzgebers, dass die Gläubigerbefriedigung den Interessen der Gesellschaft vorgeht und die Gläubiger jedenfalls den Schätzwert des Anteils erhalten sollen (so ausdrücklich 6 Ob 35/16i). Zudem ist die Insolvenz eines Gesellschafters bei der GmbH für die Gesellschaft weniger nachteilig als bei einer Personengesellschaft, weil die Kreditwürdigkeit der Gesellschaft nicht in gleichem Ausmaß von jener der Gesellschafter abhängt.
Entgegen der Rekursargumentation ist die Prüfungsbefugnis des Firmenbuchgerichtes auch nicht eingeschränkt; wurde doch der gesamte Punkt X. des Gesellschaftsvertrages neu gefasst, sodass auch die gesamte Neufassung der gerichtlichen Prüfung unterliegt. Da der Verwender einer gesetz- oder sittenwidrigen Klausel nicht besser gestellt sein kann als der Verwender einer gesetzeskonformen Klausel, wäre es ein Wertungswiderspruch, wenn die Rekurswerberin einen Vorteil daraus zöge, dass schon Teile des bisherigen Gesellschaftsvertrags unzulässig gewesen wären. Ob dies der Fall war, braucht daher nicht geprüft zu werden.
Zufolge sittenwidriger Gläubigergefährdung (§ 879 ABGB) hat daher das Erstgericht das Eintragungsbegehren zu Recht - im Ergebnis wie 6 Ob 35/16i und 6 Ob 142/05h - abgewiesen.
Der ordentliche Revisionsrekurs gemäß § 62 Abs 1 AußStrG ist zulässig, weil der Oberste Gerichtshof in 6 Ob 35/16i die Frage offen gelassen hat, ob Aufgriffsrechte für den Fall der Insolvenz eines Gesellschafters vereinbart werden können oder ob einer solchen Regelung in der Satzung § 26 Abs 3 IO entgegensteht.
Textnummer
EL0000282European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OLG0459:2019:00600R00095.19M.0827.000Im RIS seit
07.10.2019Zuletzt aktualisiert am
07.10.2019