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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §58 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Urban, über die Beschwerde der L-Gesellschaft m.b.H. in M, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 17. November 1995, Zl. Ge-441783/1-1995/Bi/G, betreffend Vorschreibung von Auflagen gemäß § 79 GewO 1994, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 17. November 1995 wurde der Beschwerdeführerin als Inhaberin der mit Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 10. Dezember 1990 genehmigten Betriebsanlage - eines Altstoffsammelzentrums im Standort K - gemäß § 79 Abs. 1 GewO 1994 folgende zusätzliche Auflage vorgeschrieben: Für "sehr giftige Stoffe" ist ein verschließbarer Schrank vorzusehen.
Zur Begründung dieser Auflagenvorschreibung führte der Landeshauptmann nach Darlegung des Verfahrensverlaufes und der gesetzlichen Bestimmungen der §§ 79 Abs. 1 und 77 Abs. 1 GewO 1994 im wesentlichen aus, nach der Definition der "sehr giftigen Stoffe" im Chemikaliengesetz sei davon auszugehen, daß darunter solche zu verstehen seien, die schon bei einmaliger oder kurz dauernder Einwirkung in geringer Menge durch Einatmen, Schlucken oder Aufnahme durch die Haut äußerst schwere akute oder chronische Gesundheitsschäden oder den Tod bewirken können. Bei diesen Stoffen könne ohne medizinisches Gutachten davon ausgegangen werden, daß diese zu einer Gesundheitsgefährdung für Kunden führen können, "sofern diese damit in Berührung kommen". Solche Stoffe müßten nach dem Chemikaliengesetz gekennzeichnet sein; es sei daher klar, welche Stoffe damit gemeint seien. Der Begriff "Stoff" umfasse als Überbegriff auch Abfälle, die diesen Stoff enthalten. Auch wenn sämtliche gefährlichen Stoffe im Problemstoffraum "untergebracht werden und dieser Raum während der Annahmezeit vom Personal überwacht wird", könne nicht ausgeschlossen werden, daß "Kunden diesen Raum betreten und somit mit den genannten Stoffen in Berührung kommen". Aus diesen Gründen werde ein verschließbarer Schrank für erforderlich erachtet.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht auf Nichtvorschreibung der in Rede stehenden zusätzlichen Auflage verletzt. Sie beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin macht im wesentlichen geltend, selbst nach dem Chemikaliengesetz werde eine Aufbewahrung von sehr giftigen Stoffen in verschließbaren Behältern nicht verlangt; eine Verwahrung im vorgesehenen Problemstoffraum sei ausreichend. Die vorgeschriebene Auflage entspreche weder dem Erfordernis der Bestimmtheit, noch sei sie geeignet, den Schutz der gemäß § 74 Abs. 2 GewO wahrzunehmenden Interessen zu gewährleisten. Dadurch, daß ein verschließbarer Schrank lediglich "vorgesehen" sei, fehle eine Verpflichtung zur Lagerung bzw. Aufbewahrung der Stoffe. Es sei nicht festgestellt worden, warum die vorgeschriebene Auflage erforderlich sei, bzw. warum die gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 wahrzunehmenden Interessen trotz Einhaltung der im Genehmigungsbescheid vorgeschriebenen Auflagen nicht mehr hinreichend geschützt seien. Der Amtssachverständige für Abfallchemie habe in der Niederschrift vom 7. Juni 1995 die vorgeschriebene Auflage lediglich "zur Anpassung an den Stand der Technik" für erforderlich erachtet. Die bekämpfte Auflagenvorschreibung sei auch deshalb unverständlich, weil die Betriebsanlagengenehmigung für die Sammlung und Zwischenlagerung von Altstoffen und Problemstoffen, jedoch nicht für Giftstoffe oder sehr giftige Stoffe erteilt worden sei.
Die Beschwerde ist schon aus folgenden Erwägungen berechtigt:
Gemäß § 79 Abs. 1 GewO 1994 - in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung vor der Gewerberechtsnovelle 1997, BGBl. I Nr. 63/1997 - hat die Behörde, wenn sich nach Genehmigung der Anlage ergibt, daß die gemäß § 74 Abs. 2 wahrzunehmenden Interessen trotz Einhaltung der im Genehmigungsbescheid vorgeschriebenen Auflagen nicht hinreichend geschützt sind, die nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen oder der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zur Erreichung dieses Schutzes erforderlichen anderen oder zusätzlichen Auflagen (§ 77 Abs. 1) vorzuschreiben.
Nach dem diesbezüglich eindeutigen Wortlaut dieser Gesetzesstelle setzt die Vorschreibung von anderen oder zusätzlichen Auflagen voraus, daß trotz Einhaltung der im Genehmigungsbescheid zugrundeliegenden Betriebsbeschreibung und der dort vorgeschriebenen Auflagen die gemäß § 74 Abs. 2 wahrzunehmenden Interessen nicht hinreichend geschützt sind. Hingegen rechtfertigt der Umstand allein, daß die genehmigte Betriebsanlage nicht konsensgemäß betrieben wird, nicht die Vorschreibung einer anderen oder zusätzlichen Auflage mit dem alleinigen Ziel, den konsensgemäßen Betrieb zu gewährleisten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 1997, Zl. 97/04/0084). Die Ermächtigung der Gewerbebehörde gemäß § 79 Abs. 1 GewO 1994 andere oder zusätzliche Auflagen vorzuschreiben hängt somit davon ab, daß die Einhaltung der im Genehmigungsbescheid vorgeschriebenen Auflagen und Bedingungen den hinreichenden Schutz der im § 74 Abs. 2 leg. cit. umschriebenen Interessen nicht gewährleistet und es daher der Vorschreibung anderer oder zusätzlicher Auflagen bedarf, um diesen Interessen einen ihnen durch den Genehmigungsbescheid nicht gewährleisteten Schutz zu vermitteln. Im Verfahren nach § 79 Abs. 1 leg. cit. unterliegt die Beurteilung in dieser Hinsicht keinen anderen Voraussetzungen als im Verfahren zur Genehmigung der Betriebsanlage (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 12. November 1996, Zl. 94/04/0174, und vom 17. April 1998, Zl. 96/09/0269).
Dem Genehmigungsbescheid vom 10. Dezember 1990 ist u.a. zu entnehmen, daß in der Betriebsanlage der Beschwerdeführerin Altstoffe
und Problemstoffe (das sind gefährliche Abfälle aus privaten Haushal ten
gesammelt und zwischengelagert werden. Hinsichtlich einer allfälligen Gefährdung der diese Anlage in Anspruch nehmenden Personen wurde in diesem Genehmigungsbescheid ausgeführt, daß aufgrund der Konzeption der Anlage eine Gefährdung nicht zu befürchten sei. Unter dem Gesichtspunkt des Arbeitnehmerschutzes wurde im genannten Genehmigungsbescheid zusammenfassend ausgeführt, daß in der Betriebsanlage Arbeitnehmer mit den in der Sammelstelle zum Weitertransport vorhandenen Stoffen und Materialien praktisch nicht in Berührung kommen und daher - bei beschreibungsgemäßer Errichtung und konsensgemäßem Betrieb - für die Manipulation keine zusätzlichen Schutzmaßnahmen erforderlich seien.
Davon ausgehend war es verfehlt, wenn die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid die Vorschreibung der in Rede stehenden Auflage allein darauf stützte, daß nicht ausgeschlossen werden könne, daß auch Kunden den vom Personal überwachten Problemstoffraum betreten und "somit mit den genannten Stoffen in Berührung kommen". Es hätte vielmehr der auf das Ergebnis entsprechender Ermittlungen gestützten Feststellungen bedurft, daß trotz einer dem Genehmigungsbescheid (und der Betriebsbeschreibung) entsprechenden Inanspruchnahme der Anlage durch Kunden deren Interessen nicht mehr hinreichend geschützt sind. Inwieweit bei konsensgemäßem Betrieb des Sammelzentrums von dieser Betriebsanlage für Kunden eine konkrete Gesundheitsgefährdung ausgeht, insbesonders inwieweit ein allfälliges Betreten des Problemstoffraumes allein bereits die Gesundheit der Kunden gefährdet und aus welchem Grund die in Rede stehende Auflage zum Schutz der Kunden notwendig sein soll, ist der Bescheidbegründung nicht nachvollziehbar zu entnehmen.
Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie schon in dieser Hinsicht den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Er war daher - ohne auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 11. November 1998
Schlagworte
Rechtsgrundsätze Auflagen und Bedingungen VwRallg6/4European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1996040016.X00Im RIS seit
11.07.2001