TE OGH 2019/8/29 6Ob92/19a

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Veröffentlicht am 29.08.2019
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Landesgerichts Linz zu FN ***** zur Eintragung angemeldeten A***** e.U. mit dem Sitz in F***** über den Revisionsrekurs des Antragstellers DI (FH) C*****, vertreten durch Mag. Wilhelm Deutschmann und MMag. Dr. Stefan Piringer, Rechtsanwälte in Linz, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 25. März 2019, GZ 6 R 166/18a-6, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Linz vom 29. November 2018, GZ 13 Fr 2432/18d-3, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Am 24. 5. 2018 beantragte DI (FH) C*****, vertreten durch Mag. Wilhelm Hermann Deutschmann, österreichischer Rechtsanwalt in Linz und niedergelassener europäischer Rechtsanwalt in Budweis, Tschechische Republik, die Eintragung des Einzelunternehmens A***** e.U. mit Sitz in F*****, und dem Geschäftszweig IT-Dienstleistungen sowie dem Antragsteller als Inhaber. Dieser betreibe seit 4. 4. 2008 an derselben Adresse ein Unternehmen mit dem Unternehmensgegenstand Dienstleistungen in der automatischen Datenverarbeitung und Informationstechnik.

Bereits am 30. 11. 2017 hatte der Rechtsanwalt als in der Tschechischen Republik niedergelassener europäischer Rechtsanwalt, eingetragen im Verzeichnis der europäischen Rechtsanwälte, geführt durch die Tschechische Rechtsanwaltskammer unter der Evidenznummer 50007, die Echtheit der Unterschrift des Antragstellers beglaubigt, wobei diese Beglaubigung in Linz erfolgte. Die Tschechische Rechtsanwaltskammer wiederum hatte am 9. 1. 2017 (richtig: 2018) bestätigt, dass die Erklärung über die Echtheit der Unterschrift gemäß § 25a des Gesetzes Nr 85/1996 Slg ordnungsgemäß vorgenommen wurde und der Rechtsanwalt am 30. 11. 2017 zur Gewährung juristischer Dienstleistungen auf dem Gebiet der Tschechischen Republik berechtigt war. Seitens der Tschechischen Rechtsanwaltskammer war diese Bestätigung von JUDr. L***** erfolgt, für dessen Unterfertigung wiederum vom Ministerium für auswärtige Angelegenheiten der Tschechischen Republik eine Apostille nach dem Haager Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Beglaubigung vom 5. 10. 1961 (Haager Beglaubigungsabkommen) ausgestellt worden war.

Das Erstgericht wies das Firmenbuchgesuch mangels Beglaubigung durch einen inländischen Notar oder das Gericht zurück (§ 11 Abs 1 UGB).

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu; es fehle an Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob Art 1 Abs 1 Unterabsatz 2 der Richtlinie 77/249/EWG des Rates vom 22. 3. 1977 zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs der Rechtsanwälte dahin auszulegen ist, dass er auf eine Regelung eines Mitgliedstaats keine Anwendung findet, die den Notaren die Vornahme von Beglaubigungen der Echtheit von Unterschriften auf Urkunden vorbehält (konkret: § 11 UGB) und dadurch die Möglichkeit ausschließt, in diesem Mitgliedstaat eine solche von einem in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Rechtsanwalt vorgenommene Beglaubigung anzuerkennen.

In der Sache selbst vertrat das Rekursgericht die Auffassung, dass die am Eintragungsgesuch des Antragstellers von einem tschechischen Rechtsanwalt vorgenommene Erklärung über die Echtheit ihrer Unterschrift sowie die durch die tschechische Rechtsanwaltskammer erfolgte Endbeglaubigung zwar den Vorschriften der tschechischen Republik entsprächen, und zwar konkret § 25a des tschechischen Gesetzes Nr 85/1996 Slg, wonach der (tschechische) Rechtsanwalt berechtigt ist, die amtliche Beglaubigung einer Unterschrift, die durch besondere Rechtsvorschriften gefordert wird, durch seine Erklärung mit den gleichen Rechtswirkungen zu ersetzen, sofern der Rechtsanwalt die Urkunde selbst verfasst hat oder sie durch die handelnde Person vor dem Rechtsanwalt eigenhändig unterschrieben wurde, und Art 10 Abs 1 des Beschlusses des Vorstands der tschechischen Rechtsanwaltskammer vom 11. 4. 2006, wonach die Kammer auf Verlangen der Person, die das rechtliche Interesse am Gebrauch der Erklärung als öffentliche Urkunde auch außerhalb des Territoriums der tschechischen Republik nachweist, die im Einklang mit dem Gesetz und mit diesem Beschluss abgegebene Erklärung mit ihrer Endbeglaubigung in der tschechischen Sprache nach dem als Anlage Nr 3 zu diesem Beschluss beigefügten Muster versieht. Eine derartige von einem tschechischem Rechtsanwalt verfasste und von der tschechischen Rechtsanwaltskammer endbeglaubigte Erklärung sei aber von § 21 Abs 2 des zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik geltenden Vertrags vom 10. 11. 1961 über den wechselseitigen rechtlichen Verkehr in bürgerlichen Rechtssachen über Urkundenwesen und über Erteilung von Rechtsauskünften nicht erfasst. Es liege auch kein Fall des multilateralen Haager Beglaubigungsabkommens vor, das nur öffentliche Urkunden, die in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats errichtet worden sind und die in dem Hoheitsgebiet eines anderen Vertragsstaats vorgelegt werden sollen, von der (diplomatischen) Beglaubigung befreit; hier sei aber die Urkunde in Österreich errichtet und auch dort, also im selben Hoheitsgebiet, zum Firmenbuch eingereicht worden. Die öffentliche Beglaubigung nach § 11 UBG habe durch das Gericht oder einen Notar zu erfolgen, was im Hinblick auf die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 9. 3. 2017 (C-342/15 [Piringer] EU:C:2017:196) zur Richtlinie 77/249/EWG zulässig sei. Der EuGH habe nämlich darauf verwiesen, dass die im (dortigen) Ausgangsverfahren in Rede stehenden §§ 31, 53 österreichisches GBG zwar eine Beschränkung des durch Art 56 AEUV garantierten freien Dienstleistungsverkehrs darstellten, diese aber aufgrund der mit den notariellen Tätigkeiten verfolgten im Allgemeininteresse liegenden Ziele, die insbesondere dazu dienten, die Rechtmäßigkeit und die Rechtssicherheit von Akten zwischen Privatpersonen zu gewährleisten und damit einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses darstellen, gerechtfertigt und verhältnismäßig seien. Diese Grundsätze seien auch für das vergleichbare Firmenbuchverfahren heranzuziehen, weshalb Art 56 AEUV dem § 11 Abs 1 österreichisches UGB nicht entgegen stünden.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zur Klärung der Rechtslage zulässig; er ist aber nicht berechtigt.

1. Nach § 11 Abs 1 UGB sind die Anmeldungen zur Eintragung in das Firmenbuch sowie die zur Aufbewahrung bei Gericht bestimmten Zeichnungen von Unterschriften in der Regel schriftlich in öffentlich beglaubigter Form einzureichen. Schriftliche Anmeldungen zum Firmenbuch bedürfen damit nach herrschender Auffassung der Beglaubigung der Echtheit der händischen Unterschrift des Unterzeichners oder des Handzeichens auf der Papierurkunde oder der elektronischen Signatur auf einer elektronisch errichteten Urkunde durch das Gericht (§ 188 AußStrG idF BGBl I 2016/50 iVm § 56 Abs 2 GOG) oder einen Notar (§ 79 NO) (Zib in Zib/Dellinger, UGB I/1 [2010] § 11 Rz 16; Ratka in Straube/Ratka/Rauter, WK UGB I4 [2018] § 11 Rz 23; Weigand in U. Torggler, UGB³ [2019] § 11 Rz 32; Pilgerstorfer in Artmann, UGB³ [2019] § 11 Rz 29), wobei diese Beglaubigungsformen gleichwertig sind (6 Ob 575/76). Rechtsanwälte haben nach österreichischem Recht keine Befugnis zur öffentlichen Beglaubigung von Unterschriften (5 Ob 21/15x; VwGH 2002/12/0064).

Dem Beglaubigungserfordernis liegt die Überlegung zugrunde, dass Anmeldungen und die Unterschriften, die bei Gericht zu deponieren sind, von den Personen stammen sollen, die dazu befugt sind; um deren Identität und die Echtheit der Unterschriften zu gewährleisten, sind sie grundsätzlich schriftlich in öffentlich beglaubigter Form einzureichen (Pilgerstorfer aaO § 11 Rz 2, 29a; vgl auch Zib aaO § 11 Rz 15 mit zahlreichen Nachweisen aus der zweitinstanzlichen Rechtsprechung in FN 27; Weigand aaO § 11 Rz 32). Im Unterschied zu einem Notariatsakt ist bei der öffentlichen Beglaubigung der Unterschrift der Inhalt der Urkunde nicht zu prüfen, mit der Beglaubigung sind somit auch weder Inhaltskontrolle noch Warnfunktion verbunden (Zib aaO § 11 Rz 15).

2. Es kann die öffentliche Beglaubigung grundsätzlich auch durch ausländische Behörden und Urkundspersonen vorgenommen werden. Voraussetzung hiefür ist im Allgemeinen die Gleichwertigkeit der Auslandsbeglaubigung, die an der Stellung der Urkundsperson zu messen ist. Dabei wird jedoch kein so strenger Maßstab angelegt wie bei Auslandsbeurkundungen von Rechtsgeschäften oder Gesellschafterbeschlüssen, zumal bei der bloßen Beglaubigung der Echtheit von Unterschriften keine inhaltliche Belehrungspflicht besteht (Pilgerstorfer in Artmann, UGB³ § 11 Rz 30). Die herrschende Auffassung nimmt daher jedenfalls für EWR-Mitgliedstaaten Gleichwertigkeit der zur Beglaubigungstätigkeit berufenen Behörden und Amtsträger an, also insbesondere der Notare und Gerichte (Pilgerstorfer aaO; vgl so bereits Umlauft, Die Entwicklung des Notariats in Europa, NZ 1994, 176; Wagner/Knechtel, Notariatsordnung6 [2007] § 2 Rz 2; Zib in Zib/Dellinger, UGB I/1 § 11 Rz 37); die Beglaubigungsklausel muss aber in deutscher Sprache verfasst oder mit einer beglaubigten Übersetzung eines allgemein beeideten gerichtlich zertifizierten Dolmetschers für die deutsche Sprache ergänzt sein (Zib aaO § 11 Rz 38). Der Oberste Gerichtshof hat bislang eine notarielle Beurkundung nach dem Beurkundungsgesetz der Bundesrepublik Deutschland vom 28. 8. 1969, BGBl I S 1513 anstatt der nach § 76 Abs 2 GmbHG vorgesehenen Notariatsaktform zur Abtretung von GmbH-Anteilen (6 Ob 525/89) ebenso akzeptiert wie die Niederschrift eines deutschen Notars anstelle der notariellen Beurkundung einer Abänderung eines Gesellschaftsvertrags nach § 49 Abs 1 GmbHG (6 Ob 1/91).

Daraus kann für den vorliegenden Fall allerdings nichts gewonnen werden, weil es sich bei Mag. Wilhelm Hermann Deutschmann um einen österreichischen Rechtsanwalt in Linz und niedergelassenen europäischen Rechtsanwalt in Budweis, Tschechische Republik, und nicht um einen Notar handelt.

3.1. Nach § 25a des tschechischen Gesetzes Nr 85/1996 Slg ist der (tschechische) Rechtsanwalt zwar berechtigt, die amtliche Beglaubigung einer Unterschrift, die durch besondere Rechtsvorschriften gefordert wird, durch seine Erklärung mit den gleichen Rechtswirkungen zu ersetzen, sofern der Rechtsanwalt die Urkunde selbst verfasst hat oder sie durch die handelnde Person vor dem Rechtsanwalt eigenhändig unterschrieben wurde. Allerdings hat die Regierung der Tschechischen Republik in dem zur Entscheidung des EuGH vom 9. 3. 2017 (C-342/15 [Piringer] EU:C:2017:196) führenden Verfahren ausdrücklich ausgeführt (Rz 67), dass ein tschechischer Anwalt zwar befugt sei, die Echtheit einer Unterschrift unter den in einer speziellen Regelung genau festgelegten Umständen zu bestätigen, doch gehe aus der Rechtsprechung des Nejvyšší soud (Oberstes Gericht, Tschechische Republik) klar hervor, dass der von einem tschechischen Rechtsanwalt angebrachte Beglaubigungsvermerk einer Unterschrift keine öffentliche Urkunde sei; deshalb habe diese Bestätigung im Fall eines Rechtsstreits zwischen den Parteien nicht die gleiche Beweiskraft wie eine Beglaubigung durch einen Notar.

3.2.1. Ob diese Ausführungen auch für den vorliegenden Sachverhalt beachtlich sind, kann dahin gestellt bleiben: § 11 Abs 1 UGB verlangt zwar nicht, dass das Firmenbuchgesuch mittels öffentlicher Urkunde eingebracht wird; das Gesetz verlangt (bloß) eine „öffentlich beglaubigte Form“. § 2 NO definiert als öffentliche Urkunden „die von Notaren aufgenommenen Notariatsurkunden (Notariatsakte, Notariatsprotokolle und notarielle Beurkundungen)“. Bei einer bloßen Unterschriftenbeglaubigung auf einer Privaturkunde nach § 79 NO ist nur die Legalisierungsklausel öffentliche Urkunde, die unterfertigte Schrift bleibt Privaturkunde (Wagner/Knechtel, Notariatsordnung6 § 79 NO Rz 19; 2 Ob 241/74). Es sind jedoch die Ausführungen des Obersten Gerichtshofs zum zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik geltenden Vertrag vom 10. 11. 1961 über den wechselseitigen rechtlichen Verkehr in bürgerlichen Rechtssachen über Urkundenwesen und über Erteilung von Rechtsauskünften (BGBl 309/1962 idF BGBl III 123/1997) in der Entscheidung 5 Ob 21/15x (ErwGr V.2.–4.) zu beachten:

Art 21 Abs 1 des Staatsvertrags bezweckt die Gleichstellung der beiderseitigen öffentlichen Urkunden hinsichtlich der Beweiskraft. Dazu verweisen die Erläuternden Bemerkungen (RV 689 BlgNR IX. GP, 16) ausdrücklich darauf, dass diese Gleichstellung einem seit jeher geübten Gegenseitigkeitsverhältnis entspricht. Abs 2 des Art 21 stellt die Bestätigung der Echtheit der Unterschrift auf einer Privaturkunde hinsichtlich der Beweiskraft den öffentlichen Urkunden gleich, sofern sie von einem Gericht, einer Verwaltungsbehörde oder von einem österreichischen öffentlichen Notar beigesetzt worden ist. Im Gegensatz zu Art 21 Abs 1 letzter Satz des Staatsvertrags, der die Beweiskraft öffentlicher Urkunden auch für andere inländische Urkunden, denen nach den Rechtsvorschriften eines Vertragsstaats eine solche Beweiskraft zukommt, erstreckt, beschränkt Abs 2 diese Wirkung ausschließlich auf Bestätigungen, die von einem Gericht, einer Verwaltungsbehörde oder von einem österreichischen öffentlichen Notar stammen. Nur solche Bestätigungen bedürfen keiner weiteren Beglaubigung.

Der Wortlaut des Staatsvertrags unterscheidet damit zwischen Urkunden, denen nach dem Ausstellungsort die Beweiskraft öffentlicher Urkunden zukommt und der Bestätigung der Echtheit der Unterschrift, der eine solche Beweiskraft nur dann beigemessen werden kann, wenn sie von einem Gericht, einer Verwaltungsbehörde oder einem österreichischen öffentlichen Notar stammt. Der Zweck des Staatsvertrags ist an den im bilateralen Verhältnis im Zeitpunkt seines Abschlusses vorherrschenden Gegenseitigkeitsverhältnissen zu messen. In keiner der nationalen Rechtsordnungen kam zu diesem Zeitpunkt Rechtsanwälten die Befugnis zur Bestätigung der Echtheit von Unterschriften zu. Dass auch die Ausdehnung einer solchen Befugnis auf Rechtsanwälte in einem der beiden Vertragsstaaten von dieser Regelung erfasst sein sollte, widerspricht daher nicht nur dem Wortlaut des Abkommens, das die zur Zeit des Zustandekommens mit einer solchen Befugnisse ausgestatteten Institutionen und Personen in Art 21 Abs 2 abschließend aufzählt (und sich damit deutlich von Art 21 Abs 1 letzter Satz unterscheidet), sondern lässt sich auch mit dem im Völkerrecht tragenden Grundsatz der Gegenseitigkeit nicht in Einklang bringen.

Der Senat geht daher davon aus, dass die Erklärung über die Echtheit der Unterschrift auf einer Privaturkunde, die von einem tschechischen Rechtsanwalt gemäß § 25a des tschechischen Gesetzes über die Rechtsanwaltschaft beigesetzt und von der tschechischen Rechtsanwaltskammer endbeglaubigt wurde, von dem […] Vertrag […] nicht erfasst ist.

3.2.2. Piringer/Vachta (Anerkennung von tschechischen Anwaltsbeglaubigungen – zwei Praxisfälle, ZfRV 2010/30) wandten sich bereits vor dieser Entscheidung gegen eine (solche) Auslegung ausschließlich am Wortlaut des Art 21 des Vertrags. Eine solche würde nämlich bedeuten, dass neben den tschechischen Rechtsanwälten auch die tschechischen Notare nicht unter Art 21 Abs 2 iVm Art 22 des bilateralen Rechtshilfevertrags zu subsumieren wären, weil auch diese nicht ausdrücklich genannt seien. Dies würde allerdings Ziel und Zweck des gegenständlichen Rechtshilfevertrags zuwider laufen und zu einem offensichtlich unvernünftigen Ergebnis führen.

Hintergrund sei, dass die früheren tschechoslowakischen Staatsnotare Verwaltungsbehörden waren und daher in Art 21 Abs 2 des bilateralen Rechtshilfevertrags nicht ausdrücklich erwähnt wurden.

Die tschechoslowakischen Staatsnotare seien durch das Notariatsgesetz vom 7. 5. 1992

in (öffentliche) Notare westlicher Prägung formell übergeleitet worden;

ab diesem Zeitpunkt gelten sie nicht mehr als Verwaltungsbehörden und seien unter diesen Begriff nicht mehr zu subsumieren. Daher werde in der Literatur vertreten, dass Art 21 Abs 2 des bilateralen Rechtshilfevertrags dahingehend ergänzend zu interpretieren ist, dass er auch tschechische öffentliche Notare mit umfasst.

Da die tschechischen Rechtsanwälte gleich wie die tschechischen Notare berechtigt sind, die Echtheit der Unterschrift auf einer Privaturkunde zu bestätigen, sei Art 21 Abs 2 iVm Art 22 des bilateralen Rechtshilfevertrags überdies dahingehend ergänzend zu interpretieren, dass er auch die tschechischen Rechtsanwälte umfasst; die Ungleichstellung mit den tschechischen Notaren würde die tschechischen Rechtsanwälte unzulässig diskriminieren.

Diese Ausführungen überzeugen nicht, begründen Piringer/Vachta doch zunächst selbst, warum die tschechischen Notare in Art 21 Abs 2 des bilateralen Rechtshilfevertrags nicht erwähnt wurden; auf die tschechischen Rechtsanwälte lässt sich die Argumentation aber nicht übertragen (auch Duchek/Schütz/Tarko, Zwischenstaatlicher Rechtsverkehr in Zivilsachen [1998] Seite 1137 Anm 13a erwähnen lediglich die tschechischen Notare). Dass tschechische Notare und Rechtsanwälte in gewissen Bereichen ungleich behandelt werden, entspricht aber (offensichtlich) der tschechischen Rechtslage (3.1.).

3.2.3. Der Antragsteller meint im Revisionsrekursverfahren, die Ausführungen des Obersten Gerichtshofs in seiner Entscheidung 5 Ob 21/15x seien hier nicht einschlägig; im Unterschied zum dort zu beurteilenden Sachverhalt habe er hier für die Anwaltsbeglaubigungen zusätzlich die Apostille nach dem Haager Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Beglaubigung vom 5. 10. 1961 (Haager Beglaubigungsabkommen) eingeholt. Dem kann nicht gefolgt werden:

Allein aufgrund der Endbeglaubigung der Tschechischen Rechtsanwaltskammer fällt die Beglaubigung durch den Rechtsanwalt nicht unter den Begriff der öffentlichen Urkunde iSd Art 21 Abs 1 letzter Satz des bilateralen Rechtshilfevertrags. Der Begriff der öffentlichen Urkunde bezieht sich zwar nicht immer auf ein Schriftstück als Ganzes, sondern auch auf jenen Teil eines solchen, der die öffentliche Beurkundung darstellt, wie etwa die Unterschriftsbeglaubigungsklausel auf einer Privaturkunde (Wagner/Knechtel, Notariatsordnung6 § 2 NO Rz 1); eine derartige Beglaubigung der Echtheit einer Unterschrift auf einer Privaturkunde fällt jedoch ausdrücklich in den Anwendungsbereich des Art 21 Abs 2 des Rechtshilfevertrags. Würde man nämlich eine solche Beurkundung unter Art 21 Abs 1 des Rechtshilfevertrags subsumieren, bloß weil es sich bei einem Teil dieser Urkunde, nämlich der Bestätigung selbst, um eine öffentliche Urkunde handelt, so bliebe kein Platz mehr für eine Anwendung des Art 21 Abs 2 des Rechtshilfevertrags (so LG Linz 32 R 96/14i als Rekursgericht in dem der Entscheidung 5 Ob 21/15x zugrunde liegenden Verfahren). Dass die Unterschrift der Bestätigung der Tschechischen Rechtsanwaltskammer mit einer Apostille nach dem Haager Beglaubigungsabkommen versehen wurde, vermag daran nichts zu ändern, könnten doch sonst – worauf bereits das Erstgericht hingewiesen hat – die Beschränkungen des Art 21 Abs 2 des Rechtshilfevertrags willkürlich umgangen werden.

4. Das Rekursgericht verneinte die Anwendbarkeit des Haager Übereinkommens auf den vorliegenden Sachverhalt im Hinblick auf dessen Art 1, wonach dieses Übereinkommen auf öffentliche Urkunden anzuwenden ist, die in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats errichtet worden sind und die in dem Hoheitsgebiet eines anderen Vertragsstaats vorgelegt werden sollen. Tatsächlich sei das Eintragungsgesuch in Österreich errichtet und dort auch zum Firmenbuch eingereicht worden (im Revisionsrekurs trägt der Antragsteller hiezu noch nach, dass [auch] die Unterschriftsbeglaubigung auf dem Hoheitsgebiet der Republik Österreich erfolgt sei). Der Revisionsrekurs vertritt in diesem Zusammenhang allerdings die zutreffende Auffassung, dass erst die Endbeglaubigung der Erklärung des tschechischen Rechtsanwalts durch die tschechische Rechtsanwaltskammer aufgrund Art 10 Abs 1 des Beschlusses des Vorstands der tschechischen Rechtsanwaltskammer vom 11. 4. 2006 zu einer „vollständigen öffentlichen Urkunde“ führte, die der Ausstellung einer Apostille zugänglich war. Tatsächlich spricht Art 10 Abs 1 vom „Verlangen der Person, die das rechtliche Interesse am Gebrauch der Erklärung [Beglaubigung] als öffentliche Urkunde auch außerhalb des Territoriums der Tschechischen Republik nachweist“. Endbeglaubigung und Apostille erfolgten jedoch auf dem Hoheitsgebiet der Republik Tschechien.

5. Der EuGH stellte in der bereits erwähnten Entscheidung C-342/15 (Piringer) EU:C:2017:196 klar, dass Art 1 Abs 1 Unterabsatz 2 der Richtlinie 77/249/EWG auf eine Regelung eines Mitgliedstaats wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, die den Notaren die Vornahme von Beglaubigungen der Echtheit von Unterschriften auf Urkunden, die für die Schaffung oder Übertragung von Rechten an Liegenschaften erforderlich sind, vorbehält und dadurch die Möglichkeit ausschließt, in diesem Mitgliedstaat eine solche, von einem in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Rechtsanwalt vorgenommene Beglaubigung anzuerkennen, keine Anwendung findet. Außerdem stehe Art 56 AEUV einer Regelung eines Mitgliedstaats wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nicht entgegen, die den Notaren die Vornahme von Beglaubigungen der Echtheit von Unterschriften auf Urkunden, die für die Schaffung oder Übertragung von Rechten an Liegenschaften erforderlich sind, vorbehält und dadurch die Möglichkeit ausschließt, in diesem Mitgliedstaat eine solche, von einem in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Rechtsanwalt im Einklang mit seinem nationalen Recht vorgenommene Beglaubigung anzuerkennen. Grundlage dieses Verfahrens waren § 31 Abs 1 GBG, wonach die Einverleibung nur aufgrund öffentlicher Urkunden oder solcher Privaturkunden geschehen kann, auf denen die Unterschriften der Parteien gerichtlich oder notariell beglaubigt sind […], und § 53 Abs 3 GBG, wonach die Anmerkung der Rangordnung nur dann bewilligt werden kann, wenn […] die Unterschrift der Gesuche gerichtlich oder notariell beglaubigt ist.

Diese Bestimmungen unterscheiden sich nun zwar von § 11 Abs 1 UGB dahin, dass sie ausdrücklich eine gerichtliche oder notarielle Beglaubigung verlangen, während § 11 Abs 1 UGB (lediglich) von einer öffentlich beglaubigten Form spricht. Ein qualitativer Unterschied kann darin allerdings nicht erkannt werden, wurde doch bereits ausgeführt, dass damit die Beglaubigung durch Gericht oder Notar, nicht aber durch einen Rechtsanwalt gemeint ist. Demzufolge geht auch die überwiegende Literatur davon aus, dass die Entscheidung des EuGH auch auf andere Register wie das österreichische Firmenbuch anwendbar ist (Stöger, Anwaltliche und notarielle Beglaubigung im Binnenmarkt – der Fall Piringer, NZ 2017/60, 161 [166]; Schopper/Walch, Die vereinfachte Gründung nach § 9a GmbHG, ÖBA 2018, 379 [407] unter Hinweis auf Teichmann, Die elektronische Gründung von Kapitalgesellschaften, GmbHR 2018, 1 [4]). Die Überlegungen von Pilgerstorfer (in Artmann, UGB³ § 11 Rz 30), der EuGH habe sich bloß auf konstitutive Rechtsakte bezogen (so auch Rechberger/Kieweler, „Notar bleibt Notar“ – Zum notariellen Beglaubigungsvorbehalt bei konstitutiven Grundbuchsgesuchen nach der EuGH-Entscheidung in der Rs Piringer, ZfRV 2017/15, 122 [131, 132]), während Firmenbuchanmeldungen lediglich deklarativ und meistens nicht selbst die (unmittelbare) Grundlage einer Firmenbucheintragung, sondern hiefür weitere Urkunden (wie etwa notariell beurkundete Generalversammlungsbeschlüsse usw) vorzulegen seien, überzeugen gerade im vorliegenden Verfahren nicht, ist doch hier ausschließlich das vom tschechischen Rechtsanwalt beglaubigte Eintragungsgesuch Grundlage für die beantragte Eintragung.

6. Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung 5 Ob 120/16g (NZ 2017/59 [Hoyer]) klargestellt, dass Tätigkeiten eines deutschen Konsularbeamten (konkret: eines österreichischen Rechtsanwalts, der zum Zeitpunkt der Beglaubigung Honorarkonsul der Bundesrepublik Deutschland war) im Zusammenhang mit der Beglaubigung von Urkunden, die in Österreich errichtet wurden, in irgendeiner Weise einen Bezug zu deutschen Interessen haben müssen, um in Ausübung dieses Amts zu erfolgen. Dies könne etwa dann der Fall sein, wenn die Errichtung der Urkunde im Ausland (Österreich) mit dem Ziel der Verwendung im Rechtsverkehr des Entsendestaats (Bundesrepublik Deutschland) erfolgte. Treffe dies zu, liege auch der geforderte Bezug zu deutschen Interessen vor, und die von einem Konsularbeamten unter Berufung auf § 10 Abs 1 (dt)KG vorgenommene Beglaubigung werde dann bei Verwendung im innerstaatlichen (deutschen) Rechtsverkehr der eines (deutschen) Notars gleichzuhalten sein. Im vorliegenden Fall sei die Tätigkeit des Vertreters des Antragstellers, die vorgeblich als Honorarkonsul der Bundesrepublik Deutschland erfolgt sein soll, nämlich die Beglaubigung von Unterschriften auf der von österreichischen Staatsbürgern im (österreichischen) Inland errichteten und zur ausschließlichen Verwendung im (österreichischen) Inland bestimmten Privaturkunde ohne jeden deutschen Interessenbezug und damit materiell nicht in Ausübung des konsularischen Amts vorgenommen worden, weshalb das aus § 31 Abs 1 GBG folgende Erfordernis der Unterschriftenbeglaubigung durch einen österreichischen Notar (ein österreichisches Gericht) nicht im Wege des § 10 (dt)KG iVm Art 4 des zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland geltenden Beglaubigungsvertrags umgangen werden könne.

Auch wenn im vorliegenden Fall für die Errichtung des Eintragungsgesuchs des Antragstellers die Mitwirkung tschechischer Institutionen notwendig war (4.), so ist doch darauf hinzuweisen, dass der Antragsteller, bei dem – soweit ersichtlich – keinerlei Bezug zur Republik Tschechien besteht, von einem Rechtsanwalt vertreten wird, der zunächst in Österreich und damit als österreichischer Rechtsanwalt die Urkunde errichtet und beglaubigt, um sie dann in der Tschechischen Republik als niedergelassener europäischer Rechtsanwalt endbeglaubigen zu lassen und zuletzt wieder – als österreichischer Rechtsanwalt – im österreichischen Firmenbuchverfahren (in Vertretung des Antragstelles) zu verwenden.

7. Damit konnte dem Revisionsrekurs des Antragstellers aber kein Erfolg beschieden sein.

Textnummer

E126197

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0060OB00092.19A.0829.000

Im RIS seit

03.10.2019

Zuletzt aktualisiert am

09.08.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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