TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/5 I407 1423059-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.03.2019
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Entscheidungsdatum

05.03.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs1
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §58 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 2
EMRK Art. 3
EMRK Art. 8
FPG §46
FPG §50 Abs1
FPG §50 Abs2
FPG §50 Abs3
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I407 1423059-2/16E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Stefan Mumelter über die Beschwerde von XXXX, geboren am XXXX, StA. Nigeria, vertreten durch Rechtsanwältin Mag. Susanne SINGER, 4600 Wels, Maria-Theresia-Str. 9, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 12.06.2018, Zl. 811401207/1985315, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 19.02.2019 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die beschwerdeführende Partei, eine weibliche Staatsangehörige Nigerias, stellte am 20.11.2011 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2. Bei ihrer Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag gab die beschwerdeführende Partei an, ledig zu sein und Ende Oktober mithilfe eines Pfarrers in Lagos ein Containerschiff bestiegen zu haben. Die Reise sei von dem Pfarrer organisiert worden. Die beschwerdeführende Partei habe dafür nichts bezahlt. Als Fluchtgrund gab sie an, fünf Jahre in einer Lebensgemeinschaft mit einem Mann gelebt zu haben, der ein böser Mensch gewesen sei. Eines Tages sei der Lebensgefährte von der Arbeit zurückgekommen und habe ihr erzählt, dass er ins Dorf verreisen müsse. Sie selbst habe von Nachbarn erfahren, dass Unbekannte nach dem Lebensgefährten gesucht haben. Danach sei noch eine Gruppe von Männern gekommen, die auf der Seite des Lebensgefährten gewesen seien. Die beschwerdeführende Partei habe niemanden von ihnen gekannt. Die Nachbarn haben ihr geraten, nicht zuhause zu schlafen, weil die Männer in der Nacht nochmal kommen könnten. Zu dem Zeitpunkt seien Bomben auf die Polizeistation geworfen worden. Sie sei zu ihrem Pfarrer geflüchtet und habe ihm das Problem erzählt. Der Pfarrer habe dann recherchiert und ihr erzählt, dass der Lebensgefährte ein Mitglied der Boko Haram sei, die Menschen töten würden. Er habe weiter gemeint, dass der Lebensgefährte auch am Anschlag auf die Polizeistation beteiligt gewesen sein soll, und habe die beschwerdeführende Partei dann in Sicherheit gebracht.

3. Bei der Einvernahme durch die belangte Behörde am 22.11.2011 gab die beschwerdeführende Partei, soweit wesentlich, weiter an, im Dorf

XXXX in Plateau State in Jos -south geboren zu sein. Sie habe keine Geschwister, und ihre Eltern seien schon gestorben. Die Schule habe sie drei Jahre lang besucht. Sie sei ledig und hat keine Kinder. Sie wisse nichts von weiteren Angehörigen. Sie habe nicht gearbeitet, bzw. in Port Harcourt von 2000 - 2006 als Kindermädchen gearbeitet. Danach habe sie nicht mehr gearbeitet, ihr Lebensgefährte habe sie dann versorgt. Geboren sei sie im Dorf XXXX. Nach dem Tod der Mutter sei sie zu einer Freundin, danach alleine nach Port Harcourt gezogen. Jene Freundin habe ihr den Job als Kindermädchen besorgt. Bis 2006 habe sie dann im Port Harcourt gelebt. Danach sei sie nach

XXXX in Nasarawa-State gezogen, wo sie sich bis zu ihrer Flucht aufgehalten habe. Ende Oktober 2011 habe sie Nigeria mit dem Schiff verlassen.

In Nigeria habe sie Probleme mit der Polizei und der Boko Haram gehabt. Ihr Lebensgefährte sei Mitglied der Gruppe gewesen. Nach dem Fluchtgrund gefragt gab die beschwerdeführende Partei an, seit 2006 mit ihrem Freund XXXX in XXXX zusammengelebt zu haben. Am Tag, als das Polizeihauptquartier in Abuja bombardiert worden sei, habe ihr Freund gesagt, dass er wegfahren müsse. Nachmittags sei er zurückgekommen, sei sehr nervös gewesen und habe sich beeilt. Sie habe wissen wollen, was mit ihm los sei. Sie glaube, das sei alles im Juni 2011 passiert. Er habe gemeint, ins Dorf fahren zu wollen. Danach sei er weggegangen. Am Abend sei die beschwerdeführende Partei in die Kirche gegangen. Nachdem sie zurückgekommen sei, habe ihr ein Nachbar gesagt, dass einige nicht-uniformierte Polizisten in der Wohnung gewesen seien und nach XXXX gesucht haben. Am gleichen Tag seien auch einige Mitglieder der Boko Haram bei ihnen gewesen und haben gesagt, dass sie XXXX suchen würden. Diese Leute hätten auch mit dem Nachbarn gesprochen. Ihr Nachbar habe gemeint, dass sie die Wohnung sofort verlassen solle. Sie sei in die Kirche zurückgegangen und habe dem Priester alles erzählt. Der Priester habe gemeint, sie solle in der Kirche bleiben, während er versuchen würde, an Informationen zu kommen. Nachdem er zurückgekommen sei, habe er gemeint, dass es Probleme gebe. Sie habe sich daher einige Monate in der Kirche aufgehalten. Danach habe der Pfarrer gesagt, dass die beschwerdeführende Partei die Stadt verlassen solle, weil es auch in der Kirche nicht mehr sicher gewesen sei. Eine Woche später habe er gemeint, dass er ihr helfen würde, die Kirche zu verlassen. Er habe sie daraufhin nach Lagos gebracht und zwei Männern übergeben, die sie auf ein Schiff gebracht haben. Bis zu diesem Zeitpunkt habe sie nicht gewusst, dass XXXX ein Mitglied der Boko Haram sei. Auf die Frage, warum die Polizei nach ihr suchen solle, meinte sie, dass diese wissen würde, dass sie mit XXXX zusammenlebe. In Nigeria werde man bereits deswegen verfolgt. Sie wisse weder über die Boko Haram noch über den Anschlag Genaueres. Sie wisse nur, dass am gleichen Tag das Polizeihauptquartier angegriffen worden sei. Sie vermute daher, dass es einen Zusammenhang gebe. Persönlich habe sie mit niemandem Probleme gehabt. Sie wisse nur vom Nachbarn, was vorgefallen sei. Hätte der Nachbar ihr das nicht erzählt, wäre sie in der Wohnung geblieben und entweder von der Polizei oder der Boko Haram erwischt worden. Die Boko Haram hätte die beschwerdeführende Partei auch in Lagos erwischt und getötet. Sie würden glauben, dass XXXX ihr Geheimnisse erzählt habe. Auch in Lagos hätte sie vor Boko Haram Angst gehabt. XXXX seit ca. 7-8 Autostunden von Lagos entfernt. Bei einer Rückkehr würde sie fürchten, von Boko Haram getötet oder von der Polizei verhaftet zu werden.

4. Mit dem Bescheid vom 23.11.2011 wurde der Antrag der beschwerdeführenden Partei bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.), der Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt II.), und die beschwerdeführende Partei gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria ausgewiesen.

Nach einer Zusammenfassung des Verfahrensganges und der Einvernahmen stellte die belangte Behörde, soweit wesentlich, fest, dass die beschwerdeführende Parteien nigerianische Staatsangehörige und Christin sei. Sie sei in XXXX, in Plateau State, geboren, sei ledig und habe keine Kinder. Die Angaben zu den Fluchtgründen seien nicht glaubhaft. Die beschwerdeführende Partei habe keine asylrelevante Verfolgung bzw. Verfolgungsgefahr hinsichtlich ihres Herkunftsstaates Nigeria glaubhaft machen können. Es sei auch kein Abschiebehindernis festzustellen. Danach traf die belangte Behörde damals aktuelle Länderfeststellungen zu Nigeria.

Beweiswürdigend führte die belangte Behörde aus, dass an den Angaben der beschwerdeführenden Partei zu den Fluchtgründen erhebliche Zweifel bestehen würden. Es sei jedoch zu erwähnen, dass es dahingestellt bleiben könne, ob der Fluchtgeschichte Glauben geschenkt werde oder nicht, da eine Verfolgung durch eine kriminelle Gruppe nicht dem Staat zuzuordnen sei. Eine mögliche Verfolgung durch Dritte sei nur dann relevant, wenn ein Staat weder willig noch fähig wäre, der beschwerdeführenden Partei Schutz zu gewähren. Das könne jedoch im konkreten Falle nicht angenommen werden. Schließlich könne sich die beschwerdeführende Partei auch an einem anderen Ort in Nigeria niederlassen. Sie sei gesund und arbeitsfähig und könne wie bisher ihren Lebensunterhalt bestreiten.

5. In der gegen diesen Bescheid rechtzeitig eingebrachten Beschwerde wurde zusammengefasst vorgebracht, dass die beschwerdeführende Partei stets die Wahrheit gesagt und niemals versucht habe, ihr Fluchtvorbringen zu konstruieren. Sie habe widerspruchsfrei erklärt, dass ihr Lebensgefährte Mitglied der Boko Haram gewesen sei, was sie erst vor kurzem erfahren habe. Sie wolle anmerken, dass es in der patriarchalischen Gesellschaft Nigerias nicht üblich sei, dass Frauen über alles genauestens informiert werden. Sie hätten in Nigeria einen geringeren Stellenwert als Männer. Sie sei der Meinung, dass es einen Zusammenhang zwischen ihrer Annahme, dass ihr Lebensgefährte der Boko Haram angehöre, und dem Anschlag auf die Polizeistation in Abuja gegeben habe. Die Behörde verkenne außerdem die Gefährlichkeit dieser Gruppierung. Boko Haram habe gute Kontakte und ein gutes Verbindungsnetz in Nigeria und könnte die beschwerdeführende Partei sicherlich früher oder später finden. Im Falle einer Rückkehr nach Nigeria wäre sie einer lebensbedrohlichen Situation ausgesetzt. Es könne weiter nicht ausgeschlossen werden, dass auch die beschwerdeführende Partei verdächtigt würde, mit Boko Haram in Verbindung zu stehen. In eventu stelle sie den Antrag auf Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten, weil im Falle einer Abschiebung nach Nigeria eine reale Gefahr der Verletzung von Art. 2 und 3 in EMRK drohe.

6. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Erkenntnis vom 03.09.2015 zu GZ W211 1423059-1/13E nach mündlicher Verhandlung vom 04.08.2015 die Beschwerde gemäß § 3 Abs. 1 und § 8 Abs. 1 AsylG als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt I.) und das Verfahren gemäß § 75 Abs. 20 AsylG zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen (Spruchpunkt II.). Die Revision wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt. Begründend hat das BVwG ausgeführt, dass, obgleich Hinweise dafür vorhanden seien, das Vorbringen der Revisionswerberin als nicht glaubwürdig anzusehen sei, seitens des Gerichts zur Frage, ob es den Tatsachen entspreche, keine Feststellungen getroffen würden. Vielmehr werde das Vorbringen für die rechtliche Beurteilung als wahr unterstellt. Es werde allerdings festgestellt, dass die Revisionswerberin eine innerstaatliche Fluchtalternative, insbesondere im Süden von Nigeria, in Anspruch hätte nehmen können. Im Weiteren gab das Verwaltungsgericht den Inhalt diverser Berichte und anderer Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts zu Nigeria wieder. Erkennbar erhob das Bundesverwaltungsgericht den Inhalt aller im Erkenntnis wiedergegebenen Quellen zu seinen Feststellungen über die Situation in Nigeria.

Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung wiederholte das Bundesverwaltungsgericht, dass es zwar die Richtigkeit des Vorbringens nicht als gegeben feststelle, es jedoch für die rechtliche Beurteilung als wahr unterstelle. Ohne eine nähere Überprüfung des Fluchtvorbringens im Einzelnen vornehmen zu müssen, müsse "jedenfalls die Möglichkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative anerkannt werden". Es sei der Revisionswerberin möglich, innerhalb Nigerias an einem anderen Ort Schutz zu finden. Die Inanspruchnahme dieser Möglichkeit sei ihr auch zumutbar. Sie habe bereits sechs Jahre in Port Harcourt, also im Süden des Landes, gelebt und sich dort als Kindermädchen versorgen können. Es gebe keinen Hinweis darauf, dass sich die Revisionswerberin nicht durch eine Neuansiedlung in Port Harcourt oder einem anderen Ort im Süden ihres Heimatlandes einen Lebensunterhalt aufbauen könnte und sich durch diese Neuansiedlung einer allfälligen Verfolgung durch "die Boko Haram" entziehen könnte. Eine solche Neuansiedlung könnte insbesondere für alleinstehende Frauen und außerhalb eines sozialen Netzwerkes schwierig sein. Dennoch führe eine individuelle Prüfung der Situation der Revisionswerberin dazu, dass gerade sie "diesbezüglich bereits auf Erfahrungen in Port Harcourt" zurückgreifen könne. Dort habe sie sechs Jahre alleine ohne familiäres Netz gelebt und ihren Lebensunterhalt erwirtschaftet.

7. Die Beschwerdeführerin hat durch ihre rechtsfreundliche Vertretung gegen diese Erkenntnis des BVwG am 14.10.2015 das Rechtsmittel der außerordentlichen Revision eingebracht.

8. Mit Erkenntnis GZ Ra 2015/20/0253 vom 17.12.2015 hat der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) die Revision für zulässig und begründet erklärt und das angefochtene Erkenntnis des BVwG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Begründend führte der VwGH, dass dem BVwG ein Begründungsmangel vorzuwerfen sei, der die nachprüfende Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts maßgeblich beeinträchtige. Das Verwaltungsgericht habe seine Entscheidung auf das Bestehen einer innerstaatlichen Fluchtalternative gestützt, die es aus den Feststellungen zu Nigeria ableitete. Die im angefochtenen Erkenntnis enthaltenen Feststellungen hätten allerdings widersprüchliche Aussagen enthalten, sodass es dem Verwaltungsgerichtshof verunmöglicht wurde, seiner nachprüfenden Kontrolle in der vom Gesetz geforderten Weise nachzukommen. Während an einer Stelle im Rahmen der Feststellungen ausgeführt wurde, dass "nicht festgestellt werden" könne, "dass es Abgeschobenen und insbesondere auch allein stehenden Frauen bei einer Rückkehr im vorliegenden Herkunftsstaat an der notdürftigsten Lebensgrundlage fehlen würde" und in Nigeria "Hilfsorganisationen bzw. NGOs(,) die (a)lleinstehenden bzw. (r)ückkehrenden Frauen behilflich sein können", existierten (S. 37 der Ausfertigung des angefochtenen Erkenntnisses), war an anderer Stelle davon die Rede, dass es angesichts "der anhaltend schwierigen Wirtschaftslage und der Bedeutung großfamiliärer Bindungen in der nigerianischen Gesellschaft für viele Menschen praktisch unmöglich" sei, "an Orten, in denen kein solches soziales Netz" bestehe, erfolgreich Fuß zu fassen. Für alleinstehende Frauen bestehe "zudem die Gefahr, bei einem Umzug in eine Großstadt von der eigenen Großfamilie keine wirtschaftliche Unterstützung mehr zu erhalten". Mit dem Umzug gehe auch "regelmäßig ein weitreichender Verlust der Bürgerrechte einher, da die meisten Bundesstaaten Zuwanderer aus anderen Gebieten von politischer Teilhabe und staatlichen Unterstützungen ausschließen" würden (S. 39 der Ausfertigung des angefochtenen Erkenntnisses). Bei einer derart unklaren Beweislage - nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass entscheidungsmaßgebliche Teile der Feststellungen lediglich auf die (erkennbar:) rechtliche Beurteilung anderer Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts gestützt wurden (zudem:

in nicht näher nachprüfbarer Weise durch Anführen allein des jeweiligen Entscheidungsdatums) - wäre es Aufgabe des Verwaltungsgerichts gewesen, schlüssig zu begründen, welchen Quellen es auf Grund welcher Umstände die höhere Beweiskraft zumisst, oder aber weitere Quellen heranzuziehen, die verlässliche Feststellungen ermöglichen.

Vor dem Hintergrund der Feststellungen zur Person der Revisionswerberin vermochte der Verwaltungsgerichtshof wegen der widersprüchlichen Feststellungen zur Möglichkeit eines Umzuges innerhalb Nigerias von alleinstehenden Frauen, die über kein soziales Netz durch verwandtschaftliche Beziehungen verfügen, die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts, es sei der Revisionswerberin ohne Weiteres wegen ihrer früheren Tätigkeit in Port Harcourt möglich, wieder dort oder sonst im Süden Nigerias Fuß zu fassen, nicht nachzuvollziehen. Die Annahme des Bundesverwaltungsgerichts, dass die Revisionswerberin - entgegen ihrem Vorbringen, wobei sie hinsichtlich dessen Richtigkeit auch auf die Berichte zu Nigeria verwiesen hat - sich selbst ohne Vorhandensein eines sozialen Netzes wieder in der hier in Rede stehenden Region ansiedeln und mittels einer Erwerbstätigkeit das Auslangen finden könne, entbehrte wiederum einer Grundlage in den Feststellungen. Die von Bundesverwaltungsgericht getroffenen - oben wiedergegebenen - Feststellungen zu Nigeria ließen sich nicht ohne weiteres in Einklang bringen. Im Hinblick auf die widersprüchlichen Feststellungen werde es erforderlich sein, (allenfalls nach ergänzenden Ermittlungen) die Lage in Nigeria bezogen auf das hier relevante Thema für die rechtliche Beurteilung einwandfrei festzustellen. Ausgehend davon erwies sich der vorliegende Begründungsmangel für den Ausgang des Verfahrens als entscheidungswesentlich und war das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

9. Am 10.11.2016 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit der beschwerdeführenden Partei und ihrer Vertretung eine mündliche Verhandlung durch.

10. Am 28.11.2017 nahm die Beschwerdeführerin durch ihren Parteienvertreter Stellung zu ihrem facebook-account und zur Lage in Nigeria und legte Informationen zu XXXX sowie Richtlinien des UNHCR zum internationalen Schutz: Anwendung der Ausschlussklauseln:

Artikel 1F des Abkommens über die Rechtstellung der Flüchtlinge vor. In seiner Stellungnahme meldet der Rechtsvertreter Zweifel an der beweismäßigen Verwertbarkeit der Abfrage des facebookaccounts an.

In der Stellungnahme wird die Fluchtgeschichte der Beschwerdeführerin näher erläutert und ausgeführt, sie habe ein Sonderwissen um die vorgebliche Attentatsverstrickungen ihres Lebensgefährten, dass sie zum Ziel der Verfolgungen durch die Polizei würde.

Das Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative wird in der Stellungnahme verneint, weil die Beschwerdeführerin eine alleinstehende Frau ohne spezifische Berufsausbildung oder Schulbildung sei, die innerhalb des betreffenden Landes (in dem in Aussicht genommenen Ausweichgebiet) kein relativ normales Leben ohne unangemessene Härten führen könne.

Da die Beschwerdeführerin keinen Anschluss an ein eine Großfamilie habe und es ihr somit an wirtschaftlicher Unterstützung fehle, habe sie Anspruch auf subsidiären Schutz. Die in Österreich gewährte Rückkehrhilfe in der Höhe von ca. € 300,00 würde nicht ausreichen, um eine Überbrückung für die Begründung einer selbsterhaltungsfähigen Tätigkeit darzustellen.

Anschließend werden noch nähere Erörterungen zu den im Rahmen der Rückkehrentscheidung zu treffenden Erwägungen gemacht.

11. Am 22.02.2017 gab der Rechtsanwalt Dr. Gerhard Mory die Vollmachtsauflösung bekannt. Am 27.02.2017 bevollmächtigte die Beschwerdeführerin die Rechtsanwältin Mag. Susanne Singer, 4600 Wels mit ihrer Vertretung.

12. Am 28.02.2017 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit der beschwerdeführenden Partei und in Abwesenheit ihrer bevollmächtigten Vertretung eine mündliche Verhandlung durch.

13. Mit Erkenntnis vom 07.04.2017 zu GZ I407 1423059-1/41E hat das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde gegen den Bescheid vom 23.11.2011 gemäß § 3 Abs. 1 und § 8 Abs. 1 AsylG als unbegründet abgewiesen und das Verfahren gemäß § 75 Abs. 20 AsylG zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

14. Mit Bescheid vom 12.06.2018 hat die belangte Behörde der Beschwerdeführerin keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt I.) erteilt, erließ gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt II.) und stellte fest, dass ihre Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass von der Beschwerdeführerin kein Grund für die Gewährung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG angeführt wurde.

Zur Rückkehrentscheidung führte die belangte Behörde aus, dass die Beschwerdeführerin ledig und kinderlos sei, sowie seit dem 13.07.2017 in einer Lebensgemeinschaft mit XXXX leben würde. Diese Beziehung sei zu einem Zeitpunkt entstanden, zu dem die Zukunft in Österreich bzw. der Verbleib der Beschwerdeführerin ungewiss war. Spätestens mit dem Erkenntnis des BVwG vom 07.03.2017, mit dem die Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung durch das BFA veranlasst worden ist, musste die Beschwerdeführerin damit rechnen, dass ihr Aufenthalt in Österreich nicht von Dauer wäre, dies war vor dem Eingehen einer neuen Beziehung. Zum Privatleben der Beschwerdeführerin in Österreich führte die belangte Behörde aus, dass sie wechselnde Partner gehabt habe, darüber hinaus abgesehen von in den Jahren 2013 und 2014 absolvierten Kursen keinerlei Integrationsbestreben an den Tag gelegt habe. Nach über sechs Jahren Aufenthalt im Land bedürfe sie zur Kommunikation eines Dolmetschers, wenn sie über anspruchsvollere Sachverhalte rede.

Die Einreise der Beschwerdeführerin sei im November 2011 illegal und somit rechtswidrig erfolgt. Der Aufenthalt im Bundesgebiet sei alleine aufgrund der Betreibung eines Asylverfahrens legalisiert.

Zusammengefasst liege zwar ein Privatleben in Österreich von ca. sechs Jahren vor, es wären aber keine Aspekte einer außergewöhnlichen schützenswerten Integration hervorgekommen. In Bezug auf Nigeria liege keine Desintegration vor.

Aufgrund einer Gesamtabwägung der Interessen ergebe sich, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gerechtfertigt sei. Durch die von der Behörde erlassene Rückkehrentscheidung sei nicht auf unzulässige Weise im Sinne von Artikel 8 Abs. 2 EMRK in das Recht auf Schutz des Familien- und Privatlebens eingegriffen worden.

Die Zulässigkeit der Abschiebung sei gegeben. Dies ergebe sich aus dem zuletzt zitierten Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts, eine relevante Sachverhaltsänderung sei nicht entstanden.

Besondere Umstände, die im Rahmen einer von der belangten Behörde vorzunehmenden Abwägung hervorkommen und ergeben, dass der Drittstaatsangehörige die Regelung seiner persönlichen Verhältnisse vorzunehmen hat, seien nicht hervorgekommen, somit wurde die Frist für die freiwillige Ausreise der Beschwerdeführerin mit 14 Tagen festgelegt.

15. Am 19.02.2019 fand in Gegenwart der Beschwerdeführerin, in Abwesenheit ihrer Rechtsvertretung und in Gegenwart der belangten Behörde eine mündliche öffentliche Beschwerdeverhandlung statt. Der wesentliche Inhalt der Verhandlung lautet wie folgt:

"RI: Wie geht es Ihnen heute?

BF: Ich fühle mich heute nicht gut.

RI: Warum?

BF: Das Ganze hat 2017 begonnen. Ich war dann längere Zeit im Landeskrankenhaus. Das hat dann bis September oder Oktober 2018 gedauert. Das Problem ist später nochmals aufgetreten. Ich war dann auch beim meinem Hausarzt, der mich untersucht hat. Dass was er gesehen hat, konnte er sich nicht erklären, obwohl nochmals ein CT gemacht wurde. Deshalb hat er mich dann zu einem Lungenfacharzt überwiesen.

RI: Wie lange waren Sie im Krankenhaus?

BF: 2017 war ich das erste Mal im April für eine Woche im Krankenhaus und wurde dann entlassen. Dann wurde ich aber noch schwerer krank und ich ging umgehend nochmals ins Krankenhaus, wo ich den ganzen Mai über bis zum Juni war.

RI: Wie behandeln Sie Ihre Krankheit zurzeit?

BF: Die letzte Behandlung, die ich gemacht habe, war Prednisolon. Danach hat mir Dr. XXXX andere Tabletten verschrieben, an deren Name ich mich gerade nicht erinnern kann.

RI: Wer ist Dr. XXXX?

BF: Dr. XXXX. Er ist ein Lungenfacharzt.

RI: Ich habe von Herrn Dr. XXXX keinen Befund im Akt.

BF: Ich habe Dokumente dabei.

Die BF legt sodann diverse Befundberichte des Herrn Dr. XXXX vor, die in Kopie zum Akt genommen werden. Zuletzt ein Befundbericht des Dr.XXXXvom 08.11.2018. (Beilage B)

RI: Dürfen wir Kopien zum Akt nehmen?

BF: Ja.

RI: Verstehen Sie die Dolmetscherin?

BF: Ich verstehe sie.

RI: Wenn Sie eine Frage von mir nicht richtig verstehen oder sonst unsicher sind, dann sagen Sie es bitte gleich?

BF: Ja.

[...]

Für die heutige Verhandlung legt die Beschwerdeführerin nachstehende Unterlagen vor:

-

Teilnahmebestätigung an den Deutschkurse B1 und B2 (Beilage C)

-

Bestätigung über die Teilnahme am Pflichtschulabschlusskurs vom 23.11.2018 (Beilage D)

-

Mietvertrag zwischen der Stadtgemeinde Salzburg vertreten durch einen näheren bezeichneten Verwalter und Herrn XXXX (Beilage E)

die als Anlage C bis E zum Akt genommen werden.

Zur heutigen Situation:

RI: Fühlen Sie sich körperlich und geistig in der Lage, der heutigen Verhandlung zu folgen?

BF: Ich werde das versuchen.

RI: Wenn Sie eine Pause brauchen, sagen Sie das gleich.

BF: Ja.

RI: Ihren Gesundheitszustand haben wir bereits erörtert. Sind Sie einverstanden, dass wir bei Ihren behandelnden Ärzte Informationen von Ihnen holen?

BF: Ja.

Zur Identität und Herkunft sowie zu den persönlichen

Lebensumständen:

RI: Sind die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen zu Ihrem Namen und Geburtsdatum sowie zu Ihrer Staatsangehörigkeit korrekt?

BF: Ja, das ist korrekt.

RI: Sind Sie verheiratet oder leben Sie in einer Lebensgemeinschaft?

BF: Ja, ich lebe mit Herrn XXXX zusammen.

RI: Das ist der Mann, der den Mietvertrag unterzeichnet hat?

BF: Ja.

RI: Seit wann leben Sie zusammen?

BF: Ich bin im Juli 2017 bei ihm eingezogen.

RI: Welchen Aufenthaltsstatur hat Herr XXXX?

BF: Er ist österreichischer Staatsbürger, das heißt er hat einen Reisepass.

RI: Sind Sie verlobt oder beabsichtigen Sie in nächster Zeit zu heiraten?

BF: Ja, natürlich.

RI: Seit wann kennen Sie Herrn XXXX?

BF: 2014 hatten wir uns schon unterhalten bzw. kannten wir uns damals bereits. Eine Beziehung führen wir jedoch erst seit 2015.

Der RI unterbricht die Verhandlung um 16:35 Uhr und wird um 16:40 Uhr fortgesetzt.

RI: Bei der letzten Verhandlung haben Sie über einen Verlobten namens XXXX gesprochen.

BF: Ja, das stimmt.

RI: Ich habe Ihnen gesagt, dass Sie die Wahrheit sagen müssen. Sie sagen, dass Sie seit 2015 eine Beziehung mit XXXX führen und seit 2017 einen Verlobten namens XXXX haben.

BF: Zum Zeitpunkt der damaligen Verhandlung lebte ich nicht mit Herrn XXXX zusammen. Es gab nämlich ein Problem zwischen uns. Zum Zeitpunkt der Verhandlung war mein Freund XXXX. Später ist Herr XXXX aber zu mir gekommen und hat mir gesagt, dass ihm leidtut, was passiert ist. So sind wir wieder zusammengekommen.

RI: Haben Sie Kinder?

BF: Nein.

RI: Können Sie Dokumente vorlegen, die Ihre Angaben zu Ihrer Identität belegen (zB Reisepass, Personalausweis, Geburtsurkunde, Heiratsurkunde)?

BF: Nein, aktuell habe ich keine Dokumente. Im Hinblick auf unsere Heirat plant er jedoch, im März nach Nigeria zu reisen.

RI: Planen Sie mit ihm nach Nigeria auszureisen?

BF: Nein, ich kann ja nicht gehen.

RI: Es steht Ihnen jederzeit zu das Land zu verlassen. Die Behörde würde Ihnen helfen.

BF: Ich habe Angst, deshalb kann ich nicht gehen und es ist gefährlich für mich.

RI: Wovon leben Sie zurzeit?

BF: Aktuell lebe ich bei Herrn XXXX und er sorgt für mich.

RI: Was ist Herr XXXX für Beruf?

BF: Er ist Schneider und auch Fahrer. Derzeit arbeitet er für ein Unternehmen in XXXX.

Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat:

Der RI bringt die im Akt einliegenden Feststellungen und Berichte über die allgemeine Lage im Herkunftsstaat in das gegenständliche Verfahren ein, die der BF bereits mit der Ladung übermittelt worden sind.

Der RI erklärt die Bedeutung und das Zustandekommen dieser Berichte.

Im Anschluss daran legt der RI die für die Entscheidung wesentlichen Inhalte dieser Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat dar.

Der RI gibt der BF die Möglichkeit, in diese herkunftsstaatsbezogenen Berichte Einsicht zu nehmen sowie zu den vom RI dargelegten Feststellungen eine Stellungnahme abzugeben.

BF: Ich glaube nicht, dass die Unterlagen, von denen Sie sprechen, mir von meiner RV übermitteln wurden.

RI: Ihrer RV wurden die Länderberichte übermittelt. Wenn Sie in einem guten Verhältnis mit ihr sind, dann hätten Sie das mit ihr besprochen. Ich fasse für Sie zusammen, was für mich relevant scheint. Die gesundheitliche Lage in Nigeria ist nicht vergleichbar mit der in Österreich. Die Gesundheitsversorgung ist deckend gegeben. Die Versorgung mit Medikamenten ist gegeben, obwohl diese nicht kostenfrei sind. Wollen Sie zur Lage in Nigeria etwas sagen?

BF: Ich schaue immer Fern, CNN, BBC und andere Kanäle. Dort sehe ich viele Dinge, wie etwa Boko Haram und die Fulani Herdsmen. Es passieren ständig Morde im Land und wir haben keine Rechte. Kürzlich, das heißt für vergangen Samstag, waren Wahlen geplant. Am selben Tag haben sie dann verlautbart, dass die Wahlen abgesagt werden. Es gibt überall in Nigeria eine Menge Probleme.

Zur derzeitigen Situation in Österreich:

RI: Haben Sie noch Bindungen an Ihren Herkunftsstaat, insbesondere Kontakte zu dort lebenden Verwandten, Freunden oder zu sonstigen Personen? Wenn ja, wie sieht dieser Kontakt konkret aus und wie regelmäßig ist dieser Kontakt?

BF: Ich stehe in Kontakt mit der Familie von XXXX. Das ist etwas teuer, weswegen wir einmal die Woche oder alle zwei Wochen in Kontakt sind.

RI: Haben Sie in Österreich lebende Verwandte?

BF: Nein.

Der RI ersucht die Dolmetscherin, die folgenden Fragen nicht zu übersetzen.

RI: Sprechen Sie deutsch?

BF: Ein bisschen.

RI: Was haben Sie heute gemacht?

BF: Normalerweise habe ich heute Schule, aber ich habe einen Termin gehabt. Wenn ich heute in die Schule gegangen wäre, dann hätte ich stress gehabt von Salzburg nach Innsbruck zu kommen.

RI: Wann sind Sie heute aufgestanden?

BF: 06:00 Uhr in der Früh.

RI: Was haben Sie dann gemacht?

BF: Ich habe Frühstück für Herrn XXXX gemacht. Ich habe dann meine Tabletten genommen und geschlafen. Um 11:30 Uhr bin ich zum Bahnhof gegangen, weil ich heute hier sein muss.

RI: Ihr Deutsch hat gute Fortschritte gemacht seit dem letzten Mal.

BF: Ja, die Schule hilft mir.

Der RI stellt fest, dass es der BF möglich ist sich über Alltagssachverhalte auf Deutsch auszudrücken und einfache Fragen zu verstehen.

RI: Haben Sie eine Deutsch-Sprachprüfung erfolgreich abgelegt?

BF: Früher habe ich A1 und A2 gemacht. Letztes Jahr habe ich B1 probiert. Ich habe auch die Prüfung gemacht, diese habe ich nicht geschafft. Ich bin ungefähr am 29.09.2018 angetreten.

RI: Gehen Sie einer regelmäßigen Beschäftigung nach?

BF: Nein, ich arbeite nicht. Ich muss in die Schule gehen. Ich muss jeden Tag um 06:00 Uhr aufstehen und um 08:00 Uhr in der Klasse sein bis 13:00 Uhr. Ich mache nämlich gerade den Pflichtschulabschluss. Dieser geht von Montag bis Freitag.

Die Dolmetscherin übersetzt die folgenden Fragen wieder.

RI: Beziehen Sie derzeit Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung (zB Taschengeld, Unterkunft)?

BF: Nein, nur XXXX unterstützt mich.

RI: Besuchen Sie in Österreich bestimmte Kurse oder sind Sie Mitglied in einem Verein oder haben Sie sonstige soziale Kontakte, die Sie erwähnen möchten?

BF: Für weitere Kurse habe ich aktuell keine Zeit, da ich täglich zwischen 08:00 Uhr und 13:00 Uhr die Schule besuche und wir auch eine Menge Hausübungen bekommen. Aktuell bin ich auch nicht Mitglied in einem Verein oder einer anderen Organisation. Mit Herrn XXXX, meinen früheren Freund, habe ich keine Probleme bzw. hatte keinen Streit und wir verstehen uns immer noch gut.

BehV: In der Beschwerde ist die Rede davon, dass ein Praktikum in einem Altersheim stattgefunden hätte. Mit einem Empfehlungsschreiben wird dies aber verneint. Was stimmt nun wirklich?

BF: Ich habe nie wirklich dort gearbeitet, sondern wollte mich dort nur ehrenamtlich engagieren. Herr XXXX hat für mich im Altersheim, in XXXX angerufen, mir wurde jedoch gesagt, dass ich zuerst B1 und die Schule abschließen soll. Deswegen besuche ich diesen jetzt auch.

BehV: In der Beschwerde steht weiters, dass bereits am 09.07.2018 die B1 Prüfung abgeschlossen sei. Haben Sie diese nun abgeschlossen oder nicht?

BF: Ich habe die B1-Prüfung zwar abgelegt, aber jedoch nicht bestanden.

Abschließende Bemerkungen:

RI: Ich bin mit der Befragung am Ende. Wollen Sie noch abschließend etwas sagen?

BF: Momentan habe ich nichts hinzuzufügen. Ich möchte hier in Österreich nur gut fühlen und meine Gesundheit steht an erster Stelle. Außerdem ist mir der Schulbesuch sehr wichtig."

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Aufgrund des Asylantrags vom 20.11.2011, der Einvernahmen der beschwerdeführenden Partei durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie durch das Bundesasylamt sowie das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, der Beschwerde vom 13.07.2018 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 12.06.2018, der schriftlichen Stellungnahmen vom 28.11.2018 und vom 31.12.2018, der Einsichtnahme in den bezughabenden Verwaltungsakt in die Gerichtsakten, der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister, in das Grundversorgungs-Informationssystem, in das Strafregister und sowie auf Grundlage der vor dem Bundesverwaltungsgericht durchgeführten mündlichen Verhandlungen am 04.08.2015, am 10.11.2016, am 28.02.2017 und am 19.02.2019 werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zu Grunde gelegt:

1.1. Zur beschwerdeführenden Partei:

1.1.1. Die beschwerdeführende Partei ist eine weibliche Staatsangehörige Nigerias, die am 20.11.2011 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich stellte.

1.1.2. Die beschwerdeführende Partei wurde im Dorf XXXX in Plateau State Jos-south geboren, lebte und arbeitete von 2000 bis 2006 in Port Harcourt und zog anschließend nach XXXX in Nassarawa State.

1.1.3. Ihre Mutter ist bereits verstorben und ihren Vater kennt die beschwerdeführende Partei nicht. Sie hat Kontakt zu Verwandten ihres jetzigen Lebensgefährten, einem österreichischen Staatsangehörigen nigerianischer Herkunft in Nigeria. Ob die Freundin der Mutter noch in Nigeria lebt, die sie eine Weile aufgezogen hat und die ihr die Stelle als Kindermädchen in Port Harcourt verschaffte, kann nicht festgestellt werden.

1.1.4. Die beschwerdeführende Partei besuchte drei Jahre lang die Grundschule in Nigeria und arbeitete von 2000 bis 2006 als Kindermädchen in Port Harcourt.

1.1.5. Die beschwerdeführende Partei bezieht seit Ende Oktober 2012 keine Leistungen mehr aus der Grundversorgung. Sie ist außerdem strafrechtlich unbescholten.

1.1.6. Die beschwerdeführende Partei wohnt mit dem nigerianischen Staatsbürger XXXX seit etwa eineinhalb Jahren zusammen, mit dem sie nach eigenen Angaben seit dem Jahr 2015 eine Beziehung führt. 2017 war sie mit dem nigerianischen Staatsangehörigen XXXXverlobt.

1.1.7. Die beschwerdeführende Partei kann sich über Alltagssachverhalte auf Deutsch auszudrücken und einfache Fragen verstehen. Angesichts ihres nun mehr als siebeneinhalbjährigen Aufenthalts in Österreich kann sie von ihr selbst gesprochenen Text nicht verstehend lesen. Insgesamt entsprechen ihre Deutschkenntnisse nicht dem, was man bei einem siebeneinhalbjährigen Aufenthalt erwarten kann. Sie hat in Österreich als Prostituierte gearbeitet und handelte mit Telefonwertkarten. Sie absolvierte einen Kurs für PC-Einsteiger. Derzeit besucht sie einen Kurs zur Nachholung des Pflichtschulabschlusses. Sie würde gerne eine Ausbildung zur Altenpflegerin machen und in Österreich legal arbeiten. Die Beschwerdeführerin verfügt in Österreich über die Unterstützung eines österreichischen Bekannten und ihres ehemaligen nigerianischen Verlobten.

1.1.8. Die beschwerdeführende Partei leidet an Sarkoidose II und Pneumonie. Ansonsten leidet die Beschwerdeführerin an keinen gravierenden gesundheitlichen Einschränkungen.

1.3. Nicht festgestellt werden kann, dass die beschwerdeführende Partei im Falle einer Rückkehr nach Nigeria in eine existenzgefährdende Notlage geraten würde und ihr die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre.

1.4. Festgestellt wird, dass die beschwerdeführende Partei über private Interessen in Österreich verfügt. Nicht festgestellt wird jedoch, dass eine maßgeblich ausgeprägte und verfestigte entscheidungserhebliche private und familiäre Integration der beschwerdeführenden Partei in Österreich vorliegt.

2. Länderberichte zur relevanten Situation in Nigeria

Im Folgenden werden die wesentlichen Informationen aus den vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Länderberichten (LIB Stand 07.08.2017) wiedergegeben:

Das politische System Nigerias orientiert sich stark am System der Vereinigten Staaten; in der Verfassungswirklichkeit dominieren der Präsident und die ebenfalls direkt gewählten Gouverneure. Die lange regierende People¿s Democratic Party (PDP) musste nach den Wahlen 2015 erstmals seit 1999 in die Opposition; seither ist die All Progressives¿ Congress (APC) unter Präsident Muhammadu Buhari an der Macht.

In Nigeria herrscht keine Bürgerkriegssituation, allerdings sind der Nordosten, der Middle Belt und das Nigerdelta von Unruhen und Spannungen geprägt. Für einzelne Teile Nigerias besteht eine Reisewarnung, insbesondere aufgrund des hohen Entführungsrisikos.

Im Norden und Nordosten Nigerias hat sich die Sicherheitslage verbessert; in den ländlichen Teilen der Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa kommt es aber weiterhin zu Anschlägen der Boko Haram. Es gelang den Sicherheitskräften zwar, Boko Haram aus den meisten ihrer Stellungen zu vertreiben, doch war es kaum möglich, die Gebiete vor weiteren Angriffen durch die Islamisten zu schützen. Der nigerianischen Armee wird vorgeworfen, im Kampf gegen Boko Haram zahlreiche Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben; die von Präsident Buhari versprochene Untersuchung blieb bisher aber folgenlos.

Das Nigerdelta (Bundesstaaten Ondo, Edo, Delta, Bayelsa, Rivers, Imo, Abia, Akwa Ibom und Cross River) ist seit Jahren von gewalttätigen Auseinandersetzungen und Spannungen rund um die Verteilung der Einnahmen aus den Öl- und Gasreserven geprägt. Von 2000 bis 2010 agierten in der Region militante Gruppen, die durch ein im Jahr 2009 ins Leben gerufene Amnestieprogramm zunächst beruhigt wurden. Nach dem Auslaufen des Programmes Ende 2015 brachen wieder Unruhen aus, so dass eine weitere Verlängerung beschlossen wurde. Die Lage hat sich seit November 2016 wieder beruhigt, doch bleibt sie volatil. Insbesondere haben Angriffe auf die Ölinfrastrukturen in den letzten zwei Jahren wieder zugenommen. Abgelegene Gebiete im Nigerdelta sind teils auch heute noch unter der Kontrolle separatistischer und krimineller Gruppen.

In Zentralnigeria (Middle Belt bzw. Jos Plateau) kommt es immer wieder zu lokalen Konflikten zwischen ethnischen, sozialen und religiösen Gruppen. Der Middle Belt bildet eine Brücke zwischen dem vorwiegend muslimischen Nordnigeria und dem hauptsächlich christlichen Süden. Der Ursprung dieser Auseinandersetzungen, etwa zwischen (überwiegend muslimischen nomadischen) Hirten und (überwiegend christlichen) Bauern, liegt oft nicht in religiösen Konflikten, entwickelt sich aber häufig dazu.

Die Justiz Nigerias hat ein gewisses Maß an Unabhängigkeit und Professionalität erreicht, doch bleibt sie politischem Einfluss, Korruption und einem Mangel an Ressourcen ausgesetzt. Eine systematisch diskriminierende Strafverfolgung ist nicht erkennbar, doch werden aufgrund der herrschenden Korruption tendenziell Ungebildete und Arme benachteiligt. Das Institut der Pflichtverteidigung gibt es erst in einigen Bundesstaaten. In insgesamt zwölf nördlichen Bundesstaaten wird die Scharia angewendet, Christen steht es aber frei, sich einem staatlichen Gerichtsverfahren zu unterwerfen. Der Polizei, die durch geringe Besoldung und schlechte Ausrüstung eingeschränkt ist, wird oftmals die Armee zur Seite gestellt. Insgesamt ist trotz der zweifelsohne vorhandenen Probleme im Allgemeinen davon auszugehen, dass die nigerianischen Behörden gewillt und fähig sind, Schutz vor nichtstaatlichen Akteuren zu bieten. Problematisch ist aber insbesondere, dass Gefangene häufig Folterung und Misshandlung ausgesetzt sind. Disziplinarrechtliche oder strafrechtliche Folgen hat dies kaum. Die Bedingungen in den Haftanstalten sind hart und lebensbedrohlich. Nigeria hält an der Todesstrafe fest, diese ist seit 2006 de facto ausgesetzt, wobei es in den Jahren 2013 und 2016 in Edo State aber zu einzelnen Hinrichtungen gekommen war. Die Regierung Buharis hat der Korruption den Kampf erklärt, doch mangelt es ihr an effektiven Mechanismen.

Die Menschenrechtssituation in Nigeria hat sich in den letzten 20 Jahren verbessert, schwierig bleiben aber die allgemeinen Lebensbedingungen. Die Versammlungsfreiheit ist verfassungsrechtlich garantiert, wird aber gelegentlich durch das Eingreifen von Sicherheitsorganen bei politisch unliebsamen Versammlungen eingeschränkt. Die politische Opposition kann sich aber grundsätzlich frei betätigen; es gibt auch keine Erkenntnisse über die Verfolgung von Exilpolitikern durch die nigerianische Regierung. Gelegentlich gibt es aber, vor allem bei Gruppen mit sezessionistischen Zielen, Eingriffe seitens der Staatsgewalt. Dabei ist insbesondere die Bewegung im Süden und Südosten Nigerias zu nennen, die einen unabhängigen Staat Biafra fordert. Dafür treten sowohl das Movement for the Actualisation of the Sovereign State of Biafra (MASSOB) und die Indigenous People of Biafra (IPOB) ein. Seit der Verhaftung des Leiters des inzwischen verbotenen Radiosenders "Radio Biafra" im Oktober 2015 kommt es vermehrt zu Demonstrationen von Biafra-Anhänger, gegen die laut verschiedenen Berichten, unter anderem von Amnesty International, von den nigerianischen Sicherheitskräften mit Gewalt vorgegangen worden sein soll.

Im Vielvölkerstaat Nigeria ist Religionsfreiheit einer der Grundpfeiler des Staatswesens. Etwa 50% der Bevölkerung sind Muslime, 40 bis 45% Christen und der Rest Anhänger von Naturreligionen. Im Norden dominieren Muslime, im Süden Christen. Religiöse Diskriminierung ist verboten. In der Praxis bevorzugen die Bundesstaaten aber in der Regel die jeweils durch die lokale Mehrheitsbevölkerung ausgeübte Religion. Insbesondere in den Scharia-Staaten ist die Situation für Christen sehr schwierig. Die Toleranz zwischen den Glaubensgemeinschaften ist nur unzureichend ausgeprägt, mit Ausnahme der Yoruba im Südwesten Nigerias, unter denen auch Ehen zwischen Christen und Muslimen verbreitet sind. Speziell in Zentralnigeria kommt es zu lokalen religiösen Auseinandersetzungen, die auch zahlreiche Todesopfer gefordert haben. In Nigeria gibt es auch noch Anhänger von Naturreligionen ("Juju"); eine Verweigerung der Übernahme einer Rolle als Priester kann schwierig sein, doch wird dies nicht als Affront gegen den Schrein empfunden und sind auch keine Fälle bekannt, in denen dies zu einer Bedrohung geführt hätte. Im Süden Nigerias sind auch Kulte und Geheimgesellschaften vorhanden; insbesondere im Bundesstaat Rivers überschneiden sich Kulte häufig mit Straßenbanden, kriminellen Syndikaten etc. Mafiöse Kulte prägen trotz ihres Verbotes das Leben auf den Universitäten; es wird auch über Menschenopfer berichtet.

Insgesamt gibt es (je nach Zählweise) mehr als 250 oder 500 Ethnien in Nigeria. Die wichtigsten sind die Hausa/Fulani im Norden, die Yoruba im Südwesten und die Igbo im Südosten. Generell herrscht in Nigeria Bewegungsfreiheit und ist Diskriminierung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ethnie verboten. Allerdings diskriminieren Gesetze jene ethnischen Gruppen, die am jeweiligen Wohnort nicht eigentlich indigen sind. So werden etwa Angehörige der Volksgruppe Hausa/Fulani im Bundesstaat Plateau diskriminiert.

Generell besteht aufgrund des fehlenden Meldewesens in vielen Fällen die Möglichkeit, Verfolgung durch Umzug in einen anderen Teil des Landes auszuweichen. Dies kann aber mit gravierenden wirtschaftlichen und sozialen Problemen verbunden sein, wenn man sich an einen Ort begibt, in dem keinerlei Verwandtschaft oder Bindung zur Dorfgemeinschaft besteht.

Nigeria verfügt über sehr große Öl- und Gasvorkommen, der Großteil der Bevölkerung ist aber in der Landwirtschaft beschäftigt. Abgesehen vom Norden gibt es keine Lebensmittelknappheit. Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung leben in absoluter Armut. Offizielle Arbeitslosenstatistiken gibt es nicht, allerdings gehen verschiedene Studien von einer Arbeitslosigkeit von 80% aus. Die Großfamilie unterstützt beschäftigungslose Angehörige.

Die medizinische Versorgung ist mit jener in Europa nicht vergleichbar, sie ist vor allem im ländlichen Bereich problematisch. Leistungen der Krankenversicherung kommen nur etwa 10 % der Bevölkerung zugute. In den Großstädten ist eine medizinische Grundversorgung zu finden, doch sind die Behandlungskosten selbst zu tragen. Medikamente sind verfügbar, können aber teuer sein.

Nigeria verfügt über ein sehr kompliziertes Gesundheitssystem. Das öffentliche Gesund-heitssystem wird von den drei Regierungsebenen geleitet (VN 14.9.2015) und das Hauptor-gan der Regierung für das Gesundheitswesen ist das Bundesgesundheitsministerium (IOM 8.2014). Die Bundesregierung ist zuständig für die Koordination der Angelegenheiten in den medizinische Zentren des Bundes und Universitätskliniken. Die Landesregierung ist zustän-dig für allgemeine Spitäler, die Kommunalregierung für die Medikamentenausgabestellen (VN 14.9.2015).

Die meisten Landeshauptstädte haben öffentliche und private Krankenhäuser sowie Fachkli-niken, und jede Stadt hat darüber hinaus eine Universitätsklinik, die vom Bundesgesund-heitsministerium finanziert wird (IOM 8.2014).

Öffentliche (staatliche Krankenhäuser): Diese umfassen die allgemeinen Krankenhäuser, die Universitätskliniken und die Fachkliniken. Die Gebühren sind moderat, doch einigen Kran-kenhäusern fehlt es an Ausrüstung und ausreichendem Komfort. Es treten oftmals Verzöge-rungen auf und vielfach werden Untersuchungen aufgrund der großen Anzahl an Patienten nicht sofort durchgeführt (IOM 8.2014). Die Kosten von medizinischer Betreuung müssen im Regelfall selbst getragen werden; die staatlichen Gesundheitszentren heben eine Registrie-rungsgebühr von umgerechnet 10 bis 25 Cent ein:

Tests und Medikamente werden unent-geltlich abgegeben, so ferne vorhanden (ÖBA 9.2016).

Private Krankenhäuser: Hierbei handelt es sich um Standard-Krankenhäuser. Diese Kran-kenhäuser verfügen nur teilweise über eine ausreichende Ausstattung und müssen Patienten für Labortests und Röntgenuntersuchungen oftmals an größere Krankenhäuser überweisen. Diese Krankenhäuser sind im Allgemeinen teurer (IOM 8.2014).

Die medizinische Versorgung im Lande ist mit Europa nicht zu vergleichen. Sie ist vor allem im ländlichen Bereich vielfach technisch, apparativ und/oder hygienisch problematisch. In den großen Städten findet man jedoch einige Privatkliniken mit besserem Standard (AA 4.7.2017). Es besteht keine umfassende Liste der Krankenhäuser und Ausstattungen, aber zahlreiche Krankenhäuser in Nigeria sind gut ausgestattet und in der Lage, zahlungsfähige Patienten medizinisch zu versorgen. Verschiedene Krankenhäuser in Nigeria haben sich auf unterschiedliche Krankheiten spezialisiert und Patienten suchen diese Krankenhäuser ent-sprechend ihrer Erkrankung auf. Allgemeine Krankenhäuser in Nigeria behandeln Patienten mit verschiedenen Krankheiten, verfügen jedoch üblicherweise über Fachärzte wie etwa Kin-derärzte, Augenärzte, Zahnärzte, Gynäkologen zur Behandlung bestimmter Krankheiten. Zu den Fachkliniken zählen orthopädische Kliniken, psychiatrische Kliniken etc. (IOM 8.2014).

Aufgrund der hohen Sterblichkeitsrate von rund 90.000 Neugeborenen jährlich, die während der ersten 28 Tage nach ihrer Geburt sterben, rangiert Nigeria auf Platz 12 von 176 unter-suchten Ländern und gilt auch innerhalb des südlichen Afrikas als "einer der gefährlichsten Orte" um geboren zu werden (GIZ 7.2017b). Die aktuelle Sterberate unter 5 beträgt 128 To-desfälle pro 1.000 Lebendgeburten. Die mütterliche Sterblichkeit liegt bei 545 Todesfällen pro 100.000 Lebendgeburten (ÖBA 9.2016).

Es gibt eine allgemeine Kranken- und Rentenversicherung, die allerdings nur für Beschäftig-te im formellen Sektor gilt. Die meisten Nigerianer arbeiten dagegen als Bauern, Landarbei-ter oder Tagelöhner im informellen Sektor. Leistungen der Krankenversicherung kommen schätzungsweise nur zehn Prozent der Bevölkerung zugute (AA 21.11.2016). Gemäß dem Exekutivsekretär des National Health Insurance Scheme (NHIS) beträgt nach zwölf Jahren die Zahl der Nigerianern, die durch das NHIS krankenversichert sind, 1,5 Prozent (Vanguard 22.6.2017). Hilfsorganisationen, die für notleidende Patienten die Kosten übernehmen, sind nicht bekannt. Aufwändigere Behandlungsmethoden, wie Dialyse oder die Behandlung von HIV/AIDS, sind zwar möglich, können vom Großteil der Bevölkerung aber nicht finanziert werden (AA 21.11.2016). Wer kein Geld hat, bekommt keine medizinische Behandlung (GIZ 7.2017b).

Rückkehrer finden in den Großstädten eine medizinische Grundversorgung vor. In privaten Kliniken können die meisten Krankheiten behandelt werden (AA 21.11.2016). Wenn ein Heimkehrer über eine medizinische Vorgeschichte verfügt, sollte er möglichst eine Überwei-sung von dem letzten Krankenhaus, in dem er behandelt wurde, vorlegen (IOM 8.2014). Heimkehrer, die vorher nicht in ärztlicher Behandlung waren, müssen lediglich dem Kran-kenhaus eine Registrierungsgebühr zahlen und in der Lage sein, ihre Behandlungskosten selbst zu tragen (IOM 8.2014; vgl. AA 21.11.2016). Hat eine Person keine Dokumente, führt dieser Umstand nicht zur Verweigerung medizinischer Versorgung oder zum Ausschluss von anderen öffentlichen Diensten (z.B. Bildung) (USDOS 3.3.2017).

Medikamente sind verfügbar, können aber je nach Art teuer sein (IOM 8.2014). Die staatliche Gesundheitsversorgung gewährleistet keine kostenfreie Medikamentenversorgung. Jeder Patient - auch im Krankenhaus - muss Medikamente selbst besorgen bzw. dafür selbst aufkommen (AA 21.11.2016). Medikamente gegen einige weit verbreitete Infektionskrankheiten wie Malaria und HIV/Aids können teils kostenlos in Anspruch genommen werden, werden jedoch nicht landesweit flächendeckend ausgegeben (ÖBA 9.2016).

In der Regel gibt es fast alle geläufigen Medikamente in Nigeria in Apotheken zu kaufen, so auch die Antiphlogistika und Schmerzmittel Ibuprofen und Diclofenac sowie die meisten An-tibiotika, Bluthochdruckmedikamente und Medikamente zur Behandlung von neurologischen und psychiatrischen Leiden (AA 21.11.2016).

Es gibt zahlreiche Apotheken in den verschiedenen Landesteilen Nigerias. Die National Agency for Food and Drug Administration and Control (NAFDAC) hat ebenfalls umfangreiche Anstrengungen unternommen, um sicherzustellen, dass diese Apotheken überwacht werden und der nigerianischen Bevölkerung unverfälschte Medikamente verkaufen (IOM 8.2014). Trotzdem bliebt die Qualität der Produkte auf dem freien Markt zweifelhaft, da viele gefälschte Produkte - meist aus asiatischer Produktion - vertrieben werden (bis zu 25 Prozent aller verkauften Medikamente), die aufgrund unzureichender Dosisanteile der Wirkstoffe nur eingeschränkt wirken (AA 21.11.2016).

Der Glaube an die Heilungskräfte der traditionellen Medizin ist bei den Nigerianern nach wie vor sehr lebendig. Bei bestimmten Krankheiten werden eher die traditionellen Heiler als die Schulmedizine

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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