TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/5 I419 2194648-1

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Veröffentlicht am 05.04.2019
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Entscheidungsdatum

05.04.2019

Norm

BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 8
FPG §53 Abs2 Z8
FPG §67
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §70 Abs3
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I419 2194648-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Tomas JOOS über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. ÄGYPTEN, vertreten durch RA Edward W. Daigneault, 1160 Wien, gegen den Bescheid des BFA, Regionaldirektion Wien (BAW) vom 30.03.2018, Zl. XXXX, zu Recht:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer reiste erstmals im August 2012 mittels Visum D legal ein und hatte bis 13.07.2015 eine Aufenthaltsbewilligung als Studierender inne, deren Verlängerung der LH von Wien am 30.09.2016 ablehnte.

Darauf heiratete der Beschwerdeführer beantragte eine Aufenthaltskarte als Angehöriger einer EWR-Bürgerin. Darüber erging noch keine Entscheidung.

Mit dem bekämpften Bescheid erließ das BFA gegen ihn gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein Aufenthaltsverbot für fünf Jahre (Spruchpunkt I) und gewährte nach § 70 Abs. 3 FPG einen Durchsetzungsaufschub von einem Monat (Spruchpunkt II).

Beschwerdehalber wird unter anderem vorgebracht, das Ehepaar halte sich nicht mehr im Bundesgebiet auf, sodass der Beschwerdeführer nicht mehr das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht genieße. Ein Aufenthaltsverbot nach § 67 FPG sei deshalb rechtswidrig.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der unter I wiedergegebene Verfahrensgang wird festgestellt.

Zusätzlich werden folgende Feststellungen getroffen:

Der Beschwerdeführer ist volljährig und praktizierender Moslem. Er hat im Herkunftsstaat zwölf Jahre die Schule und vier Jahre ein Kolleg für Rechtswissenschaften besucht. Seine Identität steht fest.

Am 07.01.2017 heiratete der Beschwerdeführer eine rund 7,5 Jahre jüngere freizügigkeitsberechtigte, katholische Staatsangehörige der Slowakischen Republik. Der Beschwerdeführer stellte am 04.04.2017 beim LH von Wien einen Erstantrag auf eine Aufenthaltskarte zur Dokumentation des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts. Darauf hat die LPD Wien Erhebungen wegen Verdachtes einer Aufenthaltsehe angestellt.

Aufgrund der Ermittlungsergebnisse hat das BFA dem Beschwerdeführer 05.01.2018 die beabsichtigte Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit zur Stellungnahme und Beantwortung eines Fragenkatalogs eingeräumt, Letzteres vor allem zu seiner Integration.

Der Beschwerdeführer machte davon keinen Gebrauch, ersuchte mehrfach um Fristerstreckung und verließ am 26.01.2018 wie seine Gattin das Bundesgebiet, wobei er der Meldebehörde erklärte, in den Herkunftsstaat zu reisen. Er war zuletzt seit 08.04.2014 im Inland gemeldet gewesen.

Der Beschwerdeführer hat mit seiner Gattin ab 21.11.2016 den Wohnsitz geteilt, aber keine eheliche Lebens-, Vermögens- und Geschlechtsgemeinschaft geführt.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer biologischer Vater eines Kindes seiner Gattin ist, das im Mai 2017 geboren wurde. Ebenso kann nicht festgestellt werden, dass er diesem Kind jemals begegnet ist. Soziale oder andere Bindungen des Beschwerdeführers im Inland über die alltäglichen Begegnungen hinaus sind nicht feststellbar.

Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten. Er spricht kaum Deutsch und lebte vom Ausliefern von Zeitungen und vom Rosenverkauf, dem er etwa jeden zweiten Abend nachging. Eine Anmeldung des freien Gewerbes des Feilbietens von Obst, Gemüse, Kartoffeln, Naturblumen, Brennholz, Butter und Eiern unterließ er. Zumindest im Sommer 2017 arbeitete er unangemeldet als Pizzabäcker. Zur Sozialversicherung angemeldet war er als geringfügig Beschäftigter von 21.09.2013 bis 27.06.2014 und von 04.08.2014 bis 31.10.2015 sowie als Selbständiger ganzjährig 2014 und 2015.

2. Beweiswürdigung:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz sowie in das Register der Sozialversicherungen, das Strafregister und das Zentrale Melderegister.

Weiters abgefragt wurde das Unternehmensregister der WKO und das GISA Gewerbeinformationssystem Austria.

2.1 Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2 Zur Person des Beschwerdeführers:

Das BFA hat ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst. Das Gericht verweist daher auch auf die schlüssigen und nachvollziehbaren beweiswürdigenden Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit sowie zu den Lebensumständen des Beschwerdeführers gründen sich auf seine diesbezüglich glaubhaften Angaben sowie die vorliegenden Urkunden, speziell auch die mit ihm und mit seiner Gattin aufgenommenen Niederschriften vom 31.08.2017, ansonsten auch auf die unbestrittenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid. Die schlechten Deutschkenntnisse erwies der Umstand, dass für seine Vernehmung noch 2017 - fünf Jahre nach Erteilung des Studentenvisums und der Ersteinreise - ein Dolmetsch nötig war und der Beschwerdeführer den deutschen Wortlaut einer Limonadenbestellung im Schnellrestaurant nicht angeben konnte.

Der vertretene Beschwerdeführer hat bewusst die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme zu seiner Integration verstreichen lassen und ist ausgereist. Weitere Feststellungen zu seinen Bindungen an Österreich waren daher nicht zu treffen.

Die unterlassene Gewerbeanmeldung ergab sich aus der erfolglosen Abfrage des Gewerbeinformationssystems. Bei der Ausübung des Feilbietens im Umherziehen gemäß § 53 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 ist nämlich die Verständigung über die Eintragung im Gewerbeinformationssystem Austria - GISA mitzuführen und auf Verlangen vorzuweisen, sodass der Beschwerdeführer eine solche hätte haben müssen, hätte er das Gewerbe angemeldet. Seine Gattin hat im August 2017 ungefragt angegeben, dass er "irgendwo schwarz als Pizzakoch" arbeite.

Die Beschwerde moniert zur Beweiswürdigung des BFA, dass dieses weder den Beschwerdeführer noch seine Ehefrau zum Vorwurf der Aufenthaltsehe einvernommen hat. Die von der LPD festgestellten Widersprüche seien nachvollziehbar, da die Eheleute bei ihren Einvernahmen nervös und beunruhigt gewesen seien. Für eine strafgerichtliche Verurteilung würden die unterschiedlichen Angaben nicht ausreichen.

Aus dem Akt ergibt sich nicht, warum keine strafgerichtliche Verurteilung vorliegt. Eine solche ist jedenfalls nach der Ausreise der Eheleute unwahrscheinlich geworden. Dennoch ist das Beweisergebnis für die Feststellungen des BFA - und auch dieses Gerichts - bei weitem ausreichend. Die Verwendung der Niederschriften der Polizeibehörde ist fallbezogen nicht zu beanstanden, wobei neben der Unbeschränktheit der Beweismittel auch daran zu erinnern ist, dass der Beschwerdeführer im Parteiengehör des BFA lediglich Fristverlängerungen beantragt hat, sogar noch als er sich nicht mehr im Bundesgebiet aufhielt, jedoch keine Einvernahme.

Aus den Protokollen vom 31.08.2017 konnte insbesondere entnommen werden, dass die Eheleute wie festgestellt keine eheliche Gemeinschaft führten, und zwar wie folgt:

Bei der Angabe betreffend den Zeitpunkt und den Ort ihres Kennenlernens lagen die Angaben zeitlich ein halbes Jahr auseinander, räumlich divergierten sie zwischen einem Bahnhof und einem Einkaufszentrum, das eine U-Bahn-Haltestelle nördlich davon liegt.

Die Gattin gab an, im Mai 2016 in einem Restaurant einen Heiratsantrag samt Verlobungsring vom knienden Beschwerdeführer bekommen zu haben, während dieser angab, sie erst im Juli 2016 kennengelernt und ihr den Antrag im September vor einem Einkaufszentrum sowie ohne Ring und Knien gemacht zu haben.

Laut Beschwerdeführer gab es nach der standesamtlichen Trauung ein Essen in einem genannten Schnellrestaurant, während sich die Ehefrau eine weitere Zeremonie in der Moschee und ein gemeinschaftliches Grillen danach in einer genannten Grünanlage behauptete.

Deutliche Unterschiede ergaben sich in den Datierungen des ersten gemeinsamen Geschlechtsverkehrs, und zwar zwischen "auf jeden Fall vor der Ehe" laut Beschwerdeführer und "erst nach der Hochzeit, weil es in seiner Kultur so üblich ist" [...] "sobald wir verheiratet waren" laut Gattin.

Gravierend erscheint auch, dass die Gattin das Monat der (sieben Monate zuvor erfolgten) Trauung nicht wusste und Dezember statt Jänner angab, sowie ferner erklärte, dass sie vor der Hochzeit nicht mit dem Beschwerdeführer zusammengewohnt habe, wobei sie mit diesem laut ZMR bereits im November in der früheren Wohnung in Wien 15 gemeldet war, vier Tage nach seiner Übersiedlung dorthin. In der zuletzt bewohnten (Ein-Zimmer-) Wohnung fand die Polizei zwei Einzelbetten vor.

Die Ehefrau gab auch an, den Nachnamen des Beschwerdeführers nicht angenommen zu haben, "weil ich nicht weiß, ob er bei mir bleibt. Was bringt mir die Zukunft?" Auch diese Begründung weckt Zweifel am ursprünglichem Ehewillen, da die Namenswahl ja damals anstand.

Neben den angeführten und für die Feststellungen hinreichenden Ungereimtheiten haben sich weitere gravierende Widersprüche in den Aussagen ergeben, die der Aktenvermerk der LPD Wien vom 08.09.2017 zusammenfasst.

Die Negativfeststellung zur behaupteten biologischen Vaterschaft ergab sich zunächst aus den divergierenden Angaben betreffend den DNA-Test. Laut Mutter hat ein solcher stattgefunden, wobei sie nicht wisse wo er sei (gemeint wohl: dessen Ergebnis). Einen weiteren wolle sie nicht machen lassen. Der Beschwerdeführer dagegen erklärte nach Vorhalt der unähnlichen Hautfarbe des Kindes, einem DNA-Test zuzustimmen. Das Kind trägt, obwohl von Gesetzes wegen ehelich, den Nachnamen der Mutter.

Dazu kommt, dass die Mutter das Kind im Herkunftsstaat gebar, wo sie sich zur Niederkunft etwa einen Monat aufhielt, wogegen in der gemeinsamen Wohnung nie ein Kind der Gattin wohnte, sondern beide Kinder bei der mütterlichen Großmutter in diesem Herkunftsstaat wohnen, was sich aus dem ZMR und den Vernehmungen ergibt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

Unter einem gemeinsamen Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK ist bei einer Ehe das Vorliegen einer ehelichen Lebens-, Vermögens- und Geschlechtsgemeinschaft zu verstehen (VwGH 30.09.2014, 2013/22/0280). Nach den Feststellungen ist der Beschwerdeführer demnach verheiratet, führte aber kein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK.

3.1 Zum Aufenthaltsverbot (Spruchpunkt I):

Der Beschwerdeführer ist seit seiner Heirat begünstigter Drittstaatsangehöriger, auch dann, wenn die Ehe als Aufenthaltsehe zu qualifizieren ist, und zwar jedenfalls solange keine rechtskräftige Feststellung im Sinn des § 54 Abs. 7 NAG vorliegt.

Nach § 67 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen begünstigte Drittstaatsangehörige zulässig, das nach Abs. 2 grundsätzlich bis zu zehn Jahre dauern darf, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein reichen nicht ohne weiteres hin, und vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.

Bei der Stellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 67 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist.

Dann ist abzuwägen, ob das Allgemeininteresse an der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes schwerer wiegt als andere Momente, wie etwa auch das Privat- und Familienleben des Betroffenen.

Den persönlichen und familiären Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt in Österreich stehen das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit auf dem Gebiet des Fremdenwesens, des Arbeitsmarkts und der Gewerbeausübung gegenüber.

Nach § 53 Abs. 1 GewO 1994 ist das Feilbieten im Umherziehen von Ort zu Ort oder von Haus zu Haus nur zulässig auf Grund der Anmeldung des freien Gewerbes des Feilbietens von Obst, Gemüse, Kartoffeln, Naturblumen, Brennholz, Butter und Eiern oder (Z. 1) und nach Z. 2 mit Bewilligung der Gemeinde bestimmten Gewerbetreibenden zu deren besserem Fortkommen für das Feilbieten ihrer eigenen Erzeugnisse.

Da der Beschwerdeführer keine Gärtnerei und damit keine Erzeugnisse hatte, kommt nur die Anmeldung des genannten freien Gewerbes in Betracht, die er nach den Feststellungen unterließ. Sein Rosenverkauf war daher gewerberechtlich nicht erlaubt.

Aus dem unerlaubten Verhalten in Bezug auf die Gewerbeausübung und der Schwarzarbeit lässt sich ablesen, dass der Beschwerdeführer die rechtlich geschützten Werte nicht ausreichend verinnerlicht hat, woraus sozial inadäquates Verhalten folgte. Dazu kommt, dass er seit der Ablehnung der Verlängerung seines Aufenthaltstitels am 30.09.2016 ohne Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet verblieb und später eine Aufenthaltsehe einging, was ebenfalls eine Geringschätzung der für ihn maßgeblichen Rechtsvorschriften erkennen lässt.

Der Beschwerdeführer hat selbst angegeben, in den Herkunftsstaat zurückzukehren. Damit hat er zum Ausdruck gebracht, dass seine Bindungen dorthin nach wie vor vorhanden sind, auch wenn er sich schon mehrere Jahre in Österreich aufhält. Da zugleich auch seine Frau ausgereist ist und sich nicht mehr im Inland aufhält, sowie auch deren Kinder nie hier wohnten, sind demgegenüber seine Bindungen in Österreich von geringem Gewicht. Auch das Beschwerdevorbringen behauptet keine Bindungen des Beschwerdeführers an Österreich.

Nach der Rechtsprechung liegen die Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nach § 67 Abs. 1 erster und zweiter Satz FPG (unter anderem) dann vor, wenn der Fremde - im Sinn des Tatbestands des § 53 Abs. 2 Z. 8 FPG - eine Aufenthaltsehe geschlossen hat (VwGH 23.03.2017, Ra 2016/21/0349 mwH), sich also, obwohl er mit dem Ehegatten kein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK führte, trotzdem (so der Tatbestand der Z. 8) "für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, für den Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, [...] oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen" auf diese Ehe berufen hat.

Dies ist wie dargetan beim Beschwerdeführer der Fall. Beschwerdehalber hat dieser vorgebracht, er halte sich wie auch seine Ehefrau nicht mehr im Bundesgebiet auf, sei deshalb auch nicht mehr in Besitz eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, und deshalb dürfe ein Aufenthaltsverbot gestützt auf § 67 FPG wider ihn nicht erlassen werden.

Zu diesem Einwand ist auf die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach Aufenthaltsverbote nach § 67 FPG tatbestandsmäßig nicht an einen (aktuellen) Inlandsaufenthalt anknüpfen und daher auch dann möglich sind, wenn sich der betreffende Fremde (schon) im Ausland befindet (VwGH 25.01.2018, Ra 2017/21/0237 mwH).

Nach österreichischem Recht gilt wegen § 144 Abs. 1 Z. 1 ABGB als Vater der Tochter, wer bei der Geburt mit der Mutter verheiratet war. Da fallbezogen kein Ehepartner Österreicher ist, und beide unterschiedliche Staatsangehörigkeiten haben gibt bei der Feststellung der Ehelichkeit das Recht gemäß Personalstatut des Kindes den Ausschlag (§ 21 IPRG). Nach Art. 51 § 1 des Slowakischen FamilienG ergibt sich, dass ein Ehemann als Vater anzusehen ist, dessen Gattin während der Ehe [...] ein Kind zur Welt bringt. (Vgl. EGMR 10.10.2006, 10699/05, Paulik v. Slovakia). Das in der Slowakischen Republik lebende jüngere Kind gilt damit als eines des Beschwerdeführers, auch wenn dieser kein Vaterschaftsanerkenntnis abgegeben hat.

Es ist daher zu beachten, dass im vorliegenden Fall wegen der räumlichen Nähe des Nachbarstaats und der damit verbundenen Reise- und Kontaktmöglichkeiten mit dem Aufenthaltsverbot ein Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers verbundenen ist, auch wenn sich das Aufenthaltsverbot nicht auf die Slowakische Republik erstreckt.

Dieser Eingriff ist jedoch zulässig, weil er für das Erreichen von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen, hier konkret: zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens, des Personenstandswesens, der Gewerbeausübung und des Arbeitsmarktes, dringend geboten ist, und demgegenüber die Bindung des Beschwerdeführers zur Tochter kaum ausgeprägt ist. Er hat nämlich zu dieser nicht die im Vater-Tochter-Verhältnis üblichen Kontakte gepflegt und es vorgezogen, ohne sie - nach eigenen Angaben in den Herkunftsstaat - auszureisen.

Da sich das Aufenthaltsverbot auf das Bundesgebiet beschränkt, hat der Beschwerdeführer grundsätzlich auch die Möglichkeit, nach Einholen der erforderlichen Genehmigung das Familienleben in der Slowakischen Republik weiterzuführen, was ihm auch zumutbar ist.

Das Aufenthaltsverbot gegen den Beschwerdeführer erging fallbezogen deshalb zumindest dem Grunde nach zu Recht

Der Verwaltungsgerichtshof hat im angeführten Erkenntnis (23.03.2017, Ra 2016/21/0349) und weiteren (30.09.2014, 2013/22/0280 mwH) ausgesprochen, dass in den Fällen des § 67 Abs. 1 FPG ein auf das Fehlverhalten durch Eingehen einer Aufenthaltsehe gestütztes Aufenthaltsverbot im Hinblick auf die für nicht begünstigte Drittstaatsangehörige in § 53 Abs. 2 Z. 8 FPG getroffene Anordnung mit keiner höheren Dauer als fünf Jahre befristet werden darf.

Der Missbrauch des Rechtsinstituts der Ehe zur Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Rechte stellt bereits eine schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung dar, was auch in § 53 Abs. 2 Z. 8 FPG zum Ausdruck kommt.

Der Beschwerdeführer hat sich zudem bereits unberechtigt im Inland aufgehalten, als er die Aufenthaltsehe einging, er hat - statt auszureisen und sich unter Nachweis der Voraussetzungen um eine zur beabsichtigten Aktivität erforderliche Genehmigung zu kümmern - unter Missachtung gewerbe- und sozialversicherungsrechtlicher Vorschriften Einkünfte erzielt. Den Umständen entsprechend sind dabei pflichtwidrig auch Zahlungen an Versicherungsträger und die Finanzverwaltung entfallen.

Das Persönlichkeitsbild, das in der geschilderten mangelnden Rechtstreue und Gleichgültigkeit gegenüber den in Österreich rechtlich geschützten Werten zum Ausdruck kommt, lässt bei der nach § 67 Abs. 1 FPG 2005 zu erstellenden Gefährdungsprognose - auch mit Blick auf den während der Jahres des rechtmäßigen Aufenthalts nicht wahrgenommenen Aufenthaltszweck - eine Gefährdungsdauer wie die vom BFA angenommene von fünf Jahren durchaus plausibel erscheinen, sodass das BFA die Dauer des Aufenthaltsverbots mit diesem Zeitraum richtig bemessen hat.

In dieser Zeit ist es dem Beschwerdeführer zudem möglich, trotz des bestehenden Aufenthaltsverbotes die Wiedereinreise aus wichtigen öffentlichen oder privaten Gründen (§ 27a Abs. 2 FPG) zu beantragen.

Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, sodass sie betreffend Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen war.

3.2. Zum Durchsetzungsaufschub (Spruchpunkt II):

Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

Das BFA hat diesen Aufschub erteilt. Die Beschwerde lässt offen, warum sie Spruchpunkt II bekämpft. Auch amtswegig konnten dem Sachverhalt keine Hinweise darauf entnommen werden, dass die Erteilung des Aufschubs nicht in der gewählten Art hätte erfolgen dürfen.

Demgemäß erwies sich die Beschwerde auch zu diesem Ausspruch als unbegründet, weshalb sie abzuweisen war.

4. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

Eine mündliche Verhandlung kann unterbleiben, wenn der für die rechtliche Beurteilung relevante Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. (Vgl. VwGH 28.06.2018, Ra 2018/19/0271 mwH)

Außerdem muss die Verwaltungsbehörde ihre die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Gericht diese tragenden Erwägungen in seiner Entscheidung teilen. Auch darf im Rahmen der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüberhinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht zu bleiben hat, wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt.

Die genannten Kriterien treffen in diesem Fall zu. Der Sachverhalt ist durch die belangte Behörde vollständig erhoben und weist - aufgrund des Umstandes, dass der bekämpfte Bescheid nach Ausreise des Beschwerdeführers erging, der sich seither nicht mehr im Inland aufhielt - die gebotene Aktualität auf. Der Beweiswürdigung der belangten Behörde hat sich das Gericht wie dargelegt angeschlossen.

Zwar kommt der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen der mündlichen Verhandlung besondere Bedeutung zu (VwGH 23.03.2017, 2016/21/0349), und das auch in Bezug auf die für die Abwägung nach Art. 8 EMRK relevanten Umstände. Daraus ist aber keine "absolute" (generelle) Pflicht zur Durchführung einer Verhandlung in Verfahren über aufenthaltsbeendende Maßnahmen abzuleiten. In eindeutigen Fällen, bei denen bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das Verwaltungsgericht von ihm einen positiven persönlichen Eindruck verschafft, kann auch eine beantragte mündliche Verhandlung unterbleiben (VwGH 18.10.2017, Ra 2017/19/0422).

Das Gericht musste sich keinen persönlichen Eindruck von den BF verschaffen, da es sich um einen solchen eindeutigen Fall in dem Sinne handelt, dass auch bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn der persönliche Eindruck ein positiver ist.

Die Abhaltung einer Verhandlung konnte demnach unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung zu Aufenthaltsverboten nach Eingehen einer Aufenthaltsehe. Die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Aufenthaltsehe, Aufenthaltsverbot, Durchsetzungsaufschub, Gefährdung
der Sicherheit, Gefährdungsprognose, Gesamtverhalten
AntragstellerIn, gewerbliche Tätigkeit, illegale Beschäftigung,
illegaler Aufenthalt, Interessenabwägung, öffentliche Interessen,
öffentliche Ordnung, öffentliche Sicherheit,
Persönlichkeitsstruktur, Privat- und Familienleben, private
Interessen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:I419.2194648.1.00

Zuletzt aktualisiert am

06.09.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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