TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/8 I415 2147021-1

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Veröffentlicht am 08.04.2019
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Entscheidungsdatum

08.04.2019

Norm

BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §52
VwGVG §28 Abs5
VwGVG §31 Abs1

Spruch

I415 2147021-1/23E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Hannes LÄSSER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit Nigeria, vertreten durch Edward W. Daigneault, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Lerchenfelder Gürtel 45/11, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge: BFA) vom 31.01.2017, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein am XXXX geborener nigerianischer Staatsangehöriger, reiste zu Weihnachten 2016 mit einem bis 21.01.2017 gültigen Visum nach Österreich ein, um hier seine nigerianische Mutter und seinen Stiefvater, einen österreichischen Staatsbürger, zu besuchen. Der Beschwerdeführer verblieb nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des Visums in Österreich.

Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid des BFA vom 31.01.2017, wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 Fremdenpolizeigesetz erlassen (Spruchpunkt I). Weiters wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt II). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III).

Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Erkenntnis vom 19.04.2018 in Bezug auf die genannten Spruchpunkte als unbegründet ab, wobei dem Beschwerdeführer gemäß § 55 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise von vierzehn Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung eingeräumt wurde. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach es aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

Mit Schriftsatz vom 01.06.2018 erhob der Beschwerdeführer eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof (VwGH) und beantragte die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Begründend wurde aufs Wesentliche zusammengefasst ausgeführt, dass die Mutter des noch nicht einundzwanzigjährigen Beschwerdeführers am XXXX den österreichischen Staatsbürger A.K.S. geheiratet habe. A.K.S., von dem sich ein mit 18.01.2005 datierter Staatsbürgerschaftsnachweis in den vorgelegten Akten befindet, habe im Zeitraum 15.09.2012 bis 10.01.2013 in Großbritannien gearbeitet und damit das ihm zukommende unionsrechtliche Freizügigkeitsrecht ausgeübt. Der Beschwerdeführer sei daher begünstigter Drittstaatsangehöriger; gegen ihn dürfe keine Rückkehrentscheidung erlassen werden. Vielmehr komme ihm im Sinne des Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG (Freizügigkeitsrichtlinie) ein Aufenthaltsrecht zu.

Mit Beschluss des VwGH vom 11.06.2018 wurde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Mit Erkenntnis vom 13.11.2018, Ra 2018/21/0103-6, hob der VwGH das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts auf. Nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 4 Z 11 FPG ist (fallbezogen) ein begünstigter Drittstaatsangehöriger der Verwandte des Ehegatten eines Österreichers, der sein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen hat, und zwar in gerader absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, darüber hinaus, sofern ihm Unterhalt tatsächlich gewährt wird. Gegen begünstigte Drittstaatsangehörige könne eine Rückkehrentscheidung nach § 52 FPG nicht erlassen werden (vgl. dazu des Näheren VwGH 15.3.2018, Ra 2018/21/0014, Rn. 8, mwN). Es seien vielmehr die Bestimmungen des 4. Abschnitts des 8. Hauptstücks des FPG, die in § 66 und § 67 aufenthaltsbeendende Maßnahmen (unter anderem) gegen begünstigte Drittstaatsangehörige, nämlich Ausweisung und Aufenthaltsverbot, regeln, einschlägig (vgl. VwGH 31.8.2017, Ra 2017/21/0133, Rn. 7, mwN). Bei einem begünstigten Drittstaatsangehörigen wäre aber auch die vom BFA vorgenommene amtswegige Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005 schon von vornherein nicht in Betracht gekommen, weil die genannte Bestimmung des 7. Hauptstücks gemäß § 54 Abs. 5 AsylG 2005 nicht für diese Personengruppe gilt (siehe auch dazu VwGH 31.8.2017, Ra 2017/21/0133, Rn. 7, mwN). Vor diesem rechtlichen Hintergrund wäre das Vorbringen des Beschwerdeführers, ihm komme die Stellung als begünstigter Drittstaatsangehöriger zu, vorrangig zu prüfen gewesen und hätte vom Bundesverwaltungsgericht nicht kommentarlos übergangen werden dürfen. Das angefochtene Erkenntnis war daher bereits aus diesem Grund zur Gänze wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Mit Schreiben vom 03.04.2019 übermittelte die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers das Erkenntnis des VwG Wien vom 03.04.2019, Zl. VWG-151/039/1559/2018-28, samt Verhandlungsprotokoll vom selben Tag betreffend die Säumnisbeschwerde des XXXX vom 16.02.2017 auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte gemäß § 54 Abs 1 NAG. Hierbei wurde dem Antrag des XXXX stattgegeben und ist eine solche Aufenthaltskarte für die Dauer von 5 Jahren auszustellen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der unter Punkt I beschriebene Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:

Der volljährige, strafrechtlich unbescholtene Beschwerdeführer ist ledig, kinderlos, Staatsangehöriger von Nigeria, bekennt sich zum christlichen Glauben und führt den im Spruch genannten Namen sowie das dortige Geburtsdatum. Seine Identität steht fest.

Das Verwaltungsgericht Wien gab mit Erkenntnis vom 03.04.2019 dem Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte gemäß § 54 Abs 1 NAG statt. Begründend führte das VwG Wien an wie folgt:

"Herr XXXX ist der Sohn der Frau XXXX; diese ist seit dem XXXX (Heiratsurkunde des Standesamtes XXXX) mit Herrn XXXX österreichischer Staatsbürger) verheiratet. Herr XXXX war nach den glaubwürdigen Unterlagen von September 2012 bis Jänner 2013 zwecks Erwerbstätigkeit in Großbritannien aufhältig. Im Lichte des Erkenntnisses des VwGH Zl. 2008/21/0393 vom 05.07.2011 fällt er damit unter den Kreis jener österreichischen Staatsbürger, die von ihrer Freizügigkeit Gebrauch gemacht haben und zwar unabhängig davon, dass die Ehe mit Frau G.O. erst 2015 geschlossen wurde. Herr XXXX ist 1997 geboren und damit über 21 Jahre alt. Dies führt zur Prüfung des zusätzlichen Kriteriums der tatsächlichen Unterhaltsgewährung. Diesbezüglich hat sich folgendes ergeben: Herr A.K.S. ist seit 01.09.2015 durchgehend bei der "XXXX" beschäftigt. Er erzielt damit ein Monatseinkommen von € 1.800,--. Die Wohnung in Wien [...] hat eine Größe von 26,40 m². Monatliche Kosten: € 150,--; bewohnt von BF + Mutter + Stiefvater. Der Zeuge Herr A.K.S. stellte glaubhaft dar, dass von seinem Einkommen tatsächlich Unterhaltsmittel zugunsten des BF aufgewendet werden. Somit ist auch diese Komponente der Voraussetzungen erfüllt, sodass dem Antrag zu entsprechen und anstelle der Behörde, welche die Entscheidungsfrist versäumt hatte, aufgrund der deshalb berechtigten Säumnisbeschwerde durch das Verwaltungsgericht Wien spruchgemäß zu entscheiden war."

2. Beweiswürdigung:

Die unter Punkt I getroffenen Ausführungen zum Verfahrensgang gründen sich auf sämtliche Unterlagen im Gerichtsakt I415 2147021-1.

Die Feststellungen zu seinen Lebensumständen, seiner Herkunft, seiner Glaubens- und Volkszugehörigkeit, seiner strafrechtlichen Unbescholtenheit sowie seiner Staatsangehörigkeit gründen sich auf die diesbezüglichen glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde und im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 03.04.2019, Zl. VWG-151/039/1559/2018-28.

Die Identität des Beschwerdeführers steht aufgrund des nigerianischen Reisepasses Nr. XXXX, gültig bis 26.03.2024, fest.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

Wie aus dem Verfahrensgang ersichtlich und in den Feststellungen ausgeführt, heiratete die Mutter des Beschwerdeführers G.O. am XXXX den österreichischen Staatsangehörigen A.K.S., welcher in Ausübung seines unionsrechtlichen Freizügigkeitsrechts in Großbritannien von September 2012 bis Jänner 2013 erwerbstätig war. Dem über 21 Jahre alten Beschwerdeführer wird durch seine Mutter und den Stiefvater tatsächlich Unterhalt gewährt. Das VwG Wien ist daher vom Bestehen eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts des Beschwerdeführers als begünstigtem Drittstaatsangehörigen ausgegangen und hat mit mündlich verkündetem Erkenntnis vom 03.04.2019 dem Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte gemäß § 54 Abs 1 NAG stattgegeben.

Gegen begünstigte Drittstaatsangehörige kann jedoch eine Rückkehrentscheidung nach § 52 FPG nicht erlassen werden (vgl. dazu des Näheren VwGH 15.3.2018, Ra 2018/21/0014, Rn. 8, mwN). Es sind vielmehr die Bestimmungen des 4. Abschnitts des 8. Hauptstücks des FPG, die in § 66 und § 67 aufenthaltsbeendende Maßnahmen (unter anderem) gegen begünstigte Drittstaatsangehörige, nämlich Ausweisung und Aufenthaltsverbot, regeln, einschlägig (vgl. VwGH 31.8.2017, Ra 2017/21/0133, Rn. 7, mwN). Bei einem begünstigten Drittstaatsangehörigen wäre aber auch die vom BFA vorgenommene amtswegige Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005 schon von vornherein nicht in Betracht gekommen, weil die genannte Bestimmung des 7. Hauptstücks gemäß § 54 Abs. 5 AsylG 2005 nicht für diese Personengruppe gilt (siehe auch dazu VwGH 31.8.2017, Ra 2017/21/0133, Rn. 7, mwN).

Der Beschwerde war daher stattzugeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos zu beheben.

Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint.

In der rezenten Entscheidung des VwG Wien vom 03.04.2019, Zl. VWG-151/039/1559/2018-28, betreffend die Ausstellung einer Aufenthaltskarte gemäß § 54 Abs 1 NAG zu Gunsten des Beschwerdeführers wurde in der mündlichen Verhandlung das Vorbringen des Beschwerdeführers, ihm komme die Stellung als begünstigter Drittstaatsangehöriger zu, eingehend geprüft und letztlich bejaht.

Daher konnte durch das Bundesverwaltungsgericht aufgrund der Aktenlage entschieden werden.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte sohin gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

Asylverfahren, begünstigte Drittstaatsangehörige, Behebung der
Entscheidung, Ehe, ersatzlose Behebung, Kassation

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:I415.2147021.1.00

Zuletzt aktualisiert am

06.09.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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