TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/15 W228 2165231-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.05.2019
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Entscheidungsdatum

15.05.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W228 2165231-1/27E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Harald WÖGERBAUER als Einzelrichter in der Beschwerdesache des XXXX , geboren am XXXX .1987, Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch den Rechtsanwalt Mag. Dr. XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.06.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 13.11.2018 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 stattgegeben und wird XXXX der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.

III. Gemäß § 8 Abs. 4 AslyG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 15.05.2020 erteilt.

IV. Die Spruchpunkte III. und IV. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, hat sein Heimatland verlassen, ist illegal in das Bundesgebiet eingereist und hat am 01.10.2015 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 16.10.2015 gab der Beschwerdeführer zu seinem Fluchtgrund an, dass er in der Moschee aufgefordert worden sei, Bomben in Autos zu verstecken. Für den Fall, dass er dies nicht tue, sei er mit dem Umbringen bedroht worden.

Der Beschwerdeführer wurde am 10.04.2017 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er an, dass er aus der Provinz Logar stamme. Die ersten zehn Jahre seines Lebens habe er dort gelebt, dann habe er sieben Jahre lang mit seiner Familie in Pakistan gelebt bevor er nach Logar zurückgegangen sei. Zu seinem Fluchtgrund führte der Beschwerdeführer zusammengefasst aus, dass er in einer KFZ-Werkstätte gearbeitet habe. Eines Tages seien vier unbekannte Männer, die der Gruppe der Jihad angehört hätten, gekommen und hätten versucht, den Beschwerdeführer zu rekrutieren. Er sei aufgefordert worden, ein Fahrzeug aus der Werkstatt zu einer Schule zu bringen. Als er dort angekommen sei, hätten die Männer Sachen in das Auto geladen und den Beschwerdeführer aufgefordert, das Auto danach woanders hinzubringen. Sie hätten ihm gedroht, ihm die Finger abzuschneiden, falls er es nicht mache. Der Beschwerdeführer sei nachhause gelaufen und seine Mutter habe gemeint, dass er Afghanistan verlassen solle.

Mit nunmehr angefochtenem Bescheid vom 27.06.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gemäß § 10 Abs.1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Weiters wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, zu seinem Fluchtgrund, zur Situation im Falle seiner Rückkehr und zur Lage in seinem Herkunftsstaat. Es habe keine glaubhafte Gefährdungslage festgestellt werden können. Der Beschwerdeführer habe keine Verfolgung glaubhaft machen können. Dem Beschwerdeführer könne eine Rückkehr nach Afghanistan zugemutet werden.

Gegen verfahrensgegenständlich angefochtenen Bescheid wurde mit Schreiben der damaligen Rechtsvertretung des Beschwerdeführers vom 20.07.2017 Beschwerde erhoben. Darin wurde zunächst das vom Beschwerdeführer in der Einvernahme vor der belangten Behörde erstattete Vorbringen wiederholt und wurde ausgeführt, dass seine Mutter und seine Brüder mittlerweile aus Afghanistan in den Iran geflohen seien, weil sie oftmals von besagten Männern bedroht worden seien. Die belangte Behörde habe sich mit dem Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers nur rudimentär auseinandergesetzt und habe große und wesentliche Teile seines Fluchtvorbingens gänzlich ignoriert. Zudem habe es die belangte Behörde unterlassen, sich vertiefend mit der Lage in der Provinz Logar auseinanderzusetzen. In einer Gesamtschau wäre dem Beschwerdeführer Asyl, zumindest jedoch subsidiärer Schutz zu gewähren.

Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 24.07.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

Am 28.05.2018 übermittelte die damalige Rechtsvertretung des Beschwerdeführers diverse Unterlagen zur Integration des Beschwerdeführers in Österreich an das Bundesverwaltungsgericht.

Am 10.10.2018 wurde seitens der damaligen Rechtsvertretung des Beschwerdeführers ein Patientenbrief vom 03.10.2018 sowie ein Schreiben der Psychotherapeutin des Beschwerdeführers an das Bundesverwaltungsgericht übermittelt.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde in der gegenständlichen Rechtssache am 13.11.2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Beisein des Beschwerdeführers und seiner Rechtsvertretung, eines Dolmetschers für die Sprache Dari sowie eines Vertreters der belangten Behörde durchgeführt.

Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Schreiben vom 22.01.2019 an den Beschwerdeführer, an dessen Rechtsvertretung sowie an die belangte Behörde mitgeteilt, dass im gegenständlichen Verfahren die Einholung eines Sachverständigengutachtens des nichtamtlichen Sachverständigen Univ.Prof.Dr.Med XXXX aus dem Fachgebiet für Psychiatrie beabsichtigt sei.

Am 01.02.2019 übermittelte die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers eine Erklärung des Bruders des Beschwerdeführers, der in den USA lebt, an das Bundesverwaltungsgericht.

Am 15.04.2019 langte beim Bundesverwaltungsgericht das psychiatrisch-neurologische Gutachten von Univ.Prof.Dr.Med XXXX vom 20.03.2019 ein.

Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Schreiben vom 18.04.2019 der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers sowie der belangten Behörde das Sachverständigengutachten vom 20.03.2019 sowie Unterlagen der Staatendokumentation übermittelt.

Am 03.05.2019 langte eine Stellungnahme der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsbürger, geboren XXXX .1987. Er wurde in der Provinz Logar geboren, wo er die ersten zehn Jahre seines Lebens verbrachte. In weiterer Folge hat er gemeinsam mit seiner Familie sieben Jahre lang in Pakistan gelebt. Der Vater des Beschwerdeführers ist in Pakistan gestorben. Der Beschwerdeführer kehrte mit seiner Mutter und seinen Geschwistern nach Logar zurück, wo er in der Folge bis zu seiner Ausreise im Jahr 2015 lebte.

Es konnte nicht festgestellt werden, wo die Familie des Beschwerdeführers nunmehr aufhältig ist.

Der Beschwerdeführer ist volljährig und ledig. Der Beschwerdeführer gehört der Volksgruppe der Tadschiken an, ist sunnitischer Moslem und spricht Dari. Er hat lediglich drei Monate eine Koranschule besucht und verfügt über keine sonstige Ausbildung. Er hat in Afghanistan als Hilfsarbeiter in einer Autowerkstatt gearbeitet.

Der Beschwerdeführer ist illegal spätestens am 01.10.2015 in das Bundesgebiet eingereist. Es halten sich keine Familienangehörigen oder Verwandten des Beschwerdeführers in Österreich auf. Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten.

Der Beschwerdeführer war in Afghanistan keiner konkreten individuellen Verfolgung ausgesetzt. Es wird festgestellt, dass dem Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Afghanistan keine Verfolgungsgefahr durch die Taliban bzw. die Gruppe der "Jihad" droht.

Der Beschwerdeführer leidet an einer rezidivierenden depressiven Störung. Seit Mitte 2016 leidet er an depressiven Verstimmungszuständen unterschiedlichen Ausprägungsgrades, die auch zu mehreren stationären Aufnahmen, zuletzt im Jänner 2019, geführt haben. Er befindet sich in regelmäßiger nervenärztlicher sowie in psychotherapeutischer Behandlung.

Die Fortführung der derzeitigen medikamentösen Behandlung mit Antidepressivamedikation (Mirtabene 45 mg 1x1 abends, Sertralin 100 mg 1 x 1 morgens und Quetiapine 300 mg 1 x 2 abends) sowie eine neuroleptische Medikation mit Truxal (15 mg 3 x 1 abends) ist weiterhin medizinisch indiziert. Ebenso ist die Fortführung der psychotherapeutischen Behandlung medizinisch indiziert.

Das Medikament mit dem Wirkstoff Sertralin ist in Kabul und Mazar-e Sharif erhältlich. In Kabul kostet Setralin, erhältlich unter den Namen Reline 100 mg, 482,26 AFN für 50 Tabletten. In Mazar-e Sharif kostet das Medikament Sertralin (100 mg) 260 AFN für 20 Tabletten.

Seroquel (Wirkstoff: Quetiapine) ist in Afghanistan erhältlich. Die Kosten für Quetiapine (100mg) betragen 230 AFN für 20 Stück.

Das Medikament Truxal ist in Afghanistan nicht erhältlich. Alternativ wird Olanzapin 10 mg verwendet. Eine Packung mit 10 Tabletten kostet 200 AFN.

Das Medikament Mirtabene 30 mg ist in Afghanistan erhältlich und eine Packung mit 10 Stück kostet 300 AFN.

Im Falle einer Rückkehr des Beschwerdeführers nach Afghanistan würden sohin monatliche Kosten für Medikamente in Höhen von 5.982,48 AFN (Kabul) bzw. 6.067 AFN (Mazar-e Sharif) anfallen. Die Kosten für den Wohnraum in Kabul belaufen sich auf 1.509 AFN monatlich, in Mazar-e Sharif auf 1.292 AFN monatlich. Die sonstigen Lebenserhaltungskosten belaufen sich in Kabul auf 3.090 AFN monatlich, in Mazar-e Sharif auf 4.445 AFN monatlich.

Insgesamt hätte der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan monatliche Ausgaben in Höhe von 10.581,84 AFN in Kabul bzw. 11.813 AFN in Mazar-e Sharif.

Der Beschwerdeführer, der über keine Ausbildung verfügt, ist als Hilfsarbeiter einzustufen und würde im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan AFN 5.500 monatlich verdienen. Die Differenz zwischen seinen Ausgaben und Einnahmen beliefe sich in Kabul auf minus 5.081,48 AFN und in Mazar-e Sharif auf minus 6.313 AFN.

Im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan könnte der Beschwerdeführer aufgrund des Umstandes, dass er aufgrund der hohen Kosten für notwendige Medikamente ca. doppelt so hohe Ausgaben wie Einnahmen hätte, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

Im Falle einer Verbringung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat droht diesem ein reales Risiko einer Verletzung der Art. 2 oder 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958 (in der Folge EMRK).

Zur Situation im Herkunftsland Afghanistan wird Folgendes festgestellt:

Logar

Logar gehört zu den volatilen Provinzen Afghanistans. Einem hochrangigen Polizeibeamten zufolge hat sich die Sicherheitslage im Vergleich zur Vergangenheit verbessert. Außerdem plane man, Operationen gegen die Taliban zu verstärken. Aufgrund der Nähe zu den Außendistrikten der Stadt Kabul, fanden in Logar heftige Gefechte zwischen Taliban und Sicherheitskräften statt.

Im Jahr 2017 gehörte Logar zu den Provinzen mit der höchsten Anzahl registrierter Anschläge.

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 156 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Im gesamten Jahr 2017 wurden in Logar 148 zivile Opfer (67 getötete Zivilisten und 81 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Bodenoffensiven, gefolgt von gezielten Tötungen und Luftangriffen. Dies bedeutet einen Rückgang von 35% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. Obwohl die Gefechte u.a. in Logar stiegen, sank in der Provinz die Anzahl der zivilen Opfer in Folge von Bodenoffensiven.

Militärische Operationen in Logar

ANA-Beamten zufolge verstärken afghanische Truppen ihre militärischen Operationen gegen die Taliban in der volatilen Provinz, um die Stellungen der Aufständischen zu zerstören. So werden in Logar regelmäßig militärische Operationen durchgeführt, um bestimmte Gegenden von Aufständischen zu befreien; dabei wurden Talibananführer und Mitglieder des Haqqani-Netwerkes getötet. Luftangriffe werden durchgeführt; dabei wurden Aufständische getötet. Zusammenstöße zwischen den Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften finden statt.

Regierungsfeindliche Gruppierungen in Logar

Talibankämpfer sind in einigen Distrikten der Provinz aktiv. Auch dem Haqqani-Netzwerk wird nachgesagt, über eine Präsenz in Teilen der Provinz zu verfügen und verschiedene Angriffe in Logar auszuüben. In einigen abgelegenen Distrikten der Provinz versuchten Taliban, ihre religiösen Ansichten in den Schulen zu verbreiten. Im März 2017 versuchte der IS, junge Männer in der Provinz Logar zu rekrutieren, auch wurden tschetschenische Staatsbürger, möglicherweise Anhänger des IS, in der Provinz Logar verhaftet.

Im Zeitraum 1.1.2017 - 31.1.2018 wurden in Logar IS-bezogene Vorfälle (Gefechte) registriert.

Mazar-e Sharif:

Mazar-e Sharif ist die Hauptstadt der Provinz Balkh. Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana und Pul-e-Khumri und ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst.

In Mazar-e Sharif gibt es einen internationalen Flughafen, durch den die Stadt sicher zu erreichen ist.

Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans, sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan. Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften.

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.382.155 geschätzt.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, Volksgruppenzugehörigkeit und Religion des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers.

Der Umstand, dass nicht festgestellt werden kann, wo die Familie des Beschwerdeführers aufhältig ist, ergibt sich daraus, dass der Beschwerdeführer zum Aufenthaltsort seiner Familie keine übereinstimmenden Angaben tätigte. So gab er in der Einvernahme vor der belangten Behörde an, dass er keinen Kontakt zu seiner Familie habe und nicht wisse, wo seine Familie nunmehr lebe; gab dann jedoch auf die Frage, ob seine Familie Häuser besitze, an: "Ja. Meine Familie hat ein Haus und ein Grundstück. Soweit ich weiß leben sie dort." In der Beschwerde brachte er schließlich vor, dass seine Brüder und seine Mutter mittlerweile in den Iran geflüchtet seien.

Die Feststellung betreffend die Erkrankung sowie die Medikation des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem psychiatrisch-neurologische Gutachten von Univ.Prof.Dr.Med XXXX vom 20.03.2019 in Zusammenschau mit den im Akt befindlichen Befundberichten und Patientenbriefen.

Die Feststellungen betreffend die Kosten für die vom Beschwerdeführer benötigten Medikamente in Afghanistan ergeben sich aus den Anfragebeantwortungen der Staatendokumentation vom 30.01.2048, 16.02.2018 und 16.04.2018.

Die Feststellungen betreffend die Kosten für Wohnraum und sonstige Lebenserhaltungskosten in Kabul und Mazar-e Sharif ergeben sich aus dem Gutachten von Mag. XXXX .

Die Feststellung betreffend den Verdienst des Beschwerdeführers in Höhe von 5.500 AFN monatlich im Falle seiner Rückkehr ergeben sich daraus, dass er aufgrund seiner Angabe, dass er in Afghanistan 3.000-6.000 AFN monatlich erhalten habe, als Hilfsarbeiter einzustufen ist. Aus dem Fact Finding Mission Report Afghanistan von April 2018 geht hervor, dass der Tageslohn für Hilfsarbeiter ca. 300 AFN beträgt, sohin 5.500 AFN monatlich (300x220/12). Die Berechnung basiert auf der Annahme des Monats Februar bzw. von 220 Arbeitstagen im Jahr.

Die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan grundlegende Lebensbedürfnisse nicht befriedigen könnte, ergibt sich aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan aufgrund der hohen Kosten für notwendige Medikamente ca. doppelt so hohe Ausgaben wie Einnahmen hätte.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach er im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan einer Verfolgung durch die Taliban bzw. die Gruppierung der "Jihad" ausgesetzt wäre, ist aus folgenden Erwägungen nicht glaubhaft:

Zunächst ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer sein Vorbringen in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht massiv gesteigert hat. So gab er erstmals an, dass seine Mutter gezwungen worden sei, ihren Cousin zu heiraten, seine Mutter in der Folge von ihrem Cousin gefoltert worden sei und der Beschwerdeführer selbst von seinem Stiefvater (dem Cousin seiner Mutter) und zwei weiteren Personen geschlagen und vergewaltigt worden sei. Die Folter und Vergewaltigung durch den Cousin seiner Mutter wurde vom Beschwerdeführer weder im Verfahren vor der belangten Behörde noch in der Beschwerde erwähnt. Auf entsprechenden Vorhalt gab der Beschwerdeführer an, dass er bei der Einvernahme vor dem BFA aufgefordert worden sei, kurze Antworten zu geben und nur mit "ja" oder "nein" zu antworten. Dem ist allerdings entgegenzuhalten, dass die Einvernahme vor dem BFA von 09:05 bis 11:50 Uhr gedauert hat und das Protokoll zehn Seiten umfasst und kann daher nicht nachvollzogen werden, wieso es dem Beschwerdeführer nicht möglich hätte sein sollen, die Folter und Vergewaltigung zumindest ansatzweise zu erwähnen. Auch in der Beschwerde wurden die Folter und Vergewaltigung durch seinen Stiefvater mit keinem Wort erwähnt.

Des Weiteren tätigte der Beschwerdeführer widersprüchliche Angaben zu den vier Personen, die eines Tages zu ihm in die Werkstatt gekommen seien und ihn aufgefordert hätten, für sie zu arbeiten. So sprach er in der Einvernahme vor der belangten Behörde zunächst davon, dass es sich um Taliban gehandelt habe, später gab er an, dass diese Personen eigentlich der Gruppe der "Jihad" angehört hätten; in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sprach er wiederum von Leuten der Taliban. Zudem gab er erstmals an, dass er von seinem Stiefvater, dem Cousin seiner Mutter, dazu angestiftet worden sei, ein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug nach Kabul zu bringen. In der Einvernahme vor der belangten Behörde hatte der Beschwerdeführer hingegen angegeben, dass die vier unbekannten Personen, die in die Werkstatt gekommen seien, ihn zu dieser Tat aufgefordert hätten und erwähnte er in der Einvernahme vor der belangten Behörde seinen Stiefvater mit keinem Wort.

Zu der Beladung des Autos tätigte der Beschwerdeführer ebenfalls massiv widersprüchliche Angaben. So gab er bei der Einvernahme vor der belangten Behörde an, dass er nicht gut erkannt habe, welche Sachen die Leute in dieses Auto geräumt hätten; es seien große Kisten aus Kunststoff gewesen. In der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht brachte er hingegen vor, dass er selbst gesehen habe, wie die Sprengstofffässer in das Auto geladen worden seien und konnte er äußerst detaillierte Angaben zu diesen Behältern tätigen.

Dem Vorbringen der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, wonach der Beschwerdeführer aufgrund seiner psychischen Erkrankungen nur schwer über das in Afghanistan Erlebte sprechen könne und er hinsichtlich seiner Aussagen über das in Afghanistan Erlebte gesundheitlich beeinträchtigt sei, ist entgegenzuhalten, dass aus dem psychiatrisch-neurologischen Gutachten von Univ.Prof.Dr.Med XXXX vom 20.03.2019 hervorgeht, dass beim Beschwerdeführer keine psychische Erkrankung in einem Ausmaß fassbar sei, dass dadurch die Wiedergabefähigkeit beschränkt wäre und auch keine psychische Erkrankung in einen Ausmaß fassbar sei, die ihn außer Lage setzen würde, Erlebtes wiederzugeben. Es sei beim Beschwerdeführer keine psychische Erkrankung fassbar, die zu einer Beschränkung der Wahrnehmungsfähigkeit führen würde bzw. die Erinnerungsfähigkeit beschränken würde bzw. ihn außer Lage setzen würde, schlüssige und widerspruchfreie Angaben zu tätigen.

In einer Gesamtschau erscheint eine konkrete Bedrohung des Beschwerdeführers durch die Taliban bzw. die Gruppierung der "Jihad" nicht glaubhaft.

Die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat ergeben sich aufgrund des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation (Gesamtaktualisierung am 29.06.2018) dem EASO-Bericht "Afghanistan Security Situation - Update" vom Mai 2018 und der UNHCR-RL vom 30.08.2018.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn (Z 1) der der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder (Z 2) die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Letztere Variante traf unter Berücksichtigung der in ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 VwGVG vertretenen Ansicht über den prinzipiellen Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auf die gegenständliche Konstellation zu (vgl. dazu etwa VwGH 28.07.2016, Zl. Ra 2015/01/0123).

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides

Die "Glaubhaftmachung" wohlbegründeter Furcht gemäß § 3 AsylG 1991 setzt positiv getroffene Feststellungen von Seiten der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl. VwGH 11.06.1997, Zl. 95/01/0627). Im Asylverfahren stellt das Vorbringen des Asylwerbers die zentrale Entscheidungsgrundlage dar. Dabei genügen aber nicht bloße Behauptungen, sondern bedarf es, um eine Anerkennung als Flüchtling zu erwirken, hierfür einer entsprechenden Glaubhaftmachung durch den Asylwerber (vgl. VwGH 04.11.1992, Zl. 92/01/0560). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Aufgabe des Asylwerbers, durch ein in sich stimmiges und widerspruchsfreies Vorbringen, allenfalls durch entsprechende Bescheinigungsmittel, einen asylrelevanten Sachverhalt glaubhaft zu machen (VwGH 25.03.1999, 98/20/0559).

So erscheint es im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht unschlüssig, wenn den ersten Angaben, die ein Asylwerber nach seiner Ankunft in Österreich macht, gegenüber späteren Steigerungen erhöhte Bedeutung beigemessen wird (vgl. VwGH 08.07.1993, Zl. 92/01/1000; VwGH 30.11.1992, Zl. 92/01/0832; VwGH 20.05.1992, Zl. 92/01/0407; VwGH 19.09.1990, Zl. 90/01/0133). Der Umstand, dass ein Asylwerber bei der Erstbefragung gravierende Angriffe gegen seine Person unerwähnt gelassen hat (hier Schläge, Ziehen an den Haaren, Begießen mit kaltem Wasser) spricht gegen seine Glaubwürdigkeit (VwGH 16.09.1992, Zl. 92/01/0181). Die gilt umso mehr für Widersprüche (vgl. zur Erstbefragung nach § 19 Abs. 1 AsylG 2005 auch VwGH 02.01.2017, Zl. Ra 2016/18/0323, Rz 8). Auch unbestrittene Divergenzen zwischen den Angaben eines Asylwerbers bei seiner niederschriftlichen Vernehmung und dem Inhalt seines schriftlichen Asylantrages sind bei schlüssigen Argumenten der Behörde, gegen die in der Beschwerde nichts Entscheidendes vorgebracht wird, geeignet, dem Vorbringen des Asylwerbers die Glaubwürdigkeit zu versagen (Vgl. VwGH 21.06.1994, Zl. 94/20/0140). Eine Falschangabe zu einem für die Entscheidung nicht unmittelbar relevanten Thema (vgl. VwGH 30.09.2004, Zl. 2001/20/0006, zum Abstreiten eines früheren Einreiseversuchs) bzw. Widersprüche in nicht maßgeblichen Detailaspekten (vgl. VwGH vom 23.01.1997, Zl. 95/20/0303 zu Widersprüchen bei einer mehr als vier Jahre nach der Flucht erfolgten Einvernahme hinsichtlich der Aufenthaltsdauer des BFs in seinem Heimatdorf nach seiner Haftentlassung) können für sich allein nicht ausreichen, um daraus nach Art einer Beweisregel über die Beurteilung der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers die Tatsachenwidrigkeit aller Angaben über die aktuellen Fluchtgründe abzuleiten (vgl. dazu auch VwGH 26.11.2003, Zl. 2001/20/0457). Auch oberflächlich und allgemein gehaltene Angaben, welche jeden konkreten, (insbesondere zeitlich) nachprüfbaren Anhaltspunkt vermeiden, und die trotz mehrfacher Aufforderungen, Details zu schildern, erfolgen, sind grundsätzlich geeignet, in einer schlüssigen Begründung zur Verneinung der Glaubwürdigkeit dieser Angaben betreffend eine drohende individuelle Verfolgung herangezogen zu werden (vgl. etwa VwGH 26.06.1996, Zl. 95/20/0205).

Die amtswegigen Ermittlungspflichten im Asylverfahren sind im § 18 Abs. 1 AsylG 2005 geregelt, der inhaltlich nahezu wortgleich der Vorgängerbestimmung des § 28 AsylG 1997 entspricht. Der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 Abs. AsylG 1997 folgend stellt diese Gesetzesstelle eine Konkretisierung der aus § 37 AVG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 AVG hervorgehende Verpflichtung der Verwaltungsbehörden dar, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen, begründet aber keine über den Rahmen der angeführten Vorschriften hinausgehende Ermittlungspflicht (vgl. VwGH 08.04.2003, Zl. 2002/01/0522). Grundsätzlich obliegt es dem Asylwerber, alles Zweckdienliche, insbesondere seine wahre Bedrohungssituation in dem seiner Auffassung nach auf ihn zutreffenden Herkunftsstaat, für die Erlangung der von ihm angestrebten Rechtsstellung vorzubringen (Vgl. VwGH 31.05.2001, Zl. 2001/20/0041; VwGH 23.07.1999, Zl. 98/20/0464). Nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, hat die Behörde gemäß § 28 AsylG 1997 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (Vgl. VwGH 14.12.2000, Zl. 2000/20/0494; VwGH 06.10.1999, Zl. 98/01/0311; VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0222). Die Ermittlungspflicht der Behörde geht auch nicht soweit, den Asylwerber zu erfolgversprechenden Argumenten und Vorbringen anzuleiten (vgl. VwGH vom 21.09.2000, Zl. 98/20/0361; VwGH 04.05.2000, Zl. 99/20/0599)

Im gegenständlichen Fall sind nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes die dargestellten Voraussetzungen, nämlich eine "begründete Furcht vor Verfolgung" im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK, nicht gegeben.

Wie bereits in der Beweiswürdigung hinlänglich ausgeführt wurde, ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen, sein behauptetes individuelles Fluchtvorbringen, im Herkunftsland eine konkrete Verfolgung durch die Taliban bzw. die Gruppierung der "Jihad" befürchten zu müssen, glaubhaft zu schildern.

Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides

Wird ein Asylantrag "in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten" abgewiesen, so ist dem Asylwerber gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, "wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde". Nach § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung dieses Status mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 AsylG 2005 zu verbinden.

Gemäß Art. 2 EMRK wird das Recht jedes Menschen auf das Leben gesetzlich geschützt. Abgesehen von der Vollstreckung eines Todesurteils, das von einem Gericht im Falle eines durch Gesetz mit der Todesstrafe bedrohten Verbrechens ausgesprochen worden ist, darf eine absichtliche Tötung nicht vorgenommen werden. Letzteres wurde wiederum durch das Protokoll Nr. 6 beziehungsweise Nr. 13 zur Abschaffung der Todesstrafe hinfällig. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

Gemäß § 8 Abs. 3 und 6 AsylG 2005 ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich dieses Status abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offensteht oder wenn der Herkunftsstaat des Asylwerbers nicht festgestellt werden kann. Daraus und aus mehreren anderen Vorschriften (§ 2 Abs. 1 Z 13, § 10 Abs. 1 Z 2, § 27 Abs. 2 und 4 AsylG 2005) ergibt sich, dass dann, wenn dem Asylwerber kein subsidiärer Schutz gewährt wird, sein Antrag auf interanationalen Schutz auch in dieser Beziehung förmlich abzuweisen ist.

Unter "realer Gefahr" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen ("a sufficiently real risk") im Zielstaat zu verstehen (VwGH 19.02.2004, Zl. 99/20/0573; auch ErläutRV 952 BlgNR 22. GP zu § 8 AsylG 2005). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Artikels 3 EMRK zu gelangen (zB VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294; 25.01.2001, Zl. 2000/20/0438; 30.05.2001, Zl. 97/21/0560). Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (vgl. VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427; 20.06.2002, Zl. 2002/18/0028; siehe dazu vor allem auch EGMR 20.07.2010, N. gg. Schweden, Zl. 23505/09, Rz 52ff; 13.10.2011, Husseini gg. Schweden, Zl. 10611/09, Rz 81ff).

Der Beschwerdeführer stammt aus der Provinz Logar, welche - wie aus den Länderberichten ableitbar - eine der Provinzen mit volatiler Sicherheitslage in Afghanistan ist. Eine Rückkehr des Beschwerdeführers in seine Heimatprovinz ist daher nicht möglich.

Trotz der weiterhin als instabil zu bezeichnenden allgemeinen Sicherheitslage scheint eine Rückkehr nach Afghanistan im Hinblick auf die regional und sogar innerhalb der Provinzen von Distrikt zu Distrikt unterschiedliche Sicherheitslage nicht grundsätzlich ausgeschlossen.

Was die Sicherheitslage betrifft, wird seitens des erkennenden Gerichts im Hinblick auf die Länderfeststellungen zwar nicht verkannt, dass die Situation (auch) in der Stadt Mazar-e Sharif nach wie vor angespannt ist. Dennoch ist festzuhalten, dass die afghanische Regierung die Kontrolle über die Hauptstadt Kabul, größere Transitrouten, Provinzhauptstädte und fast alle Distriktszentren hat. Darüber hinaus ist Mazar-e Sharif über den Luftweg aufgrund des vorhandenen Flughafens eine sicher erreichbare Stadt.

Aus dem vorliegenden Berichtsmaterial geht hervor, dass Anschläge, insbesondere auf Einrichtungen mit Symbolcharakter, nicht auszuschließen sind und in unregelmäßigen Abständen auch stattfinden. Hierzu ist auszuführen, dass die weltweit zu verzeichnende Zunahme von Terroranschlägen für sich alleine betrachtet noch nicht die Schlussfolgerung zu tragen vermag, dass die Ausweisung in einen von Terroranschlägen betroffenen Staat automatisch gegen Art. 3 EMRK verstoßen würde bzw. für den Betroffenen unzumutbar wäre. Die verzeichneten Anschläge ereignen sich hauptsächlich im Nahebereich staatlicher Einrichtungen und richten sich mehrheitlich gezielt gegen die Regierung und internationale Organisationen sowie Restaurants, Hotels oder ähnliche Einrichtungen, in denen vorwiegend ausländische Personen verkehren. Die genannten Gefährdungsquellen sind in reinen Wohngebieten nicht anzunehmen, weshalb die Sicherheitslage in der Stadt Mazar-e Sharif nach wie vor als ausreichend sicher zu bewerten ist.

Auch wenn die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse, wie etwa der Zugang zu Arbeit, Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung häufig nur sehr eingeschränkt möglich ist, so ist die Versorgung der afghanischen Bevölkerung in diesen Städten dennoch zumindest grundlegend gesichert.

Laut den Richtlinien des UNHCR müssen die schlechten Lebensbedingungen sowie die prekäre Menschenrechtslage von intern vertriebenen afghanischen Staatsangehörigen bei der Prüfung der Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative berücksichtigt werden, wobei angesichts des Zusammenbruchs des traditionellen sozialen Gefüges der Gesellschaft auf Grund jahrzehntelang währender Kriege, massiver Flüchtlingsströme und interner Vertreibung hierfür jeweils eine Einzelfallprüfung notwendig ist (zur Indizwirkung von UNHCR-Richtlinien vgl. u.a. VwGH 10.12.2014, Ra 2014/18/0103).

Hierzu ist auszuführen, dass es sich beim Beschwerdeführer zwar um einen alleinstehenden, jungen Mann handelt, der grundsätzlich in einem erwerbsfähigen Alter ist. Das durchgeführte Ermittlungsverfahren ergab jedoch, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Kabul oder Mazar-e Sharif aufgrund der hohen Kosten für notwendige Medikamente ca. doppelt so hohe Ausgaben wie Einnahmen hätte und er dadurch grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen könnte, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

Aufgrund der das Einkommen übersteigenden Kosten ist von einer individuellen Unzumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative auszugehen.

Unter Berücksichtigung der dargelegten allgemeinen Gegebenheiten im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers und der - insbesondere unter dem Aspekt seiner Erkrankung und mangelnden Unterstützungsfähigkeit seiner Familie - aufgezeigten persönlichen Umstände des Einzelfalls des Beschwerdeführers erscheint es insgesamt nicht möglich, dass der Beschwerdeführer in Kabul oder Mazar-e Sharif Fuß fasst und dort ein Leben ohne unbillige Härten führen kann, wie es auch andere Landsleute führen (vgl VwGH 23.1.2018, Ra 2018/18/0001). Auch eine drohende Verletzung seiner Rechte unter dem Gesichtspunkt ökonomischer Überlegungen ist zu bejahen, da der Beschwerdeführer aufgrund einer Zurückführung in eine ausweglose Situation geraten würde.

Der erkennende Richter hat Herat wegen aktueller Flutvorfälle nicht als innerstaatliche Fluchtalternative geprüft. Jalalabad wurde ebenso nicht geprüft, da eine Erreichbarkeit derzeit nicht gegeben ist.

Dem Beschwerdeführer würde daher vor dem Hintergrund der dargelegten Erkenntnisquellen unter Berücksichtigung der ihn betreffenden individuellen, exzeptionellen Umstände bei einer Rückkehr nach Afghanistan die reale Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung drohen, wobei eine innerstaatliche Fluchtalternative aus den dargelegten Erwägungen nicht zumutbar ist. Es ist damit dargetan, dass seine Abschiebung eine Verletzung in seinen Rechten nach Art 3 EMRK darstellen würde.

Ausschlussgründe nach § 8 Abs 3a iVm § 9 Abs 2 AsylG liegen nicht vor, weil sie einerseits nicht hervorgekommen sind (§ 9 Abs 2 Z 1 und 2 AsylG) und der Beschwerdeführer andererseits unbescholten ist (Z 3 leg cit).

Daher war der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides stattzugeben und dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuzuerkennen.

Zu Spruchpunkt A)

III. - Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung

Gemäß § 8 Abs 4 AsylG ist einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, von der zuerkennenden Behörde gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.

Im gegenständlichen Fall ist dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuzuerkennen.

Daher ist dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs 4 AsylG gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für die Dauer eines Jahres zu erteilen.

Zu Spruchpunkt A)

IV. - Ersatzlose Behebung der Spruchpunkte III. und IV. des angefochtenen Bescheides:

Im gegenständlichen Fall ist dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuzuerkennen.

Da die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung einer Rückkehrentscheidung und die Festsetzung einer Frist für die freiwillige Ausreise somit nicht mehr vorliegen, sind die Spruchpunkte III und IV. des angefochtenen Bescheides ersatzlos zu beheben (vgl dazu auch VfGH 13.9.2013, U 370/2012; VwGH 4.8.2016, Ra 2016/21/0162).

Es ist somit spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs.1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs.4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

Schlagworte

befristete Aufenthaltsberechtigung, Behandlungsmöglichkeiten,
Eingriff in sexuelle Selbstbestimmung, gesteigertes Vorbringen,
Glaubwürdigkeit, individuelle Verhältnisse, mangelnde Asylrelevanz,
medizinische Versorgung, private Verfolgung, psychische Erkrankung,
Rückkehrsituation, subsidiärer Schutz, Verfolgungsgefahr,
Vergewaltigung, Versorgungslage

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W228.2165231.1.00

Zuletzt aktualisiert am

06.09.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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