TE Bvwg Erkenntnis 2019/7/2 W195 2203868-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.07.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

02.07.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

W195 2203868-1/8E

W195 2203871-1/8E

W195 2203870-1/8E

W195 2207859-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Vizepräsidenten Dr. Michael SACHS als Einzelrichter über die Beschwerden von 1) XXXX , geb. XXXX , 2) XXXX , geb. XXXX , 3) XXXX , geb. XXXX und 4) XXXX , geb. XXXX , alle StA. Bangladesch, vertreten durch XXXX , Rechtsanwältin XXXX , gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zahlen XXXX ad 1), XXXX ad 2) und XXXX ad 3) und vom XXXX ad 4), nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX sowie am XXXX zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

B)

Revisionen sind gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Erstbeschwerdeführer (im Folgenden: BF 1) und die Zweitbeschwerdeführerin (im Folgenden: BF 2), miteinander verheiratet und bengalische Staatsangehörige, stellten am XXXX Anträge auf internationalen Schutz.

Im Rahmen von am XXXX vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erfolgten niederschriftlichen Erstbefragungen gab der BF 1 zu seinen Fluchtgründen an, als Organisationssekretär der Partei Jubo Dal des Gemeindeverbandes XXXX , in seiner Heimat aufgrund seiner politischen Gesinnung von Angehörigen der Partei Awami League und von den Sicherheitsbehörden von Bangladesch, verfolgt worden zu sein. Am XXXX sei er bei der Polizeistation in XXXX fälschlicherweise von Angehörigen der regierenden Awami League strafrechtlich angezeigt worden. Er sei wegen eines Verstoßes gegen mehrere Paragraphen des bengalischen Strafgesetzbuches zur Anzeige gebracht worden. Diesbezüglich habe er auch Verfahrensunterlagen in Originalform sowie mit englischer Übersetzung bei sich, welche am Tag vor den Erstbefragungen von der Polizei in XXXX sichergestellt worden seien. Am XXXX , nachdem er von dieser Anzeige durch seine Parteikollegen erfahren habe, habe er sofort sein Heimatland verlassen und sei illegal nach Indien gereist. Seine Ehefrau sei am XXXX zu ihm nach Indien gereist. Sie habe ihm auch alle seine Dokumente, die tags zuvor von der Polizei in XXXX sichergestellt worden seien, nach Indien nachgebracht. Viele seiner Parteikollegen, welche in Indien untergetaucht seien, seien von der indischen Polizei und über Ersuchen der bengalischen Sicherheitsbehörden festgenommen und nach Bangladesch überstellt worden. Deshalb habe er schnell die Ausreise aus Indien organisieren müssen und auch die Ausreise seiner Frau aus Bangladesch in die Wege geleitet. Einige Tage nachdem seine Frau in Indien angekommen sei, seien sie dann gemeinsam illegal aus Indien ausgereist und nach Österreich gereist. Das seien alle seine Fluchtgründe, andere Gründe habe er nicht.

Die BF 2 gab an, keine eigenen Fluchtgründe zu haben. Sie habe Bangladesch verlassen, weil ihr Mann dort politisch verfolgt worden sei und ausreisen habe müssen. Dieser habe die BF 2 nachgeholt und sie seien nach Österreich geflohen. Das seien alle Gründe, die sie dazu bewogen hätten, Bangladesch zu verlassen.

I.2. Am XXXX brachte die BF 2 den Drittbeschwerdeführer (im Folgenden: BF 3) zur Welt, der, gesetzlich vertreten durch die BF 2, am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

I.3. Am XXXX wurde der BF 1 vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) niederschriftlich einvernommen.

Dabei führte der BF 1 aus, gegen ihn liege in Bangladesch ein Haftbefehl vor. In der Anzeigeschrift stehe, dass er jemanden von "der anderen Partei" geschlagen und eine Kopfverletzung zugefügt habe. Das Geschäft des Zeugen hätte er mit anderen zerstört bzw. ausgeraubt. Weiters stehe darin, dass sie "Gifte hätten" und es wäre "bez. Artikel 34 des jeweiligen Gesetzes" ein Verfahren eingeleitet worden. Es stehe auch darin, dass sie angeblich unbefugt in "ihr" Eigentum eingetreten wären und Sachen zerstört hätten. Auch des versuchten Mordes nach Art. 307 würde er beschuldigt. Das sei politisch motiviert. Die Anzeige sei am XXXX "erlassen" worden.

In Bangladesch sei der Beschwerdeführer "natürlich" politisch aktiv gewesen, er sei in seiner Ortschaft Organisationssekretär bei der Jubo Dal gewesen. 2006 sei er der Partei beigetreten. Von 2009 bis 2013, bis er das Land verlassen habe, sei er Organisationssekretär gewesen. Er habe oft Demos und Streike organisiert. "Votar Card" habe der BF 1 keine.

Infolge Verständigungsschwierigkeiten mit dem Dolmetscher wurde die Einvernahme abgebrochen.

I.4. Am XXXX wurde der BF 1 neuerlich einvernommen. Ebenfalls einvernommen wurde die BF 2. Der BF 1 wurde zur BNP befragt und ihm wurde aufgetragen, die Flagge der BNP zu skizzieren. Er brachte zu seinen Fluchtgründen soweit wesentlich vor, wenn er nachhause zurückgehe, wäre nicht das Problem, dass er umgebracht würde. Sie würden den BF 1 so schlagen, dass er behindert sei und er wolle nicht sein ganzes Leben so leben. Solange die jetzige Regierung an der Macht sei, wolle er um Asyl ansuchen. Da gegen den BF 1 ein Haftbefehl bestünde, würden sie ihn verhaften, misshandeln und vielleicht umbringen. Die jetzige Regierung würde nicht lockerlassen und sie sei schon seit fünf Jahren ohne Wahl an der Macht.

Angezeigt habe ihn der XXXX . Dieser sei der Präsident der Awami League in seinem Bezirk. Der Bezirk sei " XXXX ". Solange die Regierung an der Macht sei, würden sie sie nicht existieren lassen und schlagen und töten. Die gegnerische Partei werde ihn misshandeln

und sie würden ihn "mit noch mehr Anzeigen . . . verhaften." Es sei

egal, wo der BF 1 in Bangladesch sei, sie würden ihn finden und ihm die Polizei schicken.

Ein Meldesystem wie in Österreich gebe es in Bangladesch zwar nicht, aber über die Geburtsurkunde und über die "Votar Card" könne man "es" herausfinden.

Die BF 2 brachte soweit wesentlich vor, sie habe keine persönlichen Probleme, nur aufgrund der Probleme ihres Mannes habe sie Probleme mit den heimatlichen Behörden gehabt. Die Polizei sei immer wieder wegen ihres Mannes gekommen. Die Polizisten hätten Probleme gemacht und versucht, die BF 2 anzufassen. Sie hätten "schlecht" mit ihr gesprochen, daher beantrage sie Asyl. Sie habe keine eigenen Fluchtgründe, sondern sie sei wegen der Gründe ihres Mannes in Österreich. Sie beantrage denselben Schutzumfang wie ihr Mann für sich und den BF 3. Sie könne nicht zurück nachhause, wenn ihr Mann nicht dabei sei, würden sie die BF 2 und ihren Sohn schlagen. Innerhalb Bangladeschs könne die BF 2 nicht ausweichen.

I.5. Am XXXX wurden der BF 1 und die BF 2 neuerlich vor dem BFA niederschriftlich einvernommen. Der BF 1 gab zu seinen Fluchtgründen befragt an, Organisationssekretär der Jubo Dal des Gemeindeverbandes XXXX gewesen zu sein. Mitglieder der Awami League hätten den BF 1 angezeigt, obwohl nichts daran gewesen sei. Sie hätten ihn der schweren Körperverletzung, dem versuchten Mord, der Erpressung, des Raubes und des Diebstahls beschuldigt. Der BF 1 müsste wegen versuchtem Mord lebenslang ins Gefängnis. Wenn ihn die Polizei erwischen würde, würde der BF 1 sicherlich geschlagen und gefoltert. Auch die Awami-League-Leute würden den BF 1 misshandeln. Er hätte in Bangladesch kein sicheres Leben mehr. Er könnte nicht mehr arbeiten oder sonstiges machen. Die Polizei würde ihn sicherlich finden. Deswegen habe er das Land verlassen müssen. Auf Gemeindeverbandsebene gebe es für Parteileute der BNP bis zu 15 oder 20 Anklagen. Auf Polizeiverwaltungsebene gebe es für Mitglieder der BNP bis zu 30 Anklagen. Wenn man dann festgenommen werde, werde ein Verfahren nach dem anderen durchgeführt. Solange es so in Bangladesch ablaufe, ergäbe es keinen Sinn, in Bangladesch zu leben. Die Anzeige gegen den BF 1 laute, er und acht andere Mitglieder der BNP hätten XXXX vor seinem Lebensmittelgeschäft angegriffen, Leute verletzt und randaliert. Sie hätten ihm schwere Verletzungen zugefügt und versucht, ihm nach dem Leben zu trachten. Darüber hinaus sei gesagt worden, dass sie das Lebensmittelgeschäft verwüstet und Geld gestohlen hätten. Wo sich die anderen Angeklagten befänden, wisse der BF 1 nicht, er habe keine aktuellen Telefonnummern. Angezeigt habe ihn XXXX , dieser sei Gemeindeverbandspräsident von XXXX und Mitglied der Awami League.

Der BF 1 sei seit 2006 Mitglied der BNP. Im Jahr 2013 sei er persönlich bedroht worden, indem man ihn mit Messer und Pistole bedroht und ihm gesagt habe, man würde ihn sofort umbringen, wenn er den Distrikt nicht verlassen würde. Er sei von XXXX mit seinen 15 bis 20 Gefolgsleuten bedroht worden.

Zur Struktur der BNP befragt führte der BF 1 aus, zuerst sei die Vorsitzende, dann der "Senior Vice Chairman", dann der Generalsekretär, Zentralkomitee, auf Divisionsebene, dann Distriktsebene und Gemeindeverbandsebene. Die Aufgaben des BF 1 seien gewesen Demonstrationen und die Leute dazu zu organisieren. Sie hätten auch stille Proteste mit Plakaten vor Behörden gemacht. Er habe auch Fahrten für Demonstrationen von den Dörfern in die Städte habe organisiert und den "General Assistant Secretary" vertreten. Der "General Assistant Secretary" habe aus XXXX bestanden. Diese habe der BF 1 zuletzt im Februar 2015 in Indien gesehen. Da die beiden früher als der BF 1 geflohen seien, sei er ins Visier "dieser Leute" geraten.

Die Frau des BF 1 habe sich nach der Ausreise zunächst bei seiner Mutter aufgehalten. Wenn die Polizei mehr Druck auf sie ausgeübt habe, sei sie zu ihren Eltern gezogen. Die BF 2 sei beschimpft und immer nach dem BF 1 gefragt worden. Seit XXXX seien die Behörden sieben- bis achtmal bei seiner Frau gewesen. Am XXXX habe die BF 2 dem BF 1 telefonisch mitgeteilt, dass die Polizei bei ihnen zuhause gewesen sei, am nächsten Tag habe der Beschwerdeführer Bangladesch verlassen.

Im Falle einer Rückkehr fürchte der BF 1 getötet zu werden. Er würde sicherlich verhaftet und gefoltert werden. Innerstaatlich hätte er nicht ausweichen können, weil gegen ihn ein Haftbefehl bestünde.

Die BF 2 "stellte" gelegentlich ihrer Einvernahme für sich und den BF 3 neuerlich einen "Antrag auf ein Familienverfahren gem. § 34 AsylG" und betonte abermals, dass sie und der BF 3 keine eigenen Fluchtgründe hätten und sich die Anträge für sie und den BF 3 auf das "Asylverfahren" des BF 1 beziehen sollten. Die Polizei habe der BF 2 Probleme aufgrund ihres Ehegatten gemacht. Dieser sei Mitglied der BNP und werde von Mitgliedern der Awami League und der Polizei verfolgt. Sie habe deshalb Probleme mit der Polizei gehabt. Die Probleme hätten XXXX begonnen. Die Polizei sei alle paar Monate zur BF 2 gekommen. Ihr Ehemann sei schon vor ihrer Ehe Mitglied der BNP gewesen. Die Polizisten hätten wissen wollen, wo sich der BF 1 befände. Sie hätten die BF 2 "betatscht" und ihr gedroht, dass sie Probleme bekommen würde, wenn sie den BF 1 nicht fänden. Der BF 1 sei angezeigt worden, genaue Details kenne die BF 2 nicht. Er habe ihr nie von seinen politischen Aktivitäten erzählt. Gegen ihn liege ein Haftbefehl vor.

I.6. Mit den im Spruch bezeichneten Bescheiden vom XXXX wies das BFA die Anträge des BF 1, der BF 2 und des BF 3 auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung der Status von Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung der Status von subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch (Spruchpunkt II.) ab. Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurden dem BF 1, der BF 2 und dem BF 3 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurden gegen den BF 1, die BF 2 und den BF 3 Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Darüber hinaus wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Bangladesch gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.) und ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise jeweils 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

Die Abweisung der Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Status von Asylberechtigten begründete das BFA im Wesentlichen damit, dass der BF 1 eine Verfolgung in Bangladesch nicht habe glaubhaft machen können, weswegen Asylgewährungen (im Familienverfahren) nicht in Betracht kämen. Unter Berücksichtigung der individuellen (persönlichen) Umstände des BF 1, der BF 2 und des BF 3 sei nicht davon auszugehen, dass sie im Falle einer Rückkehr in ihr Heimatland in eine ausweglose Situation geraten, weswegen auch keine Anhaltspunkte für die Gewährung von subsidiärem Schutz vorliegen würden. Ebenso wenig lägen Anhaltspunkte für die Erteilung von "Aufenthaltsberechtigungen besonderer Schutz" vor und zudem würden die öffentlichen Interessen an einem geordneten Vollzug des Fremdenwesens gegenüber den privaten Interessen des BF 1, der BF 2 und des BF 3 an einem Verbleib im Bundesgebiet überwiegen, weswegen Rückkehrentscheidungen zu erlassen seien. Die Abschiebung des BF 1, der BF 2 und des BF 3 sei als zulässig zu bewerten.

I.7. Mit Schriftsatz vom XXXX wurden die Bescheide des BFA seitens der - durch Rechtsanwältin XXXX vertretenen - BF 1, BF 2 und BF 3 wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften zur Gänze angefochten.

Nach kurzer Wiedergabe des Inhalts der in Beschwerde gezogenen Bescheide und kurzer Zusammenfassung des behaupteten Sachverhaltes wurde im Wesentlichen die unverständliche und nicht nachvollziehbare Begründung der Bescheide moniert. Im Lichte des Länderinformationsblattes sei eine Verfolgung des BF 1 sehr wohl nachvollziehbar. Dass die Awami League BNP-Mitglieder verfolgen würde, sei allgemein bekannt. Das BFA sei seiner Ermittlungspflicht nicht nachgekommen. Das BFA hätte die vorgelegten Urkunden keiner Überprüfung unterzogen.

Es wurden die Anträge gestellt, die vorgelegten Urkunden einer Echtheitsüberprüfung zuzuführen, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, dem BF 1, der BF 2 und dem BF 3 Asyl zu gewähren, allenfalls ihnen den Status von subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, in eventu, Spruchpunkt III. aufzuheben bzw. dahingehend abzuändern, dass die Rückkehrentscheidung[en] auf Dauer für unzulässig erklärt werde[n] und dem BF 1, der BF 2 und dem BF 3 Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt würden und feststellen, dass ihre Abschiebung nach Bangladesch auf Dauer unzulässig sei, in eventu den Bescheid "ersatzlos" zu beheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das BFA zurückzuverweisen.

I.8. Am XXXX brachte die BF 2 die Viertbeschwerdeführerin (im Folgenden: BF 4) zur Welt, namens derer der BF 1 als gesetzlicher Vertreter am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

I.9. Mit dem im Spruch bezeichneten Bescheid vom XXXX , wies das BFA den Antrag der BF 4 auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde der BF 4 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die BF 4 eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Darüber hinaus wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Bangladesch gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) und ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

Dieser Bescheid ist im Wesentlichen gleich begründet wie die unter I.6. dargestellten Bescheide vom XXXX .

I.10. Mit Schriftsatz vom XXXX wurde der unter I.9. dargestellte Bescheid in Beschwerde gezogen, wobei die Beschwerde auf die unter I.7. dargestellten Beschwerden verweist.

I.11. Mit Schreiben vom XXXX wurde zur Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht geladen und damit den Beschwerdeführern auch das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Bangladesch zur allfälligen Stellungnahme bis längstens im Rahmen der für den XXXX angesetzten mündlichen Beschwerdeverhandlung, übermittelt.

I.12. Am XXXX führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Bengali und der ausgewiesenen rechtsfreundlichen Vertretung der Beschwerdeführer eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, im Zuge derer der BF 1 ausführlich u.a. zu ihren Fluchtgründen, ihren Rückkehrbefürchtungen, ihren Familienverhältnissen und ihren Lebensverhältnissen in Österreich befragt wurde.

Die BF 2 musste sich für diesen Verhandlungstermin kurzfristig entschuldigen, weil eines ihrer Kinder, nämlich BF 4, schweres Fieber hatte und im XXXX -Krankenhaus behandelt wurde.

Im Zuge der Verhandlung wurden ÖSD-Zertifikate für BF1 und BF2 vorgelegt, weiters Bestätigungen für ehrenamtliche Tätigkeit beim Samariterbund, eine Betreuungsvereinbarung für eine Kleinkindergruppe für BF3 ab Herbst, diverse persönliche Unterstützungserklärungen sowie einen Arbeitsvorvertrag der XXXX für BF 1.

Der BF 1 steht im regelmäßigen, ein- bis zweimaligen Kontakt mit seiner Mutter, der Vater ist bereits verstorben. Zwei Brüder befinden sich in Bangladesch, ein Bruder in Kanada. Darüber hinaus hat BF 1 auch Kontakt zu seinen Schwiegereltern, etwa ein bis zwei Mal pro Monat.

Die Mutter ist Direktorin in der Grundschule, seine zwei Brüder betreiben in XXXX einen Kleiderhandel, welchen jedoch der BF 1 ursprünglich aufgebaut habe. Er habe diesen Kleiderhandel seinen Brüdern überlassen. Darüber hinaus gäbe es noch Agrarflächen sowie eine Fläche zur Errichtung eines Wohnhauses. Sie hätten bei einer housing-company bereits ein Grundstück gekauft, welches bebaubar wäre. Insgesamt ginge es seiner Familie sehr gut.

Mit dem BF1 ist eine Konversation in deutscher Sprache möglich, jedoch erfolgen nicht immer inhaltlich korrekte Antworten auf die Themen der Fragestellung. Da der Sprachwortschatz begrenzt ist erfolgen seine Antworten nicht in ganzen Sätzen, so dass man den Antworten des BF1 mit großer Aufmerksamkeit begegnen muss. Er habe zwar einen Deutschkurs besucht, aber bei der B1-Prüfung den mündlichen Teil nicht geschafft. Nach der Geburt des ersten Kindes habe er nicht mehr weitergemacht, weil er nicht dazu kam, seine Kenntnisse weiter zu praktizieren und zu verbessern.

Mit seiner Frau, der BF2 und seinen Kindern, BF 3 und BF 4, spreche er auf Bengali, ausnahmsweise deutsch oder englisch.

Hinsichtlich der ehrenamtlichen Tätigkeiten und Teilnahme am Vereinsleben erläuterte der BF1 seine Aktivitäten in verschiedenen Vereinen mit bengalischen Mitgliedern. Darüber hinaus gehe er auch zum " XXXX . Er habe eine Einstellungszusage von einem Gastronomiebetrieb.

Die Familie (BF1, BF2, BF3, und BF4) erhält Grundversorgung. Wenn sie jedoch etwas benötigen würden sie Geld aus Bangladesch erhalten. Dieses Geld stamme aus der Erbschaft nach seinem Vater, welche er gemeinsam mit seinen Brüdern als Gesamtvermögen habe. Dieses Gesamtvermögen betrage ca 30 bis 35 Millionen Taka. Weiters würde der BF 1 manchmal aushelfen beim Zeitungsverkauf, zB in einer U-Bahnstation. Er mache dies freiwillig, etwa wenn Freunde krank wären. Er habe keine Arbeitsbewilligung, aus Dankbarkeit würden sie ihn und seine Familie dann einladen.

BF 1 nimmt regelmäßig Medikamente wegen Bluthochdruck.

Nach seinen Fluchtgründen befragt führte der BF1 aus, dass er ausschließlich politische Gründe geltend mache. Er sei Organisationssekretär der Jubo Dal gewesen. Am Tag nach einer behaupteten Anzeige, welche strafrechtlich relevante Verfehlungen seinerseits beinhalten würden und von einem hochrangigen Vertreter der Awami-League eingebracht worden sei, sei er nach Indien geflohen.

Seine Frau, BF2, hätte vor der Eheschließung nichts von seinem politischen Engagement gewusst. Er hätte ihr auch danach nicht viel über seinen Fluchtgrund erzählt, weil Frauen Angst hätten, dass ihre Ehemänner umgebracht werden. Deshalb könne man ihnen nicht alle Einzelheiten erzählen. Seine Frau hasst die Politik, weil es immer zu Schlägereien und Verletzungen käme. Er selbst habe nie an "direkten Schlägereien" teilgenommen. Dies sei auch gegen die Parteimoral. Der BF1 habe nicht an direkten Schlägereien teilgenommen, er sei lediglich der Bedrohte gewesen. Der Anzeigenerstatter habe ihn, bevor er die Anzeige einbrachte, massiv bedroht.

Hinsichtlich der BF 3 und BF 4 machte der erziehungsberechtigte Vater Sicherheitsgründe als Fluchtgründe geltend.

Am XXXX erfolgte die Fortsetzung der Verhandlung vor dem BVwG, an der auch neben dem BF1 die BF2, BF3 und BF 4 teilnahmen.

Festgehalten wurde, dass die BF 2 lediglich leichte Allergien habe, die Kinder, BF 3 und BF 4, seien gesund.

Kontakt habe sie zwei- bis dreimal pro Woche mit ihrer Familie, das wären ihre Eltern und ihr Bruder, in Bangladesch.

Hinsichtlich ihrer Deutschkenntnisse musste festgestellt werden, dass eine Konversation in deutscher Sprache sehr schwer möglich ist. Die BF 2 selbst sagte aus, dass BF 1 besser als sie deutsch könne. Mit den Kindern, BF 3 und BF 4, würde sie auf Bengali sprechen, aber sie bemühe sich ihnen auch einzelne deutsche Worte beizubringen.

Sie selbst gehe keinen Aktivitäten in Österreich nach; sie arbeitet nicht und habe auch keine Einstellungszusage, sie würde aber gerne eine Ausbildung zur Krankenschwester absolvieren. Ihr Bekanntenkreis bestünde aus Bengalen.

Als Fluchtgrund gab sie an, dass sie, nachdem ihr Ehemann nach Indien geflohen sei, öfters belästigt wurde. Die Polizei, welche ins Haus ihrer Schwiegermutter gekommen sei, habe sie mit schlechten Worten bedacht und sie hätten sie auch an ihrer Kleidung hin und her gezogen. Sie seien in das Zimmer im Haus gekommen und hätten ihr schlimme Angebote gemacht, wie zB "komm doch mit uns mit". Auch ihre anwesende Schwiegermutter habe versucht dagegen etwas zu machen, aber die Polizei in Bangladesch sei sehr mächtig. Sie sei deshalb zu ihrem Mann nach Indien nachgereist, und zwar mit einem ihr fremden männlichen Schlepper.

Hinsichtlich der BF 3 und BF 4 hätte sie Sorge, dass diese wegen der politischen Aktivitäten ihres Ehemannes entführt werden würden, wenn sie alle zurück nach Bangladesch müssten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

II.1.1. Zu den Personen der Beschwerdeführer, ihren

Familienverhältnissen und ihren Lebensumständen in Österreich:

Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige von Bangladesch und der Volksgruppe der Bengalen sowie der sunnitischen Glaubensgemeinschaft zugehörig. Ihre Muttersprache ist Bengali (gleichlautende Angaben in Erstbefragungen [BF 1 AS 19; BF 2 AS 21] sowie in den Einvernahmen vor dem BFA [BF 1 AS 53 ff., 192 f.; BF 2 AS 79 ff., 102]). Der BF 1 ist mit der BF 2 verheiratet (BF 1 AS 19, 109, 192; BF 2 AS 21, 77, 102), der minderjährige BF 3 (BF 3 AS 3) und die minderjährige BF 4 (BF 4 AS 3), die beide in Österreich geboren wurden (BF 3 und BF 4 aaO), sind ihre gemeinsamen Kinder.

Der BF 1 ist im Ort XXXX geboren und hat bis zu seiner Ausreise immer dort gelebt (BF 1 AS 19 ff., 191). Er hat in seinem Heimatland für zwölf Jahre die Schule besucht und fünf oder sechs Jahre studiert (BF 1 AS 21, 193) und eineinhalb Jahre im Kleiderhandel gearbeitet (BF 1 aaO). Die BF 2 wurde im Ort XXXX geboren und hat zuletzt bei den Eltern des BF 1 in XXXX gelebt (BF 2 AS 101). Sie hat zwölf Jahre die Schule besucht und zwei Jahre studiert, jedoch in Bangladesch nie gearbeitet (BF 2 AS 21 ff., 79, 102).

In Bangladesch halten sich die Mutter, zwei Brüder, zwölf Tanten und ca. 60 Cousinen und Cousins des BF 1 sowie die Mutter, der Vater, ein Bruder, vier Tanten, fünf Onkel sowie ca. 15 Cousinen und Cousins der BF 2 auf. Zwischen dem BF 1 und der BF 2 und ihren jeweiligen Familien besteht aufrechter regelmäßiger Kontakt (BF 1 AS 191 f.; BF 2 AS 101 BVwG-VS).

Der BF 1 und die BF 2 sind im XXXX nicht legal in das Bundesgebiet eingereist. Sämtliche Beschwerdeführer sind in die Grundversorgung einbezogen. Außerhalb der Kernfamilie befinden sich keine Verwandten in Österreich (BF 1 AS 192). Weder der BF 1 noch die BF 2 gehen in Österreich einer Beschäftigung nach (BF 1 AS 198; BF 2 AS 106). Der BF1 ist in Vereinen mit bengalischem Hintergrund tätig (BF 1 AS 199; BF 2 AS 107). Sie leben im Familienverband im gemeinsamen Haushalt, die BF 2 hat bereits bengalische Freunde gefunden (BF 2 AS 107, BVwG-VS).

Der BF 1 und die BF 2 verfügen über geringe Deutschkenntnisse. Der BF 1 kann sich auf Deutsch besser artikulieren als die BF 2 (BF 1 AS 198 f.; BF 2 AS 107, BVwG-VS), obwohl sowohl der BF 1 als auch die BF 2 A2-Zertifikate vorgelegt haben (BF 1 AS 145; BF 2 AS 85). Die Beschwerdeführer sind in Österreich strafrechtlich unbescholten.

Der BF 1 leidet an Hypertonie, wogegen er ein Medikament einnimmt (BF 1 AS 190). Die übrigen Beschwerdeführer sind, abgesehen von einer Allergie des BF2, gesund (BVwG-VS).

I.1.2. Zu den Fluchtvorbringen des BF 1 und der BF 2:

Nicht festgestellt werden kann eine konkrete politische oder sonstige Verfolgung aller Beschwerdeführer in Bangladesch.

Der BF1 macht ausschließlich politische Fluchtgründe geltend.

Der BF 1 war zwar Sympathisant der BNP und Organisationssekretär der Jubo Dal. Nicht festgestellt werden kann aber, dass der BF 1 aus politischen Gründen angezeigt wurde, Strafverfahren gegen ihn geführt wurden oder er sonstige Probleme mit den bengalischen Behörden oder Angehörigen der Awami League hatte. Die behaupteten Anzeigen würden ausschließlich strafrechtlich relevante Sachverhalte betreffen.

Die BF 2 macht für sich keine politischen Fluchtgründe geltend; sie bringt aber vor, dass ihr als Ehefrau des BF 1 die gleichen Asylrechte zustünden.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die BF 2 in Bangladesch Beschimpfungen oder Belästigungen aus politischen Gründen ausgesetzt war.

Hinsichtlich der BF 3 und BF 4, den Kindern von BF 1 und BF 2, werden als Fluchtgrund Sicherheitsbedenken wegen der behaupteten politischen Verfolgung des BF 1, vorgebracht.

Es wird ebenfalls nicht festgestellt, dass den Beschwerdeführern im Falle einer Rückkehr nach Bangladesch eine wie auch immer geartete Verfolgungsgefahr droht.

Dem BF 1, und schon gar nicht den BF 2, BF 3 oder BF 4, drohen in Bangladesch weder Folter noch Haftstrafe.

Es wird festgestellt, dass eine Abschiebung der BF 1, BF 2, BF 3 und BF 4 nach Bangladesch zulässig ist.

II.1.3. Zur maßgeblichen Lage in Bangladesch:

Politische Lage:

Bangladesch - offizielle Bezeichnung Volksrepublik Bangladesch (People' s Republic of Bangladesh / Ga?aprajatantri Ba?lades) ist seit 1991 eine parlamentarische Demokratie (GIZ 12.2018a). Das Land befindet sich größtenteils in der Deltaebene, die durch die Mündung der Flüsse Ganges und Brahmaputra in den Golf von Bengalen (Indischer Ozean) gebildet wird. Nachbarstaaten sind Indien (Westen, Norden und Osten) und Myanmar (Südosten). Die Hauptstadt ist Dhaka (ca. 20 Millionen Einwohner). Auf einer Fläche von ca. 148.000 km² (CIA 21.2.2019) leben etwa 159 bis 165 Millionen Einwohner (CIA 21.2.2019; vgl. GIZ 1.2019, AA 12.2018a). Bangladesch ist mit 1.127 Einwohnern pro Quadratkilometer der am dichtest besiedelte Flächenstaat der Welt (zum Vergleich: Österreich 104 Einwohner pro km²) (WPR o.D.; vgl. AA 12.2018a).

Das Staatsoberhaupt ist der Präsident, der vom Parlament alle fünf Jahre gewählt wird. Eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Er übt größtenteils zeremonielle Funktionen aus, während die Macht in den Händen des Premierministers als Regierungschef liegt. Dieser wird von der stärksten im Parlament vertretenen Partei nominiert und vom Präsidenten formell ernannt. Der Premierminister ernennt die Regierungsmitglieder, die vom Präsidenten bestätigt werden. Nach Ende der fünfjährigen Legislaturperiode bildet der Präsident unter seiner Führung eine unabhängige Übergangsregierung, deren verfassungsmäßige Aufgabe es ist, innerhalb von 90 Tagen die Voraussetzungen für Neuwahlen zu schaffen (ÖB 12.2018; vgl. GIZ 12.2018a). Zusätzlich obliegt dem Premierminister die Kontrolle der Geheimdienste, der Streitkräfte und der paramilitärischen Einheiten (GIZ 12.2018a).

Das Parlament (National Parliament oder Jatiya Sangsad) besteht aus einer Kammer mit 300, in Einzelwahlkreisen auf fünf Jahre direkt gewählten, Abgeordneten (ÖB 12.2018) mit zusätzlichen 50 Sitzen, die nur für Frauen reserviert sind (AA 27.10.2017; vgl. GIZ 12.2018). Diese werden nicht direkt durch eine Wahl vergeben, sondern die Parteien, die es ins Parlament schaffen, nominiert (GIZ 12.2018a). Das Parlament tagt nicht während der Amtszeit der Übergangsregierung. Das Mehrheitswahlrecht führt zu stabilen Mehrheiten im Parlament und hat die Herausbildung der Bangladesch Nationalist Party (BNP) und der Awami League (AL) als dominierende und konkurrierende Parteien begünstigt. Während die konservative BNP Verbündete bei den islamistischen Parteien wie der Jamaat-e-Islami (JI) hat, bekommt die AL traditionell Unterstützung von linken und säkularen Parteien, wie der Arbeiterpartei, der liberaldemokratischen Partei, der national-sozialen Partei Jatiyo Samajtantrik Dal und jüngst auch von der Jatiya Partei, unter dem ehemaligen Militärdiktator Hossain Mohammad Ershad (ÖB 12.2018).

Das politische Leben wird seit 1991 durch die beiden größten Parteien, die "Awami League" (AL) und "Bangladesh Nationalist Party" (BNP) bestimmt. Klientelismus und Korruption sind weit verbreitet. Gewerkschaften, Studentenorganisationen, Polizei und Verwaltung sind parteipolitisch durchdrungen (AA 12.2018). Beide Parteien haben keine demokratische interne Struktur und werden von Familien geführt, die Bangladesch seit der Unabhängigkeit geprägt haben (FH 1.2018).

Seit 2009 ist Sheikh Hasina von der Awami League (AL) Premierministerin (GIZ 12.2018a; vgl. ÖB 12.2018). Im Jänner 2019 wurde Sheikh Hasina für ihre vierte Amtszeit, die dritte Amtszeit in Folge, als Premierministerin angelobt. Im Februar 2019 gab sie bekannt, dass sie nach dieser Amtszeit an die "junge Generation" übergeben wolle (DW 14.2.2019).

Bei den elften bangladeschischen Parlamentswahlen vom 30.12.2018 erzielte die "Große Allianz" um die regierende AL einen Erdrutschsieg mit 96 % der Stimmen und 289 der 300 zur Wahl stehenden Parlamentssitze (Guardian 30.12.2018; vgl. BN24 31.12.2018, DT 27.1.2019, DS 10.1.2019), wobei in zwei Wahlkreisen aufgrund von Gewalt (DS 10.1.2019) bzw. dem Tod eines Kandidaten Nachwahlen notwendig waren (DT 27.1.2019).

Es gibt Berichte über Wahlmanipulation. Die Opposition verurteilte die Wahl als "Farce" und fordert die Annullierung des Ergebnisses und Neuwahlen. Die Regierungspartei weist die Manipulationsvorwürfe und Neuwahlforderungen zurück und nennt die Wahl "völlig frei und unabhängig" (BBC 31.12.2018). In einer vorläufigen Bewertung erklärten Wahlbeobachter der SAARC (South Asian Association for Regional Cooperation), dass die Wahl "viel freier und fairer" ablief als die vorherigen (Hindu 1.1.2019). Bereits im Vorfeld der Wahl kam es zu Gewalt zwischen rivalisierenden Anhängern und zu harten Vorgehen der Regierung (BBC 31.12.2018; vgl. Hindu 1.1.2019). Von Oktober bis Anfang Dezember 2018 fanden wiederholt Fälle willkürlicher Verhaftungen und Inhaftierungen von Demonstranten und politischen Oppositionellen sowie von Gewalttaten und Einschüchterungen durch Mitglieder der Studenten- und Jugendabteilung der Regierungspartei statt. (HRW 13.12.2018). Am Wahltag waren rund 600.000 Sicherheitskräfte, darunter Armee und paramilitärische Truppen, im Einsatz, um die Gewalt einzudämmen (Guardian 30.12.2018). Am Wahltag wurden mindestens 17 Menschen bei Zusammenstößen zwischen Anhängern der regierenden Partei und der Opposition getötet (Reuters 1.1.2019).

2014 trat die BNP aus Protest gegen Verfahrensfehler bei der Organisation der Wahlen nicht zur Wahl an und forderte die Bevölkerung, ihre eigenen Parteimitglieder und Wähler zu einem Generalstreik (Hartal) auf. Eine der wichtigsten BNP-Vertreter der Opposition war und ist die ehemalige Premierministerin und amtierende BNP-Parteivorsitzende Khaleda Zia. Sie wurde im Februar 2018 wegen Veruntreuung zu einer Haftstrafe von fünf Jahren verurteilt (GIZ 12.2018a) und durfte bei den Parlamentswahlen am 30.12.2018 nicht als Kandidatin antreten (DT 8.12.2018). Die oppositionelle BNP hat aufgrund ihrer starken gesellschaftlichen Verankerung das Potential, durch Generalstreiks großen außerparlamentarischen Druck zu erzeugen (GIZ 12.2018a).

Infolge der Dominanz der AL und der fehlenden innerparteiischen Demokratie hat de facto die exekutive Spitze das ausschließliche Sagen bei Gesetzesentwürfen. Wie schon die Vorgängerregierungen baut auch die gegenwärtige AL-Regierung ihre Netzwerke in Verwaltung, Rechtswesen und Militär aus. Verschärfend kommt hinzu, dass die BNP als vormals größte Oppositionspartei nach ihrem Wahlboykott am 5.1.2014 überhaupt nicht mehr im Parlament vertreten war (GIZ 12.2018a) und bei den Parlamentswahlen am 30.12.2018 nur sechs Mandate erzielen konnte (BI 31.12.2018; vgl. DS 10.1.2019).

Durch Verfassungsänderung von Juni 1988 wurde der Islam zur Staatsreligion erklärt, bei gleichzeitiger verfassungsrechtlicher Verankerung des Rechts auf friedliche Ausübung anderer Religionen. Auch Säkularismus ist Staatsprinzip und genießt Verfassungsrang (AA 27.10.2017). Die verfassungsändernde Mehrheit der AL im Parlament führt zu einer enormen Machtkonzentration. Gesetzesinitiativen schränken den Spielraum der Zivilgesellschaft weiter ein. Die derzeitige Regierung hat es sich zum Ziel gemacht, Verbrechen des Unabhängigkeitskrieges von 1971 juristisch aufzuarbeiten. Angeklagt sind damalige Kollaborateure der pakistanischen Streitkräfte, von denen viele bis zur letzten innerparteilichen Wahl in führenden Positionen der islamistischen JI waren. Die Prozesse und (häufig Todes-) Urteile öffnen alte Wunden und führen zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen säkularen und islamistischen Kräften (AA 12.2018).

Bei den am 30.12.2015 in 234 Stadtbezirken durchgeführten Kommunalwahlen in Bangladesch ist die regierende AL in 176 Bezirken als Siegerin hervorgegangen (NETZ 2.1.2016). Die kommenden Kommunalwahlen werden an fünf verschiedenen Wahltagen zwischen 10.3. und 18.6.2019 stattfinden (bdnews24 3.2.2019). Am ersten Wahltermin wurden in den 78 Upazilas eine geringe Wahlbeteiligung beobachtet. Die Wahl wird von der BNP und einigen anderen Parteien boykottiert (DS 10.3.2019).

Der Verwaltungsaufbau von Bangladesch ist zentralstaatlich: Das Land ist in acht Regionen (Divisions), 64 Bezirke (Districts), 501 Landkreise bzw. Großstädte (Upazilas / City Corporations), 4.876 Gemeindeverbände (Union Councils / Municipalities) und circa 87.000 Dorfgemeinden gegliedert (AA 12.2018; vgl. ÖB 12.2018). Im Gebiet der Chittagong Hill Tracts gilt eine besondere Verwaltung, die der lokalen (indigenen), nicht-bengalischen Bevölkerung verstärkte Mitwirkungsmöglichkeiten einräumen soll (ÖB 12.2018).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (12.2018):

Bangladesch - Innenpolitik,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/bangladesch-node/-/206322, Zugriff 7.3.2019

* AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (27.10.2017):

Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Oktober 2017).

* BBC (31.12.2018): Bangladesh election: PM Sheikh Hasina wins landslide in disputed vote,

https://www.bbc.com/news/world-asia-46718393, Zugriff 7.3.2019

* bdnews24 (3.2.2019): 87 Upazila councils go to election on Mar 10 in first phase,

https://bdnews24.com/bangladesh/2019/02/03/87-upazila-councils-go-to-election-on-mar-10-in-first-phase, Zugriff 7.3.2019

* BI - Bangla Insider (31.12.2018): final results of 11th parliamentary elction of Bangladesh 2018, https://en.banglainsider.com/bangladesh/4469/FINAL-RESULTS-OF-11th-PARLIAMENTARY-ELECTION-OF-BANGLADESH-2018, Zugriff 3.1.2019

* BN24 - Bangla News 24 (31.12.2018): Grand alliance wins 288 seats, https://www.banglanews24.com/english/national/article/73191/Grand-alliance-wins-288-seats, Zugriff 7.3.2019

* DS - Daily Star, the (10.1.2019): BNP's Sattar bags B'baria-2, https://www.thedailystar.net/bangladesh-national-election-2018/bangladesh-re-election-3-centres-brahmanbaria-2-constituency-going-peacefully-1685053, Zugriff 11.3.2019

* DS - Daily Star, the (10.3.2019): First phase upazila polls end, counting starts,

https://www.thedailystar.net/country/news/election-78-upazilas-begins-1712992, Zugriff 11.3.2019

* DT - Dhaka Tribune (27.1.2019): Ruling party's Dr Younus Ali Sarker wins Gaibandha 3

by-polls,https://www.dhakatribune.com/bangladesh/election/2019/01/27/voting-in-gaibandha-3-by-polls-underway, Zugriff 11.3.2019

* DT - Dhaka Tribune (8.12.2018): EC rejects Khaleda Zia's candidature by majority decision, https://www.dhakatribune.com/bangladesh/election/2018/12/08/khaleda-zia-s-appeal-remains-pending, Zugriff 7.3.2019

* DW - Deutsche Welle (14.2.2019): Bangladesh PM Sheikh Hasina hints at last term as prime minister, https://www.dw.com/en/bangladesh-pm-sheikh-hasina-hints-at-last-term-as-prime-minister/a-47513555, Zugriff 7.3.2019

* FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/1442339.html, Zugriff 28.2.2019

* GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2018a): Bangladesch - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/bangladesch/geschichte-staat/, Zugriff 7.3.2019

* GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (1.2019): Bangladesch - Überblick, https://www.liportal.de/bangladesch/ueberblick/, Zugriff 11.3.2019

* Guardian, The (30.12.2018): Bangladesh PM Hasina wins thumping victory in elections opposition reject as 'farcical', https://www.theguardian.com/world/2018/dec/30/bangladesh-election-polls-open-after-campaign-marred-by-violence, Zugriff 7.3.2019

* Hindu, The (1.1.2019): Hasina's triumph: on Bangladesh election results,

https://www.thehindu.com/opinion/editorial/hasinas-triumph/article25874907.ece, Zugriff 7.3.2019

* NETZ - Partnerschaft für Entwicklung und Gerechtigkeit e.V. (2.1.2016): Bangladesch Aktuell, http://bangladesch.org/bangladesch/aktuell/detailansicht/news/detail/News/kommunalwahlen/cHash/781fa29261a9302cfb84107680f22794.html, Zugriff 7.3.2019

* ÖB DEL - Österreichische Botschaft Neu Delhi (12.2018):

Asylländerbericht Bangladesch [Arbeitsversion].

* Reuters (1.1.2019): Western powers call for probe into Bangladesh election irregularities, violence, https://www.reuters.com/article/us-bangladesh-election/western-powers-call-for-probe-into-bangladesh-election-irregularities-violence-idUSKCN1OV1PK, Zugriff 7.3.2019

* RW - Human Rights Watch (13.12.2018): Bangladesh: Crackdown as Elections Loom, https://www.ecoi.net/de/dokument/1454483.html, Zugriff 7.3.2019

* WPR - World Population Review (o.D.): World Countries by Population Density 2019,

http://worldpopulationreview.com/countries/countries-by-density/. Zugriff 7.3.2019

Sicherheitslage:

Der Hass zwischen den politischen Parteien, insbesondere Awami League und die Bangladesch National Party, ist für den größten Teil an Gewalt im Land verantwortlich (ACLED 9.11.2018; vgl. FH 1.2018). Beide Parteien sind - gemeinsam mit unidentifizierten bewaffneten Gruppen - in Vandalismus und gewalttätige Auseinandersetzungen verwickelt und greifen auch friedliche Zivilisten an (ACLED 9.11.2018).

Von nichtstaatlichen Akteuren (insbesondere Opposition, Islamisten, Studenten) geht nach wie vor in vielen Fällen Gewalt aus. Die öffentliche Sicherheit ist fragil. Das staatliche Gewaltmonopol wird durchbrochen. Es kommt häufig zu Morden und gewalttätigen Auseinandersetzungen aufgrund politischer (auch innerparteilicher) oder krimineller Rivalitäten. Eine Aufklärung erfolgt selten. Politische Auseinandersetzungen werden von allen Lagern - mit einem teilweise massiven Aufgebot an Menschen und unter Rekrutierung von Studenten- und Jugendorganisationen - auf der Straße ausgetragen (AA 27.10.2017). Spontane Streiks und Kundgebungen können jederzeit stattfinden (BMEIA 14.12.2018; vgl. AA 25.2.2019), dabei können Kämpfe zwischen Sicherheitsbehörden und Demonstranten, Brandstiftung, Gewalt und Vandalismus unvorhergesehen auftreten (UKHO 28.2.2019).

Gewalt gegen Zivilisten oder staatliche Kräfte durch Rebellen macht einen relativ kleinen Anteil an allen Gewaltereignissen aus. Es gibt radikale islamistische Gruppen wie die Mujahideen Bangladesh (JMB) und Ansarullah Bangla Team (ABT). Sowohl der Islamische Staat (IS) und Al Qaeda in the Indian Subcontinent (AQIS) geben an, in Bangladesch aktiv zu sein, was von der Regierung jedoch dementiert wird (ACLED 9.11.2018). Im März 2017 kam es zu drei Selbstmordattentaten mit Todesfolge, zu denen sich der Islamische Staat bekannte (BMEIA 14.12.2018, vgl. USDOS 20.4.2018).

Extremistische Gruppen führen Angriffe auf Angehörige vulnerabler Gruppen durch (USDOS 20.4.2018; vgl. AI 22.2.2017; AA 27.10.2017). In vielen Fällen ist nicht eindeutig differenzierbar, ob religiöse Motive oder säkulare Interessen, wie z. B. Racheakte oder Landraub, Grund für die Vorfälle sind. In vielen Fällen wird den Sicherheitsbehörden vorgeworfen, nicht oder zu spät reagiert zu haben, vereinzelt sogar an Gewaltakten aktiv teilgenommen zu haben (AA 27.10.2017).

In der Division Chittagong, insbesondere im Gebiet der Chittagong Hill Tracts (Bezirke Rangamati, Khagrachari und Bandarban) kommt es zu bewaffneten Unruhen und kriminellen Übergriffen (BMEIA 14.12.2018; vgl. AA 25.2.2019; UKHO 28.2.2019). Im Juni 2017 griff eine aufgebrachte Menschenmenge indigene Bewohner der Stadt Langadu im Bezirk Rangamati Hill an und tötete dabei mindestens eine Person. Außerdem wurden Hunderte Häuser niedergebrannt. Berichten zufolge unternahmen Polizisten und Soldaten nichts, um die indigenen Bewohner zu schützen (AI 23.5.2018). Im südöstlichen Verwaltungsbezirk Cox's Bazar der Division Chittagong, hat es zuletzt in bzw. in der Nähe von Flüchtlingslagern vereinzelt gewalttätige Zwischenfälle gegeben. Am 21. Februar 2019 wurden dabei auch ausländische Journalisten angegriffen (AA 25.2.2019).

An der Grenze zu Indien kommt es gelegentlich zu Schusswechseln zwischen indischen und bangladeschischen Grenzwächtern. Regelmäßig werden Menschen getötet, die versuchen, illegal die Grenze zu überqueren (UKHO 28.2.2019).

In der Monsunzeit von Mitte Juni bis Mitte Oktober muss mit Überschwemmungen gerechnet werden, im südlichen Landesdrittel von Oktober bis November und Mitte April bis Mitte Mai grundsätzlich auch mit Wirbelstürmen (AA 25.2.2019). Regelmäßig wiederkehrende Überschwemmungen sowie die Erosion von Flussufern führen zu einer umfangreichen Binnenmigration (AA 27.10.2017). Die Kriminalität hat ist hoch, insbesondere Raubüberfälle (BMEIA 14.12.2018).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (25.2.2019):

Bangladesch: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/bangladesch-node/bangladeschsicherheit/206292, Zugriff 27.2.2019

* AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (27.10.2017):

Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Oktober 2017).

* ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project (9.11.2018):

The Anatomy of Violence in Bangladesh, https://www.acleddata.com/2018/11/09/the-anatomy-of-violence-in-bangladesh/, Zugriff 6.3.2019

* AI - Amnesty International (23.5.2018): Bangladesch 2017/18, https://www.amnesty.de/jahresbericht/2018/bangladesch, Zugriff 5.3.2019

* BMEIA - Bundesministerium Europa, Integration und Äußeres (14.12.2018): Bangladesch - Reiseinformation, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/bangladesch/, Zugriff 6.3.2019

* FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/1442339.html, Zugriff 28.2.2019

* ÖB - Österreichische Botschaft Neu Delhi (12.2018):

Asylländerbericht Bangladesch [Arbeitsversion].

* UKHO - UK Home Office (28.2.2019): Foreign travel advice Bangladesh - Safety and security, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/bangladesh/safety-and-security, Zugriff 6.3.2019

* USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430114.html, Zugriff 27.2.2019

Rechtsschutz/Justizwesen:

Das Gerichtssystem besteht aus zwei Instanzen, den untergeordneten Gerichten (Magistrates, Session- und District Judges) und dem Obersten Gerichtshof. Beide verhandeln Zivil- und Strafrechtssachen. Das Rechtssystem beruht weitgehend auf dem englischen "Common Law". Der Oberste Gerichtshof besteht aus zwei Abteilungen, dem "High Court", der Verfassungsfragen verhandelt und als Berufungsinstanz zu den erstinstanzlichen Gerichten fungiert, sowie dem "Appellate Court", dessen Entscheidungen für alle übrigen Gerichte bindend sind. Die Richter beider Abteilungen werden gemäß der Verfassung vom Präsidenten ernannt (ÖB 12.2018).

Die Unabhängigkeit der Richter wird von der Verfassung garantiert. In der Praxis unterstellt allerdings eine schon lange geltende temporäre Bestimmung der Verfassung die erstinstanzlichen Richter der Exekutive. Auch ihre Ernennung und Remuneration ist Sache der Exekutive. Demgegenüber haben die Richter des Obersten Gerichtshofs des Öfteren ihre Unabhängigkeit demonstriert und gegen die Regierung entschieden (ÖB 12.2018). Gemäß einer Verfassungsänderung hat das Parlament seit 2014 das Recht, oberste Richter abzusetzen (USDOS 20.4.2018).

Auf Grundlage mehrerer Gesetze ("Public Safety Act", "Law and Order Disruption Crimes Speedy Trial Act", "Women and Children Repression Prevention Act", "Special Powers Act") wurden Sondertribunale errichtet, die Fälle innerhalb eines festgesetzten Zeitrahmens erledigen müssen. Es fehlen allerdings Vorschriften für den Fall, dass sie dieser Verpflichtung nicht nachkommen. Diese "Speedy Trial" Tribunale haben Medienberichten zufolge in den vergangenen Jahren ca. 200 Personen zum Tode verurteilt (ÖB 12.2018).

Wie die meisten Beobachter von Bangladesch übereinstimmend angeben, stellen Korruption, Ineffizienz der Justiz, gezielte Gewalt gegen Richter und ein gewaltiger Rückstau an offenen Fällen große Probleme dar (ÖB 12.2018). Gerichtsverfahren sind durch eine überlange Verfahrensdauer geprägt, was viele Angeklagten bei der Inanspruchnahme ihres Rechts auf ein faires Verfahren hindert. Weiters kommt es zu Zeugenbeeinflussung und Einschüchterung von Opfern (USDOS 20.4.2018; vgl. FH 1.2018). Strafanzeigen gegen Mitglieder der regierenden Partei werden regelmäßig zurückgezogen (FH 1.2018). Die schiere Zahl der gegen die politische Opposition eingeleiteten Klagen im Vorfeld zur 11. Parlamentswahl vom 30.12.2018, deutet auf ein ungehindertes Spielfeld und die Kontrolle der Regierungspartei über die Justiz- und Sicherheitsinstitutionen hin (FIDH 9.1.2019).

Zwei Drittel aller Streitfälle erreichen nicht das formelle Justizsystem, sondern werden von informellen Dorfgerichten oder bedeutenden Persönlichkeiten der lokalen Gemeinschaften entschieden. Diese behandeln meist Fälle betreffend Familienrecht, Unterhalt, Zweitehen, Mitgiftstreitigkeiten und Landeigentum. Obwohl diese "Gerichte" eine durch Tradition legitimierte, schnellere und günstigere Alternative zu ordentlichen Gerichten darstellen, sind sie hinsichtlich der Einflussnahmemöglichkeiten durch lokal bedeutsame Persönlichkeiten sowie der gesellschaftliche Stellung von Frauen nicht unproblematisch. Die islamische Scharia ist zwar nicht formell als Gesetz eingeführt, spielt aber insbesondere in den Bereichen des Zivilrechts (Erbschaft, Grunderwerb, Heirat und Scheidung etc.) eine große Rolle (ÖB 12.2018).

Quellen:

* FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/1442339.html, Zugriff 28.2.2019

* FIDH - International Federation for Human Rights (Hg.) (9.1.2019):

Joint statement [by AHRC - Asian Human Rights Commission; ANFREL - Asian Network for Free Elections; GNDEM - Global Network of Domestic Election Monitors; FIDH - International Federation for Human Rights; CMEV - Centre for Monitoring Election Violence, Sri Lanka] on the undemocratic electoral environment in Bangladesh, https://www.fidh.org/en/region/asia/bangladesh/joint-statement-on-the-undemocratic-electoral-environment-in, Zugriff 6.3.2019

* ÖB - Österreichische Botschaft Neu Delhi (12.2018):

Asylländerbericht Bangladesch [Arbeitsversion].

* USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430114.html, Zugriff 27.2.2019

Sicherheitsbehörden:

Die Polizei ist beim Ministerium für Inneres angesiedelt und hat das Mandat die innere Sicherheit und Recht und Ordnung aufrecht zu erhalten. Die Armee, die dem Büro des Ministerpräsidenten untersteht, ist für die äußere Sicherheit zuständig, kann aber auch für innerstaatliche Sicherheitsaufgaben herangezogen werden. Zivile Stellen hatten weiterhin effektive Kontrolle über die Streitkräfte und andere Sicherheitsbehörden. Die Regierung verfügt über Mechanismen, Missbrauch und Korruption zu untersuchen und zu bestrafen; sie werden aber nicht immer angewandt (USDOS 20.4.2018).

Das Wirken der Polizei ist gekennzeichnet durch einen Mangel an Ressourcen inklusive mangelhafter Infrastruktur, Mangel an Personal, Ausbildung und Arbeitsmaterialien, Ineffizienz und Korruption (AA 27.10.2017). Misstrauen gegenüber der Polizei und anderen Sicherheitsdiensten hält viele Bürger davon ab, Unterstützung zu suchen oder Verbrechen anzuzeigen. Die Regierung unternahm Schritte, um in der Polizei Professionalität, Disziplin, Ausbildung und Reaktionsfähigkeit zu verbessern und die Korruption zu verringern. Die Polizei hat Regeln für angemessene Gewaltausübung in ihre Grundausbildung einbezogen, um bürgernahe Polizeiarbeit umsetzen zu können (USDOS 20.4.2018). Trotz dieser Bemühungen kommt es weiterhin zu Machtmissbrauch und unangebrachter Gewaltanwendung von Sicherheitskräften, insbesondere durch die Rapid Action Batallions (RAPs), die in weiterer Folge ungestraft bleiben (ÖB 12.2018).

Es gibt Hinweise auf willkürliche Festnahmen durch die Polizeikräfte, obwohl dies gesetzlich verboten ist, sowie auf willkürliche Nutzung der gesetzlich erlaubten präventiven Festnahmen. Die Festnahme ohne Angabe von Gründen ist für bis zu 30 Tagen zur Verhinderung von Taten, die die nationale Sicherheit, Verteidigung, Souveränität, öffentliche Ordnung oder auch wirtschaftliche Interessen des Landes gefährden, erlaubt. Die Arretierten haben kein Recht auf einen Verteidiger. Die hauptsächlich Betroffenen sind Aktivisten der politischen Parteien und NGO-Vertreter, die Kritik an der Regierung üben. Nach wie vor problematisch ist auch die in vielen Fällen unverhältnismäßig lange Untersuchungshaft. Als Gründe hierfür werden bürokratische Ineffizienz, limitierte Ressourcen und Korruption genannt. Gegenwärtig geht man von über 2 Millionen ausständigen Zivil- und Strafverfahren aus (ÖB 12.2018).

Die Sicherheitskräfte lassen Personen weiterhin routinemäßig "verschwinden". Bei den Opfern handelte es sich zumeist um Anhänger der Opposition. Folter und andere Misshandlungen waren noch immer weit verbreitet, die Behörden gingen entsprechenden Anzeigen jedoch nur selten nach (AI 23.5.2018; siehe auch Abschnitt 6.). Betroffene sehen aus Angst vor Vergeltung in der Regel davon ab, Mitglieder der Sicherheitsbehörden wegen Menschenrechtsvergehen anzuzeigen, so dass diese straflos bleiben (AA 27.10.2017).

Die Sicherheitsbehörden bestehen zum Hauptteil aus der dem Innenministerium unterstellten "Bangladesch Police", die ca. 116.000 Mann zählt. Zur Unterstützung der Polizei stehen weitere Einheiten zur Verfügung (ÖB 12.2018):

Rapid Action Batallions (RABs): Es gibt 14 RABs mit insgesamt ca.

8.500 Mann, die ebenfalls dem Innenministerium unterstellt sind. Ihre Aufgabe ist der Kampf gegen bewaffnete kriminelle Organisationen. Die RABs sind hauptsächlich in urbanen Zentren stationiert, rekrutieren sich hauptsächlich aus Polizei und Armee, sind gut ausgebildet und mit moderner Ausrüstung versehen (ÖB 12.2018; vgl. RAB o.D.). Ihnen werden schwere menschenrechtliche Verstöße wie z. B. extralegale Tötungen zugeschrieben (AA 27.10.2017). Die RABs verfolgen eine aggressive Strategie gegen bewaffnete "Gang"-Mitglieder, was zu zahlreichen Toten durch Schießereien führt. Sie werden auch bei Demonstrationen eingesetzt, wobei exzessive Gewalt, Gummigeschosse aber auch scharfe Munition gegen Demonstranten zum Einsatz kam, welche wiederholt Todesopfer forderten. Es kam trotz zahlreicher Verhaftungen noch zu keiner Verurteilung wegen außergerichtlicher Tötungen, Folter oder willkürlicher Verhaftungen gegen Mitglieder der RABs (ÖB 12.2018). Trotz Vorwürfen von Verstößen, einschließlich einer Audioaufzeichnung einer außergerichtlichen Hinrichtung durch Mitglieder des RAB, haben die Behörden es versäumt, die Verantwortlichen auszuforschen und zu verfolgen (HRW 17.1.2019).

Bangladesh Ansar: Gegründet im Jahr 1948 und ebenfalls dem Innenministerium unterstellt, gibt es aktuell ca. 23.000 leichtbewaffnete Ansars, die zur Unterstützung der Polizei im ländlichen Raum eingesetzt werden und auch Zivilschutz-Aufgaben übernehmen (ÖB 12.2018).

Bangladesh Rifles (BDRs): Diese ca. 40.000 Mann starke paramilitärische Truppe untersteht dem Home Ministry, wird aber hauptsächlich von Armee-Offizieren geführt und dient in erster Linie dem Grenzschutz. Die BDRs sind auch für die Verhinderung von Schmuggel und Menschenhandel zuständig (ÖB 12.2018).

Village Defence Parties (VDP): Gegründet 1976, sollte es in jedem Dorf des Landes je ein männliches und weiblich

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten