TE Bvwg Erkenntnis 2019/7/3 W200 2190194-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.07.2019
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Entscheidungsdatum

03.07.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W200 2190188-1/7E

W200 2190191-1/5E

W200 2190193-1/7E

W200 2190194-1/5E

W200 2190195-1/9E

W200 2190197-1/9E

W200 2212601-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. SCHERZ als Einzelrichterin über die Beschwerde von 1.) XXXX , geb. 01.01. XXXX , 2.) XXXX , geb. 01.01. XXXX , 3.) XXXX , geb. 01.01. XXXX , 4.) XXXX , geb. 01.01. XXXX , 5.) XXXX , geb. 01.01. XXXX , 6.) XXXX , geb. XXXX , 7.) XXXX , geb. XXXX , alle StA. AFGHANISTAN, gegen die Bescheide des BFA, Regionaldirektion Steiermark, Außenstelle Graz vom 08.02.2018, ad 1.) Zl. 1104383600-160179469, ad 2.) Zl. 1104383306-160179455; vom 13.02.2018 ad 3.) Zl. 1104383709-160179477, ad 4.) Zl. 1104383807-160179485, ad 6.) Zl. 1147118608-170380790; vom 12.02.2018 ad 5.) Zl. 1104381606-160179507, und vom 06.12.2018, ad 7.) Zl. 1211700906-181059665, zu Recht erkannt:

A)

A) Den Beschwerden wird stattgegeben und

1.) XXXX und 4.) XXXX , gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG 2005) i.d.g.F. und

2.) XXXX , 3.) XXXX , 5.) XXXX , 6.) XXXX und 7.) XXXX gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz iVm § 34 AsylG 2005 der Status von Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass und 1.) XXXX ,

2.) XXXX , 3.) XXXX , 4.) XXXX , 5.) XXXX , 6.) XXXX und 7.) XXXX kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die beschwerdeführenden Parteien führen nach eigenen Angaben den im Spruch genannten Namen, sind Staatsangehörige Afghanistans, aus Kabul - Karte Naur stammend, gehören der Volksgruppe der Punjabi und der Religionsgruppe der Sikh an, reisten in das Bundesgebiet ein (BF1 - BF5) bzw. wurden im Bundesgebiet der Republik Österreich geboren (BF6 und BF7) und stellten am 03.02.2016 (BF1 - BF5) bzw. am XXXX 2018 (BF6) und XXXX 2018 (BF7) einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen der Erstbefragung gaben BF1 - BF4 übereinstimmend als Fluchtgrund an, dass sie von den Taliban oder anderen islamistischen Gruppierungen verfolgt würden, weil sie Sikh seien und man wolle sie zur Konversion zwingen.

Im Rahmen der Einvernahme gab die BF1 an, nie ein Reisedokument besessen zu haben. Sie sei in Jalalabad geboren, nach der Hochzeit nach Kabul gezogen. Sie sei zuhause gewesen und hätte den Haushalt geführt. Zu den Fluchtgründen und Asylgründen führte sie aus, sich auf die Gründe ihres Ehegatten zu beziehen. Aufgefordert diese zu schildern, antwortete sie, dass da Leben schlecht gewesen sei, die Tochter entführt worden sei, sie nicht aus dem Haus gehen hätten dürfen - wenn sie aus dem Haus gegangen seien, hätten die Leute sie beschimpft und seien auch handgreiflich geworden. Als die Tochter entführt worden sei und auch der Sohn und die Schwiegertochter bedroht worden seien, hätten sie sich entschieden Afghanistan zu verlassen. Befragt, ob sie jemals persönlich bedroht worden sei, antwortete sie, zu alt zu sein, darüber zu reden. Sie schäme sich, es hätte öfters Vorfälle gegeben.

Der BF2 legte im Rahmen seiner Einvernahme einen Personalausweis und eine Geburtsurkunde vor. In seiner Einvernahme führte er aus, in Jalalabad geboren zu sein und dort drei Jahre die Schule besucht zu haben. Er hätte ein Geschäft mit Küchenutensilien in Jalalabad geführt. Mit 40 sei er nach Kabul gegangen, wo er ein Geschäft gemietet hätte.

Aufgefordert seinen Fluchtgrund zu schildern, gab er an, dass seine Tochter im Alter von sieben oder acht Jahren entführt worden sei. Eine andere Tochter sei deshalb schnell verheiratet worden. Dann hätten die Taliban so viele Probleme gemacht und er sei einmal so stark geschlagen worden, sodass er nun eine Eisenplatte im rechten Arm hätte. Auch die linke Hand sei kaputt.

Sein Sohn und dessen Frau seien auch belästigt und oft geschlagen worden. Eines Tages seien die beiden unterwegs gewesen, als sie schwanger gewesen sei, und seien beide von Moslems angegriffen worden. Irgendwie sei die Schwiegertochter nachhause gekommen, aber der Sohn sei sehr viel geschlagen worden und auch bedroht worden, dass das Kind nach der Geburt entführt werden würde. Die Kinder hätten gesagt, dass sie Afghanistan verlassen müssten. Als das Enkelkind zwei Jahre alt gewesen sei, hätten sie Afghanistan verlassen. Die Täter seien Unbekannte mit einem Bart gewesen. Befragt, ob er sich ein Leben in Herat oder Mazar-e Sharif aufbauen könnte, antwortete er, dass die Moslems sie überall hassen würden. Im Falle einer Rückkehre würde ihm die Ermordung durch Moslems drohen.

BF3 führte im Rahmen seiner Einvernahme an in Jalalabad geboren zu sein. Er hätte seit seinem elften Lebensjahr in Kabul gelebt und keine Schule besucht. Er hätte nie gearbeitet. Sein Vater hätte ein Geschäft für Haushaltsutensilien besessen. Den Ausreiseentschluss hätte sein Vater gefasst. Er selbst hätte nie gearbeitet. Nach seinem Tagesablauf in Kabul befragt, antwortete er nur zuhause gewesen zu sein. Ab und zu hätte er den Sikh Tempel besuchen dürfen. Einmal sei er beim Vater im Geschäft gewesen, dort sei eine Streiterei gewesen und man hätte ihn umbringen wollen. Sein Vater hätte ihn retten wollen und es seien ihm beide Hände gebrochen worden. Er leide noch immer darunter. Man hätte gefordert, dass er Moslem werde. Sie hätten ihn an den Haaren gezogen und den Turban heruntergerissen sowie beschimpft.

Zu seinen Asylgründen befragt antwortete er, dass man ihn zwingen hätte wollen ein Moslem zu werden. Er hätte eine Schwester gehabt, die entführt worden sei. Dann sei die andere Schwester schnell verheiratet worden. Er hätte beide nie mehr gesehen. So sei das Leben in Afghanistan. Er wisse nicht, ob sie leben würden oder nicht. Nach persönlicher Bedrohungen befragt antwortete er, dass er von den Moslems bedroht worden wäre, wenn er das Haus verlassen hätte. Man hätte ihn umbringen wollen. Den Namen der Personen könne er nicht nennen.

Befragt, ob er sich ein Leben in Herat oder Mazar-e Sharif aufbauen könne, antwortete er, dass es für Sikh Leute überall schlecht sei. Auch seine Frau sei bedroht worden, als sie schwanger gewesen sei. Sie hätten gesagt, dass sie das Kind töten würden.

BF4 gab in ihrer Einvernahme an, nie ein Reisedokument besessen zu haben. Sie sei verheiratet. Sie sei in Kabul geboren, hätte dort die Schule besucht und nie gearbeitet. Sie habe keinen Kontakt zu ihren Eltern.

Zu ihren Fluchtgründen befragt, antwortetet sie, keine eigenen Gründe zu haben, sondern sich auf die Gründe des Ehegatten zu beziehen. Dieser sei geschlagen worden und er hätte auch Angst um sie. Es sei gedroht worden, dass die Kinder entführt würden. Um die Kinder zu retten, seien sie aus Afghanistan geflohen. Auch sie sei geschlagen worden. Ihr Mann sei von den Moslems ebenso geschlagen worden wie sie. Sie sei gleich nach der Hochzeit geschlagen worden. Als sie hinausgegangen sei, sei sie beschimpft worden, schlecht behandelt worden und ihr seien die Kleider vom Körper gerissen worden. Das zweite Mal sei sie mit der Schwiegermutter unterwegs gewesen und sie seien beide angegriffen worden, die Kleider seien vom Leib gerissen worden - irgendwie hätten sie sich befreit und seien nachhause. Nach einer persönlichen Bedrohung befragt, antwortete sie, dass ihr Mann zum Zeitpunkt ihrer Schwangerschaft damit bedroht worden sei, dass das Kind nach der Geburt entführt werde. Die Täter seien Moslems gewesen. Für Frauen sei die Situation in Afghanistan überall schlecht. Sie hätte das Leben ihrer Tochter schützen wollen, jetzt hätte sie noch eine Tochter. In Afghanistan hätte sie nie alleine das Haus verlassen.

Zu ihren Kindern führte sie aus, dass es Mädchen sehr, sehr schwer hätten - sie würden misshandelt und entführt.

Mit Bescheiden vom 08.02.2018, 12.02.2018, 13.02.2018 und 06.12.2018 wurden die Anträge auf internationalen Schutz von BF1 bis BF7 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Afghanistan abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gegen sämtliche Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass deren Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Es wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise von zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gewährt.

Begründend wurde ausgeführt, dass bei BF1 - BF5 die Identität (im Unterschied zu BF 6 und BF 7) nicht festgestellt werden hätte werden können, sowie dass unter Zugrundelegung ihres Vorbringens in Afghanistan nicht festgestellt werden hätte können, dass eine Verfolgung aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Ansichten gedroht hätte bzw. drohen würde.

Aufgrund der dagegen erhobene Beschwerde führte das BVwG am 28.06.2019 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, in der die befragten BF1 - BF4 ausführten in Kabul gelebt zu haben. Der BF2 hätte ein Geschäft für Haushaltsutensilien geführt und damit den Lebensunterhalt von BF1 - BF5 bestritten.

BF1 bis BF4 gaben an, dass die Zustände für Sikhs in Afghanistan unerträglich seien. Man fordere sie auf zum Islam konvertieren.

BF1 gab an, dass sie und BF4 überhaupt nicht ohne männliche Begleitung außer Haus gehen konnten. Wenn man als Sikh-Frau hinausgehe, werde einem der Schal weggenommen und sie würden beleidigt. BF1 gab an, dass sie oft bzw. regelmäßig sexuell belästigt (begrabscht) worden wäre. Es sei sehr beschämend, was man mit mir gemacht hätte. Nach ihrer Kleidung befragt, gab sie an, dass sie traditionelle Sikh-Kleidung trage und natürlich zusätzlich ein Kopftuch (Tschador) getragen habe.

Vor längerer Zeit sei eine Tochter entführt und verschleppt worden. Die Leute seien nach Hause gekommen und hätten geklopft. Die Männer seien nicht zu Hause gewesen. Sie hätte dann die Tür geöffnet und unbekannte Männer - angezogen wie Taliban mit einem langen Bart - hätten das Mädchen geschnappt. Das Mädchen sei bis jetzt nicht mehr aufgetaucht. Jetzt wäre das Mädchen 25 Jahre alt, wenn sie noch leben würde.

Weiters seien sie und ihr Mann mit dem Umbringen des BF3 bedroht worden, wenn sie nicht zum Islam konvertieren. Deshalb hätte BF3 auch nicht die Schule besucht, er sei generell nicht alleine hinausgegangen. Wenn sie gemeinsam zum Sikh-Tempel gegangen seien, seien diese draußen herumlungernden Männer auf sie zugekommen und hätten gesagt, dass sie ihn wegnehmen würden.

Abschließend führte sie aus, dass sie aus religiösen Gründen dort in Lebensgefahr gewesen und sexuell belästigt worden seien. Was könne noch mehr sein?

BF2 gab an, dass die Männer täglich ins Geschäft gekommen seien und ihm oft den Tagesumsatz weggenommen, Geschirr kaputt gemacht und ihn bedroht hätten.

Die ganze Familie solle zum Islam konvertieren. Sein Arm sei gebrochen worden. Er hätte die Aufforderung zur Konversion immer verneint.

Aufgefordert die Entführung der Tochter zu schildern, gab er an, dass er zu dem Zeitpunkt zu Hause gewesen sei, das Klopfen aber nicht gehört hätte.

Auf den Vorhalt, dass die BF1 zuvor angegeben hätte, dass die "Männer" nicht zu Hause gewesen seien, gab er an sich jetzt nicht genau zu erinnern, er glaube, dass er vielleicht doch im Geschäft gewesen sei.

Als konkreten Anlass für die Ausreise nannte er, dass die mit der ältesten Tochter schwangere Schwiegertochter (BF4) bedroht worden sei, konkret die BF4 und das Kind (BF5) zu holen.

Er selbst sei am Bart und den Haaren gezogen worden. Im Laufe der Jahre sei es immer schlimmer geworden, die Bedrohungen wurden immer mehr. Die Frauen seien sexuell belästigt worden. Weil sie die Frauen verteidigt hätten, seien sie geschlagen worden. Alles wäre wegen der Religion.

BF3 gab an, die Schule nicht besucht zu haben, weil er in Lebensgefahr gewesen sei. Seine Eltern seien mit seiner Entführung bedroht worden, falls sie nicht konvertierten, würden sie ihn umbringen. Wenn er mit seiner Frau unterwegs zum Sikh-Tempel oder Einkaufen gewesen sei, sei die BF4 immer wieder belästigt worden und, wenn er eingegriffen habe, er verprügelt worden. Einmal sei seine schwangere Frau belästigt worden und dann hätten sie ihn, als er eingegriffen habe, verprügelt. Dann seien sie beide bedroht worden, dass sie jedenfalls das Kind entführen würden und wenn sie nicht konvertieren würden, würden sie das Kind töten. Er selbst hätte zwei oder drei Mal/Monat das Haus verlassen. Sein Vater sei jeden Tag zu seinem Geschäft 30-40 Minuten hingegangen. Der Vater sei sehr oft bedroht worden. Auch ins Geschäft seien sie gekommen und hätten ihn bedroht. Der Vater sei für das Familieneinkommen verantwortlich gewesen und daher sei er täglich trotz der Bedrohungen ins Geschäft gegangen.

Seine Tochter sei zum ersten Mal bedroht worden als seine Frau schwanger gewesen sei. Sie hätten ihr die Kleidung vom Leib gerissen und sie bedroht und gesagt, dass sie das Kind entführen würden.

BF4 gab an bis zu ihrem zehnten Lebensjahr die Schule besucht haben. Während ihrer ersten Schwangerschaft sei eine Drohung ausgesprochen worden. Ihr seien die Kleider vom Leib gerissen worden und sie sei schnell nach Hause geflüchtet. Ihr Mann sei dann mit der Entführung und Zwangskonversion des Kindes bedroht worden. Er sei regelrecht verprügelt worden und eine Pistole sei ihm an die Stirn gehalten worden.

Es hätte sexuelle Übergriff gegen sie gegeben - einmal als sie noch ledig gewesen sei, seien ihre Mutter und sie sexuell belästigt worden. Man hätte ihnen das Oberteil heruntergerissen und ihnen auf die Brust gegriffen. Als sie bereits verheiratet gewesen sei und mit ihrem Mann unterwegs gewesen sei, hätten sie ihr richtig die Kleider vom Leib gerissen, dann sei sie nach Hause gerannt. Die Männer hätten sie bis nach Hause verfolgt. Sie hätten sie nicht erwischt, da der Vorfall nicht weit entfernt vom Wohnort, gleich nebenan, gewesen sie. Sie sei damals schwanger gewesen. Sie sei bei diesem Vorfall auch von Muslimen bedroht worden, dass sie das Kind entführen würden.

Ab dem Zeitpunkt, als die BF5 auf der Welt gewesen sei, sei sie zwei Jahre nicht mehr hinausgegangen, auch alleine nicht, weil es diese Bedrohungen gegeben hat.

Auf die Frage, ob die Taliban Sikh-Frauen generell sexuell belästigen würden oder sie speziell belästigt worden sei, antwortete sie, dass alle Sikh-Frauen bedroht würden.

Befragt, ob der Grund für die sexuelle Belästigung an ihrer Religion oder an ihrem Erscheinungsbild liege, antwortete sei, dass die Sikhs anders gekleidet seien als muslimische Frauen. Sie seien auffälliger. Sie hätte aber immer ein Kopftuch getragen.

Musliminnen tragen Burka - die Mehrheit, die sie gesehen hätte, würde eine Burka tragen. Sikh-Frauen tragen ein langes Hemd, eine Hose und einen Schal um den Kopf, so wie ihre Schwiegermutter heute. Befragt, ob sie die Probleme vermeiden hätte können, wenn sie eine Burka getragen hätte, antwortete sie "Nein, wir würden nie eine Burka tragen, weil es nicht eine Kleidung unserer Kultur ist."

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zu den Beschwerdeführern:

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Die Erstbeschwerdeführerin XXXX (BF1) ist die Ehegattin des XXXX (BF2).

-

Der gemeinsame Sohn XXXX (BF3) ist der Ehemann der XXXX (BF4). Diese sind die Eltern der gemeinsamen minderjährigen Tochter XXXX (BF5). BF1 - BF5 reisten gemeinsam in das Bundesgebiet ein und stellten einen Antrag auf internationalen Schutz.

In weiterer Folge wurden am XXXX XXXX (BF6) und am XXXX XXXX (BF7) im Bundesgebiet geboren und stellten jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz.

Die Identität von BF2 und BF6 und BF7 stehen fest.

Hinsichtlich BF1 und BF2 und BF3 bis BF7 liegt jeweils ein Familienverfahren gemäß § 34 AsylG 2005 vor.

Sämtliche beschwerdeführende Parteien sind Staatsangehörige Afghanistans, gehören der Volksgruppe der Punjabi an und sind Sikh. BF1 - BF4 sind unbescholten. BF1 - BF5 waren in Afghanistan in der Stadt Kabul in einem gemeinsamen Haushalt wohnhaft.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die Tochter von BF1 und BF2 entführt worden ist.

Die BF1 und BF4 leben nicht nach der konservativ-afghanischen Tradition. Sie kleideten sich in Afghanistan immer nach den kulturellen Gebräuchen der Sikh und wurden aus diesem Grund durchgehend regelmäßig sexuell belästigt bzw. konnte die BF4 einer Vergewaltigung nur knapp entgehen. Sie weigerten sich, sich entsprechend der muslimischen Tradition zu kleiden und trugen ihre Kultur und Religion insofern nach außen als sie farbenfrohe lange Hemden und Hosen trugen. Entsprechend den muslimischen Vorgaben und dem gesellschaftlichen Druck trugen sie in Afghanistan auch ein Kopftuch, das sie in Österreich jetzt nicht mehr tragen.

BF1 und BF4 lehnen die Umstände und Lebensverhältnisse für Frauen in Afghanistan ab und können sich nicht vorstellen, nach der konservativ-afghanischen Tradition zu leben. Sie würden im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan von dem dortigen konservativen Umfeld als nicht am muslimischen Glauben bzw. Traditionen orientierte Sikh-Frauen angesehen werden.

Zu Afghanistan:

Sikhs/Hindus

Schätzungen zufolge sind die Sikhs seit 500 Jahren in Afghanistan präsent. Bis 1992, als die Mujahedin die Oberhand gewannen, war die Sikh-Gemeinschaftt innerhalb der afghanischen Gesellschaft gut gefestigt und die Anzahl ihrer Mitglieder zählte in den 1940er Jahren mehr als 25.000 Personen landesweit (AH 20.8.2014). In Jalalabad, der Hauptstadt der Provinz Nangarhar, lebte im Jänner 2017 weiterhin eine bedeutende Anzahl an Sikhs (AJ 1.1.2017). Berichten zufolge siedelten sich Sikhs und Hindus hauptsächlich in Kabul sowie in den Provinzen Nangarhar, Ghazni, Helmand, Khost und Kunduz an (HO U.K. 2.2017). Jahrzehntelange Instabilität und Intoleranz haben Migrationsströme verstärkt, und dadurch ist die Gemeinschaft landesweit zurückgegangen (HO U.K 2.2017; vgl. USCIRF 2017, AH 25.8.2016). Fehlender Zugang zum Arbeitsmarkt ist laut Sikh-Führern der Hauptgrund für die Emigration. Sie berichten von einer verstärkten Emigration, nachdem sich die wirtschaftliche Lage für ihre Gemeinschaften verschlechtert habe und es zu erhöhten Sicherheitsbedenken gekommen sei (USDOS 15.8.2017). Die Gemeinschaft der Sikhs und Hindus in Afghanistan wird auf ca. 900 Mitglieder geschätzt (USDOS 20.4.2018).

Sikhs und Hindus sind Diskriminierungen ausgesetzt und berichten von ungleichem Zugang zu Regierungsposten und Belästigungen in Schulen sowie verbaler und physischer Misshandlung an öffentlichen Orten. Präsident Ashraf Ghani hat sich mit Sikhs und Hindus im September 2015 getroffen, um das Opferfest zu zelebrieren (HO U.K. 2.2017; vgl. USDOS 15.8.2017). Quellen zufolge sind Hindus weniger gefährdet als Sikhs; der Grund dafür ist das Fehlen sichtbarer charakteristischer Merkmale (z.B. Kopfbedeckung) bei den Hindus (USDOS 15.8.2017).

Staatliche Diskriminierung gibt es nicht, auch wenn der Weg in öffentliche Ämter für Hindus/Sikhs schon aufgrund fehlender Patronagenetzwerke schwierig ist (AA 5.2018). Trotz gesellschaftlicher Diskriminierung bekleiden Mitglieder dieser Gemeinschaften weiterhin Regierungsposten auf Gemeindeebene sowie an der afghanischen Handelskammer und im Oberhaus (CRS 13.12.2017; vgl. USDOS 15.8.2017). Dieser Sitz ist zurzeit durch eine Frau der Sikh-Gemeinschaft, Anarkali Hunaryar, besetzt (AB 23.11.2017; vgl. RFE/RL 30.12.2016).

Berichten zufolge schicken Mitglieder der Sikh- und Hindu-Gemeinschaften ihre Kinder aus Angst vor Schikane durch ihre Mitschüler nicht in staatliche Schulen. In der Vergangenheit haben sie ihre Kinder in private Hindu- und Sikh-Schulen geschickt, jedoch sind heutzutage viele davon geschlossen. Grund dafür ist der Rückgang beider Gemeinschaften und die Verschlechterung der wirtschaftlichen Bedingungen für deren Mitglieder. In Kabul befindet sich eine staatlich finanzierte Schule für Sikh-Kinder. Die Regierung hat Schulen in den Provinzen Helmand und Ghazni geschlossen, nachdem die Zahl der Anmeldungen zurückgegangen war. Die Regierung stellt proportional weiterhin dieselben finanziellen Mittel für Lehrergehälter, Schulbücher und Schulerhalt zur Verfügung wie auch bei anderen Schulen. Das Bildungsministerium (MoE) stellt den Bildungsplan für die Sikh-Schule zusammen - ausgenommen davon ist der Religionsunterricht. Die Gemeinschaft bestellt einen Lehrer für den Religionsunterricht, der vom Bildungsministerium bezahlt wird. Eine privat finanzierte Sikh-Schule in Jalalabad wird von einer NGO, dem schwedischen Komitee für Afghanistan, unterstützt. Einige Sikh-Kinder besuchen internationale Privatschulen. An der medizinischen Universität in Kabul studiert ein Sikh. Da Hindus keine eigenen Schulen haben, gehen ihre Kinder in Sikh-Schulen (USDOS 15.8.2017).

Nichtmuslim/innen wie z. B. Sikhs, Hindu und Christen waren Belästigung ausgesetzt und in manchen Fällen sogar Gewalt (AJ 1.1.2017). Da Religion und Ethnie oft eng miteinander verbunden sind, ist es schwierig, einen Vorfall ausschließlich durch die religiöse Zugehörigkeit zu begründen. Hindus und Sikhs verlautbarten, es sei ihnen weiterhin möglich, ihre Religion öffentlich zu praktizieren; dennoch leiden sie unter gesellschaftlicher Diskriminierung (USDOS 15.8.2017; vgl. USCIRF 2017, CRS 13.12.2017). Es gibt drei aktive gurdwaras (Gebetsstätte für Sikhs) und fünf Hindu-mandirs (Tempel). Buddhistischen Ausländern ist es erlaubt, in hinduistischen Tempeln zu beten (CRS 13.12.2017).

Kremation:

Berichten zufolge werden Hindus und Sikhs von großen Teilen der muslimischen Bevölkerung als Außenseiter (bzw. "Nicht-Afghanen") betrachtet (USDOS 15.8.2017; vgl. AA 5.2018). Viele Muslim/innen lehnen insbesondere die Feuerbestattung ab, die im Hinduismus und Sikhismus das zentrale Begräbnisritual darstellt (AA 5.2018). Hindus und Sikhs berichten weiterhin von Störungen während ihrer traditionellen Feuerbestattungen durch Anrainer/innen aus der Nähe ihrer Kremationsstätte (shamshan). Obwohl ihnen die Regierung Grund für eben diesen Zweck zur Verfügung gestellt hat, beschweren sich Sikhs, dass der Ort zu weit von urbanen Zentren entfernt liege und es somit u.a. wegen der schlechten Sicherheitslage unbenutzbar sei. Die Regierung stellt weiterhin Polizeiunterstützung für die Sikh- und Hindugemeinschaft zur Verfügung, während diese ihre Kremationsrituale abhält (USDOS 15.8.2017). Mitglieder der Sikh- und Hindu-Gemeinschaft zeigten sich besorgt über Dispute bzgl. der Landvergabe für ihre Kremationsstätten (HO U.K. 2.2017). Aus Angst vor Vergeltung bevorzugen sie es, Entschädigungen nicht durch Gerichte einzuklagen. Mitglieder der beiden Gemeinden geben an, dass sie ihre Fälle allgemein nicht an ein ziviles Gericht herantragen, sondern sie es vorziehen, ihre Streitigkeiten innerhalb der Gemeinde zu lösen. Sikhs und Hindus haben die Möglichkeit, sich an Schlichtungsstellen z.B. das Sondergericht für Land- und Besitzfragen ("Special Land and Property Court") zu wenden. Beide Gemeinschaften geben an, sich durch diese Mechanismen nicht geschützt zu fühlen. Auch wird oft von illegaler Aneignung der Sikh-Grundstücke durch staatliche Mitarbeiter berichtet. Laut Vertreter/innen dieser Minderheitenreligionen haben Gerichte Nichtmuslim/innen nicht dieselben Rechte wie Muslimen und Musliminnen zuerkannt und sie der hanafitischen Rechtsprechung unterstellt (USDOS 15.8.2017).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (5.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/1434081/4598_1528111899_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-afghanistan-stand-mai-2018-31-05-2018.pdf, Zugriff 6.6.2018

-

AA - Auswärtiges Amt (9.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/1253781/4598_1478857553_3-deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebu ngsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-afghanistan-19-10-2016.pdf, Zugriff 3.4.2018

-

AB - Afghan Bios (23.11.2017): Hunaryar, Anarkali Mrs., http://www.afghan-bios.info/index.php?option=com_afghanbios&id=691&task=view&total=1&start=0&Itemid=2, Zugriff 9.4.2018

-

AJ - Al Jazeera (1.1.2017): The decline of Afghanistan's Hindu and Sikh communities,

https://www.aljazeera.com/indepth/features/2016/12/decline-afghanistan-hindu-sikh-communities-161225082540860.html, Zugriff 9.4.2018

-

AH - Afghan Hindus and Sikhs (25.8.2016): Afghan Hindus and Sikhs:

Continuity and Change in the Diaspora, http://www.afghanhindu.info/, Zugriff 9.4.2018

-

AH - Afghan Hindus and Sikhs (20.8.2014): Explainer: who are the Afghan Sikhs?, http://www.afghanhindu.info/, Zugriff 9.4.2018

-

CRS - Congressional Research Service (13.12.2017): Afghanistan:

Post-Taliban Governance, Security, and U.S.Policy, https://fas.org/sgp/crs/row/RL30588.pdf, Zugriff 12.2.2018

-

HO U.K. - Home Office United Kingdom (2.2017): Country Policy and Information Note Afghanistan: Hindus and Sikhs, https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/590778/AFG_-_Sikhs_and_Hindus_-_CPIN_-_v3_1__February_2017_.pdf, Zugriff 3.4.2018

-

Pakistan Defence (21.9.2016): Afghan Government Approves Reservation for Sikhs/Hindus in Parliament, http://defence.pk/threads/afghan-government-approves-reservation-for-sikhs-hindus-in-parliament.450471/#ixzz4RZTvunp0, Zugriff 12.2.2018

-

RFE/RL - Radio Free Europe Radio Liberty (30.12.2016):

Afghanistan's Sikh, Hindu Minorities Demand Probe Into Sikh Killing, https://www.rferl.org/a/afghanistan-sikh-hindu-minorities-police-probe-killings/28206044.html, Zugriff 9.4.2018

-

USCIRF - U.S. Commission on the International Religious Freedom (2017): 2017 Annual Report: Afghanistan Chapter, http://www.uscirf.gov/sites/default/files/Afghanistan.2017.pdf, Zugriff 9.4.5018

-

USDOS - U.S. Department of State (20.4.2018): Country Reports on Human Rights Practices of 2017, https://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm#wrapper, Zugriff 23.4.2018

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USDOS - U.S. Department of State (15.8.2017): 2016 Report on International Religious Freedom - Afghanistan, https://www.state.gov/j/drl/rls/irf/2016/sca/268924.htm, Zugriff 3.4.2018

Frauen

Die Lage afghanischer Frauen hat sich in den letzten 15 Jahren zwar insgesamt ein wenig verbessert, jedoch nicht so sehr wie erhofft. Wenngleich es in den unterschiedlichen Bereichen viele Fortschritte gab, bedarf die Lage afghanischer Frauen spezieller Beachtung. Die afghanische Regierung ist bemüht, die Errungenschaften der letzten eineinhalb Jahrzehnte zu verfestigen - eine Institutionalisierung der Gleichberechtigung von Frauen in Afghanistan wird als wichtig für Stabilität und Entwicklung betrachtet (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. UNAMA/OHCHR 5.2018). In einigen Bereichen hat der Fortschritt für Frauen stagniert, was großteils aus der Talibanzeit stammenden, unnachgiebigen konservativen Einstellungen ihnen gegenüber geschuldet ist (BFA Staatendokumentation 4.2018). Viel hat sich seit dem Ende des Talibanregimes geändert: Frauen haben das verfassungsmäßige Recht an politischen Vorgängen teilzunehmen, sie streben nach Bildung und viele gehen einer Erwerbstätigkeit nach (TET 15.3.2018). Artikel 22 der afghanischen Verfassung besagt, dass jegliche Form von Benachteiligung oder Bevorzugung unter den Bürgern Afghanistans verboten ist. Die Bürger Afghanistans, sowohl Frauen als auch Männer, haben vor dem Gesetz gleiche Rechte und Pflichten (MPI 27.1.2004). In der Praxis mangelt es jedoch oftmals an der Umsetzung dieser Rechte (AA 5.2018; vgl. UNAMA/OHCHR 5.2018). Die konkrete Situation von Frauen kann sich allerdings je nach regionalem und sozialem Hintergrund stark unterscheiden (AA 9.2016; vgl. USDOS 20.4.2018). Traditionell diskriminierende Praktiken gegen Frauen existieren insbesondere in ländlichen und abgelegenen Regionen weiter (AA 5.2018).

Bildung

Das Recht auf Bildung wurde den Frauen nach dem Fall der Taliban im Jahr 2001 eingeräumt (BFA Staatendokumentation 3.7.2014). Laut Verfassung haben alle afghanischen Staatsbürger/innen das Recht auf Bildung (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. MPI 27.1.2004). Öffentliche Kindergärten und Schulen sind bis zur Hochschulebene kostenlos. Private Bildungseinrichtungen und Universitäten sind kostenpflichtig. Aufgeschlossene und gebildete Afghanen, welche die finanziellen Mittel haben, schicken ihre Familien ins Ausland, damit sie dort leben und eine Ausbildung genießen können (z.B. in die Türkei); während die Familienväter oftmals in Afghanistan zurückbleiben (BFA Staatendokumentation 4.2018).

Eine der Herausforderungen für alle in Afghanistan tätigen Organisationen ist der Zugang zu jenen Gegenden, die außerhalb der Reichweite öffentlicher Bildung liegen. Der Bildungsstand der Kinder in solchen Gegenden ist unbekannt und Regierungsprogramme sind für sie unzugänglich; speziell, wenn die einzigen verfügbaren Bildungsstätten Madrassen sind (BFA Staatendokumentation 4.2018).

In den Jahren 2016 und 2017 wurden durch den United Nations Children's Fund (UNICEF) mit Unterstützung der United States Agency for International Development (USAID) landesweit 4.055 Dorfschulen errichtet - damit kann die Bildung von mehr als 119.000 Kindern in ländlichen Gebieten sichergestellt werden, darunter mehr als 58.000 Mädchen. Weitere 2.437 Ausbildungszentren in Afghanistan wurden mit Unterstützung von USAID errichtet, etwa für Personen, die ihre Ausbildung in frühen Bildungsjahren unterbrechen mussten. Mehr als 49.000 Student/innen sind in diesen Ausbildungszentren eingeschrieben (davon mehr als 23.000 Mädchen). USAID hat mehr als 154.000 Lehrer ausgebildet (davon mehr als 54.000 Lehrerinnen) sowie 17.000 Schuldirektoren bzw. Schulverwalter (mehr als 3.000 davon Frauen) (USAID 10.10.2017).

Sowohl Männer als auch Frauen schließen Hochschulstudien ab - derzeit sind etwa 300.000 Student/innen an afghanischen Hochschulen eingeschrieben - darunter 100.000 Frauen (USAID 10.10.2017).

Dem afghanischen Statistikbüro (CSO) zufolge gab es im Zeitraum 2016-2017 in den landesweit 16.049 Schulen, insgesamt 8.868.122 Schüler, davon waren 3.418.877 weiblich. Diese Zahlen beziehen sich auf Schüler/innen der Volks- und Mittelschulen, Abendschulen, Berufsschulen, Lehrerausbildungszentren sowie Religionsschulen. Im Vergleich mit den Zahlen aus dem Zeitraum 2015-2016 hat sich die Anzahl der Studentinnen um 5,8% verringert (CSO 2017). Die Gesamtzahl der Lehrer für den Zeitraum 2016-2017 betrug 197.160, davon waren 64.271 Frauen. Insgesamt existieren neun medizinische Fakultäten, an diesen sind 342.043 Studierende eingeschrieben, davon

77.909 weiblich. Verglichen mit dem Zeitraum 2015-2016 hat sich die Anzahl der Frauen um 18.7% erhöht (CSO 2017).

Im Mai 2016 eröffnete in Kabul die erste Privatuniversität für Frauen im Moraa Educational Complex, mit dazugehörendem Kindergarten und Schule für Kinder der Studentinnen. Die Universität bietet unter anderem Lehrveranstaltungen für Medizin, Geburtshilfe etc. an. (TE 13.8.2016; vgl. MORAA 31.5.2016). Im Jahr 2017 wurde ein Programm ins Leben gerufen, bei dem 70 Mädchen aus Waisenhäusern in Afghanistan, die Gelegenheit bekommen ihre höhere Bildung an der Moraa Universität genießen zu können (Tolonews 17.8.2017).

Im Herbst 2015 eröffnete an der Universität Kabul der Masterlehrgang für "Frauen- und Genderstudies" (KP 18.10.2015; vgl. UNDP 10.7.2016). Im Jahr 2017 haben die ersten Absolvent/innen des Masterprogramms den Lehrgang abgeschlossen: 15 Frauen und sieben Männer, haben sich in ihrem Studium zu Aspekten der Geschlechtergleichstellung und Frauenrechte ausbilden lassen; dazu zählen Bereiche wie der Rechtsschutz, die Rolle von Frauen bei der Armutsbekämpfung, Konfliktschlichtung etc. (UNDP 7.11.2017).

Berufstätigkeit

Berufstätige Frauen sind oft Ziel von sexueller Belästigung durch ihre männlichen Kollegen. Die Akzeptanz der Berufstätigkeit von Frauen variiert je nach Region und ethnischer bzw. Stammeszugehörigkeit (AA 5.2018). Aus einer Umfrage der Asia Foundation (AF) aus dem Jahr 2017 geht hervor, dass die Akzeptanz der Berufstätigkeit von Frauen außerhalb des Hauses unter den Hazara 82,5% beträgt und am höchsten ist. Es folgen die Usbeken (77,2%), die Tadschiken (75,5%) und die Paschtunen (63,4%). In der zentralen Region bzw. Hazarajat tragen 52,6% der Frauen zum Haushaltseinkommen bei, während es im Südwesten nur 12% sind. Insgesamt sind 72,4% der befragten Afghanen und Afghaninnen der Meinung, dass Frauen außerhalb ihres Hauses arbeiten sollen (AF 11.2017). Die Erwerbstätigkeit von Frauen hat sich seit dem Jahr 2001 stetig erhöht und betrug im Jahr 2016 19%. Frauen sind dennoch einer Vielzahl von Hindernissen ausgesetzt; dazu zählen Belästigung, Diskriminierung und Gewalt, aber auch praktische Hürden, wie z.B. fehlende Arbeitserfahrung, Fachkenntnisse und (Aus)Bildung (UNW o. D.).

Nichtsdestotrotz arbeiten viele afghanische Frauen grundlegend an der Veränderung patriarchaler Einstellungen mit. Viele von ihnen partizipieren an der afghanischen Zivilgesellschaft oder arbeiten im Dienstleistungssektor. Aber noch immer halten soziale und wirtschaftliche Hindernisse (Unsicherheit, hartnäckige soziale Normen, Analphabetismus, fehlende Arbeitsmöglichkeiten und mangelnder Zugang zu Märkten) viele afghanische Frauen davon ab, ihr volles Potential auszuschöpfen (BFA Staatendokumentation 4.2018).

Die Einstellung gegenüber der Berufstätigkeit von Frauen hat sich in Afghanistan in den letzten Jahren geändert; dies hängt auch mit den NGOs und den privaten Firmen zusammen, die in Afghanistan aktiv sind. Die städtische Bevölkerung hat kaum ein Problem mit der Berufstätigkeit ihrer Ehefrauen oder Töchter. Davor war der Widerstand gegen arbeitende Frauen groß und wurde damit begründet, dass ein Arbeitsplatz ein schlechtes Umfeld für Frauen darstelle, etc. In den meisten ländlichen Gemeinschaften sind konservative Einstellungen nach wie vor präsent und afghanische Frauen sehen sich immer noch Hindernissen ausgesetzt, wenn es um Arbeit außerhalb ihres Heimes geht. Im ländlichen Afghanistan gehen viele Frauen, aus Furcht vor sozialer Ächtung, keiner Arbeit außerhalb des Hauses nach (BFA Staatendokumentation 4.2018).

Das Gesetz sieht zwar die Gleichstellung von Mann und Frau im Beruf vor, jedoch beinhaltet es keine egalitären Zahlungsvorschriften bei gleicher Arbeit. Das Gesetz kriminalisiert Eingriffe in das Recht auf Arbeit der Frauen; dennoch werden diese beim Zugang zu Beschäftigung und Anstellungsbedingungen diskriminiert (USDOS 20.4.2018).

Dennoch hat in Afghanistan aufgrund vieler Sensibilisierungsprogramme sowie Projekte zu Kapazitätsaufbau und Geschlechtergleichheit ein landesweiter Wandel stattgefunden, wie Frauen ihre Rolle in- und außerhalb des Hauses sehen. Immer mehr Frauen werden sich ihrer Möglichkeiten und Chancen bewusst. Sie beginnen auch wirtschaftliche Macht zu erlangen, indem eine wachsende Zahl Teil der Erwerbsbevölkerung wird - in den Städten mehr als in den ländlichen Gebieten. Frauen als Ernährerinnen mit Verantwortung für die gesamte Familie während ihr Mann arbeitslos ist, sind keine Seltenheit mehr. Mittlerweile existieren in Afghanistan oft mehr Arbeitsmöglichkeiten für Frauen als für Männer, da Arbeitsstellen für letztere oftmals schon besetzt sind. In und um Kabul eröffnen laufend neue Restaurants, die entweder von Frauen geführt werden oder in ihrem Besitz sind. Der Dienstleistungssektor ist zwar von Männern dominiert, dennoch arbeitet eine kleine, aber nicht unwesentliche Anzahl afghanischer Frauen in diesem Sektor und erledigt damit Arbeiten, die bis vor zehn Jahren für Frauen noch als unangebracht angesehen wurden (und teilweise heute noch werden). Auch soll die Anzahl der Mitarbeiterinnen im Finanzsektor erhöht werden. In Kabul zum Beispiel eröffnete im Sommer 2017 eine Filiale der First MicroFinance Bank, Afghanistan (FMFB-A), die nur für Frauen gedacht ist und nur von diesen betrieben wird. Diese Initiative soll es Frauen ermöglichen, ihre Finanzen in einer sicheren und fördernden Umgebung zu verwalten, um soziale und kulturelle Hindernisse, die ihrem wirtschaftlichen Empowerment im Wege stehen, zu überwinden. Geplant sind zwei weitere Filialen in Mazar-e Sharif bis 2019. In Kabul gibt es eine weitere Bank, die - ausschließlich von Frauen betrieben - hauptsächlich für Frauen da ist (BFA Staatendokumentation 4.2018).

Eine Position in der Öffentlichkeit ist für Frauen in Afghanistan noch immer keine Selbstverständlichkeit. Dass etwa der afghanische Präsident dies seiner Ehefrau zugesteht, ist Zeichen des Fortschritts. Frauen in öffentlichen bzw. semi-öffentlichen Positionen sehen sich deshalb durchaus in einer gewissen Vorbildfunktion. So polarisiert die Talent-Show "Afghan Star" zwar einerseits das Land wegen ihrer weiblichen Teilnehmer und für viele Familien ist es inakzeptabel, ihre Töchter vor den Augen der Öffentlichkeit singen oder tanzen zu lassen. Dennoch gehört die Sendung zu den populärsten des Landes (BFA Staatendokumentation 4.2018).

Politische Partizipation und Öffentlichkeit

Die politische Partizipation von Frauen ist rechtlich verankert und hat sich deutlich verbessert. So sieht die afghanische Verfassung Frauenquoten für das Zweikammerparlament vor: Ein Drittel der 102 Sitze im Oberhaus (Meshrano Jirga) werden durch den Präsidenten vergeben; die Hälfte davon ist gemäß Verfassung für Frauen bestimmt (AA 9.2016; vgl. USDOS 20.4.2018). Zurzeit sind 18 Senatorinnen in der Meshrano Jirga vertreten. Im Unterhaus (Wolesi Jirga) sind 64 der 249 Sitze für Parlamentarierinnen reserviert; derzeit sind 67 Frauen Mitglied des Unterhauses. Das per Präsidialdekret erlassene Wahlgesetz sieht eine Frauenquote von min. 25% in den Provinzräten vor. Zudem sind min. zwei von sieben Sitzen in der einflussreichen Wahlkommission (Indpendent Electoral Commission, IEC) für Frauen vorgesehen. Die afghanische Regierung veröffentlichte im Jänner 2018 einen Strategieplan zur Erhöhung des Frauenanteils im öffentlichen Dienst um 2% für das Jahr 2018 (AA 5.2018). Drei Afghaninnen sind zu Botschafterinnen ernannt worden (UNW o.D.). Im Winter 2017 wurde mit Khojesta Fana Ebrahimkhel eine weitere Frau zur afghanischen Botschafterin (in Österreich) ernannt (APA 5.12.2017). Dennoch sehen sich Frauen, die in Regierungspositionen und in der Politik aktiv sind, weiterhin mit Bedrohungen und Gewalt konfrontiert und sind Ziele von Angriffen der Taliban und anderer aufständischer Gruppen. Traditionelle gesellschaftliche Praktiken schränken die Teilnahme der Frauen am politischen Geschehen und Aktivitäten außerhalb des Hauses und der Gemeinschaft weiterhin ein. Der Bedarf einer männlichen Begleitung bzw. einer Arbeitserlaubnis ist weiterhin gängig. Diese Faktoren sowie ein Mangel an Bildung und Arbeitserfahrung haben wahrscheinlich zu einer männlich dominierten Zusammensetzung der Zentralregierung beigetragen (USDOS 20.4.2018).

Strafverfolgung und rechtliche Unterstützung

Afghanistan verpflichtet sich in seiner Verfassung durch die Ratifizierung internationaler Konventionen und durch nationale Gesetze, die Gleichberechtigung und Rechte der Frauen zu achten und zu stärken. In der Praxis mangelt es jedoch oftmals an der praktischen Umsetzung dieser Rechte (AA 5.2018; vgl. MPI 27.1.2004). Viele Frauen sind sich ihrer in der Verfassung garantierten und auch gewisser vom Islam vorgegebener, Rechte nicht bewusst. Eine Verteidigung ihrer Rechte ist in einem Land, in dem die Justiz stark konservativ-traditionell geprägt und überwiegend von männlichen Richtern oder traditionellen Stammesstrukturen bestimmt wird, nur in eingeschränktem Maße möglich (AA 5.2018; vgl. USDOS 20.4.2018). Staatliche Akteure aller drei Gewalten sind häufig nicht in der Lage oder auf Grund tradierter Wertevorstellungen nicht gewillt, Frauenrechte zu schützen. Gesetze zum Schutz und zur Förderung der Rechte von Frauen werden nur langsam umgesetzt. Das Personenstandsgesetz enthält diskriminierende Vorschriften für Frauen, insbesondere in Bezug auf Heirat, Erbschaft und Beschränkung der Bewegungsfreiheit (AA 9.2016).

Viele Gewaltfälle gelangen nicht vor Gericht, sondern werden durch Mediation oder Verweis auf traditionelle Streitbeilegungsformen (Schuren und Jirgas) verhandelt. Traditionelle Streitbeilegung führt oft dazu, dass Frauen ihre Rechte, sowohl im Strafrecht als auch im zivilrechtlichen Bereich wie z. B. im Erbrecht, nicht gesetzeskonform zugesprochen werden. Viele Frauen werden darauf verwiesen, den "Familienfrieden" durch Rückkehr zu ihrem Ehemann wiederherzustellen (AA 5.2018). Andere Frauen, die nicht zu ihren Familien zurückkehren können, erhalten in einigen Fällen Unterstützung vom Ministerium für Frauenangelegenheiten und Nichtregierungsinstitutionen, indem Ehen für diese arrangiert werden (USDOS 20.4.2018). Eine erhöhte Sensibilisierung seitens der afghanischen Polizei und Justiz führt zu einer sich langsam, aber stetig verbessernden Lage der Frauen in Afghanistan. Insbesondere die Schaffung von auf Frauen spezialisierte Staatsanwaltschaften in einigen Provinzen hatte positive Auswirkungen (AA 9.2016). Um Frauen und Kindern, die Opfer von häuslicher Gewalt wurden, beizustehen, hat das Innenministerium (MoI) landesweit Family Response Units (FRU) eingerichtet. Die FRU sind mit Fachleuten wie Psychologen und Sozialarbeitern besetzt, welche die Opfer befragen und aufklären und ihre physische sowie psychische medizinische Behandlung nachverfolgen. Im Jahr 2017 existierten 208 FRU im Land (USDOD 12.2017).

EVAW-Gesetz

Das Law on Elimination of Violence against Women (EVAW-Gesetz) wurde durch ein Präsidialdekret im Jahr 2009 eingeführt und ist eine wichtige Grundlage für den Kampf gegen Gewalt gegen Frauen - inklusive der weit verbreiteten häuslichen Gewalt (AA 5.2018). Das EVAW-Gesetz ist nach wie vor in seiner Form als eigenständiges Gesetz gültig (Pajhwok 11.11.2017; vgl. UNN 22.2.2018); und bietet rechtlichen Schutz für Frauen (UNAMA 22.2.2018).

Das EVAW-Gesetz definiert fünf schwere Straftaten gegen Frauen:

Vergewaltigung, Zwangsprostitution, die Bekanntgabe der Identität eines Opfers, Verbrennung oder Verwendung von chemischen Substanzen und erzwungene Selbstverbrennung oder erzwungener Selbstmord. Dem EVAW-Gesetz zufolge muss der Staat genannte Verbrechen untersuchen und verfolgen, auch, wenn die Frau die Beschwerde nicht einreichen kann bzw. diese zurückzieht. Dieselben Taten werden auch im neuen afghanischen Strafgesetzbuch kriminalisiert (UNAMA/OHCHR 5.2018). Das EVAW-Gesetz wird jedoch weiterhin nur unzureichend umgesetzt. Frauen können sich grundsätzlich, abgesehen von großen Städten wie Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif nicht ohne einen männlichen Begleiter in der Öffentlichkeit bewegen. Es gelten strenge soziale Anforderungen an ihr äußeres Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit, deren Einhaltung sie jedoch nicht zuverlässig vor sexueller Belästigung schützt (AA 5.2018).

Frauenhäuser

Nichtregierungsorganisation in Afghanistan betreiben etwa 40 Frauenhäuser, zu denen auch Rechtsschutzbüros und andere Einrichtungen für Frauen, die vor Gewalt fliehen, zählen. Alle Einrichtungen sind auf Spenden internationaler Gruppen angewiesen - diese Einrichtungen werden zwar im Einklang mit dem afghanischen Gesetz betrieben, stehen aber im Widerspruch zur patriarchalen Kultur in Afghanistan. Oftmals versuchen Väter ihre Töchter aus den Frauenhäusern zu holen und sie in Beziehungen zurückzudrängen, aus denen sie geflohen sind, oder Ehen mit älteren Männern oder den Vergewaltigern zu arrangieren (NYT 17.3.2018). Die EVAW-Institutionen und andere Einrichtungen, die Gewaltmeldungen annehmen und für die Schlichtung zuständig sind, bringen die Gewaltopfer während des Verfahrens oft in Schutzhäuser (z. B. Frauenhäuser) (UNAMA/OHCHR 5.2018).

Weibliche Opfer von häuslicher Gewalt, Vergewaltigung oder Zwangsehe sind meist auf Schutzmöglichkeiten außerhalb der Familie angewiesen, da die Familie oft für die Notlage (mit-)verantwortlich ist. Landesweit gibt es in den großen Städten Frauenhäuser, deren Angebot sehr oft in Anspruch genommen wird. Manche Frauen finden vorübergehend Zuflucht, andere wiederum verbringen dort viele Jahre (AA 5.2018). Die Frauenhäuser sind in der afghanischen Gesellschaft höchst umstritten, da immer wieder Gerüchte gestreut werden, diese Häuser seien Orte für unmoralische Handlungen und die Frauen in Wahrheit Prostituierte (AA 5.2018; vgl. NYT 17.3.2018). Sind Frauen erst einmal im Frauenhaus untergekommen, ist es für sie sehr schwer, danach wieder in ein Leben außerhalb zurückzufinden. Das Schicksal von Frauen, die auf Dauer weder zu ihren Familien noch zu ihren Ehemännern zurückkehren können, ist bisher ohne Perspektive. Für diese erste "Generation" von Frauen, die sich seit Ende der Taliban-Herrschaft in

den Schutzeinrichtungen eingefunden haben, hat man in Afghanistan bisher keine Lösung gefunden. Generell ist in Afghanistan das Prinzip eines individuellen Lebens weitgehend unbekannt. Auch unverheiratete Erwachsene leben in der Regel im Familienverband. Für Frauen ist ein alleinstehendes Leben außerhalb des Familienverbandes kaum möglich und wird gemeinhin als unvorstellbar oder gänzlich unbekannt beschrieben (AA 5.2018). Die EVAW-Institutionen konsultieren in der Regel die Familie und das Opfer, bevor sie es in ein Frauenhaus bringen (UNAMA/OHCHR 5.2018).

Gewalt gegen Frauen: Vergewaltigung, Ehrenverbrechen und Zwangsverheiratung

Sexualisierte und geschlechtsspezifische Gewalt ist weit verbreitet und kaum dokumentiert. Gewalttaten gegen Frauen und Mädchen finden zu über 90% innerhalb der Familienstrukturen statt. Die Gewalttaten reichen von Körperverletzung und Misshandlung über Zwangsehen bis hin zu Vergewaltigung und Mord (AA 5.2018). Zu geschlechtsspezifischer und sexueller Gewalt zählen außerdem noch die Praxis der badal-Hochzeiten (Frauen und Mädchen, die im Rahmen von Heiratsabmachungen zwischen Familien getauscht werden, Anm.) bzw. des ba'ad (Mädchen, die zur Konfliktlösung abgegeben werden, Anm.) (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. TD 4.12.2017). Dem Bericht der AIHRC zufolge wurden für das Jahr 2017 4.340 Fälle von Gewalt gegen Frauen registriert. Die Anzahl der gemeldeten Gewaltvorfälle und der Gewaltopfer steigt (AIHRC 11.3.2018).

Soziale Medien in Afghanistan haben Frauen und Mädchen neue Möglichkeiten eröffnet, um ihr Schicksal zu teilen. In den Medien ist der Kampf afghanischer Frauen, Mädchen und Buben gegen geschlechtsspezifische und sexuelle Gewalt in all ihren Formen tiefgründig dokumentiert. Die afghanische Regierung hat anerkannt, dass geschlechtsspezifische Gewalt ein Problem ist und eliminiert werden muss. Das soll mit Mitteln der Rechtsstaatlichkeit und angemessenen Vollzugsmechanismen geschehen. Zu diesen zählen das in Afghanistan eingeführte EVAW-Gesetz zur Eliminierung von Gewalt an Frauen, die Errichtung der EVAW-Kommission auf nationaler und lokaler Ebene und die EVAW-Strafverfolgungseinheiten. Auch wurden Schutzzentren für Frauen errichtet und die Rekrutierung von Frauen in der Polizei verstärkt. Mittlerweile existieren für Frauen 205 Spezialeinsatzeinheiten, die hauptsächlich von weiblichen Mitarbeiterinnen der afghanischen Nationalpolizei geleitet werden (BFA Staatendokumentation 4.2018).

Legales Heiratsalter:

Das Zivilgesetz Afghanistans definiert für Mädchen 16 Jahre (15 Jahre, wenn dies von einem Elternteil bzw. einem Vormund und dem Gericht erlaubt wird) und für Burschen 18 Jahre als das legale Mindestalter für Vermählungen (USDOS 20.4.2018; vgl. AA 5.2018). Dem Gesetz zufolge muss vor dem Ehevertrag das Alter der Braut festgestellt werden. Nur ein kleiner Teil der Bevölkerung besitzt Geburtsurkunden. Quellen zufolge ist die frühe Heirat weiterhin verbreitet. Gemäß dem EVAW-Gesetz werden Personen, die Zwangsehen bzw. Frühverheiratung arrangieren, für mindestens zwei Jahre inhaftiert; dennoch hält sich die Umsetzung dieses Gesetzes in Grenzen (USDOS 20.4.2018). Im Rahmen von Traditionen geben arme Familien ihre Mädchen im Gegenzug für "Brautgeld" zur Heirat frei, wenngleich diese Praxis in Afghanistan illegal ist. Lokalen NGOs zufolge, werden manche Mädchen im Alter von sechs oder sieben Jahren zur Heirat versprochen - unter der Voraussetzung, die Ehe würde bis zum Erreichen der Pubertät nicht stattfinden. Berichte deuten an, dass diese "Aufschiebung" eher selten eingehalten wird. Medienberichten zufolge existiert auch das sogenannte "Opium-Braut-Phänomen", dabei verheiraten Bauern ihre Töchter, um Schulden bei Drogenschmugglern zu begleichen (USDOS 3.3.2017).

Familienplanung und Verhütung

Das Recht auf Familienplanung wird von wenigen Frauen genutzt. Auch wenn der weit überwiegende Teil der afghanischen Frauen Kenntnisse über Verhütungsmethoden hat, nutzen nur etwa 22% (überwiegend in den Städten und gebildeteren Schichten) die entsprechenden Möglichkeiten (AA 5.2018). Ohne Dis

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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