TE Bvwg Erkenntnis 2019/7/4 W119 2200525-1

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Veröffentlicht am 04.07.2019
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Entscheidungsdatum

04.07.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs2
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W119 2200525-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a EIGELSBERGER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA: VR China, vertreten durch seine Mutter XXXX , vertreten durch Rechtsanwältin Mag.a Nadja LORENZ, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30. 5. 2018, Zl 1174978709-171423322/BMI-BFA_BGLD_RD, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben XXXX und gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der minderjährige Beschwerdeführer stellte gemeinsam mit seiner Mutter (Zl 2200522) am 27. 12. 2017 jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz.

Anlässlich der am selben Tag durchgeführten Erstbefragung nach dem AsylG führte die Mutter des Beschwerdeführers zunächst aus, dass sie der Volksgruppe der Uiguren angehöre. Zu ihrem Fluchtgrund brachte sie vor, dass die chinesische Regierung ihrer Volksgruppe sowie den Muslimen Schwierigkeiten bereite. Diese Probleme hätten im April 2017 begonnen. Ihr Bruder XXXX sei von der Polizei festgenommen und in das Gefängnis gebracht worden. Seitdem habe sie nichts mehr von ihm gehört. Ihr älterer Bruder XXXX sei von Chinesen getötet worden. Ihre Mutter habe ihr mitgeteilt, nicht mehr nach China zurückzukehren.

Am 9. 5. 2018 führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) eine niederschriftliche Befragung durch, in der die Mutter des Beschwerdeführers zunächst ihren chinesischen Reisepass, den ihren Sohn betreffenden Obsorgebeschluss und dessen Geburtsurkunde sowie eine Bestätigung, wonach sie ledig bzw geschieden sei, vorlegte.

In China würden ihre Eltern und zwei Brüder leben. Ein weiterer Bruder sei kurz nach seiner Freilassung aus dem Gefängnis gestorben.

Sie habe in Ürümqi im Bundesland Xinjiang im Westen von China gelebt. Sie habe China im Jahr 2005 deshalb verlassen, weil sie im Oman eine Erwerbsmöglichkeit gefunden habe. Dort habe sie als Reinigungskraft in einer Klinik gearbeitet. Ihr im Jahr XXXX geborener Sohn habe in dieser Zeit bei ihrer Mutter gelebt. Im Jahr 2006 habe sie ihn zu sich in den Oman geholt. Sie sei jedoch alle zwei bis drei Jahre nach China gereist. Sie habe sich bis 2011 im Oman aufgehalten. In weiterer Folge habe sie bis zum Jahr 2013 in Dubai als Reiseführerin gearbeitet, danach sei sie bis 2017 selbständig erwerbstätig gewesen, indem sie einen Schönheitssalon betrieben habe. Sie habe 2017 Dubai deshalb verlassen, weil die Polizeibehörden ihren Bruder festgenommen hätten. Es sei auch ihr Reisepass abgelaufen, den sie im Ausland nicht hätte verlängern lassen können. Sie habe nicht nach China zurückkehren können, weil sie bestimmt verhaftet worden wäre.

Auf die Frage, warum sie Dubai verlassen habe, gab sie an, dass sie in Dubai kein Problem gehabt habe. Im April 2017 hätten die chinesischen Behörden jenen Uiguren Probleme gemacht, die Verwandte im Ausland gehabt hätten. Am 30. 9. 2017 sei ihr Bruder festgenommen worden, worauf ihre Mutter ihr mitgeteilt habe, nicht nach China zurückzukehren, weil sie ansonsten auch festgenommen werden könnte. Sie habe bei der Österreichischen Botschaft in Abu Dhabi ein Visum beantragt, um nach Österreich einreisen zu können. Sie habe gehört, dass ihre Mutter am 27. 3. 2018 ebenfalls festgenommen worden sei. Als sie ihre Mutter versucht habe zu kontaktieren, habe ihr diese erklärt, dass ein Kontakt zu gefährlich sei.

Die Mutter des Beschwerdeführers legte eine Urkunde vor, wonach sie am 13. 9. 2017 in Dubai einen Staatsangehörigen der Vereinigten Arabischen Emirate geheiratet hatte.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 30. 5. 2018, Zl 1174978709-171423322/BMI-BFA_BGLD_RD, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat China (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV), wobei gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach China zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI).

Mit Verfahrensanordnung vom 26. 4. 2018 wurde dem Beschwerdeführer der Verein Menschenrechte Österreich als Rechtsberater zur Seite gestellt.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer durch seine rechtsfreundliche Vertreterin mit Schriftsatz vom 28. 6. 2018 Beschwerde. Darin wurde dargelegt, dass es zwar richtig sei, dass die Mutter des Beschwerdeführers keine Beweismittel hinsichtlich der Inhaftierung ihrer Familienmitglieder vorgelegt habe, nichtsdestotrotz gehe aus den im Beschwerdeschriftsatz zitierten Berichten hervor, dass es ein "Muster der Verfolgung" von Uiguren gebe, die nach ihrer Rückkehr in die VR China Verfolgungshandlungen ausgesetzt gewesen seien. Diesen Berichten sei jedoch nicht zu entnehmen, dass diese Personen im Ausland exilpolitisch tätig gewesen sein müssten.

Am 25. 3. 2019 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, an der ein Vertreter des Bundesamtes nicht teilgenommen hatte. Der Beschwerdeführer und seine Mutter haben sich daran beteiligt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der minderjährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der VR China und gehört der Volksgruppe der Uiguren an. Er stellte am 27. 12. 2017 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Beim Beschwerdeführer handelt es sich um den Sohn der XXXX , der mit Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl W119 2199238, gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt wurde und der damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Der Beschwerdeführer gehört als ihr Sohn der Familie an und liegt im gegenständlichen Fall ein Familienverfahren gemäß § 34 AsylG vor.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus den Angaben der Mutter des Beschwerdeführers im Verfahren sowie aus den damit übereinstimmenden Akteninhalten der Mutter des Beschwerdeführers und dem Beschwerdeführer selbst. Bereits das Bundesamt ist vom Bestehen der Familieneigenschaft zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Mutter gemäß § 34 AsylG ausgegangen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 1 VwGVG regelt dieses Bundesgesetz das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der BAO, des AgrVG und des DVG und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte. Entgegenstehende Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht sind, bleiben unberührt (§ 58 Abs. 2 VwGVG, in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2013).

§ 1 BFA-VG, BGBl I 2012/87 idF BGBL I 2013/144 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG 2005 und FPG bleiben unberührt. Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFA-VG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.

Mit 01.01.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG 2005) und ist auf die ab diesem Zeitpunkt gestellten Anträge auf internationalen Schutz, sohin auch auf den vorliegenden, anzuwenden.

A)

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 ist "Familienangehöriger", wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat, sowie der gesetzliche Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.

Stellt ein Familienangehöriger iSd § 2 Abs. 1 Z 22 leg. cit. von einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser gemäß § 34 Abs. 1 AsylG 2005 als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

§ 34 Abs. 2 AsylG 2005 normiert, dass die Behörde aufgrund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen hat, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist und

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art 3 Z13, BGBl. I Nr. 84/2017)

3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung des Asylstatus anhängig ist (§ 7).

Gemäß Abs. 4 leg. cit. hat die Behörde Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen, und es erhalten unter den Voraussetzungen der Absätze 2 und 3 alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.

Im vorliegenden Fall wurde der Mutter des Beschwerdeführers gemäß § 3 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt und gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 festgestellt, dass dieser damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Dem Beschwerdeführer ist daher nach § 34 Abs. 4 AsylG 2005 der gleiche Schutzumfang, d.h. der Status des Asylberechtigten nach § 3 Abs. 1 AsylG 2005, zuzuerkennen, ohne dass allfällige eigene Fluchtgründe zu beurteilen waren (vgl. dazu auch Feßl/Holzschuster, Asylgesetz 2005 [2006], 499).

Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass der Antrag auf internationalen Schutz am 27. 12. 2017 und somit nach dem 15.11.2015 gestellt wurde, wodurch insbesondere die §§ 2 Abs. 1 Z 15 und 3 Abs. 4 AsylG 2005 idF des Bundesgesetzes BGBl. I 24/2016 ("Asyl auf Zeit") gemäß § 75 Abs. 24 leg. cit. im konkreten Fall Anwendung finden.

Aufgrund der Zuerkennung von Asyl (Spruchpunkt I.) sind die Spruchpunkte II., III., IV., V. und VI des angefochtenen Bescheides gegenstandslos geworden.

B)

Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

Die Revision ist sohin gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Schlagworte

Asylgewährung von Familienangehörigen, Familienverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W119.2200525.1.00

Zuletzt aktualisiert am

06.09.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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