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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AuslBG;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde der IR, (geboren am 11. Oktober 1970), vertreten durch Mag. Johannes Schmidt, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Kolingasse 13/1/16, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 23. Jänner 1998, Zl. SD 1350/97, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 23. Jänner 1998 wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine kroatische Staatsangehörige, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.
Die Beschwerdeführerin, die seit April 1994 ohne Aufenthaltsbewilligung im Bundesgebiet bei verschiedenen Firmen einer Beschäftigung als Kellnerin entgegen den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes nachgegangen sei, sei im Jänner 1995 wegen unerlaubten Aufenthaltes nach dem Fremdengesetz bestraft und mit Bescheid ausgewiesen worden. Noch im Jänner 1995 habe sie das Bundesgebiet verlassen. Im Juni 1997 seien Kriminalbeamte einer Diebsbande und deren Hehlerin (der Beschwerdeführerin) auf die Spur gekommen. Bei der Vernehmung im fremdenpolizeilichen Verfahren habe die Beschwerdeführerin angegeben, daß sie am 1. Mai 1997 zuletzt sichtvermerksfrei nach Österreich eingereist und ledig sei, keine Sorgepflichten und in Österreich keine familiären Bindungen sowie zuletzt nicht gearbeitet habe und (nur) S 500,-- besitze. In der Folge sei sie vom Landesgericht für Strafsachen Wien am 27. Oktober 1997 wegen Hehlerei gemäß § 164 Abs. 2, 3, 4 zweiter Fall StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von neun Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Ihrem Vorbringen, daß sie nicht die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdete, weil sie aktiv an der Aufklärung und Verhinderung weiterer Straftaten mitgewirkt hätte, sei entgegenzuhalten, daß sie jedenfalls nicht initiativ geworden sei, sondern erst nach Entdeckung und Feststellung der Taten ein Geständnis abgelegt und an der Aufklärung mitgewirkt habe. Sie habe zahlreichen Firmen Waren im Wert von über S 25.000,--, darunter z.B. 70 Jeanshosen, 30 Poloshirts, abgenommen und sich offenbar so die Mittel für ihren Unterhalt verschafft. Es könne keine Rede davon sein, daß der Aufenthalt der Beschwerdeführerin, die schon nach einer früheren Ausweisung nun den sichtvermerksfreien Aufenthalt nicht zu touristischen oder Besuchszwecken, sondern zu den verpönten Zwecken genutzt habe, keine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit darstelle. Aufgrund der Tathandlungen sei die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes unter dem Vorbehalt der §§ 37 und 38 FrG gerechtfertigt.
Ein Eingriff in das Privat- und Familienleben iS des § 37 Abs. 1 FrG liege offensichtlich nicht vor, weil dem Berufungsvorbringen der Beschwerdeführerin, die während des sichtvermerksfreien Aufenthaltes in Wien gewohnt habe, sie hätte eine Tante in Wolfsberg in Kärnten, mit der sie einen engen Kontakt hätte, jedenfalls nicht die Qualität eines Eingriffes in ihr Privat- und Familienleben iS des Art. 8 Abs. 1 MRK zukomme. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei daher iS des § 37 Abs. 1 und 2 FrG zulässig, und es kämen die Bestimmungen des § 38 FrG nicht zum Tragen.
Ob die Beschwerdeführerin in Kroatien Nachteile seitens der Serben zu befürchten hätte, sei im Aufenthaltsverbotsverfahren nicht zu berücksichtigen. Die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes sei richtig bemessen worden, zumal im vorliegenden Fall auch ein unbefristetes Aufenthaltsverbot zulässig gewesen wäre und nicht zu erkennen sei, ob die Beschwerdeführerin die für Fremde maßgebenden Bestimmungen, insbesondere auch die des Strafgesetzes, beachten werde.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. In der Beschwerde bleibt die Auffassung der belangten Behörde, daß der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG verwirklicht sei, unbekämpft. Im Hinblick auf die unbestrittene strafgerichtliche Verurteilung der Beschwerdeführerin zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von neun Monaten bestehen gegen diese Beurteilung keine Bedenken.
2.1. Die Beschwerdeführerin wendet gegen den angefochtenen Bescheid ein, daß sie nunmehr keine Gefährdung für die öffentliche Sicherheit mehr darstelle. Sie habe nämlich durch ihre Aussage die Feststellungen der Taten erst ermöglicht, was bei Gericht auch als wesentlicher Milderungsgrund gewertet worden sei. Überdies hätte die belangte Behörde feststellen können, daß sie einen teilweisen Freispruch erzielt habe. Sie hätte ihrer Aburteilung entfliehen können, was sie jedoch nicht getan habe, um zu dokumentieren, daß die General- und Spezialprävention "bezüglich ihrer weiteren Verhaltensweise" bereits Erfolg gezeitigt habe. Auch sei ihr Wohlverhalten seit der Tat evident und sei sie an einer tiefen Integration interessiert.
2.2. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend.
Die belangte Behörde kam zutreffend zu dem Ergebnis, daß die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist, bringt doch das der festgestellten strafgerichtlichen Verurteilung der Beschwerdeführerin wegen des Verbrechens der Hehlerei nach § 164 Abs. 2, 3, 4 zweiter Fall StGB zugrundeliegende Verhalten eine erhebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit mit sich (vgl. etwa das zum Fremdengesetz, BGBl. Nr. 838/1992, ergangene, wegen der insoweit nicht geänderten Rechtslage auch hier maßgebliche Erkenntnis vom 5. April 1995, Zl. 93/18/0148), zumal auch der Umstand, daß die Beschwerdeführerin - die diesbezüglichen Feststellungen im angefochtenen Bescheid läßt die Beschwerde unbestritten - in der Zeit von April 1994 bis Jänner 1995 ohne Aufenthaltsbewilligung in Österreich entgegen den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes einer Beschäftigung als Kellnerin nachgegangen, im Jänner 1995 wegen unerlaubten Aufenthaltes nach dem Fremdengesetz bestraft und mit Bescheid ausgewiesen worden war, die Annahme der belangten Behörde untermauert.
Wenn die Beschwerdeführerin geltend macht, daß sie durch ihre Aussagen erst die Feststellung der Straftaten ermöglicht habe, was bei Gericht als wesentlicher Milderungsgrund gewertet worden sei, so spricht dieses Vorbringen - ebenso wie die weitere Behauptung der Beschwerdeführerin, daß sie sich nicht der Strafverfolgung entzogen habe - nicht gegen die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme, bei der die Fremdenpolizeibehörde den Fall eigenständig und somit unabhängig von den Erwägungen zu beurteilen hat, die für das Gericht bezüglich der Strafbemessung ausschlaggebend gewesen sind (vgl. etwa das zum Fremdengesetz, BGBl. Nr. 838/1992, ergangene, wegen der insoweit nicht geänderten Rechtslage auch hier maßgebliche Erkenntnis vom 23. Oktober 1997, Zl. 95/18/0561, mwN). Abgesehen davon sind nach den insoweit unbestrittenen und im übrigen auch durch den Bericht des Bundespolizeikommissariates Ottakring (vgl. Blatt 51 der Verwaltungsakten) gedeckten Feststellungen im angefochtenen Bescheid die Kriminalbeamten im Juni 1997 der Beschwerdeführerin als Hehlerin auf die Spur gekommen, sodaß die Ansicht der belangten Behörde, daß die Beschwerdeführerin nicht initiativ, sondern erst nach ihrer Entdeckung an der Aufklärung mitgewirkt habe, unbedenklich erscheint. Ebensowenig vermag die Beschwerde die Ausführungen der belangten Behörde zu entkräften, daß sie sich offenbar durch die Verhehlung der gestohlenen Waren die Mittel für ihren Unterhalt verschafft habe, wurde doch die Beschwerdeführerin wegen gewerbsmäßiger Begehung der Hehlerei verurteilt (§ 164 Abs. 4 zweiter Fall StGB) und hat sie bei ihrer Vernehmung am 16. Juli 1997 im Verwaltungsverfahren selbst angegeben, zuletzt nicht gearbeitet und auch keine Unterstützung bekommen zu haben. Wenn die Beschwerdeführerin meint, es sei unrichtig, daß sie bereits früher ihren Aufenthalt für die "verpönten Zwecke" genutzt hätte, so mißversteht sie die Ausführungen im angefochtenen Bescheid, wonach sie nach einer früheren Ausweisung nun den sichtvermerksfreien Aufenthalt nicht zu touristischen oder Besuchszwecken, sondern zu den verpönten Zwecken genutzt habe. Schließlich ist für die Beschwerde auch mit ihrem Vorbringen, daß die Beschwerdeführerin sich seit der Straftat wohlverhalten habe und an einer tiefen Integration interessiert sei, nichts gewonnen, ist doch dieser Zeitraum viel zu kurz, um eine verläßliche Beurteilung dahin abgeben zu können, daß sich die Beschwerdeführerin künftig rechtstreu verhalten werde.
Die Ansicht der belangten Behörde, daß die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, begegnet daher keinen Bedenken.
3.1. Die Beschwerde hält den angefochtenen Bescheid weiters im Grunde des § 37 FrG für rechtswidrig.
Die Beschwerdeführerin sei während des Bürgerkrieges im ehemaligen Jugoslawien zwecks Familienzusammenführung mit ihrem Onkel und ihrer Tante als Flüchtling nach Österreich gekommen und habe nur deshalb keinen Flüchtlingsstatus beantragt, weil sie ohnehin Verwandtschaft in Österreich habe, die sich um sie gekümmert habe. Die Beschwerdeführerin mache daher das gemäß Art. 8 EMRK garantierte Recht auf Familienleben bzw. -zusammenführung geltend.
3.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
Die Behauptung, daß die Beschwerdeführerin vor dem Bürgerkrieg im ehemaligen Jugoslawien geflohen sei, wurde von ihr im Verwaltungsverfahren - abgesehen davon, daß sie bei ihrer Vernehmung am 16. Juli 1997 noch angegeben hat, bei einer Abschiebung in ihre Heimat weder mit strafrechtlichen noch politischen Problemen zu rechnen zu haben - nicht aufgestellt, sodaß es sich bei diesem Beschwerdevorbringen um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässige Neuerung (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG) handelt und darauf nicht weiter einzugehen ist. Im übrigen behauptet die Beschwerdeführerin nicht, mit ihrem Onkel oder ihrer Tante zusammenzuleben, sodaß die von ihr behaupteten familiären Interessen nicht vom Schutzumfang des § 37 Abs. 1 FrG erfaßt sind. Daraus folgt, daß eine Bedachtnahme auf diese familiäre Beziehung bei einer unter der Annahme eines relevanten Eingriffes in das Privatleben der Beschwerdeführerin gebotenen Interessenabwägung nach § 37 Abs. 2 FrG zu keinem anderen (für sie günstigen) Ergebnis geführt hätte (vgl. etwa das zum Fremdengesetz, BGBl. Nr. 838/1992, ergangene, wegen der insoweit nicht geänderten Rechtslage auch hier maßgebliche Erkenntnis vom 28. November 1996, Zl. 96/18/0511, mwN). Der behauptete Umstand, daß die Beschwerdeführerin krankenversichert sei, vermag keine Verstärkung der (allenfalls gegebenen) privaten Interessen am Verbleib im Bundesgebiet zu bewirken.
Damit entbehrt auch die Verfahrensrüge der Beschwerdeführerin, in der sie das Unterbleiben der Vernehmung ihres Onkels und ihrer Tante bemängelt, der Relevanz.
4. Ebenso verhilft der Beschwerde das Vorbringen, die "Frage der Nachteile seitens der Serben" sei nicht geklärt worden, nicht zum Erfolg. Denn die Beschwerdeführerin verkennt, daß mit einem Aufenthaltsverbot nicht ausgesprochen wird, daß der Fremde in ein bestimmtes Land auszureisen hat oder daß er (allenfalls) abgeschoben wird (vgl. etwa das zum Fremdengesetz, BGBl. Nr. 838/1992, ergangene, wegen der insoweit nicht geänderten Rechtslage auch hier maßgebliche Erkenntnis vom 18. Dezember 1997, Zl. 96/18/0461, mwN).
5. Nach dem Gesagten ist auch der weiteren Verfahrensrüge, die belangte Behörde habe die beantragten Beweise nicht aufgenommen und dadurch die Maxime der Durchführung eines ordentlichen Ermittlungsverfahrens verletzt, der Boden entzogen.
6. Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
7. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 12. November 1998
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Bindung der Verwaltungsbehörden an gerichtliche Entscheidungen VwRallg9/4European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1998180099.X00Im RIS seit
11.07.2001