Entscheidungsdatum
28.03.2017Norm
StVO 1960 §4 Abs1 litaText
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat durch die Richterin Mag. Schnabl über die Beschwerde der R C, geb. xx, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. W W, P, L, gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Steiermark vom 24.10.2016, GZ: VStV/914300258458/2014,
z u R e c h t e r k a n n t:
I. Gemäß § 50 Abs 1 iVm § 28 Abs 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (im Folgenden VwGVG) wird die Beschwerde als unbegründet
a b g e w i e s e n.
II. Gemäß § 52 Abs 1 und 2 VwGVG hat die Beschwerdeführerin binnen zwei Wochen ab Zustellung bei sonstiger Exekution einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von € 72,00 zu leisten.
III. Gemäß § 52 Abs 3 VwGVG werden der Beschwerdeführerin die im Beschwerdeverfahren entstandenen Barauslagen in Form von Sachverständigengebühren des nicht amtlich, gerichtlich beeideten Sachverständigen für das Kfz-Wesen, Univ.-Prof. DI Dr. H S, auferlegt. Die Vorschreibung erfolgt durch gesonderten Beschluss.
IV. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz (im Folgenden VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der belangten Behörde vom 24.10.2016 wurden der Beschwerdeführerin folgende Übertretungen zur Last gelegt:
„1. Sie haben am 03.04.2014, um 19:45 Uhr, in Graz, Lgasse, als Lenker des Kraftfahrzeuges mit dem Kennzeichen X, obwohl Ihr Verhalten am Unfallsort in ursächlichem Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall mit Sachschaden stand, nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle verständigt,
2. Sie haben am 03.04.2014, um 19.45 Uhr, in Graz, Lgasse, als Lenker des Kraftfahrzeuges mit dem Kennzeichen X, obwohl Ihr Verhalten am Unfallsort in ursächlichem Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall mit Sachschaden stand, Ihr Fahrzeug nicht sofort angehalten;
3. Sie haben am 03.04.2014, um 19:45 Uhr, in Graz, Lgasse, als Lenker des Kraftfahrzeuges mit dem Kennzeichen X, den Fahrstreifen auf einer Kreuzung mehrstreifiger Fahrbahnen diesen nicht weiter benützt, welcher vor dem Einbiegen befahren worden war, sondern den Fahrstreifen während des Einbiegens auf der Kreuzung gewechselt, ohne sich davon zu überzeugen, dass dies ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer möglich ist und dadurch einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verursacht.
Der Beschuldigte hat dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:
§ 4 Abs. 1 lit. a StVO
§ 13 (2a) StVO
Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird (werden) über Sie folgende Strafen verhängt:
Geldstrafe von
Falls diese
uneinbringlich, Ersatzfreiheitsstrafe von
Freiheitsstrafe von
Gemäß
€ 110,00
2 Tage(n) 0 Stunde(n) 0 Minute(n)
§ 99 Abs. 3 lit. b StVO
€ 150,00
3 Tage(n) 0 Stunde(n) 0 Minute(n)
§ 99 Abs. 2 lit. a StVO
€ 100,00
2 Tage(n) 0 Stunde(n) 0 Minute(n)
§ 99 Abs. 3 lit. a StVO
Ferner hat der Beschuldigte gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 – VStG zu zahlen:
€ 36,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10% der Strafe, jedoch mindestens 10 Euro für jedes Delikt (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich € 100,00 angerechnet).
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher
€ 396,00“
In der rechtzeitig eingebrachten Beschwerde wurde vorgebracht, dass die Beschwerdeführerin nicht in eine Kollision verwickelt gewesen sei. Es handle sich beim Schaden am Fahrzeug der Beschwerdeführerin um einen alten Schaden, weshalb die Beschwerdeführerin weder in einen Unfall verwickelt gewesen sei noch habe sie die ihr vorgeworfenen Straftaten begangen. Auf den Schadensbildern der beiden Fahrzeuge würde sich zeigen, dass es sich um Schäden unterschiedlicher Höhen handelt. Es wurde der Antrag gestellt, einen Amtssachverständigen aus dem Bereich Kfz-Technik mit Befund und Gutachten zu beauftragen.
Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat erwogen:
Zur Folge des Beschwerdevorbringens wurde am 21.03.2017 vor dem Landesverwaltungsgericht Steiermark eine mündliche Verhandlung unter
Beiziehung des gerichtlich beeideten Kfz-technischen Sachverständigen Univ.-Prof. DI Dr. H S abgehalten, in welcher die Beschwerdeführerin, vertreten durch ihren Rechtsvertreter sowie die Zeugin N L einvernommen wurde. Der Zeuge S P war entschuldigt ferngeblieben.
Aufgrund des dem Landesverwaltungsgericht Steiermark vorliegenden Verwaltungsstrafaktes, verbunden mit dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung in Verbindung mit dem Beschwerdevorbringen ergibt sich für das Landesverwaltungsgericht Steiermark nachfolgender entscheidungsrelevanter Sachverhalt:
Der gegenständliche Unfall ereignete sich am 03.04.2014 um 19.45 Uhr in
8010 Graz, Lgasse , Fahrtrichtung Nord-Ost, in einer 90-Grad-Rechtskurve, auf der sich zwei Rechtsabbiegespuren befinden.
Die Beschwerdeführerin lenkte damals ihr Fahrzeug mit dem Kennzeichen X auf der rechten Spur. Unmittelbar daneben lenkte die Zeugin N L ihr Fahrzeug mit dem Kennzeichen X. In der 90-Grad-Kurve kam die Beschwerdeführerin mit ihrem Kfz von rechts etwas nach links über die Leitlinie und versuchte die Zeugin L noch nach links außen auszuweichen.
In der Folge kam es jedoch zu einem Kontakt der beiden Fahrzeuge, wodurch der rechte Seitenspiegel der Zeugin zurückklappte. Die Zeugin blieb umgehend stehen und aktivierte die Warnblinkanlage des Kfz. Sie stieg aus und ging nach hinten, wo der Zeuge P sein Fahrzeug ebenfalls angehalten hatte. Die Beschwerdeführerin hielt einige Meter weiter vorn, aber noch vor der Kreuzung Mstraße ihren Wagen an, öffnete die Fahrertür und blickte zurück. Dann setzte sie die Fahrt fort.
Die Zeugin L sowie der Zeuge P tauschten in der Folge am Kaiser-Josef-Markt die Kontaktdaten aus, in der Folge wurde von der Zeugin L die Polizeiinspektion Schmiedgasse verständigt.
Die Beschwerdeführerin wurde von RI R und RI Rü, PI Landhaus, Linz, am 05.04.2014 an der Wohnadresse befragt.
Am 24.10.2016 erging das gegenständliche Straferkenntnis.
Beweiswürdigung:
Die Feststellungen konnten aufgrund des vorliegenden Verfahrensaktes, der Einvernahme der Zeugin L in Verbindung mit dem Befund des gerichtlich beeideten Sachverständigen Univ.-Prof. DI Dr. H S getroffen werden.
Von der Beschwerdeführerin wurde nicht bestritten, dass sie am 03.04.2014 mit ihrem Fahrzeug mit dem Kennzeichen X durch die Lgasse, 8010 Graz, fuhr. Die Verursachung eines Verkehrsunfalles wurde von ihr jedoch bestritten und dargelegt, dass sie keinen Verkehrsunfall wahrgenommen hätte. Sie gestand auch zu, die Fahrertür geöffnet zu haben, gab jedoch an, sie hätte dies nur getan um sich „ein wenig zu orientieren“.
Zur Frage, ob die gegenständlichen Beschädigungen am Fahrzeug der Zeugin L durch den gegenständlichen Unfall verursacht worden sein könnte und bejahendenfalls, ob dieser Verkehrsunfall von der Beschwerdeführerin wahrnehmbar war, wurde der Kfz-technische Sachverständige in der mündlichen Verhandlung beauftragt Befund und Gutachten zu erstellen.
Das Gutachten lautet wie folgt:
Befund:
„Der gegenständliche Vorfall ereignete sich am 03.04.2014 gegen 19.45 Uhr in St. L im Bereich der Lgasse in Graz. Im Bereich der Unfallstelle verläuft die Lgasse annähernd West-Ost. Sie ist in Richtung Westen als Einbahn geführt. Sie mündet dann annähernd rechtwinkelig in die GStraße, wobei diese in nördliche Richtung als Einbahn geführt ist. Der Krümmungskreisradius der Kurve beträgt auf die Fahrbahnmitte bezogen ca. 10 m. Sie ist hiebei so geführt, dass zwei Fahrstreifen als Einbahn rechts abbiegend parallel geführt sind. Die gesamte Breite dieser beiden Fahrstreifen beträgt nach der Kurve ca. 7 m, im Bereich der Kurve beträgt die Gesamtbreite der beiden Fahrstreifen ca. 8,5 m. Im gesamten Bereich verlaufen die Fahrbahnen annähernd horizontal und eben. Es gilt eine erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h.
An dem Vorfall waren hiebei zwei Fahrzeuge beteiligt: Beim Fahrzeug, gelenkt von der Beschwerdeführerin handelt es sich um einen Volvo XC90, der im Vorfeld auch von mir und zwar am 24.01.2017 besichtigt und befundet wurde. Es wurden hiebei auch mehrere Lichtbilder angefertigt, die heute von mir vorgelegt werden und als Beilage ./I zum Akt genommen werden. Bei der damaligen Befundaufnahme konnten keine signifikanten Schäden festgestellt werden. Es war nur an den Umrandungen der Radkästen ganz leichte Schleifspuren erkennbar. Diese befanden sich in unterschiedlichen Höhen. Die Schäden die von der Polizei in einer Höhe von 60 bis 75 cm und zwar in Bild 2 festgestellt wurden, waren bei meiner Befundaufnahme praktisch nicht mehr erkennbar.
Beim zweiten beteiligten Fahrzeug, dem Zeugenfahrzeug L handelt es sich um einen Mercedes SLK mit einer Länge von 3,99 m einer Breite von 1,72 m und einem Eigengewicht von etwa 1.200 kg. Die Lichtbilder dieses Fahrzeuges wurden auch heute von der Uniqa Versicherung vom SV angefordert und beigeschafft. Hierbei ergab sich, dass am rechten vorderen Kotflügel eine horizontal verlaufende Schleifspur erkennbar war, die relativ rau war. Es sind hier deutliche einzelne Kratzspuren erkennbar gewesen. Des Weiteren lag am rechten Außenspiegel ein geringer Lackschaden vor, sowie an der rechten Tür ein relativ punktueller Kratzer, der etwas unstetig aber annähernd horizontal verlief.
Am Fahrzeug selbst wurden aber auch zahlreiche Vorschäden festgestellt. Dies sowohl an der Tür, als auch am rechten vorderen Kotflügel. Hier lagen auch bereits einige Eindellungen vor.
Gutachten:
Zunächst ergibt sich, dass der Schaden am rechten vorderen Kotflügel eine enorme Rauigkeit aufweist. Es lagen hier zahlreiche einzelne Kratzspuren vor, wie sie praktisch nur von einem Mauerwerkt stammen können, vor. Es ist zwar ersichtlich, dass rundherum auch ein Kunststoffabrieb vorlag, der von einem anderen Fahrzeug stammt. Die punktuellen Kratzspuren selbst können aber praktisch selbst nicht erklärt werden.
Hinsichtlich des Schadens am Außenspiegel kann nur angegeben werden, dass hier doch ein geringfügiger Lackabrieb außen vorlag.
Hinsichtlich des Schadens an der Tür ergibt sich, dass dieser nur in einer Höhe von ca. 40 cm über den Boden lag. Dieser Schaden könnte mit der Stoßstange des Volvo korrelieren und zwar mit dem vorderen Stoßstangeneck. Er ist aber doch recht unstetig. Vor allem ergibt sich, dass die beiden Kratzer nicht vollständig parallel verlaufen, sondern der obere Kratzer relativ konstant durchverläuft, während der untere den Abstand zum oberen immer wieder deutlich verändert.
Somit kann Folgendes angegeben werden:
Zunächst ist der horizontal verlaufende Kratzer am rechten vorderen Kotflügel nicht dem gegenständlichen Unfall zuzuordnen, die darunter befindlichen Kunststoffspuren können zwar vom gegenständlichen Unfall stammen, es kam aber nicht zu einer Schadensvergrößerung. Zusätzlich wies der Kotflügel auch einen weiteren Vorschaden auf.
Die im Bild 5 der Verkehrsunfallanzeige ersichtlichen drei punktuellen Lackschäden stammen sicher nicht vom gegenständlichen Vorfall, diese dürften vom Anschlagen einer Tür stammen.
Der Lschaden im Bereich der Tür kann nicht vom Kontakt eines anderen Fahrzeuges stammen, da es ja zwischen den beiden Kratzern zu einer Abstandsänderung laufend kommt, was beim Kontakt mit einem anderen Fahrzeug nicht erklärbar ist. Der Schaden am rechten Außenspiegel kann aber dem gegenständlichen Vorfall zugeordnet werden. Hier ist auch eine Lackierung notwendig.
Hinsichtlich der Reparaturkosten ergibt sich, dass für die Gesamtreparatur der rechten Seite des Fahrzeuges ein Reparaturkostenaufwand unter Berücksichtigung der Vorschäden von ca. € 800,00 für die Lackierung ergibt. Die Lackierkosten für die Abdeckung des Außenspiegels errechnen sich zu lediglich € 80,00. Alle Beträge sind inklusive Mehrwertsteuer.
Somit ergibt sich zusammenfassend, dass ein Kontakt der beiden Fahrzeuge nachvollzogen werden kann. Es kann auch nachvollzogen werden, dass der Außenspiegel am Mercedes anklappte, was auf eine eher höhere Geschwindigkeit des Mercedes hindeutet. Von den Schäden kann aber nur die Abdeckkappe des Außenspiegels nachvollzogen werden. Alle anderen Schäden sind Vorschäden bzw. wurde der Schaden nicht vergrößert.
Hinsichtlich der Bemerkbarkeit des Vorfalls kann Folgendes angegeben werden:
So kam es nur zu einer ganz geringen seitlichen Streifung, wobei es aufgrund des krassen Höhenunterschiedes der beiden Fahrzeuge vom Volvo aus ein allfälliger Kontakt mit dem Mercedes sicherlich nicht einsehbar war. Als Erschütterung war der Kontakt sicher gar nicht bemerkbar, auch ist keine signifikante Geräuschentwicklung zu erwarten.
Die Tatsache, warum der Kontakt im Mercedes bemerkbar war, dies als Geräusch, liegt daran, dass der Spiegel am Mercedes zurückgeklappt wurde und hier bei Ausklinkung der Arretierung eine deutliche Geräuschentwicklung entsteht, die aber nur in jenem Fahrzeug feststellbar ist, an dem der Spiegel befestigt ist. Hier wirkt die Tür praktisch als Schallmembran nach innen. Die Differenzgeschwindigkeit der Fahrzeuge war so gering, dass hier kein knallartiges Geräusch wie bei einem Kontakt von beispielsweise zwei Außenspiegel zu erwarten wäre.
Wo sich der Unfall in Bezug auf die Fahrbahnquerachse ereignete kann nur über richterliche Beweiswürdigung festgelegt werden. Es lag mit großer Wahrscheinlichkeit noch eine leichte Winkelstellung der beiden Fahrzeuge vor, womit ein Kontakt eher im Kurvenausgang wahrscheinlicher ist als im Bereich der vollen Kurve.“
Aus dem schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten des KFZ-technischen Sachverständigen ergibt sich, dass der Kontakt der beiden Fahrzeuge nachvollzogen werden kann. Hinsichtlich des Schadens am Außenspiegel ergibt sich, dass hier eine Korrelierung besteht. Der Schaden kann dem gegenständlichen Vorfall zugeordnet werden und ist hier auch eine Lackierung notwendig, für die etwa ein Betrag von € 80,00 zu berechnen ist.
In subjektiver Hinsicht ist auszuführen, dass aufgrund des Höhenunterschiedes der beiden Fahrzeuge vom Volvo aus ein allfälliger Kontakt nicht einsehbar war. Als Erschütterung war der Kontakt nicht zu bemerken und ist auch keine signifikante Geräuschentwicklung zu erwarten.
Die Beschwerdeführerin hätte jedoch bei einem derart knappen Fahrmanöver ein hohes Maß an Aufmerksamkeit an den Tag legen müssen, da sie in der Kurve die Leitlinie überfuhr wodurch sie mit dem links fahrenden Fahrzeug touchierte. Sie hätte sich somit nach diesem Fahrmanöver vergewissern müssen, ob am Fahrzeug Schäden entstanden sind.
Aus der Aussage der Zeugen L und P im Verfahren vor der belangten Behörde bzw. vor dem Landesverwaltungsgericht Steiermark ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin offenbar unmittelbar nach dem Vorfall kurz stehen blieb, die Fahrertür öffnete und nach hinten zu den stehen gebliebenen Zeugen blickte. Dies wurde auch von der Beschwerdeführerin selbst in der Einvernahme durch die Polizeidienststelle Linz zugestanden.
Somit ergibt sich für das Landesverwaltungsgericht Steiermark unzweifelhaft, das der Beschwerdeführerin der Unfall zur Kenntnis kam und sie daher ihr Fahrzeug anhalten und die nächste Polizeidienststelle verständigen hätte müssen. Die Aussage der Beschwerdeführerin im Verfahren, wonach sie nur angehalten habe, um sich zu orientieren, ist gänzlich unglaubwürdig; es widerspricht jeglicher Lebenserfahrung, dass die Fahrertür geöffnet wird um sich zu orientieren.
Die Aussagen der Beschwerdeführerin sind daher nicht glaubwürdig und werden als Schutzbehauptung gewertet, um der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung zu entgehen.
Rechtliche Beurteilung:
§ 4 Abs 1 lit a und Abs 5 StVO:
(1) Alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhange steht, haben
a) wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten,
(5) Wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, haben die im Abs. 1 genannten Personen die nächste Polizeidienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die im Abs. 1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.
§ 13 Abs 2a StVO:
(2a) Auf Kreuzungen mehrstreifiger Fahrbahnen ist der Fahrstreifen, der vor dem Einbiegen befahren wurde, auch beim Einbiegen zu benützen. Der Lenker eines Fahrzeuges darf den Fahrstreifen wechseln, wenn er sich überzeugt hat, dass dies ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer möglich ist.
Die Beschwerdeführerin kam mit ihrem Fahrzeug im Zuge einer starken Rechtskurve von ihrem Fahrstreifen ab und geriet auf die linke Fahrspur, wodurch sie den rechten Außenspiegel der Zeugin L touchierte.
Sowohl die Anhaltepflicht gemäß § 4 Abs 1 lit a StVO, als auch die Meldepflicht nach
§ 4 Abs 5 leg cit setzen auch das Wissen um einen Verkehrsunfall voraus, wobei aber nicht unbedingt das positive Wissen von diesem und vom ursächlichen Zusammenhang erforderlich ist, es genügt vielmehr, wenn die betreffende Person bei gehöriger Aufmerksamkeit den Verkehrsunfall und den ursächlichen Zusammenhang hätte erkennen können; diese Tatbestände sind schon dann gegeben, wenn dem Täter objektive Umstände zu Bewusstsein gekommen sind, oder bei gehöriger Aufmerksamkeit zu Bewusstsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalls mit einer Sachbeschädigung zu erkennen vermocht hätte.
Weiters muss der Lenker den Geschehnissen um sein Fahrzeug seine volle Aufmerksamkeit zuwenden; insbesondere bei Fahrmanövern, wie den vorliegenden, hat der Lenker des Fahrzeuges erhöhte Aufmerksamkeit walten zu lassen (VwGH vom 28.03.1990, Zl. 89/03/0176, 20.03.2002, 99/03/0316 u. a.).
Aufgrund des Fahrmanövers der Beschwerdeführerin, die während einer scharfen Rechtskurve auf die linke Fahrbahn kam, auf der sich unmittelbar die Zeugin L befand, war der Verkehrsunfall für die Beschwerdeführerin bei gehöriger Aufmerksamkeit jedenfalls bemerkbar gewesen. Die Zeugin hat ihr Fahrzeug unmittelbar nach dem Unfall unter Aktivierung der Warnblinkanlage angehalten. Die Beschwerdeführerin selbst hat wenige Meter danach gehalten, die Fahrertür geöffnet und nach hinten geblickt. Der Verkehrsunfall wurde daher offenbar auch von der Beschwerdeführerin selbst bemerkt, diese setzte jedoch ihre Fahrt fort.
Die Beschwerdeführerin hat die ihr vorgeworfene Verwaltungsübertretungen subjektiv und objektiv zu verantworten, da sie weder anhielt noch die nächste Polizeidienststelle verständigte.
Strafbemessung:
Gemäß § 19 Abs 1 VStG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.
Gemäß § 4 Abs 1 lit a StVO haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, sofort anzuhalten, um auch den sonstigen gesetzlich festgelegten Lenkerverpflichtungen nachzukommen. Der Lenker hat sich nach dem Anhalten etwa auch zu vergewissern, ob durch den Unfall eine Situation entstanden ist, die es notwendig macht, Maßnahmen zur Vermeidung von Schäden für Personen oder Sachen zu treffen. Diese Bestimmung dient daher dem Schutz von Personen, der Abwendung von Sachschäden und soll auf die Mitwirkung an der Sachverhaltsfeststellung gewährleisten. Zweck des § 4 Abs 5 StVO ist es, den am Unfall beteiligten Fahrzeuglenkern die Möglichkeit zu geben, ohne unnötigen Aufwand und Schwierigkeiten darstellen zu können, mit wem man sich hinsichtlich der Schadensregelung in der Folge auseinanderzusetzen haben wird (VwGH 14.09.1983, ZVR 1984/264). Die Verständigungspflicht ist im Interesse der Geschädigten zur Ermöglichung der Durchsetzung allfälliger Schadensersatzansprüche festgelegt (VwGH 09.09.1968, Slg. 7319/A).
Die Vorschrift des § 13 Abs 2a StVO dient, wie die meisten Vorschriften der Straßenverkehrsordnung, der Verkehrssicherheit.
Gemäß § 19 Abs 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Als erschwerend und mildernd war nichts zu werten.
Dass die Einhaltung der Vorschriften eine besondere Aufmerksamkeit erfordert hätte oder dass die Verwirklichung der Tatbestände aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können, ist weder hervorgekommen noch aufgrund besonderer Tatumstände anzunehmen und kann daher das Verschulden der Beschwerdeführerin nicht als geringfügig angesehen werden. Als geprüfte Fahrzeuglenkerin hätte sie in einer derartigen Situation klar und zweifelsfrei erkennen können, was von ihr gefordert ist.
Die von der belangten Behörde verhängten Strafrahmen sind nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes jedenfalls tat- und schuldangemessen. Die Strafen müssen geeignet sein, die Beschwerdeführerin in Zukunft zur Einhaltung der Vorschriften im Straßenverkehr zu veranlassen. Die verhängten Strafen erscheinen daher unter dem Gesichtspunkt der Spezialprävention gerechtfertigt.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
II. Kosten des Beschwerdeverfahrens:
Die Festsetzung des Kostenbeitrages für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus § 52 VwGVG, wonach im Fall der vollinhaltlichen Bestätigung des Straferkenntnisses der belangten Behörde durch das Verwaltungsgericht dieser Beitrag mit 20 % der verhängten Strafe, mindestens jedoch mit € 10,00, festzusetzen ist.
III. Kosten des Sachverständigen:
Gemäß § 52 Abs 3 VwGVG sind die im Zuge eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens erwachsenen Barauslagen im Sinne des § 76 AVG dem Bestraften aufzuerlegen, sofern sie nicht durch Verschulden einer anderen Person verursacht worden sind. Der hiernach zu ersetzende Betrag ist, wenn tunlich, im Erkenntnis, sonst durch besonderen Beschluss ziffernmäßig festzusetzen.
Dem gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren musste aufgrund des Beschwerdevorbringens ein Sachverständiger für das Kraftfahrwesen beigezogen werden. Da dem Landesverwaltungsgericht Steiermark derzeit kein Amtssachverständiger zur Verfügung steht, musste ein nicht amtlicher Sachverständiger bestellt werden. Die vom gerichtlich beeideten Sachverständigen Univ.-Prof. DI Dr. H S am Ende der Verhandlung vom 21.03.2017 vorgelegte Gebührennote wurde der Beschwerdeführerin zur Kenntnis gebracht und wurde dagegen kein Einwand erhoben.
Barauslagen sind immer dann vorzuschreiben, wenn ein Straferkenntnis zumindest dem Grunde nach bestätigt wurde (VwGH 29.03.1995, Zl. 92/10/0463). Da im Anlassfall die Beschwerde hinsichtlich sämtlicher Spruchpunkte abgewiesen wurde, sind die Voraussetzungen für die Vorschreibung der Barauslagen gegeben.
Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Verhalten am Unfallsort, Fahrzeug nicht sofort angehalten, Verkehrsunfall, Anhaltepflicht, MeldepflichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGST:2017:LVwG.30.16.3277.2016Zuletzt aktualisiert am
05.09.2019