TE Lvwg Erkenntnis 2018/3/12 LVwG 46.24-2505/2017

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Veröffentlicht am 12.03.2018
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Entscheidungsdatum

12.03.2018

Index

81/01 Wasserrechtsgesetz

Norm

32005D0370 Aarhus Konvention Art6
32005D0370 Aarhus Konvention Art9 Abs3
WRG 1959 §21a
WRG 1959 §30a

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat durch den Richter HR Mag. Stocker über die Beschwerde des Umweltverbandes W, Wo, vertreten durch Dr. J U, Rechtsanwalt, Bgasse, W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes für Steiermark vom 01.08.2017, GZ: ABT13-32.00M 27/2002-226,

z u R e c h t e r k a n n t:

I.     Gemäß § 28 Abs 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (im Folgenden VwGVG) wird die Beschwerde als unbegründet

abgewiesen.

II.    Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz (im Folgenden VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.     Beschwerdevorbringen und Sachverhalt:

1.                Mit Schriftsatz vom 07.07.2017 gab der Umweltverband W (Beschwerdeführerin) durch ihren ausgewiesenen Vertreter beim Landeshauptmann für Steiermark als Forstbehörde in einem anhängigen Rodungsverfahren betreffend das Wasserkraftwerk „Schwarze Sulm“ eine schriftliche Stellungnahme ab. Unter Punkt 13 dieser „Stellungnahme samt Anträgen“ wird der „Antrag auf Wiedereröffnung des wasserrechtlichen Genehmigungsverfahrens“ wegen wesentlicher Änderung des Projektes insbesondere hinsichtlich des Verlaufes des Druckrohrstollen und Änderung der Rechtsgrundlagen sowie weil nach Erteilung der Bewilligung hervor gekommen sei, dass öffentliche Interessen (§ 105 WRG) trotz Einhaltung der im Bewilligungsbescheid oder in sonstigen Bestimmungen enthaltenen Auflagen und Vorschriften nicht hinreichend geschützt seien (§ 21 WRG), gestellt. Diesen Antrag leitete die Forstbehörde gemäß § 6 AVG an den Landeshauptmann für Steiermark als zuständige Wasserrechtsbehörde weiter (Schreiben vom 20.07.2010 der Abteilung 10 des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung).

2.                Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 01.08.2017 wurde der Antrag der nunmehrigen Beschwerdeführerin auf „Wiedereröffnung“ des wasserrechtlichen Genehmigungsverfahrens betreffend das Kraftwerk „Schwarze Sulm“ zurückgewiesen. Der Landeshauptmann (belangte Behörde) stützt sich hiebei auf die Rechtsgrundlagen des § 8 AVG, des § 102 WRG, sowie auf Art. 14 der Wasserrahmenrichtlinie und Art. 9 des Übereinkommens von Aarhus. Begründend hält die belangte Behörde fest, dass Art. 9 Abs 3 der Aarhus-Konvention im österreichischen Rechtsbereich nicht unmittelbar anwendbar sei und somit daraus keine Parteistellung von Umweltorganisationen ableitbar sei. Auch aus § 102 WRG könne für die Antragstellerin keine Parteistellung abgeleitet werden, da eine Parteistellung von Umweltorganisationen ohne subjektive Betroffenheit in wasserrechtlich geschützten Rechten, wie im vorliegenden Fall beantragt, nicht vorgesehen sei. Selbst aus dem Urteil des EUGH vom 04.05.2016 betreffend das Kraftwerk „Schwarze Sulm“ komme eine derartige Betroffenheit für Umweltorganisationen nicht zum Ausdruck. Darüber hinaus wurde bereits mit Bescheid vom 14.07.2016, GZ: ABT13-32.00S-52/2014-72, festgestellt, dass der Umweltverband W im Verfahren „Kraftwerk Schwarze Sulm“ keine Parteistellung besitze (res judicata). Es fehle an der Antragslegitimation des Umweltverbandes W.

3.                Dagegen richtet sich die vorliegende rechtzeitige und zulässige Beschwerde vom 04.09.2017. Die Beschwerdeführerin sei eine österreichweit tätige, anerkannte Umweltorganisation und habe im Laufe 2017 festgestellt, dass die Projektantin im Wasserbuch Liegenschaften in Anspruch nehme, die nicht durch die vorliegenden wasserrechtlichen Bewilligungen gedeckt seien. Mit Bescheid vom 24.05.2007 habe der Landeshauptmann ein Wasserkraftwerk an der Schwarzen Sulm genehmigt, mit Bescheid vom 04.09.2013 habe der Landeshauptmann dasselbe Wasserkraftwerk in abgeänderter Form genehmigt und mit Bescheid des Landeshauptmannes vom 29.05.2017 sei festgestellt worden, dass zwei Rodungspläne unterschiedlichen Inhaltes vidiert worden wären. Die Projektanten hätten konsenslos weitgehende und wesentliche Änderung des Projekts beabsichtigt. Dies widerspreche dem Bewilligungsbescheid und erfordere eine Neubeurteilung des geänderten Projektes. Die Beschwerdeführerin sei weder im wasserrechtlichen Verfahren noch im forstrechtlichen Verfahren geladen worden, sie sei auch nicht informiert bzw. den Verhandlungen beigezogen worden. Mit Antrag vom 07.07.2017 sei Parteistellung im wasserrechtlichen Verfahren sowie unter anderem die „Wiedereröffnung des wasserrechtlichen Genehmigungsverfahrens“ beantragt worden. Mit dem bekämpften Bescheid vom 01.08.2017 sei die Parteistellung der Beschwerdeführerin verneint worden.

3.1.             Unter der Überschrift „C. Beschwerdegründe“ geht die Beschwerde auf Projektänderungen ein (konsensloser Leitungsverlauf der Druckrohrleitung; Änderung des Zwecks des Wasserkraftwerkes Schwarze Sulm, welches Teil des zwischenzeitlich eingereichten Projekts Pumpspeicherkraftwerk K sei; Ableitung des Wassers in ein anderes Flusseinzugsgebiet). Das öffentliche Interesse in Folge wesentlicher Projektänderungen sei nicht mehr gegeben.

3.2.             Zur Parteistellung des Umweltverbandes W, Wo, wird ausgeführt, dass das vorliegende Verfahren umweltrelevant sei und die Beteiligung der Öffentlichkeit, wozu Umweltorganisationen zählen, unionsrechtlich verpflichtend sei. Unrichtig sei daher, wenn der bekämpfte Bescheid resümiere, dass eine anerkannte Umweltorganisation keine Partei darstelle. Unter Verweis auf Art. 14 der Wasserrahmenrichtlinie, RL 2000/60/EG hält die Beschwerdeführerin fest, dass sie Partei im vorliegenden Verfahren sei. Auch der EUGH gewähre Umweltorganisationen weiten Zugang zu Gerichten (Urteil vom 08.11.2016, C-243/15). Ausgangspunkt der Rechtsstellung von Umweltverbänden im Unionsrecht sei das Übereinkommen von Aarhus.

3.3.             Weiters werden in der Beschwerde einzelne Artikel der Richtlinie 92/43/EWG (FFH-Richtlinie) auszugsweise wiedergegeben. Aus den genannten Artikeln der Aarhus-Konvention gehe hervor, dass der Öffentlichkeit unter anderem das Recht zur „effektiven … Beteiligung während des umweltbezogenen Entscheidungsverfahrens“ zustehe. Deshalb sei die Beschwerdeführerin Partei des Verfahrens. Sie sei auch Partei kraft überwiegendem öffentlichen Interesses am Kraftwerk, da die Wasserrechtsbehörde festgestellt habe, dass das überwiegende öffentliche Interesse an der Errichtung des Kraftwerkes gegeben sei, welche Feststellung die Einschreiterin aber weiterhin für unrichtig halte. Die Feststellung des öffentlichen Interesses begründe aber auch die Parteistellung von Umweltschutzorganisationen und der interessierten Öffentlichkeit. Auch nach dem UVP-G 2000 habe die Umweltorganisation Parteistellung, zumal das tatsächlich zur Ausführung gelangende Projekt Gebiete von besonderem Interesse für den Vogelschutz betreffe und daher nach dem UVP-G 2000 zu beurteilen wäre. Auch ermögliche das Projekt die Umleitung von Wasserressourcen von einem Flusseinzugsgebiet in ein anderes, wobei das Projekt und die Rodung schutzwürdige Gebiete der Kategorie A und C des Anhangs II des UVP-G 2000 beanspruchen würde.

3.4.             Aufgrund anwaltlicher Vorsicht wird auch zum Bescheid des Landeshauptmannes vom 29.05.2017 ausgeführt, dass die Behörde selbst erkenne, zumindest „zwei Pläne unterschiedlichen Inhalts vidiert zu haben“, weshalb davon auszugehen sei, dass das Bescheidmerkmal der genehmigten Pläne nicht vorliege. Dabei meine die Behörde, dass Rechte Dritter nicht berührt würden, wobei das Gegenteil der Fall sei. „Mangels Kenntnis des Bescheidinhaltes des genehmigten Kraftwerks“ sei die Beschwerdeführerin in ihrem Recht verletzt, sich wirksam Rechtschutz zu verschaffen. Da die Behörde im Bescheid vom 29.05.2017 feststellte, dass irrtümlich zwei Pläne unterschiedlichen Inhalts vidiert wurden, seien die erwähnten Pläne im Wasserbuch sowie im Rodungskatasterplan offensichtlich in nicht haltbarer mechanischer Verbindung mit dem Bescheid ausgestattet, wobei die betroffenen Liegenschaftseigentümer dem Verfahren nicht beigezogen wurden und deshalb Bescheid und Pläne aufzuheben seien.

3.5.             Der bekämpfte Bescheid sei auch deshalb aufzuheben, weil er nicht über den gesamten Antrag abgesprochen habe. Der bekämpfte Bescheid sei letztlich auch deshalb aufzuheben, weil er in die Rechte der Beschwerdeführerin eingreife, ohne sie zur Sache gehört zu haben.

3.6.             Begehrt wird die Aufnahme näher genannter Beweise sowie die ersatzlose Aufhebung des bekämpften Bescheides, in eventu die Aufhebung und Zurückverweisung der Rechtsache an die belangte Behörde. Weiters begehrt wird die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, wobei auch ein Antrag auf Senatszuständigkeit gestellt wurde.

4.                Die S GmbH als Konsensinhaberin der wasserrechtlichen Bewilligungen für das Kraftwerk an der Schwarzen Sulm (mitbeteiligte Partei) erstattete die Beschwerdegegenschrift vom 26.09.2017 und bringt dabei vor, dass die Beschwerdeführerin bereits in unterschiedlichen Materienverfahren zum Kraftwerk Schwarze Sulm unzählige Male erfolglos versucht hat, Parteistellung im Genehmigungsverfahren zu erlangen. Der Beschwerdeführerin komme auch unter Berücksichtigung der Bestimmungen der Aarhus-Konvention keine Parteistellung im wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren zu. Unklar sei auch, was eine Wiedereröffnung im verwaltungsrechtlichen Sinne sein soll, jedenfalls wäre ein Wiedereinsetzungsantrag oder eine Wiederaufnahme bereits verfristet. Darüber hinaus liege bereits entschiedene Sache vor, da schon mit Bescheid des Landeshauptmannes vom 14.07.2016, GZ: ABT13-32.00S-52/2014-72, die im Juli gestellten Anträge der Beschwerdeführerin auf Zuerkennung der Parteistellung im Trassenänderungsverfahren betreffend das Kraftwerk Schwarze Sulm abgewiesen wurden. Die Beschwerde wäre daher zurückzuweisen bzw. abzuweisen. Eine mündliche Verhandlung wird nicht beantragt.

Am 23.10.2017 legte die mitbeteiligte Partei noch ein Konvolut von behördlichen Bescheiden, das Verwaltungsgerichtshoferkenntnis vom 29.07.2015 und die bezughabende Beschwerde des Umweltverbandes W vom 17.10.2012 sowie die dazu erstattete Gegenschrift samt Beilagen vor.

II.  Erwägungen:

5.                Eingangs ist festzuhalten, dass der Antrag auf Wiedereröffnung des – nicht näher genannten - wasserrechtlichen Genehmigungsverfahrens unter Punkt 13 der „Stellungnahme samt Anträgen“ vom 07.07.2017, eingebracht bei der Forstbehörde, ersichtlich ist. In dieser Stellungnahme vom 07.07.2017 werden mehrere Anträge gestellt, jedoch ist nicht ersichtlich, dass über den genannten Antrag auf Wiedereröffnung des wasserrechtlichen Genehmigungsverfahrens weitere für die Wasserrechtsbehörde relevante Anträge enthalten sind. Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 01.08.2017 wurde vollinhaltlich über den Antrag auf Wiedereröffnung des/der wasserrechtlichen Genehmigungsverfahren(s) abgesprochen. Das Beschwerdevorbringen, der bekämpfte Bescheid spreche nicht über den gesamten Antrag ab, geht daher ins Leere.

6.                Mit dem bekämpften Bescheid vom 01.08.2017 wurde der Antrag der nunmehrigen Beschwerdeführerin zurückgewiesen. Sache des Beschwerdeverfahrens ist nur die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Zurückweisung, aus welchem Grund auch immer. Eine Sachentscheidung über den Inhalt der gestellten Anträge zu treffen, ist dem Landesverwaltungsgericht verwehrt (vgl. VwGH 31.05.2017, Ra 2016/22/0107).

7.                Weiters ist zu konstatieren, dass dem Antrag vom 07.07.2017 nicht zu entnehmen ist, welches konkrete wasserrechtliche Genehmigungsverfahren betreffend das Kraftwerk Schwarze Sulm „wiedereröffnet“ werden soll. Auch aus der Beschwerde selbst ist dies nicht eindeutig ableitbar. Zugunsten der Beschwerdeführerin geht allerdings das Landesverwaltungsgericht Steiermark aufgrund der in Punkt „A. Sachverhalt“ dargelegten Bescheide davon aus, dass der Antrag auf Wiederaufnahme jene wasserrechtlichen Verfahren betrifft, die mit Bescheiden vom 24.05.2007, 04.09.2013 und 29.05.2017 abgeschlossen wurden.

8.                Die belangte Behörde begründet die Zurückweisung des Antrags der Beschwerdeführerin mit fehlender Antragslegitimation in Folge fehlender Parteistellung. Für den Gegenstandsfall ist daher nachstehende Bestimmung des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG 1991) relevant:

§ 69 AVG:

„(1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und:

1.       der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist oder

2.       neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten, oder

3.       der Bescheid gemäß § 38 von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. vom zuständigen Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde;

4.       nachträglich ein Bescheid oder eine gerichtliche Entscheidung bekannt wird, der bzw. die einer Aufhebung oder Abänderung auf Antrag einer Partei nicht unterliegt und die im Verfahren die Einwendung der entschiedenen Sache begründet hätte.

(2) Der Antrag auf Wiederaufnahme ist binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Bescheides und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.

(3) Unter den Voraussetzungen des Abs. 1 kann die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des Abs. 1 Z 1 stattfinden.

(4) Die Entscheidung über die Wiederaufnahme steht der Behörde zu, die den Bescheid in letzter Instanz erlassen hat.“

9.                Die Beschwerdeführerin vertritt nunmehr die Ansicht, die belangte Behörde habe zu Unrecht ihre Parteistellung für das Wiederaufnahmeverfahren verneint. Dabei wird übersehen, dass ein Antrag auf Wiederaufnahme nur von demjenigen gestellt werden kann, der im vorangegangenen Verwaltungsverfahren auch Partei war (VwGH 30.04.2008, 2007/04/0033).

10.               Mit dem in der Beschwerde angefochtenen Bescheid vom 24.05.2007 erteilte der Landeshauptmann für Steiermark die wasserrechtliche Bewilligung für die Errichtung des Projekts „Trinkwasserkraftwerk S - Kraftwerk Schwarze Sulm Ausbaustufe Teil A“. In diesem Verfahren hatte die Beschwerdeführerin keine Parteistellung und wurde dieser wasserrechtliche Bewilligungsbescheid unter anderem von der nunmehrigen Beschwerdeführerin im Instanzenzug erfolglos bekämpft. Der wasserrechtliche Genehmigungsbescheid ist seit über drei Jahren in Rechtskraft erwachsen und hielt auch einer Überprüfung durch den Europäischen Gerichtshof) in Bezug auf die Übereinstimmung mit unionsrechtlichen Umweltschutzvorschriften stand (Urteil des EUGH vom 04.05.2016, C-346/14).

11.               Da die Beschwerdeführerin im vorausgegangen Verfahren zur Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung, welches in den Bescheid vom 24.05.2007 mündete, keine Parteistellung hatte, kommt ihr auch keine Antragslegitimation für einen Wiederaufnahmeantrag gemäß § 69 AVG zu. Im Übrigen wäre selbst bei Bestehen einer Antragslegitimation die in § 69 Abs 2 AVG als Voraussetzung normierte Dreijahresfrist bereits abgelaufen.

12.               Die Beschwerdeführerin kann ihre Antragslegitimation zur Stellung eines Wiederaufnahmeantrages gemäß § 69 AVG auch nicht auf unionsrechtliche Vorschriften stützen, insbesondere kann sie ihre Parteistellung auch nicht aus der Aarhus-Konvention ableiten (vgl. Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 26.04.2016, Ra 2016/03/0043-3). Dies aus folgenden Überlegungen:

12.1.            Die Aarhus-Konvention ist ein völkerrechtlicher Vertrag, der von insgesamt 47 Staaten ratifiziert wurde, darunter alle EU-Mitgliedsstaaten sowie die Europäische Union selbst. Österreich hat die Aarhus-Konvention am 17.01.2005 ratifiziert und ist dieses Übereinkommen am 17.04.2005 für Österreich in Kraft getreten.

12.2.            Die Aarhus-Konvention legt drei wesentliche Bereiche der Bürgerbeteiligung in Umweltangelegenheiten fest: 1.) die Umweltinformation, 2.) Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und 3.) Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten. Die Umsetzung der Konvention erfolgt im Wesentlichen auf Basis von EU-Richtlinien. Der für den Rechtsschutz in umweltbezogenen Entscheidungsverfahren maßgebliche Art. 9 Abs 2 Aarhus-Konvention wurde durch die sogenannte Öffentlichkeitsbeteiligungs-Richtlinie 2013/35/EG nahezu wortgleich übernommen. Die der Umsetzung des Art. 9 Abs 2 Aarhus-Konvention dienenden Bestimmungen finden sich in der UVP-Richtlinie, der IE-Richtlinie sowie der Seveso III-Richtlinie. Gemäß Art. 9 Abs 2 Aarhus-Konvention stellt jede Vertragspartei „im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften“ sicher, dass Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit, die ein ausreichendes Interesse haben oder alternativ eine Rechtsverletzung geltend machen, Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht und/oder einer anderen auf gesetzlicher Grundlage geschaffenen unabhängigen und unparteiischen Stelle haben, um die „materiell rechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit“ von Entscheidungen betreffend die in Art. 6 Aarhus-Konvention angesprochenen Tätigkeiten anzufechten. Bei den in Art. 6 Abs 1 Aarhus-Konvention angeführten Tätigkeiten handelt es sich einerseits, um die in Anhang I Aarhus-Konvention angeführten geplanten Tätigkeiten (lit. a) und andererseits – „in Übereinstimmung mit dem innerstaatlichen Recht“ – auch um nicht in Anhang I angeführte geplante Tätigkeiten, die eine erhebliche Auswirkung auf die Umwelt haben können. Zu diesem Zweck haben die Vertragsparteien zu bestimmen, ob Art. 6 Aarhus-Konvention Anwendung auf eine derartige geplante Tätigkeit findet. Anhang I Aarhus-Konvention listet 19 Gruppen bzw. Bereiche umweltbezogener Tätigkeiten auf. Es handelt sich dabei im Wesentlichen um Vorhaben der UPV-Richtlinie und der IE-Richtlinie.

12.3.            Nach Art. 6 Abs 1 lit. b Aarhus-Konvention wird der Anwendungsbereich der Öffentlichkeitsbeteiligung auf alle sonstigen nicht in Anhang I Aarhus-Konvention angeführten Tätigkeiten, die eine erhebliche Auswirkung auf die Umwelt haben können, erweitert. Für die durch Art. 6 Abs 1 lit. b Aarhus-Konvention erfassten Tätigkeiten gilt aber, dass die Vertragsparteien bestimmen, ob bei diesen überhaupt eine Öffentlichkeitsbeteiligung und damit in weiterer Folge ein Gerichtszugang besteht. Die Anwendung der Aarhus-Konvention auf diese Tätigkeiten liegt also zur Gänze im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum der Vertragsparteien (siehe Aufsatz Christian Onz und Florian Berl, ZVG 2014/4, 308ff).

Mangels eigenständiger Parteistellungsregelungen im VwGVG bestimmt sich die Konventionskonformität des Kreises der Zugangsberechtigten nach den verwaltungsrechtlichten Parteistellungsregelungen. Nach ständiger Rechtsprechung besteht keine Verfassungsnorm, die Parteirechte in einem Verfahren überhaupt oder in einem bestimmten Umfang garantiert.

12.4.            Parteirechte können auch nicht aus Art. 9 Abs 3 Aarhus-Konvention abgeleitet werden:

Art. 9 Abs 3 Aarhus-Konvention

Zusätzlich und unbeschadet der in den Absätzen 1 und 2 genannten Überprüfungsverfahren stellt jede Vertragspartei sicher, dass Mitglieder der Öffentlichkeit, sofern sie etwaige in ihrem innerstaatlichen Recht festgelegte Kriterien erfüllen, Zugang zu verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren haben, um die von Privatpersonen und Behörden vorgenommenen Handlungen und begangenen Unterlassungen anzufechten, die gegen umweltbezogene Bestimmungen ihres innerstaatlichen Rechts verstoßen.

Die Aarhus-Konvention ist als mixed agreement Bestandteil der Unionsrechtsordnung; die völkerrechtliche Verantwortlichkeit ist zwischen der Union und den Mitgliedsstaaten aufgeteilt. Die Union gab anlässlich der Unterzeichnung der Konvention eine dem Art. 19 Abs 5 der Konvention entsprechende Erklärung betreffend der jeweiligen Kompetenzen ab, in der sie sich für die Erfüllung jener von in Kraft stehenden Unionsnormen erfassten Konventionsverpflichtungen (allein) als völkerrechtlich verantwortlich erklärte. Demnach sind die Mitgliedsstaaten für jene nicht durch EU-Recht vorbestimmten Bereiche verantwortlich. Art. 9 Abs 3 der Aarhus-Konvention blieb bisher von der Union mit Ausnahme der nicht wesentlichen Regelung betreffend Umwelthaftung ungeregelt, weshalb die Umsetzungsverpflichtung im Bereich des Art. 9 Abs 3 bei den Mitgliedsstaaten liegt.

Eine Umsetzung des Art. 9 Abs 3 Aarhus-Konvention erfolgte in Österreich bislang nicht. Der Europäische Gerichtshof hat in der Entscheidung vom 13.01.2015, C-404/12P und C-405/12T, ausgeführt, dass Art. 9 Abs 3 Aarhus-Konvention im Hinblick auf den Kreis der Rechtsschutzlegitimierten keine unbedingte und hinreichend genaue Verpflichtung enthält, zumal der Kreis der Mitglieder der Öffentlichkeit, der anfechtungsbefugt sein soll, einem mitgliedsstaatlichen Ausgestaltungsvorbehalt unterliegt. So können die Vertragsparteien in ihrem innerstaatlichen Recht „Kriterien“ festlegen, die Mitglieder der Öffentlichkeit für einen Gerichtszugang erfüllen müssen. Eine direkte Anwendung des Art. 9 Abs 3 Aarhus-Konvention ist daher ausgeschlossen.

13.               So sieht es auch der EuGH in der Entscheidung vom 20.12.2017, C-664/15, betreffend Parteistellung einer Umweltorganisation in einem wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren. Wie in Randzahl 68 des Urteiles ausgeführt wurde, verpflichtet Art. 9 Abs 3 des Übereinkommens von Aarhus die Mitgliedstaaten nicht, ein Recht auf Beteiligung – als Partei des Verfahrens – an einem Bewilligungsverfahren (hier: dem wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren) zu gewähren, es sei denn, nach dem einschlägigen nationalen Recht wäre die Parteistellung eine zwingende Voraussetzung für Erhebung einer Klage gegen die am Ende des Verwaltungsverfahrens ergehende Entscheidung. Wenn das österreichische Recht eine Verknüpfung zwischen der Stellung als Partei im Verwaltungsverfahren und dem Recht, bei Gericht einen Rechtsbehelf einzulegen herstellt (RZ 69), dann werden die einschlägigen Verfahrensvorschriften so auszulegen sein, dass eine Umweltorganisation die Möglichkeit hat, sich an einem Bewilligungsverfahren als Partei zu beteiligen (RZ 80).

Mag dem EUGH-Urteil vom 20.12.2017 auch – unter den im Urteil genannten näheren Umständen – ein Recht einer Umweltorganisation zu entnehmen sein, sich an einem wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren als Partei zu beteiligen, wenn unionsrechtliche Vorschriften bzw. Vorschriften in Umsetzung von Unionsrecht anwendbar sind, so bedeutet dies nicht, dass einer Umweltorganisation auch das Recht zusteht, in der Vergangenheit bereits rechtkräftig abgeschlossene Verfahren neu aufrollen zu können.

14.               Soweit der von der Beschwerdeführerin gestellte Wiederaufnahmeantrag sich gegen den Bescheid vom 04.09.2013 richtet, ist – zusätzlich du den obigen Ausführungen – auf Folgendes hinzuweisen:

Die Beschwerdeführerin verkennt, dass mit diesem Bescheid der Landeshauptmann nicht dasselbe Kraftwerk in abgeänderter Form genehmigte, wie dies die Beschwerde darlegt. Mit dem auf §§ 21a, 30a WRG 1959 gestützten Bescheid des Landeshauptmannes vom 04.09.2013 wurden nämlich (nur) die Konsensinhaber des wasserrechtlichen Bewilligungsbescheides vom 24.05.2007 zur Erreichung des Anpassungszieles „Pflichtwasserdotierung der Ausleitungsstrecke entsprechend den Vorgaben der Qualitätszielverordnung Ökologie Oberflächengewässer“ verpflichtet, innerhalb von drei Wochen ab Rechtskraft des Bescheides Projektunterlagen mit näher definierten Inhalt vorzulegen. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass gegen diesen Bescheid vom 04.09.2013 eine Umweltorganisation, gestützt auf ihre Parteistellung aus unionsrechtlichen Erwägungen, erfolglos Berufung, aber auch erfolglos eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben hat (VwGH 30.06.2016, Ro 2014/07/0028). Im Erkenntnis hielt der Verwaltungsgerichtshof fest, dass die zentrale Bestimmung des § 21a WRG 1959, auf die sich der Bescheid vom 04.09.2013 stützt, nicht der innerstaatlichen Umsetzung der Aarhus-Konvention dient und auch nicht der direkten Umsetzung anderer europarechtlicher Normen, die einer anerkannten Umweltorganisation Parteistellung im gegenständlichen Verfahren verschaffen würde. Der Verwaltungsgerichtshof erkannte keine Parteistellung der revisionswerbenden Umweltorganisation in diesem § 21a-WRG-Verfahren. Die vom Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 30.06.2016 dargelegten Erwägungen, weshalb der Umweltorganisation keine Parteistellung im Verfahren zuzuerkennen ist, treffen auch für den Gegenstandsfall zu.

15.               Wenn letztlich die Beschwerde vermeint, dass mit Bescheid des Landeshauptmannes vom 29.05.2017 festgestellt worden wäre, dass zwei Rodungspläne unterschiedlichen Inhalts vidiert worden seien, so verkennt die Beschwerdeführerin den Erledigungsgegenstand dieses Bescheides, dessen zugrundeliegendes Verfahren sie wieder aufgenommen sehen will. Mit diesem Bescheid des Landeshauptmannes vom 29.05.2017 wurde nämlich nur der Antrag von H und G D auf Anerkennung der Parteistellung im Genehmigungsverfahren Kraftwerk Schwarze Sulm abgewiesen bzw. deren privatrechtliche Einwendungen auf den Zivilrechtsweg verwiesen. Richtig ist, dass in der Begründung dieses Bescheides die belangte Behörde ausführte, dass irrtümlich zwei Pläne unterschiedlichen Inhaltes mit dem Genehmigungsbescheid vom 24.05.2007 vidiert wurden, jedoch nur jener Plan als verbindlich anzusehen sei, auf den sich der wasserrechtliche Genehmigungsbescheid aus dem Jahr 2007 eindeutig beziehe. Einer Beschwerde der beiden Bescheidadressaten (H und G D) wurde vom Landesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 15.11.2017 keine Folge gegeben. Weshalb in diesem Verfahren zur Klärung der Parteistellung von zwei natürlichen Personen im Genehmigungsverfahren betreffend das Kraftwerk Schwarze Sulm für eine Umweltorganisation Parteistellung bestehen sollte, ist für das Landesverwaltungsgericht nicht ersichtlich.

16.               Dazu kommt noch, dass die belangte Behörde bereits mit Bescheid vom 14.07.2016, GZ: ABT13-32.00S-52/2014-72, festgestellt hat, dass der Umweltverband W im Verfahren „Kraftwerk Schwarze Sulm“ keine Parteistellung besitzt, weshalb insoweit auch res judicata zur Frage der Parteistellung in dem einen Wiederaufnahmeantrag vorausgegangen Verfahren besteht.

17.               Aus all diesen Gründen war daher der Beschwerde der Erfolg zu versagen.

18.               Zum in der Beschwerde gestellten Antrag „auf Senatszuständigkeit“ ist auszuführen, dass dieser Antrag auf Entscheidung der Rechtsache durch einen bestimmten Spruchkörper des Verwaltungsgerichtes abzielt. Die Festsetzung, welche Art von Spruchkörper des Verwaltungsgerichtes über bestimmte Beschwerden entscheidet, liegt allein in der Kompetenz des Gesetzgebers und ist der Parteiendisposition entzogen (Art. 135 Abs 1 B-VG). Dementsprechend normiert § 2 des VwGVG, dass das Verwaltungsgericht durch Einzelrichter (Rechtspfleger) entscheidet, soweit die Bundes- oder Landesgesetze nicht die Entscheidung durch den Senat vorsehen. Eine Senatszuständigkeit ist im Gegenstandsfall gesetzlich nicht vorgesehen, ein Antragsrecht auf Entscheidung der Rechtsache durch den Senat besteht nicht.

19.               Diese Entscheidung konnte ohne Durchführung der in der Beschwerde beantragten mündlichen öffentlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichtes gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG getroffen werden, weil der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag (Wiederaufnahmeantrag der wasserrechtlichen Genehmigungsverfahren) zurückzuweisen war.

III.   Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Wasserkraftwerk, Wiedereröffnung des wasserrechtlichen Genehmigungsverfahrens, Aarhus-Konvention, Parteistellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGST:2018:LVwG.46.24.2505.2017

Zuletzt aktualisiert am

05.09.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Steiermark LVwg Steiermark, http://www.lvwg-stmk.gv.at
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