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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AufG 1992 §3 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Schick als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, in der Beschwerdesache der V K in Wien, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 19. September 1994, Zl. 101.499/2-III/11/94, betreffend Aufenthaltsbewilligung, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Die Beschwerde wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin stellte im Wege der österreichischen Botschaft in Preßburg einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, der am 24. November 1993 beim Magistrat der Stadt Wien einlangte. Als Aufenthaltszweck gab die Beschwerdeführerin auf dem Antragsformular "Familienzusammenführung bzw. Familiengemeinschaft", und zwar mit ihrem Ehegatten, der österreichischer Staatsbürger sei, an. In der Rubrik "in den letzten drei Jahren bestandener gemeinsamer Haushalt (Wohnsitz) mit diesem Familienangehörigen" auf dem Antragsformular findet sich der Eintrag "siehe Beilage". Beigeschlossen war dem Antrag neben einer Kopie einer Heiratsurkunde vom 22. März 1993 (vgl. OZ. 7 des Verwaltungsaktes) und einer Gehaltsabrechnung des Besoldungsamtes des Magistrats der Gemeinde Wien für den Ehegatten der Beschwerdeführerin, die für Oktober 1993 einen Auszahlungsbetrag von S 17.892,07 ausweist, auch eine Kopie des Meldezettels des Ehegatten, der als ordentlichen Wohnsitz eine Adresse im 2. Wiener Gemeindebezirk nennt (vgl. jeweils OZ. 10 des Verwaltungsaktes). An diese Adresse wurde der Beschwerdeführerin auch der Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 13. März 1994 zugestellt, mit der ihr Antrag gemäß § 4 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen wurde. In der dagegen erhobenen Berufung gab die Beschwerdeführerin als Adresse erneut die bereits auf dem Meldezettel ihres Ehegatten aufscheinende Adresse im 2. Wiener Gemeindebezirk an (vgl. OZ. 14 des Verwaltungsaktes).
Der Bundesminister für Inneres wies die Berufung mit Bescheid vom 19. September 1994 gemäß §§ 9 Abs. 3 und 2 Abs. 1 AufG ab. In der Begründung führte der Bundesminister für Inneres aus, für das Bundesland Wien sei in der Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem AufG 1994, BGBl. Nr. 72/1994, eine Höchstzahl von 4.300 Bewilligungen festgesetzt worden; diese sei nunmehr erreicht. Auch bei eingehender Prüfung des Gesamtvorbringens der Beschwerdeführerin habe ein Rechtsanspruch für die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nicht abgeleitet werden können, weil ihre Ehe zum Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht ein Jahr bestanden habe und keine hinreichenden Gründe für eine Fristverkürzung vorgelegen seien.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG vor dem Verfassungsgerichtshof. Nachdem dieser die Behandlung der Beschwerde mit Beschluß vom 29. Juni 1995, B 2333/94-10, abgelehnt und diese antragsgemäß mit Beschluß vom 7. Dezember 1995, B 2333/94-12, dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten hatte, wurde sie von der Beschwerdeführerin ergänzt. Sie erachtet sich in ihrem Recht auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung verletzt und rügt, daß die belangte Behörde offenbar übersehen habe, daß in den in § 3 Abs. 3 AufG genannten Fällen eine Verkürzung der in § 3 Abs. 2 AufG festgesetzten Frist vorgesehen seien. Diese Voraussetzungen seien in ihrem Falle verwirklicht, weil sie mit ihrem Ehegatten im gemeinsamen Haushalt gelebt habe und ihr Lebensunterhalt und ihre Unterkunft durch ihren Ehegatten auf Dauer ausreichend gesichert seien.
Die belangte Behörde teilte mit Note vom 16. Jänner 1997 dem Verwaltungsgerichtshof zunächst mit, daß der Beschwerdeführerin eine Aufenthaltsbewilligung, gültig vom 4. Juli 1996 bis zum 4. Juli 1997, erteilt worden sei. Über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes legte die belangte Behörde mit Note vom 19. Februar 1997 auch eine Übernahmsbestätigung der Beschwerdeführerin vom 12. August 1996 vor.
Mit Schreiben vom 3. August 1998 räumte die Beschwerdeführerin über Vorhalt des Verwaltungsgerichtshofes ein, vor ihrer Antragstellung weder über eine Aufenthaltsbewilligung noch einen Sichtvermerk verfügt zu haben. Sie gehe damit von einer Klaglosstellung aus (bereits mit Schreiben vom 14. April 1997 hatte die Beschwerdeführerin bestätigt, es sei ihr eine vom 4. Juli 1996 bis zum 4. Juli 1997 gültige Aufenthaltsbewilligung erteilt worden).
Über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes legte die belangte Behörde schließlich die Akten des Verwaltungsverfahrens vor. Auch aus diesen ergibt sich, daß der Beschwerdeführerin eine Aufenthaltsbewilligung, gültig vom 4. Juli 1996 bis zum 4. Juli 1997, vom Amt der Wiener Landesregierung erteilt worden war (vgl. OZ. 89 des Verwaltungsaktes).
Bei dem im vorliegenden Fall maßgeblichen Antrag der Beschwerdeführerin, die weder nach ihrem Vorbringen noch nach der Aktenlage jemals über eine Aufenthaltsbewilligung im Sinn des § 1 Abs. 1 AufG verfügte, handelt es sich um einen Erstantrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Im Falle ihres Obsiegens im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren hätte die Beschwerdeführerin eine Aufenthaltsbewilligung (ab 1. Jänner 1998: eine Erstniederlassungsbewilligung) nur mit Wirksamkeit ab dem Zeitpunkt der Erteilung dieser Bewilligung erteilt werden können. Da sie aber mittlerweile eine Aufenthaltsbewilligung erhalten hatte, hat sie auch kein rechtliches Interesse mehr an einer Sachentscheidung des Verwaltungsgerichtshofes.
Die Beschwerde war daher gemäß § 33 Abs. 1 VwGG als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen. Mangels einer formellen Klaglosstellung liegt die Voraussetzung für einen Kostenzuspruch gemäß § 56 VwGG nicht vor. Vielmehr kommt § 58 Abs. 2 VwGG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 88/1997 zur Anwendung, wonach der nachträgliche Wegfall des Rechtsschutzinteresses bei der Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahren nicht zu berücksichtigen ist. Da im vorliegenden Fall die Entscheidung über die Kosten einen unverhältnismäßigen Aufwand nicht erfordert, waren die Kosten jener Partei zuzusprechen, die bei aufrechtem Rechtsschutzinteresse der Beschwerdeführerin im verwaltungsgerichtlichen Verfahren obsiegt hätte. Dies ist aus folgenden Überlegungen die Beschwerdeführerin:
Im Hinblick auf das Datum der Erlassung des angefochtenen Bescheides (die Zustellung erfolgte am 29. September 1994) ist für die Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit dem Verwaltungsgerichtshof das Aufenthaltsgesetz in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 351/1995 maßgeblich.
Die §§ 3 und 9 Abs. 3 AufG (aF) lauteten auszugsweise:
"§ 3. (1) Ehelichen und außerehelichen minderjährigen Kindern und Ehegatten
1.
von österreichischen Staatsbürgern oder
2.
von Fremden, die auf Grund einer Bewilligung oder sonst gemäß § 1 Abs. 3 Z 1 bis 5 rechtmäßig ohne Bewilligung seit mehr als 2 Jahren ihren ordentlichen Wohnsitz in Österreich haben, ist eine Bewilligung zu erteilen, sofern kein Ausschließungsgrund (§ 5 Abs. 1) vorliegt.
...
(3) Die Fristen des Abs. 1 Z 2 und des Abs. 2 können verkürzt werden, wenn der Ehegatte bzw. die Kinder im gemeinsamen Haushalt gelebt haben und auf Dauer ihr Lebensunterhalt und ihre Unterkünfte ausreichend gesichert sind. ...
...
§ 9.
...
(3) Sobald die gemäß § 2 Abs. 1 festgelegte Anzahl erreicht ist, dürfen keine weiteren Bewilligungen erteilt werden. Die Entscheidung über anhängige Anträge gemäß § 3 ist auf das folgende Jahr zu verschieben; andere anhängige Anträge sind abzuweisen."
In der Beschwerdeergänzung vor dem Verwaltungsgerichtshof bleibt unbestritten, daß die maßgebliche Höchstzahl von 4.300 Bewilligungen "nunmehr", also im Zeitpunkt der Entscheidung durch die belangte Behörde, erreicht gewesen ist. Auch der Verwaltungsgerichtshof hat im vorliegenden Beschwerdeverfahren keinen Anlaß, gegen diese Feststellung Bedenken zu hegen.
Die Wendung "Anträge gemäß § 3" in § 9 Abs. 3 AufG aF schließt die Bedachtnahme auch auf die Ausnahmeregelung des § 3 Abs. 3 leg.cit. mit ein. Die Behörde hat somit - bei entsprechendem Vorbringen des Antragstellers im Verfahren - auch diese Bestimmung in ihre Erwägungen einzubeziehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 1997, Zl. 96/19/0316, mwN). Auf die Beschwerdeführerin als Ehegattin eines österreichischen Staatsbürgers hätte der erste Satz des § 3 Abs. 3 AufG aF Anwendung finden können. Die Beschwerdeführerin brachte bereits in ihrem Antrag durch Verweis im Antragsformular auf die beigelegten Unterlagen vor, mit ihrem Ehegatten, der dem Vorbringen entsprechend anscheinend ein Bediensteter der Gemeinde Wien ist, im gemeinsamen Haushalt zu leben und über einen gesicherten Lebensunterhalt zu verfügen. Damit hat die Beschwerdeführerin aber in ausreichender Weise geltend gemacht, daß die Voraussetzungen des § 3 Abs. 3 AufG aF auf sie zutreffen könnten. Die belangte Behörde hat sich jedoch mit der Frage, ob die Beschwerdeführerin unter die genannte Bestimmung fallen könnte, nicht erkennbar auseinandergesetzt. Sie hätte ausgehend vom Vorbringen der Beschwerdeführerin gemäß § 39 Abs. 2 AVG nähere Feststellungen treffen müssen, um beurteilen zu können, ob die Beschwerdeführerin mit ihrem österreichischen Ehegatten im gemeinsamen Haushalt lebt und auf Dauer ihr Lebensunterhalt und ihre Unterkunft ausreichend gesichert sind. In diesem Fall hätte ihr Antrag aber nicht abgewiesen, sondern gemäß § 9 Abs. 3 leg. cit. auf das nächste Jahr verschoben werden müssen.
Da somit nicht auszuschließen ist, daß die belangte Behörde bei einer Auseinandersetzung mit dem wiedergegebenen Vorbringen der Beschwerdeführerin zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, wäre der angefochtene Bescheid bei aufrechtem Rechtsschutzinteresse der Beschwerdeführerin gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben gewesen.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere auf § 58 Abs. 2 VwGG, in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Von der Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden. Art. 6 Abs. 1 EMRK steht dem nicht entgegen.
Wien, am 13. November 1998
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1996190390.X00Im RIS seit
02.05.2001