TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/18 W214 2166597-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.04.2019
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Entscheidungsdatum

18.04.2019

Norm

AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §2 Abs1 Z15
AsylG 2005 §2 Abs1 Z22
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs3 Z1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §75 Abs24
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W214 2166599-1/20E

W214 2166595-1/15E

W214 2166597-1/16E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. SOUHRADA-KIRCHMAYER als Einzelrichterin über die Beschwerden von 1. XXXX , geb. am XXXX , , und ihrer minderjährigen Kinder 2. XXXX , geboren am XXXX , und 3. XXXX geboren am XXXX , alle syrische Staatsangehörige, 2. und 3. vertreten durch ihre Mutter, diese vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen jeweils Spruchpunkt I. der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.07.2017, Zlen. XXXX , XXXX und XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

Den Beschwerden wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG 2005) und XXXX und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 AsylG 2005 der Status von Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX , XXXX und XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 (B-VG), nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerinnen, syrische Staatsangehörige muslimischen Glaubens und Zugehörige der Volksgruppe der Araber, stellten am XXXX 06.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der Erstbefragung am selben Tag gab die Erstbeschwerdeführerin an, aus

XXXX zu stammen. Sie hätte mit ihrer Familie aufgrund des herrschenden Kriegs und der unsicheren Lage Syrien verlassen. Dort hätten ihre Kinder nicht mehr in die Schule gehen können, weil die Kinder entführt würden. Ihr Ehemann habe sie nach ihrer Ankunft in Griechenland auf der Straße verlassen und sei spurlos verschwunden. Sie seien getrennt und er habe sie mit der Entführung ihrer Kinder bedroht. Deshalb hätte sie mit den Kindern Griechenland verlassen, weil sie dort auch Angst um ihre Kinder gehabt habe.

2. Am 10.07.2017 wurde die Erstbeschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (belangte Behörde vor dem Bundesverwaltungsgericht, im Folgenden BFA) im Beisein eines Dolmetschers für Arabisch niederschriftlich einvernommen. Sie sei nach der Zerstörung ihres Hauses mit ihrer Familie zu ihren Eltern, die ebenfalls in XXXX gelebt hätten, gezogen. Ihre Eltern und ihre Schwester würden inzwischen in Saudi-Arabien wohnen. Ihre Brüder und eine Schwester seien anerkannte Flüchtlinge in Österreich. Sie sei getrennt von ihrem Ehemann, weil es mit diesem viele Probleme gegeben habe. Danach habe er sie bedroht und mit der Entführung der Kinder gedroht. Sie habe Syrien illegal verlassen. Weiters stellte die Erstbeschwerdeführerin Asylanträge für ihre minderjährigen Kinder und beantragte ein Familienverfahren gemäß § 34 AsylG.

3. Mit den angefochtenen Bescheiden der belangten Behörde wurden die Anträge der Beschwerdeführerinnen auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde den Beschwerdeführerinnen der Status von subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihnen gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt (Spruchpunkt III.).

Die belangte Behörde stellte neben allgemeinen herkunftsbezogenen Länderfeststellungen und der Identität der Erstbeschwerdeführerin fest, dass diese getrennt von ihrem Ehemann sei und illegal nach Österreich eingereist sei. Weiters wurde festgestellt, dass die Erstbeschwerdeführerin ihr Heimatland aufgrund des Bürgerkriegs und der daraus resultierenden schlechten Situation Syriens verlassen habe. Sie habe keine asylrelevanten Gründe vorbringen können.

Hingegen wurde der Erstbeschwerdeführerin aufgrund der allgemeinen Lage in Syrien der Status einer subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG wurde der Erstbeschwerdeführerin ein Rechtsberater zur Seite gestellt.

4. Gegen Spruchpunkt I. der oben genannten Bescheide wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Darin wurde ausgeführt, dass die Erstbeschwerdeführerin eine alleinstehende Frau sei, welche die Trennung von ihrem Ehemann begehre und über keinen männlichen Schutz im Herkunftsstaat verfüge. In den Länderberichten werde ausgeführt, dass die Situation von Frauen sich durch den fortgesetzten Konflikt dramatisch verschlechterte. Da auch syrische Kinder hinsichtlich Kinderehen gefährdet seien und Mädchen und Frauen zur Heirat mit den Kämpfern gezwungen würden, bestünden auch eigene Asylgründe der Töchter der Beschwerdeführerin. Aufgrund der Länderberichte könne nicht davon ausgegangen werden, dass Frauen in XXXX aktuell frei und selbstbestimmt leben könnten. Außerdem seien die beiden Brüder der Beschwerdeführerin in Österreich anerkannte Flüchtlinge. Die Eltern und die zweite Schwester der Beschwerdeführerin befänden sich in Saudi-Arabien und die Beschwerdeführerin wäre als westlich orientierte Frau mit zwei Kindern ohne männlichen Schutz einer Verfolgung schutzlos ausgeliefert. Auch wegen der illegalen Ausreise und der Asylantragstellung in Österreich, was eine gewisse regimekritische Haltung impliziere, drohe der Beschwerdeführerin aufgrund ihrer politischen Gesinnung Verfolgung.

5. Am 23.01.2019 fand eine mündliche Verhandlung beim Bundesverwaltungsgericht statt, in der die Erstbeschwerdeführerin einen an ein Schariah-Gericht gerichteten Scheidungsantrag vorlegte. Sie werde vermutlich Ende Februar die Scheidungspapiere erhalten. Sie sei bereits von ihrem Mann geschieden, weil es im Islam ausreiche, dass der Mann der Ehefrau sage, dass Sie hiermit geschieden seien. Dies habe ihr Ex-Mann getan. Lediglich die rechtlichen Dokumente müssten noch ausgestellt werden.

Sie habe gemeinsam mit ihrem Mann und ihren Kindern Syrien verlassen. Nachdem ihr Mann in Griechenland verschwunden sei, hätten sie viele Araber unterstützt. Schon in Griechenland habe sie öfters ihren Aufenthaltsort gewechselt, damit sie ihr (Ex-)Ehemann nicht finde. Sie sei insgesamt 10 Monate in Griechenland gewesen. Anfänglich sei ihr Mann verschwunden gewesen und sie habe nichts von ihm gewusst. Dann habe er begonnen, sie von unbekannten Telefonnummern aus anzurufen und ihr zu drohen, dass er ihr die Kinder wegnehmen werde. Dies habe sie veranlasst, öfters ihren Wohnort zu wechseln. Ihr (Ex-)Mann sei in Athen verschwunden. Sie habe mit ihrer Familie Ende 2015 Syrien verlassen. Ihr Mann halte sich nunmehr in der Türkei auf.

Ihre Eltern und ihre Schwestern befänden sich nunmehr wieder in Syrien, weil sie gezwungen worden seien, Saudi-Arabien zu verlassen. Ihre Brüder hätten in Österreich Asyl bekommen, weil einer zum Wehrdienst eingezogen hätte werden sollen und deshalb geflüchtet sei und der andere als Reservist eingezogen hätte werden sollen. Als Schwestern von Wehrdienstflüchtlingen müsse man befürchten, dass man ihnen etwas antut oder sie auch abholt, um auf Ihre Brüder Druck zu machen. Die Erstbeschwerdeführerin bestätigte, illegal aus Syrien ausgereist zu sein.

Zu den Fluchtgründen befragt führte die Erstbeschwerdeführerin aus, dass ihr Haus bombardiert worden sei, sie kein Dach mehr über ihrem Kopf gehabt hätte und ihre große Tochter aus Sicherheitsgründen nicht mehr in die Schule habe gehen können. Sie habe auch befürchten müssen, dass sie oder ihre Kinder jederzeit an einem der Kontrollpunkte mitgenommen würden. Auch habe ihr (Ex-)Mann befürchten müssen, vom Regime rekrutiert zu werden. Ihre Brüder seien bereits einige Zeit vorher ausgereist und hätten sich dem Militärdienst entzogen. Man hätte sie jederzeit an einem solchen Kontrollpunkt anhalten und mitnehmen können, um auf diese Art und Weise ihre Brüder zu bestrafen oder zu zwingen, sich dem Militärdienst zu stellen.

In Griechenland habe ihr (Ex-)Mann mitbekommen, dass die Frauen in Europa mehr Rechte haben und auch ein selbstbestimmtes Leben führen dürfen. Dies habe ihm nicht gefallen. Er habe gesagt, dass er in die Türkei zurückwolle und lieber dort leben wolle. Sie habe gesagt, dass sie in Europa bleiben wolle, weil sie wolle, dass ihre Töchter weiterhin in die Schule gehen und Bildung erhalten können. Ihr (Ex-)Mann und sie hätten Streit gehabt. Er habe sie geschlagen und am Ende die Scheidungsformel ausgesprochen. Danach sei er verschwunden und sie habe eine Zeitlang nichts mehr von ihm gehört. Anschließend habe er begonnen, sie von unbekannten Telefonnummern anzurufen, sie zu bedrohen und ihr zu sagen, dass er ihr die Kinder wegnehmen werde. Diese Drohanrufe hätten sie auch in Österreich erreicht, dann habe sie sich eine neue Nummer zugelegt. Sie habe gehört, dass die Familie ihres (Ex-)Mannes auf ihre Familie bzw. auf ihren Vater in Syrien Druck ausübe und ihm auch drohe, dass ihr der (Ex-)Mann die Kinder wegnehmen werde. Sie habe bereits in Syrien mit ihrem Mann Probleme gehabt, er habe sie manchmal geschlagen, es habe auch immer wieder Streit wegen des Geldes gegeben. In Griechenland seien die Probleme eskaliert. Bei einer Rückkehr nach Syrien würden ihr von der Familie ihres Mannes die Kinder weggenommen werden, die dann mit 14 zwangsverheiratet würden. In Syrien würde man ihr die Kinder sofort wegnehmen, weil dort die Obsorge ab einem bestimmten Alter von der Mutter auf den Vater oder auf dessen Familie übergehe. Indem sie ihr die Kinder wegnehmen würden, würden sie sich an ihr rächen. Auch das Regime würde sie verhaften, weil sie das Land illegal verlassen habe. Außerdem sei die wirtschaftliche Lage schlecht. Sie würde keine Arbeit finden, um ihre Töchter und sich durchzubringen. Außerdem gebe es noch immer ihre Brüder und ihren Mann, auch wenn es ihr Ex-Mann sei, die sich dem Zugriff des Regimes entzogen hätten.

Die Rechtsvertreterin der Beschwerdeführerinnen führte aus, dass die Zweit- und Drittbeschwerdeführerinnen jeweils eigene Fluchtgründe hätten, weil sie als junge Mädchen der Gefahr geschlechtsspezifischer Gewalt ausgesetzt seien. Des Weiteren bestehe für diese die Gefahr, aus der Obhut ihrer Mutter entzogen zu werden und gegen ihren Willen in die Obhut des Vaters bzw. dessen Familie zu kommen. Der (Ex-)Ehemann der Erstbeschwerdeführerin sei sehr konservativ, weshalb davon auszugehen sei, dass die Zweit- und Drittbeschwerdeführerinnen bei ihrem Vater bzw. der Familie kein selbstbestimmtes Leben führen könnten und etwa bereits in jungen Jahren verheiratet würden.

Auf Nachfragen der Rechtsvertreterin und der belangten Behörde führte die Erstbeschwerdeführerin aus, dass vier Brüder ihres Mannes noch in Syrien seien, die ihren Vater wegen der Scheidung und der Kinder belästigen würden. Sie hätten ihrem Vater auch schon gesagt, dass sie die Erstbeschwerdeführerin umbringen würden, wenn sie zurückkehren sollte und dass sie ihr die Kinder wegnehmen würden. Sie hätten auch gesagt, dass sie Schlägertypen anheuern würden, die ihren Vater zusammenschlagen und ihr Haus zerstören würden. Auch hätten sie ihrem Vater gesagt, dass es ihre Aufgabe sei, sie umzubringen, weil es sich nicht gehöre, dass sie in Europa allein lebe, dass sie damit die Ehre der Familie beschmutzt hätte und dafür bestraft werden müsse. Dies habe sie bei der belangten Behörde nicht angeben können, weil sich dies erst nach ihrer Einvernahme zugetragen habe.

Auf Nachfragen, wie ihre Eltern und ihre Schwestern in Syrien vom Regime unter Druck gesetzt würden, führte die Erstbeschwerdeführerin aus, dass ihre Eltern ein Papier ("Berichtigung des Status") unterzeichnet hätten, in dem man bestätige, dass man mit dem Vorgehen der Kinder nichts zu tun habe. Ihre Schwester habe sehr wohl Probleme gehabt, sie sei öfters verhört worden und man habe von ihr wissen wollen, wo Ihre Brüder seien und was mit ihrem Mann sei. Sie sei mehrmals von den Sicherheitskräften von zu Hause abgeholt worden.

6. Mit Schreiben vom 23.01.2019 wurde von der Rechtsvertretung der Beschwerdeführerinnen Stellung zu den Länderberichten genommen und besonders auf die Gefährdung von Familienangehörigen von Wehrdienstverweigerern oder Deserteuren hingewiesen. Weiters wurde darauf hingewiesen, dass die Beschwerdeführerinnen illegal Syrien verlassen hätten. Die Beschwerdeführerinnen würden wegen einer unterstellten politischen Gesinnung, aufgrund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe "Familie" sowie aufgrund der Zugehörigkeit zu sozialen Gruppe alleinstehender, geschiedener, westlich orientierter Frauen asylrelevant gefährdet sein.

7. Die belangte Behörde nahm dazu mit Schreiben vom 01.02.2019 Stellung. Darin wurde darauf hingewiesen, dass sich die Eltern und die Schwester der Erstbeschwerdeführerin wiederum in Syrien befänden und sie daher nicht zur Gruppe der alleinstehenden Frauen gehöre. Weiters wurde darauf hingewiesen, dass die Eltern und die Schwester der Erstbeschwerdeführerin in Syrien keiner Verfolgung ausgesetzt seien und der Beschwerdeführerin als Angehörige von Wehrdienstverweigerern keine Verfolgung drohe. Weiters wurde auf Widersprüche in den Aussagen der Erstbeschwerdeführerin eingegangen. Auch sei ihre illegale Ausreise nicht asylrelevant.

8. Dazu gab die Rechtsvertretung der Beschwerdeführerinnen mit Schreiben vom 26.02.2019 eine Stellungnahme ab, in welcher ausgeführt wurde, dass der Vater der Beschwerdeführerin bereits 65 Jahre alt sei und daher sowohl von ihm als auch der Mutter und Schwester und Erstbeschwerdeführerin kein Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt gewährleistet sei. Insofern sei die Erstbeschwerdeführerin schutzlos wie eine alleinstehende Frau. Weiters wurde ausgeführt, dass eine Verfolgung durch das syrische Regime aufgrund der Wehrdienstverweigerung der Brüder der Erstbeschwerdeführerin nicht ausgeschlossen werden könne, da das syrische Regime keine Kenntnis davon habe, dass die Brüder nicht mehr im Machtbereich des Regimes seien und die Erstbeschwerdeführerin diesen Umstand dem syrischen Regime auch nicht mitteilen werde. Bezüglich der vom BFA aufgezeigten Widersprüche in den Aussagen der Erstbeschwerdeführerin wurde darauf verwiesen, dass der psychische und physische Zustand der Asylwerberin bei der Erstbefragung besonders zu berücksichtigen sei und bei der Erstbefragung auch das Verbot der näheren Befragung zu den Fluchtgründen gemäß § 19 Abs. 1 AsylG 2005 bestehe. Die weiteren Widersprüche seien bereits in der mündlichen Verhandlung vom 23.01.2019 aufgeklärt worden und entspreche es im Hinblick auf die Drohungen seitens des (Ex-)Mannes der Beschwerdeführerin auch der allgemeinen Lebenserfahrung, dass sich dieser zunächst zurückgezogen habe, nun jedoch eine Auseinandersetzung mit Konsequenzen erfolge.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zu den Beschwerdeführerinnen:

Die Beschwerdeführerinnen sind syrische Staatsangehörige sunnitischen Glaubens und Zugehörige der arabischen Volksgruppe. Sie tragen die im Spruch angeführten Namen sind an den im Kopf des Spruches genannten Daten geboren.

Die Zweit- und Drittbeschwerdeführerinnen sind die minderjährigen ledigen Kinder der Erstbeschwerdeführerin.

Die Beschwerdeführerinnen stammen aus XXXX , wo sie auch vor der Ausreise gemeinsam mit dem damaligen Ehemann der Erstbeschwerdeführerin, der auch Vater der Zweit- und Drittbeschwerdeführerin ist, gelebt haben. Auch ihre Familien leben in XXXX .

Die beiden Brüder der Erstbeschwerdeführerin (XXXX und XXXX ) haben sich 2014 bzw. 2015 durch Flucht der Einziehung zum Wehrdienst bzw. zum Reservedienst entzogen und haben aus diesem Grund von der belangten Behörde den Status der Asylberechtigten zuerkannt bekommen. Auch eine Schwester der Erstbeschwerdeführerin, XXXX , bekam von der belangten Behörde den Status der Asylberechtigten zuerkannt.

Die Beschwerdeführerinnen sind Ende 2015 gemeinsam mit dem Mann der Erstbeschwerdeführerin illegal aus Syrien ausgereist. Grund war primär die Bombardierung ihres Hauses und die Angst vor Entführungen der Kinder bzw. generell die schlechte Sicherheitslage. Weiters wollte sich der(Ex-)Ehemann der Erstbeschwerdeführerin auch einer allfälligen neuerlichen Rekrutierung entziehen.

Der (Ex-)Ehemann der Erstbeschwerdeführerin, mit dem die Beschwerdeführerin bereits in Syrien Probleme hatte, und der sie auch manchmal schlug, hat sich nach der Ausreise in Griechenland nach einem Streit von der Familie getrennt. Der (Ex-)Mann der Beschwerdeführerin und die Beschwerdeführerin sind nach islamischem Ritus geschieden. Der (Ex-)Mann stammt aus einer Familie, die ein selbstbestimmtes Leben von Frauen nicht akzeptiert. Nach einiger Zeit begann er die Erstbeschwerdeführerin zu bedrohen und sagte ihr, dass er die gemeinsamen Kinder entführen werde.

Die Eltern und eine Schwester der Erstbeschwerdeführerin lebten eine Zeitlang bei der Schwester der Erstbeschwerdeführerin, XXXX , in Saudi-Arabien und wurden 2018 gemeinsam mit der Schwester der Erstbeschwerdeführerin gezwungen, Saudi-Arabien zu verlassen und nach Syrien zurückzukehren. Die Eltern der Erstbeschwerdeführerin bestätigten bei der Einreise, dass sie nichts mit der Ausreise ihrer Söhne aus Syrien zu tun hatten. Die Schwester der Erstbeschwerdeführerin wurde einige Male von den Sicherheitskräften zu den ausgereisten Brüdern und ihrem Mann, der von Saudi-Arabien nach XXXX gereist ist, verhört.

Die Familie des (Ex-)Mannes der Erstbeschwerdeführerin setzte den in Syrien lebenden Vater der Erstbeschwerdeführerin unter Druck. Insbesondere drohten die Brüder des (Ex-)Mannes, dass sie die Kinder der Erstbeschwerdeführerin an sich nehmen würden und die Erstbeschwerdeführerin umbringen würden, weil es sich nicht gehöre, dass sie in Europa alleine lebe und sie damit die Ehre der Familie beschmutzt habe und dafür gestraft werden müsse.

Personen werden bei der Einreise nach Syrien über den internationalen Flughafen Damaskus oder andere Einreiseorte kontrolliert.

Die Erstbeschwerdeführerin ist regimekritisch eingestellt.

Im Falle einer Rückkehr besteht für die Erstbeschwerdeführerin als Schwester von zwei Verweigerern des Wehrdienstes bzw. Reservedienstes, die überdies illegal das Land verlassen hat und deren Schwester bereits von den Sicherheitskräften wegen der geflohenen Brüder verhört wurde, die Gefahr, als "oppositionell" eingestuft zu werden und eine unmenschliche Behandlung zu erfahren.

Der Erstbeschwerdeführerin droht im Falle einer Rückkehr überdies die Verfolgung durch die Familie ihres (Ex-)Mannes, der sie sogar mit dem Umbringen bedroht hat. Überdies besteht die Gefahr, dass die Kinder der Erstbeschwerdeführerin von der Familie ihres (Ex-)Mannes entführt bzw. ihr entzogen werden. Ein hinreichender Schutz der Erstbeschwerdeführerin durch die syrischen Behörden ist nicht gegeben.

Die Beschwerdeführerinnen haben subsidiären Schutz in Österreich zuerkannt bekommen.

Die Beschwerdeführerinnen sind strafgerichtlich unbescholten. Es bestehen keine Asylausschlussgründe.

1.2. Zur hier relevanten Situation in Syrien

1.2.1. Politische Lage

Die Familie al-Assad regiert Syrien bereits seit über 50 Jahren, seit Hafez al-Assad 1963 mit fünf anderen Offizieren einen Staatsstreich durchführte und sich dann 1971 als der Herrscher Syriens ernannte. Nach seinem Tod im Jahr 2000 übernahm sein Sohn, der jetzige Präsident Bashar al-Assad diese Position. Seit dieser Zeit haben Vater und Sohn keine politische Opposition geduldet. Jegliche Versuche, eine politische Alternative zu schaffen, wurden sofort unterbunden, auch mit Gewalt. 2014 wurden Präsidentschaftswahlen abgehalten, welche zur Wiederwahl von Präsident Assad führten. Bei dieser Wahl gab es erstmals seit Jahrzehnten zwei weitere mögliche, jedoch relativ unbekannte Kandidaten. Die Präsidentschaftswahl wurde nur in den von der Regierung kontrollierten Gebieten abgehalten, wodurch ein großer Teil der syrischen Bevölkerung nicht an der Wahl teilnehmen konnte. Die Wahl wurde als undemokratisch bezeichnet. Die syrische Opposition bezeichnete sie als "Farce".

Die syrische Verfassung sieht die Baath-Partei als die regierende Partei vor und stellt sicher, dass sie die Mehrheit in allen Regierungs- und Volksverbänden hat. Am 13. April 2016 fanden in Syrien Parlamentswahlen statt. Das Parlament wird im Vier-Jahres-Rhythmus gewählt, und so waren dies bereits die zweiten Parlamentswahlen, welche in Kriegszeiten stattfanden. Die in Syrien regierende Baath-Partei gewann gemeinsam mit ihren Verbündeten unter dem Namen der Koalition der "Nationalen Einheit" 200 der 250 Parlamentssitze. Die syrische Opposition bezeichnete auch diese Wahl, welche erneut nur in den von der Regierung kontrollierten Gebieten stattfand, als "Farce". Jeder der 200 Kandidaten auf der Liste der "Nationalen Einheit" bekam einen Parlamentssitz. Die Vereinten Nationen gaben an, die Wahl nicht anzuerkennen.

Seit 2011 tobt die Gewalt in Syrien. Aus anfangs friedlichen Demonstrationen ist ein komplexer Bürgerkrieg geworden, mit unzähligen Milizen und Fronten.

Die Arabische Republik Syrien existiert formal noch, ist de facto jedoch in vom Regime, von der kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD) und von anderen Rebellen-Fraktionen oder dem sogenannten Islamischen Staat (IS) kontrollierte Gebiete aufgeteilt.

Mitte des Jahres 2016 kontrollierte die syrische Regierung nur ca. ein Drittel des syrischen Staatsgebietes, inklusive der "wichtigsten" Städte im Westen, in denen der Großteil der Syrer, die noch nicht aus Syrien geflohen sind, lebt. Verschiedene oppositionelle Gruppen mit unterschiedlichen Ideologien und Zielen kontrollieren verschiedene Teile des Landes. Vielfach errichten diese Gruppierungen Regierungsstrukturen bzw. errichten sie wieder, inklusive irregulär aufgebauter Gerichte. Seit 2016 hat die Regierung große Gebietsgewinne gemacht, jedoch steht noch beinahe die Hälfte des syrischen Territoriums nicht unter der Kontrolle der syrischen Regierung. Alleine das Gebiet, welches unter kurdischer Kontrolle steht, wird auf etwa ein Viertel des syrischen Staatsgebietes geschätzt.

Russland, der Iran, die libanesische Hisbollah-Miliz und schiitische Milizen aus dem Irak unterstützen das syrische Regime militärisch, materiell und politisch. Seit 2015 schickte Russland auch Truppen und Ausrüstung nach Syrien und begann außerdem Luftangriffe von syrischen Militärbasen aus durchzuführen. Während Russland hauptsächlich auf von Rebellen kontrollierte Gebiete abgezielt, führt die von den USA geführte internationale Koalition Luftangriffe gegen den IS durch.

Im Norden Syriens gibt es Gebiete, welche unter kurdischer Kontrolle stehen und von den Kurden Rojava genannt werden. Noch sind die beiden größeren von Kurden kontrollierten Gebietsteile voneinander getrennt, das Ziel der Kurden ist es jedoch entlang der türkischen Grenze ein zusammenhängendes Gebiet unter ihre Kontrolle zu bringen. Der Ton zwischen Assad und den an der Seite der USA kämpfenden syrischen Kurden hat sich in jüngster Zeit erheblich verschärft. Assad bezeichnete sie zuletzt als "Verräter". Das von kurdischen Kämpfern dominierte Militärbündnis der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) konterte, Assads Regierung entlasse "Terroristen" aus dem Gefängnis, damit diese "das Blut von Syrern jeglicher Couleur vergießen" könnten.

(Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien vom 24. August 2018, S. 14ff.)

1.2.2. Sicherheitslage

Aleppo

Nach der Waffenruhe eskalierte die Gewalt, und die Stadt Aleppo erlebte die heftigsten Bombardierungen durch das Regime und die russische Luftwaffe seit Beginn des Bürgerkrieges, während die Armee zugleich eine Bodenoffensive startete. Die USA brachen daraufhin Anfang Oktober des Jahres 2016 die direkten Gespräche mit Russland über eine weitere Waffenruhe in Syrien ab. Unter anderem konnten sich die beiden Länder nicht darauf einigen, welche der syrischen Rebellengruppen als terroristisch und welche als gemäßigt einzustufen sind (Welt 3.10.2016). Ende Oktober fand eine einseitig von Russland eingehaltene, humanitäre Waffenruhe in Aleppo statt. Anfangs sollte die Waffenruhe acht Stunden dauern und am 20.10.2016 beginnen (Al Jazeera 18.10.2016). Sie wurde dann jedoch bis 22.10.2016 verlängert. Danach erlebte Aleppo erneut schwere Kämpfe. Die Vereinten Nationen hofften während dieser Zeit Verletzte evakuieren und Hilfsgüter liefern zu können. Jedoch war beides aufgrund fehlender Sicherheitsgarantien nicht möglich (Al Jazeera 23.10.2016; vgl. BBC News 22.10.2016). Im Dezember 2016 nahmen syrische Regierungssoldaten nach einer von der russischen Luftwaffe unterstützten Offensive den Osten Aleppos ein, welcher seit 2012 von bewaffneten Gruppen gehalten wurde (Standard 21.12.2016). Es fanden Evakuierungen von Kämpfern sowie von Zivilisten statt, die jedoch durch erneute Gefechte zwischenzeitlich unterbrochen wurden. Zugleich wurden Zivilisten aus den von Rebellen belagerten Orten Fua und Kafraja im Nordwesten Syriens evakuiert (Standard 19.12.2016).

Nach der Eroberung Aleppos wurden große Teile der regulären Armee aus Aleppo abgezogen was zur Verschlechterung der Sicherheitslage führte, da so den Milizen freie Hand gelassen wurde. Kriminalität von Seiten der Milizen wurde so zum Problem für die Bevölkerung Aleppos. Im Juni 2017 unternahm die syrische Regierung den Versuch großflächig gegen die Milizen in Aleppo vorzugehen. Vorhergehende Verhaftungswellen in Aleppo konnten die Kriminalität von Milizen nicht unter Kontrolle bringen (IRIN 22.6.2017). Die Milizen sind unter anderem auch für eine steigende Zahl an Entführungen und damit Lösegelderpressungen und zudem für Morde, auch durch Fahrerflucht, verantwortlich. Auch die Sicherheitskräfte beuten die Bewohner Aleppos aus militärischen und wirtschaftlichen Gründen aus. Vor allem in Ostaleppo sind die Bewohner Opfer von Razzien, und außerdem Festnahmen von Wehrdienstverweigerern, die dann zum Einsatz geschickt werden. Ein weiterer Faktor in Aleppo ist die Baath-Partei. Nach der Eroberung Ost-Aleppos wurde der örtliche Zweig der Baath-Partei aufgelöst. Mittlerweile wurde dieser mitsamt einem bewaffneten Zweig neu gebildet (SD 24.11.2017)

1.2.3. Folter und unmenschliche Behandlung

Willkürliche Festnahmen, Misshandlungen, Folter und Verschwindenlassen durch die Einheiten der Regierung sind weit verbreitet und systemisch in Syrien und geschehen zudem in einem Klima der Straflosigkeit. Folter wird eingesetzt, um an Informationen zu gelangen und um die Zivilbevölkerung zu bestrafen und zu terrorisieren. Folter und andere Misshandlungen wurden durch das syrische Regime schon seit Jahrzehnten genutzt, um Widerstand zu unterdrücken. Das syrische Regime und die mit ihm verbündeten Milizen begehen physische Misshandlungen und Folter an Oppositionellen und Zivilisten.

Regierungsangestellte misshandeln Gefangene. Vergewaltigung und sexueller Missbrauch von Frauen, Männern und auch von Minderjährigen sind weitverbreitet und werden als Kriegstaktik eingesetzt. Manche Opfer von Folter werden festgenommen, weil sie Aktivisten sind, oder weil sie nicht als ausreichend regimetreu wahrgenommen werden. Mitglieder oder Verwandte von Mitgliedern bewaffneter Gruppen werden auch Opfer von Folter. Berichten zufolge wurden Familienmitglieder durch die Sicherheitskräfte der syrischen Regierung festgenommen, darunter auch Kinder, um gesuchte Personen dazu zu bewegen, sich den Sicherheitskräften zu stellen. Menschenrechtsgruppen zufolge hat das Regime seit März 2011 zwischen 17.500 und 60.000 Männer, Frauen und Kinder zu Tode gefoltert oder exekutiert.

Rebellengruppierungen begehen ebenfalls schwere Menschenrechtsverletzungen, wie Inhaftierungen, Folter, Hinrichtungen von (als solche wahrgenommenen) Andersdenkenden und Rivalen. Manche oppositionelle Gruppen fügen Gefangenen, von denen vermutet wird, sie wären Mitglieder von regierungstreuen Milizen, schweren körperlichen und psychischen Schmerz zu, um Informationen oder Geständnisse zu erlangen, oder als Bestrafung oder Zwangsmittel. Auch der IS begeht Misshandlungen, Folter, Bestrafungen von Individuen, und agiert mit Brutalität. Der IS bestraft regelmäßig Opfer in der Öffentlichkeit und zwingt Bewohner, inklusive Kindern, Hinrichtungen und Amputationen mitanzusehen.

(Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien vom 24. August 2018, S. 39ff.)

1.2.4. Rechtsschutz/Justizwesen

Die Arabische Republik Syrien existiert formal noch, ist de facto jedoch in vom Regime, von der kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD), vom sogenannten Islamischen Staat (IS) und von anderen Rebellen-Fraktionen kontrollierte Gebiete aufgeteilt (BS 2016; vgl. Reuters 13.4.2016 und USDOS 3.3.2017).

Gebiete unter der Kontrolle des syrischen Regimes

Das Justizsystem Syriens besteht aus mehreren Gerichten, darunter Zivil-, Straf-, Militär-, Sicherheits- und religiöse Gerichte sowie ein Kassationsgericht. Die religiösen Gerichte behandeln das Familien- und Personenstandsrecht und regeln Angelegenheiten wie Eheschließungen, Scheidungen, Erb- und Sorgerecht. Was religiöse Gerichte betrifft, so sind Scharia-Gerichte für sunnitische und schiitische Muslime zuständig. Drusen, Christen und Juden haben ihre eigenen gerichtlichen Strukturen. Für diese Gerichte gibt es auch eigene Berufungsgerichte (SLJ 5.9.2016 und IA 7.2017). Manche Personenstandsgesetze wenden die Scharia unabhängig von der Religionszugehörigkeit der Beteiligten an (USDOS 3.3.2017).

Die Verfassung sieht eine unabhängige Justiz vor, die Behörden sind in der Praxis jedoch oft politischen Einflüssen ausgesetzt. Die Ergebnisse von Fällen mit politischem Kontext scheinen oft schon vorbestimmt zu sein (USDOS 3.3.2017).

Wenn Personen, von denen angenommen wird, dass sie Regierungsgegner sind, vor Gericht gebracht werden, so ist es wahrscheinlich, dass es sich dabei um ein Anti-Terror-Gericht, welches 2012 eingerichtet wurde, oder ein Militärgericht handelt, obwohl es gegen die internationalen Standards für faire Prozesse verstößt, einen Zivilisten vor einem Militärgericht zu verurteilen. Das Anti-Terror-Gericht hält sich in seiner Arbeitsweise nicht an grundlegende Bedingungen einer fairen Gerichtsverhandlung. Manchmal dauern die Verhandlungen nur wenige Minuten und "Geständnisse", welche unter Folter gemacht wurden, werden als Beweismittel akzeptiert. Außerdem wird das Recht auf Rechtsberatung stark eingeschränkt. In Militärgerichten haben Angeklagte kein Recht auf einen Anwalt. Manchmal werden Angeklagte auch nicht über ihr Urteil informiert (AI 17.8.2016; vgl. HRW 2.8.2017). In den ersten zweieinhalb Jahren seit seiner Errichtung soll das Anti-Terror-Gericht mehr als 80.000 Fälle behandelt haben (USDOS 3.3.2017).

In von oppositionellen Gruppen kontrollierten Gebieten wurden unterschiedlich konstituierte Gerichte und Haftanstalten aufgebaut, welche sich stark darin unterscheiden, wie sie organisiert sind und inwieweit sie sich an juristische Normen halten. Manche Gruppen folgen dem (syrischen) Strafgesetzbuch, andere folgen einem Entwurf eines Strafgesetzbuches auf Grundlage der Scharia, das von der Arabischen Liga aus dem Jahr 1996 stammt, während wiederum andere eine Mischung aus Gewohnheitsrecht und Scharia anwenden. Erfahrung, Expertise und Qualifikation der Richter in diesen Gebieten sind oft sehr unterschiedlich und oft von den dominanten bewaffneten Gruppierungen dieser Gebiete beeinflusst (USDOS 3.3.2017; vgl. MEE 9.6.2016 und Al Monitor 11.2.2016). Inwieweit bewaffnete Gruppierungen Kontrolle über die Gerichte ausüben, unterscheidet sich von Gegend zu Gegend (NRC 7.2017)

Manchmal resultieren Gerichtsverhandlungen von Sharia-Gerichten der Opposition in öffentlichen Hinrichtungen, ohne dass der Angeklagte Berufung einlegen oder Besuch von seiner Familie erhalten hätte können (USDOS 3.3.2017).

In den vom IS kontrollierten Gebieten hat der IS seine strikte Auslegung des islamischen Rechts eingeführt. Es kommt dort häufig zu öffentlichen Hinrichtungen. Unter den Opfern befinden sich Menschen, denen Abfall vom Glauben, Ehebruch, Schmuggel oder Diebstahl zur Last gelegt wird, sowie Menschen, die wegen ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen sexuellen Orientierung angeklagt wurden (AI 22.2.2017; vgl. USDOS 3.3.2017).

1.2.5. Sunniten

In Syrien gibt es keine offizielle Staatsreligion, wobei die Verfassung jedoch vorsieht, dass der syrische Präsident Muslim sein muss. Die anhaltende Vertreibung der syrischen Bevölkerung führt zu einem gewissen Grad an Unsicherheit, was demographische Daten betrifft, Schätzungen der US-Regierung zufolge dürften die Sunniten 74% der Bevölkerung stellen, wobei diese ethnische Araber, Kurden, Tscherkessen, Tschetschenen und Turkmenen inkludieren. Andere muslimische Gruppen, einschließlich Alawiten, Ismailiten und Zwölfer Schiiten machen zusammen 13% aus, die Drusen 3%. Verschiedene christliche Gruppen bilden die verbleibenden 10%, wobei laut Medien- und anderen Berichten davon auszugehen ist, dass viele Christen aufgrund des Bürgerkrieges das Land verließen, und die Zahl nun bedeutend geringer ist. Vor dem Bürgerkrieg gab es in Syrien ungefähr 80.000 Jesiden. Diese Zahl könnte aufgrund des Zuzugs von Jesiden, die aus dem Irak nach Syrien flüchteten, mittlerweile höher sein.

Die syrische Regierung und die mit ihr verbündeten schiitischen Milizen töten, verhaften und misshandeln Sunniten und Mitglieder von bestimmten Minderheiten physisch, als Teil der Bemühungen den bewaffneten Aufstand von oppositionellen Gruppierungen niederzuschlagen. Laut mehreren Beobachtern des Konfliktes wandte das Regime Taktiken an, die darauf abzielten die extremsten Elemente der sunnitisch-islamistischen Opposition zu stärken, um den Konflikt dahingehend zu formen, dass dieser als ein Konflikt gesehen wird, in dem eine religiös moderate Regierung einer religiös extremistischen Opposition gegenübersteht.

Die Revolution wurde somit mit der sunnitischen Bevölkerung assoziiert, die Regierung zielte Berichten zufolge auf Städte und Nachbarschaften mit Belagerung, Beschuss und Luftangriffen auf Basis der Religionszugehörigkeit der Bewohner ab. Während sich Rebellen in Statements und Veröffentlichungen explizit als sunnitische Araber oder sunnitische Islamisten identifizierten und eine Unterstützerbasis haben, die fast ausschließlich aus Sunniten besteht, und dadurch das Abzielen der Regierung konfessionell motiviert erscheint, merkten Beobachter jedoch an, dass zweifellos auch andere Motivationen für die Gewalt existierten. Experten argumentierten, dass Gewalt auf beiden Seiten oft religiös motiviert sei. Auch der IS ist für Menschenrechtsverletzungen Sunniten gegenüber verantwortlich.

Dies führte dazu, dass manche Mitglieder religiöser Minderheiten die Regierung Präsident Assads als ihren einzigen Beschützer gegen gewalttätige sunnitisch-arabische Extremisten sehen. Gleichzeitig sehen sunnitische Araber viele der syrischen Christen, Alawiten und schiitischen Muslime aufgrund ihrer fehlenden Unterstützung oder Neutralität gegenüber der syrischen Revolution als mit der syrischen Regierung verbündet an. Die Minderheiten sind zwischen den konfessionellen Spannungen gefangen und in ihrer Loyalität gespalten. Viele entschieden sich dafür, das Regime zu unterstützen, da sie sich Schutz durch die syrische Regierung erhoffen, während andere Mitglieder von Minderheiten auf der Seite der Opposition stehen.

Die alawitische Gemeinde, zu der Bashar al-Assad gehört, genießt einen privilegierten Status in der Regierung und dominiert auch den staatlichen Sicherheitsapparat und das Militär. Nichtsdestotrotz werden auch alawitische oppositionelle Aktivisten Opfer von willkürlichen Verhaftungen, Folter, Haft und Mord durch die Regierung. Alawitische Gemeinden und schiitische Minderheiten werden aufgrund ihrer wahrgenommenen Unterstützung des Regimes außerdem zu Opfern von Angriffen durch aufständische extremistische Gruppen. Durch den Aufstieg und die Verbreitung von extremistischen bewaffneten Gruppen seit 2014 werden Minderheiten vermehrt Menschenrechtsverletzungen durch diese Organisationen ausgesetzt. Gruppierungen wie der IS oder Jabhat Fatah ash-Sham setzen Minderheiten, in Gebieten unter ihrer Kontrolle Angriffen und Unterdrückung ihrer Religionsfreiheit aus, und bestrafen jene hart, die gegen ihre Kontrolle sind.

In Gebieten, welche der IS kontrolliert, wurden Christen gezwungen eine Schutzsteuer zu zahlen, zu konvertieren oder liefen Gefahr getötet zu werden. In Raqqa hielt der IS tausende jesidische Frauen und Mädchen, die im Irak entführt und nach Syrien verschleppt wurden, gefangen, um sie zu verkaufen, oder um sie an seine Kämpfer als Kriegsbeute zu verteilen. Jabhat Fatah ash-Sham und einige verbündete Rebellengruppen zielen im Norden des Landes mit Bomben und Selbstmordattentaten auf Drusen und Schiiten ab, was laut Jabhat Fatah ash-Sham eine Reaktion auf das "Massaker an Sunniten" durch die Regierung sei. Oppositionelle Gruppen entführen Mitglieder religiöser Minderheiten. Da sich die Motive politischer, ethnischer, konfessioneller und religiöser Gewalt überschneiden, ist es schwierig, Übergriffe als lediglich religiös motiviert zu kategorisieren.

(Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien vom 24. August 2018, S. 59ff.)

1.2.6. Wehrdienst

Die syrischen Streitkräfte - Wehr- und Reservedienst

Seit Jahren versuchen immer mehr Männer die Rekrutierung zu vermeiden, indem sie beispielsweise das Land verlassen oder lokalen bewaffneten Gruppen beitreten, die das Regime unterstützen. Jenen, die den Militärdienst verweigern, oder auch ihren Familienangehörigen, können Konsequenzen drohen. Es ist schwer zu sagen, in welchem Ausmaß die Rekrutierung durch die syrische Armee in verschiedenen Gebieten Syriens, die unter der Kontrolle verschiedener Akteure stehen, tatsächlich durchgesetzt wird, und wie dies geschieht. In der syrischen Armee herrscht zunehmende Willkür und die Situation kann sich von einer Person zur anderen unterscheiden.

Die Rekrutierung von männlichen Syrern findet nach wie unvermindert statt. Für männliche Syrer und Palästinenser, welche in Syrien leben, ist ein Wehrdienst von 18 oder 21 Monaten ab dem Alter von 18 Jahren verpflichtend, außerdem gibt es einen freiwilligen Militärdienst. Frauen können ebenfalls freiwillig einen Militärdienst ableisten.

Laut Gesetz sind in Syrien junge Männer im Alter von 17 Jahren dazu aufgerufen, sich ihr Militärbuch abzuholen und sich einer medizinischen Untersuchung zu unterziehen. Im Alter von 18 Jahren wird man einberufen, um den Wehrdienst abzuleisten. Wenn bei der medizinischen Untersuchung ein gesundheitliches Problem festgestellt wird, wird man entweder vom Wehrdienst befreit, oder muss diesen durch Tätigkeiten, die nicht mit einer Teilnahme an einer Kampfausbildung bzw. -einsatz verbunden sind, ableisten. Wenn eine Person physisch tauglich ist, wird sie entsprechend ihrer schulischen bzw. beruflichen Ausbildung eingesetzt. "Rekrut" ist der niedrigste Rang, und die Rekruten müssen eine 45-tägige militärische Grundausbildung absolvieren. Männer mit niedrigem Bildungsstand werden häufig in der Infanterie eingesetzt, während Männer mit einer höheren Bildung oft in prestigeträchtigeren Positionen eingesetzt werden. Gebildetere Personen kommen damit auch mit höherer Wahrscheinlichkeit in Positionen, in denen sie über andere Personen Bericht erstatten oder diese bestrafen müssen. Normalerweise werden Einberufungsbefehle schriftlich mit der Post zugestellt, zurzeit wird jedoch eher auf persönlichem Wege zum verpflichtenden Militärdienst rekrutiert, um ein Untertauchen der potentiellen Rekruten möglichst zu verhindern. Zu diesem Zweck werden Mitarbeiter des Rekrutierungsbüros zum Haus der Wehrpflichtigen geschickt. Wenn der Gesuchte zu Hause ist, wird er direkt mitgenommen. Wenn er nicht zu Hause ist, wird der Familie mitgeteilt, dass er sich bei der nächsten Kaserne zu melden habe.

Die Altersgrenze ist auf beiden Enden des Altersspektrums nur theoretisch und jeder Mann in einem im weitesten Sinne wehrfähigen Alter, kann rekrutiert werden. Berichten zufolge besteht aber auch für - teils relativ junge - Minderjährige die Gefahr, in Zusammenhang mit der Wehrpflicht an Checkpoints aufgehalten zu werden und dabei Repressalien ausgesetzt zu sein. Wenn eine persönliche Benachrichtigung nicht möglich ist, können Männer, die das wehrfähige Alter erreichen, auch durch Durchsagen im staatlichen Fernsehen, Radio oder der Zeitung zum Wehrdienst aufgerufen werden. Die syrische Armee hat durch Todesfallen, Desertionen und Überlaufen zu den Rebellen einen schweren Mangel an Soldaten zu verzeichnen. Viele weigern sich, der Armee beizutreten. Die regulären Rekrutierungsmethoden werden in Syrien noch immer angewendet, weil das Regime zeigen will, dass sich nichts verändert hat, und das Land nicht in totaler Anarchie versinkt. Es gibt auch Männer im kampffähigen Alter, die frei in Syrien leben. Dem Regime liegt nicht daran, alle wehrtauglichen Personen in die Flucht zu treiben. Es werden nämlich auch künftig motivierte Kampfer benötigt. Bei der Einreise nach Syrien über den Flughafen Damaskus oder andere Einreisepunkte in Gebiete, die vom syrischen Regime kontrolliert werden, wird bei Männern im wehrfähigen Alter überprüft, ob diese ihren Militärdienst bereits abgeleistet haben. Selbst wenn sie ihren Militärdienst bereits absolviert haben, kommt es vor, dass Männer im wehrfähigen Alter erneut zwangsrekrutiert werden.

Wehrdienstverweigerung/Desertion

Wehrdienstverweigerer werden laut Gesetz in Friedenszeiten mit ein bis sechs Monaten Haft bestraft, die Wehrpflicht besteht dabei weiterhin fort. In Kriegszeiten wird Wehrdienstverweigerung laut Gesetz, je nach den Umständen, mit Gefängnisstrafen von bis zu 5 Jahren bestraft. Nach Verbüßen der Strafe muss der Wehrdienstverweigerer weiterhin den regulären Wehrdienst ableisten.

Bei einer Wehrdienstverweigerung hat man die Möglichkeit sich zu verstecken und das Haus nicht mehr zu verlassen, das Land zu verlassen, sich durch Bestechung freizukaufen oder einer anderen Gruppierung beizutreten. Bezüglich Konsequenzen einer Wehrdienstverweigerung gehen die Meinungen der Quellen auseinander. Während die einen eine Foltergarantie und Todesurteil sehen, sagen andere, dass Verweigerer sofort eingezogen werden. Die Konsequenzen hängen jedoch vom Profil und den Beziehungen der Person ab. Wenn es eine Verbindung zu einer oppositionellen Gruppe gibt, wären die Konsequenzen ernster. Wenn jemand den Wehrdienst verweigert und geflohen ist, gibt es die Möglichkeit seinen Status zu "regularisieren", wobei möglicherweise auch ein signifikanter Betrag zu entrichten ist (gerüchteweise bis zu 8.000 USD). Eine solche "Regularisierung" schützt allerdings nicht automatisch vor Repressalien oder einer zukünftigen Rekrutierung. Berichten zufolge betrachtet die Regierung Wehrdienstverweigerung nicht nur als eine strafrechtlich zu verfolgende Handlung, sondern auch als Ausdruck von politischem Dissens und mangelnder Bereitschaft, das Vaterland gegen "terroristische" Bedrohungen zu schützen.

Desertion wird gemäß dem Militärstrafgesetz von 1950 in Friedenszeiten mit ein bis fünf Jahren Haft bestraft und kann in Kriegszeiten bis zu doppelt so lange Haftstrafen nach sich ziehen. Deserteure, die zusätzlich außer Landes geflohen sind (so genannte externe Desertion), unterliegen Artikel 101 des Militärstrafgesetzbuchs, der eine Strafe von fünf bis zehn Jahren Haft in Friedenszeiten und 15 Jahre Haft in Kriegszeiten vorschreibt. Desertion im Angesicht des Feindes ist mit lebenslanger Haftstrafe zu bestrafen. In schwerwiegenden Fällen wird die Todesstrafe verhängt.

In vielen Fällen erwartet Deserteure der Tod. Möglicherweise werden sie inhaftiert, befragt und gefoltert, wobei die Behandlung eines Deserteurs auch davon abhängt wer er ist, welcher Konfession er angehört, wie wohlhabend er ist etc. Die große Sorge vieler ist hierbei auch, dass dies nicht nur den Tod des Deserteurs oder die Vergeltung gegen ihn, sondern auch Maßnahmen gegen seine Familie nach sich ziehen kann. Die gängige Vorgehensweise ist, Deserteure nicht zurück an die Front zu schicken, sondern sie zu töten. Berichten zufolge werden sie an Ort und Stelle erschossen. Theoretisch ist ein Militärgerichtsverfahren vorgesehen und Deserteure könnten auch inhaftiert und dann strafrechtlich verfolgt werden. Außergerichtliche Tötungen passieren dennoch. Für ‚desertierte', vormals bei der Armee arbeitende Zivilisten gelten dieselben Konsequenzen wie für einen Deserteur. Solche Personen werden als Verräter angesehen, weil sie über Informationen über die Armee verfügen. Im Gegensatz zum Beginn des Konfliktes haben sich mittlerweile die Gründe für Desertion geändert: Nun desertieren Soldaten, weil sie kampfmüde sind und dem andauernden Krieg entkommen wollen.

Auch Familien von Deserteuren oder Wehrdienstverweigerern haben mit Konsequenzen zu rechnen. Eine Familie kann von der Regierung unter Druck gesetzt werden, wenn der Deserteur dadurch vielleicht gefunden werden kann. Familienmitglieder (auch weibliche) können festgenommen werden, um den Deserteur dazu zu bringen, sich zu stellen. Manchmal wird ein Bruder oder der Vater eines Deserteurs ersatzweise zur Armee rekrutiert.

Befreiung und Aufschub

Es gibt verschiedene Gründe, um vom Militärdienst befreit zu werden. Der einzige Sohn einer Familie, Studenten oder Versorger der Familie können vom Wehrdienst befreit werden oder diesen aufschieben. Außerdem sind Männer mit Doppelstaatsbürgerschaft, die den Wehrdienst bereits in einem anderen Land abgeleistet haben, üblicherweise vom Wehrdienst befreit. Diese Ausnahmen sind theoretisch immer noch als solche definiert, die Situation in der Praxis ist jedoch anders. Präsident al-Assad versucht den Druck in Bezug auf den Wehrdienst zu erhöhen, und es gibt nun weniger Befreiungen und Aufschübe beim Wehrdienst. Generell werden die Regelungen nun strenger durchgesetzt, außerdem gibt es Gerüchte, dass Personen trotz einer Befreiung oder eines Aufschubs rekrutiert werden. Was die Regelungen zur Befreiung oder zum Aufschub des Wehrdienstes betrifft, so hat man als einziger Sohn der Familie noch die besten Chancen. Das Risiko der Willkür ist jedoch immer gegeben.

Unbestätigte Berichte legen nahe, dass der Geheimdienst innerhalb kurzer Zeit über den Wegfall von Aufschubgründen informiert ist, und diese auch digital überprüft werden. Zuvor mussten Studenten den Status ihres Studiums selbst dem Militär melden, in den letzten zwei Jahren wird der Status von Studenten aktiv überprüft. Generell werden Universitäten nun strenger überwacht und von diesen wird nun verlangt, dass sie das Militär über die Anwesenheit bzw. Abwesenheiten der Studenten informieren. Kürzlich gab es eine Änderung bezüglich des Aufschubs aufgrund eines Lehramts-Studiums. Zuvor war es möglich, einen Aufschub des Wehrdienstes zu erwirken, wenn man ein Lehramts-Masterstudium begann, unabhängig davon welches Bachelor-Studium man zuvor absolviert hatte. Dieser Aufschubgrund funktioniert nun nur noch, wenn man auch den Bachelorabschluss im Lehramtsstudium gemacht hat.

Es gibt Beispiele, dass Männer sich durch die Bezahlung von Bestechungsgeldern vom Wehrdienst freigekauft haben, was jedoch keineswegs als einheitliche Praxis betrachtet werden kann, sondern schlicht Willkür darstellt. So war es vor dem Konflikt gängige Praxis sich vom Wehrdienst freizukaufen, was einen aber nicht davor schützt, im Zuge des aktuellen Konfliktes - manchmal sogar Jahre danach - trotzdem eingezogen zu werden. Es gibt ein Gesetz, das syrischen Männern, die mehr als fünf Jahre außerhalb des Landes gelebt haben, gegen Zahlung eines Bußgeldes die Befreiung vom Militärdienst ermöglicht. Diese Gebühr wurde von 5.000 USD auf 8.000 USD erhöht.

Zunehmend zieht die Regierung, wie berichtet wird, zuvor "geschützte" Personen wie Studenten, Beamte und Häftlinge zum Militärdienst ein. Von Staatsangestellten wird erwartet, dass sie dem Staat zur Verfügung stehen. Um sich ein "Pool" von potentiell zur Verfügung Stehenden zu sichern, wurde ein Dekret bezüglich Staatsangestellte und Wehrdienst erlassen: Laut Legislativdekret Nr. 33 von 2014 wird das Dienstverhältnis von Staatsangestellten beendet, wenn sie sich der Einberufung zum Wehr- oder Reservedienst entziehen. Hierzu gab es bereits Ende 2016 ein Dekret, welches jedoch nicht umfassend durchgesetzt wurde. Im November 2017 gab es eine erneute Direktive des Premierministers Imad Khamis, laut der "die Anstellung von jenen beendet werden soll, die den verpflichtenden Wehrdienst oder den Reservedienst vermeiden". Dieser Direktive folgten bereits Entlassungen, wobei nicht bekannt ist, in welchem Ausmaß sie stattfinden. Gerade auch in alawitischen Gebieten gibt es eine Verbindung zwischen Staatsangestellten und der Notwendigkeit der Erfüllung bürgerlicher Pflichten.

(Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien vom 24. August 2018, S. 44 ff.)

Personen, die sich einem Schießbefehl widersetzten, desertierten oder einer geplanten Desertion verdächtigt wurden, werden in der Regel nicht formell angeklagt. Stattdessen wurden sie entweder zum Zeitpunkt der Desertion umgehend hingerichtet oder willkürlich inhaftiert, in incommunicado Haft genommen, gefoltert und extralegal hingerichtet. Andere wurden nach einer Untersuchung zurück in ihre Einheit geschickt. Regierungskräfte griffen bei Verhaftungskampagnen in Gebieten, in denen ihrer Wahrnehmung nach die Opposition unterstützt wurde, gezielt Angehörige von Deserteuren heraus. Das Eigentum von Deserteuren wurde durch Plünderung und Brandstiftung zerstört.

Die tatsächlich oder vermeintlich oppositionellen Ansichten einer Person werden häufig auch Personen in ihrem Umfeld, wie Familienmitgliedern, Nachbarn und Kollegen zugeschrieben. Die Familienangehörigen (beispielsweise Ehegatten, Kinder, Geschwister, Eltern und auch entferntere Verwandt) von (tatsächlichen oder vermeintlichen) Protestteilnehmern, Aktivisten, Mitgliedern von Oppositionsparteien oder bewaffneten oppositionellen Gruppen, Überläufern und Wehrdienstentziehern und anderen Personen wurden Berichten zufolge willkürlich verhaftet, in incommunicado Haft genommen, gefoltert und in sonstiger Weise - einschließlich unter Anwendung sexueller Gewalt - misshandelt sowie auch willkürlich hingerichtet.

Verläuft die Fahndung nach einem Regierungsgegner bzw. einer Person, die für einen Regierungsgegner gehalten wird, erfolglos, gehen die Sicherheitskräfte Berichten zufolge dazu über, die Familienangehörigen der betreffenden Person festzunehmen oder zu misshandeln. Dies geschieht entweder, um Vergeltung zu üben für die Aktivitäten bzw. den Loyalitätsbruch der gesuchten Person oder um Informationen über ihren Aufenthaltsort zu gewinnen und/oder mit der Absicht, die betreffende Person dazu zu bewegen, sich zu stellen bzw. die gegen sie erhobenen Anschuldigungen zu gestehen. Wie aus Berichten hervorgeht, wurden weibliche Verwandte verhaftet und als "Tauschobjekte" für Gefangenenaustausch mit regierungsfeindlichen bewaffneten Gruppen verwendet. Darüber hinaus liegen Berichte vor, dass sogar Nachbarn, Kollegen und Freunde verfolgt wurden.

(UNHCR-Bericht: Relevante Herkunftslandinformationen zur Unterstützung der Anwendung des UNHCR-Länderleitfadens für Syrien; Feststellung des internationalen Schutzbedarfs von Asylsuchenden aus Syrien - "illegale Ausreise" aus Syrien und verwandte Themen, Stand:

Februar 2017, S. 12f. und S. 22ff.)

1.2.7. Frauen

Außerhalb der Gebiete, die unter der Kontrolle des Regimes stehen, unterscheiden sich die Bedingungen für Frauen sehr stark voneinander. Von extremer Diskriminierung, sexueller Versklavung und erdrückenden Verhaltens- und Kleidungsvorschriften in Gebieten des IS, zu formaler Gleichberechtigung in den Gebieten unter der kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD), wo Regierungssitze immer von einer Frau und einem Mann besetzt sind und Frauen in der Politik und im Militärdienst gut vertreten sind. Frauen in Syrien haben eine relativ lange Historie der Emanzipation und vor dem Konflikt war Syrien eines der vergleichsweise fortschrittlicheren Länder der arabischen Welt in Bezug auf Frauenrechte. Die Situation von Frauen verschlechtert sich durch den andauernden Konflikt dramatisch, weil Frauen Opfer unterschiedlicher Gewalthandlungen der verschiedenen Konfliktparteien werden. Aufgrund der Kampfhandlungen zögern Familien, Frauen und Mädchen das Verlassen des Hauses zu erlauben. Sie nehmen diese aus der Schule, was zur Minderung der Rolle von Frauen und zu ihrer Isolation in der Gesellschaft führt. In oppositionellen Gebieten, welche von radikalislamistischen Gruppen kontrolliert werden (z.B. in Idlib oder umkämpften Gebieten östlich von Damaskus), sind Frauen besonders eingeschränkt. Es ist schwer für sie, für einfache Erledigungen das Haus zu verlassen. Außerdem ist es schwierig für sie zu arbeiten, weil sie unter Druck stehen, zu heiraten. Dies hängt jedoch von der Region ab.

Extremistische Gruppierungen wie der sogenannte Islamische Staat (IS) oder Jabhat Fatah ash-Sham setzen Frauen in den von ihnen kontrollierten Gebieten diskriminierenden Beschränkungen aus. Solche Beschränkungen sind z.B. strikte Kleidervorschriften, Einschränkungen bei der Teilnahme am öffentlichen Leben, bei der Bewegungsfreiheit und beim Zugang zu Bildung und Arbeitsmarkt. In Gebieten, die der IS kontrolliert(e), wurde ein Dokument veröffentlicht, welches Frauen unter Androhung der Todesstrafe die Befolgung von 16 Punkten vorschreibt. Die Punkte waren unter anderem, das Haus nicht ohne einen männlichen nahen Verwandten (mahram) zu verlassen, weite Kleidung, ein Kopftuch und einen Gesichtsschleier zu tragen, Friseursalons zu schließen, in der Öffentlichkeit nicht auf Stühlen zu sitzen und keine männlichen Ärzte aufzusuchen. In Raqqa gründete der IS die "al-Khansaa"-Brigade, welche hauptsächlich aus nicht-syrischen Frauen besteht und die Regeln des IS bei anderen Frauen durchsetzen soll. Familien werden auch gezwungen ihre Töchter an IS-Kämpfer zu verheiraten. Jabhat Fatah ash-Sham [Anm.: vormals Jabhat al-Nusra] ist Frauen gegenüber etwas weniger restriktiv, die Situation ist jedoch ähnlich. Generell wird die Lage junger unverheirateter Frauen in Syrien allgemein, im Speziellen jedoch in den von radikalislamistischen Gruppierungen kontrollierten Gebieten, als prekär bezeichnet.

Das syrische Personenstandsrecht erkennt auf Basis des islamischen Rechts drei Arten der Scheidung an: einseitige Scheidung oder Verstoßung durch den Ehemann (talaq), Scheidung mit gegenseitigem Einverständnis (mukhala'a) und gerichtliche Scheidung (tafriq) (Eijk 2013).

Die einseitige Verstoßung der Ehefrau durch den Ehemann ist die gängige Version der Scheidung, wobei der Ehemann die Scheidung verbal oder schriftlich aussprechen kann. In einer Wartezeit von etwa drei Monaten kann er seine Ehefrau noch zurücknehmen. Wenn der Ehemann jedoch zum dritten Mal die Scheidung ausspricht gilt diese als final. Die Scheidung kann vor einem Richter oder außerhalb des Gerichtes ausgesprochen und im Nachhinein beim Gericht registriert werden. Diese relativ verbreitete Art der Scheidung führt jedoch zu Fällen von Frauen die das Gericht aufsuchen müssen, um zu erfahren, ob sich ihre Ehemänner von ihnen scheiden haben lassen (Eijk 2013).

Die einvernehmliche Scheidung wird häufig von der Frau initiiert und beinhaltet oftmals eine Vereinbarung, laut der der Ehemann sein Einverständnis für die Scheidung gibt und die Ehefrau im Gegenzug teilweise oder gänzlich auf Unterhalt verzichtet. Der entsprechende Vertrag kann im Gericht geschlossen werden, oder außerhalb des Gerichtes geschlossen und ex post facto registriert werden. Jedenfalls muss die Ehefrau beim Gericht erscheinen und ihren Verzicht auf Unterhalt bekanntgeben (Eijk 2013).

Es gibt unterschiedliche Gründe auf Basis derer eine gerichtliche Scheidung beantragt werden kann. Scheidung aufgrund von Krankheit oder Mangel (orig. defect) des Ehemannes, Abwesenheit oder Verschwinden des Ehemannes, Unterlassen der Unterhaltszahlungen des Ehemannes oder aufgrund von Eheproblemen. Bei dieser Art der Scheidung müssen jedoch bestimmte Beweise vorgelegt werden. Wenn beispielsweise eine Ehefrau aufgrund von Abwesenheit ihres Ehemannes die Scheidung einreichen will, muss sie diesbezüglich zweimal in drei verschiedenen nationalen Zeitungen eine Anzeige stellen (Eijk 2013; vgl. Emory o.D.).

Das Islamische Recht sieht nach einer Scheidung zwei Konzepte des Sorgerechtes für Kinder vor. Erstens die Vormundschaft (wilaya), welche immer der Vater innehat, und zweitens die physische Obhut/Obsorge (hadana). Im Falle einer Scheidung kann die Mutter die physische Obsorge über die Kinder erhalten, bis diese ein bestimmtes Alter erreichen, wobei die Altersgrenze hierbei von der Konfession abhängt (BFA 8.2017; vgl. Eijk 2013). Laut Syrischem Personen

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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