TE Bvwg Erkenntnis 2019/6/24 W204 2143798-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.06.2019
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Entscheidungsdatum

24.06.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs3
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

W204 2143797-1/46E

W204 2143795-1/41E

W204 2143798-1/37E

W204 2168288-1/30E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

1.) Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Esther SCHNEIDER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx und dessen Obmann Dr. Lennart BINDER, LL.M., Pulverturmgasse 4/2/R01, 1090 Wien, gegen die Spruchpunkte

II. bis IV. des Bescheids des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.12.2016, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

2.) Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Esther SCHNEIDER als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx und dessen Obmann Dr. Lennart BINDER, LL.M., Pulverturmgasse 4/2/R01, 1090 Wien, gegen die Spruchpunkte

II. bis IV. des Bescheids des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.12.2016, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

3.) Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Esther SCHNEIDER als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX Staatsangehörigkeit Afghanistan, gesetzlich vertreten durch die Mutter XXXX , geb. XXXX , diese vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx und dessen Obmann Dr. Lennart BINDER, LL.M., Pulverturmgasse 4/2/R01, 1090 Wien, gegen die Spruchpunkte

II. bis IV. des Bescheids des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.12.2016, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

4.) Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Esther SCHNEIDER als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, gesetzlich vertreten durch die Mutter XXXX , geb. XXXX , diese vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx und dessen Obmann Dr. Lennart BINDER, LL.M., Pulverturmgasse 4/2/R01, 1090 Wien, gegen die Spruchpunkte

II. bis IV. des Bescheids des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.07.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Erstbeschwerdeführer (im Folgenden: BF1), die Zweitbeschwerdeführerin (im Folgenden: BF2) und die mj. Drittbeschwerdeführerin (im Folgenden: BF3), alle afghanische Staatsangehörige und Angehörige der Volksgruppe der Hazara, reisten gemeinsam in das österreichische Bundesgebiet ein und stellten am 21.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Die mj. Viertbeschwerdeführerin (im Folgenden: BF4) wurde am XXXX in Österreich geboren. Die BF2 stellte für sie als ihre gesetzliche Vertreterin am 02.06.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz.

I.2. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) wies die Anträge der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) auf internationalen Schutz mit dem jeweils im Spruch genannten Bescheid bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab. Weiters wurde den BF kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 55 und § 57 AsylG 2005 erteilt. Gegen die BF wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der BF nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Schließlich sprach das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

I.3. Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.10.2018 zu W259 2143797-1/29E, W259 2143795-1/23E, W259 2143798-1/21E und W259 2168288-1/14E wurde die Beschwerde der BF gegen den jeweiligen Bescheid als unbegründet abgewiesen.

I.2. Mit Erkenntnis vom 13.03.2019, E 4820-4823/2018-17, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde der BF gegen diese Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts in Bezug auf die Abweisung des Status des Asylberechtigten ab. Weiter erkannte er, dass die BF durch die angefochtenen Erkenntnisse, soweit damit ihre Beschwerde gegen die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan, die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels, die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung sowie die Festsetzung einer zweiwöchigen Frist für die freiwillige Ausreise abgewiesen wurde, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden sind. Das Bundesverwaltungsgericht habe den zu beurteilenden Sachverhalt nicht mit der aktuellen in den UNHCR-Richtlinien vom 30.10.2018 dargestellten Sicherheitslage in Bezug gesetzt, obwohl es sich bei den Familienangehörigen insbesondere aufgrund der Minderjährigkeit der Kinder um besonders vulnerable Personen handle, weshalb die Entscheidung mit Willkür behaftet und insoweit aufzuheben sei.

I.3. Am 13.05.2019 zeigten die im Spruch genannten Vertreter ihre Bevollmächtigung an.

I.4. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 14.05.2019 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, an der die BF und ihr Vertreter teilnahmen. Im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung wurden der BF1 und die BF2 im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari unter anderem zu ihrer Identität und Herkunft, zu den persönlichen Lebensumständen, zu ihrem Gesundheitszustand, ihren Familienangehörigen, ihren Rückkehrbefürchtungen sowie zu ihrem Privat- und Familienleben in Österreich ausführlich befragt.

I.5. Am 23.05.2019 wurden mehrere Integrationsunterlagen vorgelegt.

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:

-

Einsicht in die die BF betreffenden und dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakten des BFA, insbesondere in die Befragungsprotokolle, und in die Akten des Bundesverwaltungsgerichts;

-

Befragung der BF im Rahmen einer öffentlich mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 14.05.2019;

-

Einsicht in die in das Verfahren eingeführten Länderberichte zur aktuellen Situation im Herkunftsstaat und in die von den BF vorgelegten Unterlagen;

-

Einsicht in das Zentrale Melderegister, das Strafregister und das Grundversorgungssystem.

II.1. Sachverhaltsfeststellungen:

II.1.1. Zu den BF und ihren Fluchtgründen:

Die BF besitzen die afghanische Staatangehörigkeit, gehören der Volksgruppe der Hazara an und sind schiitische Moslem.

Der BF1 ist mit der BF2 traditionell verheiratet. Die Ehe wurde in Afghanistan geschlossen. Die BF3 und die BF4 sind ihre gemeinsamen minderjährigen Kinder.

Der BF1 ist im Jahr XXXX in der Stadt Kabul geboren worden und dort aufgewachsen. Von 1985 bis 2010 lebte er in Pakistan. Er kehrte danach wieder in die Stadt Kabul zurück, wo er bis zu seiner Ausreise im Jahr 2015 aufhältig war. Zuletzt lebte er mit seiner Ehefrau (BF2) über ein Jahr in der Stadt Kabul in einem Mietshaus. Davor wohnten sie gemeinsam einige Zeit bei seinen Eltern und seinem Bruder, ebenfalls in der Stadt Kabul. Zu seiner Kernfamilie zählen seine Ehefrau (BF2) und seine beiden Kinder (BF3 und BF4). In Afghanistan sind die Eltern und ein Bruder des BF1 in der Stadt Kabul aufhältig. Ihnen geht es wirtschaftlich gut. Sie haben keine finanziellen Probleme. Der Vater des BF1 besitzt eine Landwirtschaft und kauft und verkauft Grundstücke. Es stehen mehrere Grundstücke in seinem Eigentum. Der Vater des BF1 organisierte und finanzierte die Reise der BF nach Europa. Darüber hinaus leben ein Onkel und eine Tante väterlicherseits sowie ein Onkel mütterlicherseits in der Stadt Kabul. Deren Kinder arbeiten im KFZ-Bereich. Eine Tante väterlicherseits ist im Iran aufhältig. Diese Verwandten haben berufstätige Kinder. Der BF1 hat Kontakt zu seiner in Afghanistan aufhältigen Familie.

Die Muttersprache des BF1 ist Dari. Zudem spricht er Englisch. In Afghanistan besuchte der BF1 in der Stadt Kabul fünf Jahre die Grundschule. Während seines Aufenthaltes in Pakistan besuchte der BF1 Englischkurse und einen Computerkurs. Anschließend arbeitete er in Afghanistan bis zu seiner Ausreise mehrere Jahre als Grundstücksmakler im Unternehmen seines Vaters in der Stadt Kabul. Zudem kann der BF1 schneidern und Teppiche knüpfen. Außerdem war beziehungsweise ist er Kung-Fu-Trainer.

Die BF2 ist im Jahr XXXX in der Stadt Ghazni in der gleichnamigen Provinz geboren und ist dort aufgewachsen. Zuletzt lebte sie mit ihrem Ehemann (BF1) über ein Jahr in der Stadt Kabul in einem Mietshaus. Zuvor wohnte sie einige Zeit bei der Familie ihres Ehemannes in der Stadt Kabul. Zu ihrer Kernfamilie zählen ihr Ehemann (BF1) und ihre beiden Kinder (BF3 und BF4). Zudem hat die BF2 noch zwei in Afghanistan aufhältige Schwestern, zu denen kein Kontakt besteht. Die Eltern der BF2 sind vor mehreren Jahren verschollen. Nach dem Verschwinden der Eltern lebten die BF2 und ihre beiden Schwestern bei ihrem Onkel väterlicherseits und seiner Familie in der Provinz Ghazni. Diese bestand aus der Ehefrau ihres Onkels sowie dessen sieben Söhnen und sieben Töchtern. Die finanzielle Situation der Familie ihres Onkels war gut. Weiter hat die BF2 vier Tanten mütterlicherseits. Zwei Tanten mütterlicherseits leben in Kabul, die anderen beiden sind im Iran aufhältig. Die beiden im Iran lebenden Tanten mütterlicherseits kennt die BF2 nicht. Zu ihren in Afghanistan aufhältigen Familienangehörigen besteht kein Kontakt. Die Muttersprache der BF2 ist Dari. Die BF2 besuchte in Afghanistan nicht die Schule. Sie ist Analphabetin. In Afghanistan arbeitete sie bis zu ihrer Heirat zu Hause als Schneiderin. Zudem war sie Hausfrau. Zuletzt kam nach ihrer Hochzeit ihr Ehemann (BF1) für ihren Unterhalt auf. Die BF2 besitzt in Afghanistan kein Vermögen.

Der BF1 und die BF2 leiden an keiner lebensbedrohlichen Krankheit. Der BF1 leidet an Allergien, ua gegen Spülmittel, die nicht medikamentös behandelt werden müssen. Die BF2 leidet an Epilepsie und Migräne. Sie befand sich deshalb sowohl in Afghanistan als auch in Österreich in ärztlicher Behandlung. Sie nimmt regelmäßig Medikamente ein. Eine weitere medizinische Behandlung der BF2 ist erforderlich.

Der BF1 und die BF2 sind im erwerbsfähigen Alter und grundsätzlich arbeitsfähig.

Die BF3 wurde im Jahr XXXX in Afghanistan und die BF4 im Jahr XXXX in Österreich geboren. Sie sind die minderjährigen Kinder des BF1 und der BF2. Die Muttersprache der BF3 und BF4 ist Dari. Sie sind gesund.

Die BF können im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan in der Stadt Kabul bei den Eltern des BF1 wohnen und von der Familie des BF1 finanziell unterstützt werden. Es kann nicht festgestellt werden, dass die BF im Falle der Rückkehr in die Städte Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif Gefahr liefen, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose beziehungsweise existenzbedrohende Situation zu geraten. In Kabul verfügen die BF bei ihren Familien sogleich über eine zumindest vorläufige Wohnmöglichkeit. Im Falle einer Rückkehr in die Städte Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif können keine Faktoren festgestellt werden, die eine Gefahrenverdichtung für die BF3 und BF4 aufgrund ihrer Minderjährigkeit darstellen. Es besteht für sie aufgrund ihrer Minderjährigkeit insbesondere keine erhöhte Gefahr, dort zivile Opfer von Angriffen Aufständischer oder sonstiger Auseinandersetzungen zu werden. Die BF3 und die BF4 laufen nicht Gefahr, Opfer von Gewalt, Missbrauch, Zwangsheirat oder Kinderarbeit zu werden. Sie werden sich ihre Partner selbst auswählen und eine Ausbildung machen können. Die BF könnten bei einer Rückkehr nach Kabul, aber auch in andere Städte wie Herat oder Mazar-e Sharif, durch ihre Familie finanziell und/oder organisatorisch unterstützt werden.

Die BF sind in Österreich strafrechtlich unbescholten. Der BF1 hat bereits mehrere Deutschkurse bis zum Niveau B2 besucht. Er verfügt über ein Deutschzertifikat des Niveau B1 und kann sich dementsprechend auf Deutsch artikulieren. Eine Prüfung auf dem Niveau B2 hat er im Jänner 2019 nicht bestanden. Er kann sich im normalen Alltag auf Deutsch verständigen.

Die BF2 hat im Jahr 2017 einen Alphabetisierungskurs besucht. Eine ehrenamtliche Lehrerin unterrichtete sie bis zur Geburt der BF4 zu Hause. Sie hat sehr geringe Deutschkenntnisse und ist nicht in der Lage, sich in Alltagssituationen auf Deutsch zu verständigen. Einen Deutschkurs besucht sie nicht.

Der BF1 hat für die Caritas als Dolmetscher gearbeitet und sich beim Roten Kreuz um eine ehrenamtliche Tätigkeit beworben. Zudem unterstützt er Jugendliche durch Freizeit- und Sportangebote und engagierte sich ehrenamtlich bei einem Verein. In seiner Freizeit geht der BF1 ins Fitnesscenter, schwimmen, spazieren, unterstützt seine Ehefrau bei den Hausarbeiten und kümmert sich um seine ältere Tochter.

Die BF2 geht in ihrer Freizeit mit ihrem Ehemann schwimmen und in den Park. Die BF2 hat am 22.03.2019 einen vierstündigen Erste-Hilfe-Kindernotfallkurs besucht und diesen erfolgreich abgeschlossen. Die BF2 nahm mit ihrer Tochter (BF3) am Bildungs- und Frühförderungsprogramm XXXX teil. Dabei kommt eine geschulte Pädagogin zu ihnen nach Hause.

Der BF1 hat neben afghanischen Bekanntschaften auch österreichische Freunde und Bekanntschaften.

Die BF2 hat zu einer afghanischen Nachbarin Kontakt. Ein Österreicher besucht die Familie gelegentlich. Dessen Ehefrau unterstützt die Familie durch gelegentliche Fahrtransporte. Sonst hat die BF2 keinen regelmäßigen Kontakt zu anderen Personen in Österreich.

Die BF3 besucht seit 03.10.2018 einen privaten Kindergarten in Österreich.

Die BF leben in Österreich von der Grundversorgung.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die BF ein besonderes Abhängigkeits- oder Naheverhältnis zu in Österreich lebenden Personen pflegen. Sonstige substanzielle Anknüpfungspunkte im Bereich des Privatlebens können nicht festgestellt werden. Es leben keine nahen Angehörigen der BF in Österreich.

II.1.2. Zur Situation im Herkunftsland:

KI vom 26.03.2019, Anschläge in Kabul, Überflutungen und Dürre, Friedensgespräche, Präsidentschaftswahl (Abschnitt 1; relevant für Abschnitt 2/Politische Lage; Abschnitt 3/Sicherheitslage; Abschnitt 21/Grundversorgung und Wirtschaft)

Anschläge in Kabul-Stadt

Bei einem Selbstmordanschlag während des persischen Neujahres-Fests Nowruz in Kabul-Stadt kamen am 21.3.2019 sechs Menschen ums Leben und weitere 23 wurden verletzt (AJ 21.3.2019, Reuters 21.3.2019). Die Detonation erfolgte in der Nähe der Universität Kabul und des Karte Sakhi Schreins, in einer mehrheitlich von Schiiten bewohnten Gegend. Quellen zufolge wurden dafür drei Bomben platziert: eine im Waschraum einer Moschee, eine weitere hinter einem Krankenhaus und die dritte in einem Stromzähler (TDP 21.3.2019; AJ 21.3.2019). Der ISKP (Islamische Staat - Provinz Khorasan) bekannte sich zum Anschlag (Reuters 21.3.2019).

Während eines Mörserangriffs auf eine Gedenkveranstaltung für den 1995 von den Taliban getöteten Hazara-Führer Abdul Ali Mazari im überwiegend von Hazara bewohnten Kabuler Stadtteil Dasht-e Barchi kamen am 7.3.2019 elf Menschen ums Leben und 95 weitere wurden verletzt. Der ISKP bekannte sich zum Anschlag (AJ 8.3.2019).

Überflutungen und Dürre

Nach schweren Regenfällen in 14 afghanischen Provinzen kamen mindestens 63 Menschen ums Leben. In den Provinzen Farah, Kandahar, Helmand, Herat, Kapisa, Parwan, Zabul und Kabul, wurden ca. 5.000 Häuser zerstört und 7.500 beschädigt (UN OCHA 19.3.2019). Dem Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten der Vereinten Nationen (UN OCHA) zufolge waren mit Stand 19.3.2019 in der Provinz Herat die Distrikte Ghorvan, Zendejan, Pashtoon Zarghoon, Shindand, Guzarah und Baland Shahi betroffen (UN OCHA 19.3.2019). Die Überflutungen folgten einer im April 2018 begonnen Dürre, von der die Provinzen Badghis und Herat am meisten betroffen waren und von deren Folgen (z.B. Landflucht in die naheliegenden urbanen Zentren, Anm.) sie es weiterhin sind. Gemäß einer Quelle wurden in den beiden Provinzen am 13.9.2018 ca. 266.000 IDPs vertrieben: Davon zogen 84.000 Personen nach Herat-Stadt und 94.945 nach Qala-e-Naw, wo sie sich in den Randgebieten oder in Notunterkünften innerhalb der Städte ansiedelten und auf humanitäre Hilfe angewiesen sind (IFRCRCS 17.3.2019).

Friedensgespräche

Kurz nach der Friedensgesprächsrunde zwischen Taliban und Vertretern der USA in Katar Ende Jänner 2019 fand Anfang Februar in Moskau ein Treffen zwischen Taliban und bekannten afghanischen Politikern der Opposition, darunter der ehemalige Staatspräsident Hamid Karzai und mehrere "Warlords", statt (Qantara 12.2.201). Quellen zufolge wurde das Treffen von der afghanischen Diaspora in Russland organisiert. Taliban-Verhandlungsführer Sher Muhammad Abbas Stanaksai wiederholte während des Treffens schon bekannte Positionen wie die Verteidigung des "Dschihad" gegen die "US-Besatzer" und die gleichzeitige Weiterführung der Gespräche mit den USA. Des Weiteren verkündete er, dass die Taliban die Schaffung eines "islamischen Regierungssystems mit allen Afghanen" wollten, obwohl sie dennoch keine "exklusive Herrschaft" anstrebten. Auch bezeichnete er die bestehende afghanische Verfassung als "Haupthindernis für den Frieden", da sie "vom Westen aufgezwungen wurde"; Weiters forderten die Taliban die Aufhebung der Sanktionen gegen ihre Führer und die Freilassung ihrer gefangenen Kämpfer und bekannten sich zur Nichteinmischung in Angelegenheiten anderer Länder, zur Bekämpfung des Drogenhandels, zur Vermeidung ziviler Kriegsopfer und zu Frauenrechten. Diesbezüglich aber nur zu jenen, "die im Islam vorgesehen seien" (z.B. lernen, studieren und sich den Ehemann selbst auswählen). In dieser Hinsicht kritisierten sie dennoch, dass "im Namen der Frauenrechte Unmoral verbreitet und afghanische Werte untergraben würden" (Taz 6.2.2019).

Ende Februar 2019 fand eine weitere Friedensgesprächsrunde zwischen Taliban und US- Vertretern in Katar statt, bei denen die Taliban erneut den Abzug der US-Truppen aus Afghanistan forderten und betonten, die Planung von internationalen Angriffen auf afghanischem Territorium verhindern zu wollen. Letzterer Punkt führte jedoch zu Meinungsverschiedenheiten: Während die USA betonten, die Nutzung des afghanischen Territoriums durch "terroristische Gruppen" vermeiden zu wollen und in dieser Hinsicht eine Garantie der Taliban forderten, behaupteten die Taliban, es gebe keine universelle Definition von Terrorismus und weigerten sich gegen solch eine Spezifizierung. Sowohl die Taliban- als auch die US-Vertreter hielten sich gegenüber den Medien relativ bedeckt und betonten ausschließlich, dass die Friedensverhandlungen weiterhin stattfänden. Während es zu Beginn der Friedensgesprächsrunde noch Hoffnungen gab, wurde mit Voranschreiten der Verhandlungen immer klarer, dass sich eine Lösung des Konflikts als "frustrierend langsam" erweisen würde (NYT 7.3.2019).

Die afghanische Regierung war weder an den beiden Friedensgesprächen in Doha noch an dem Treffen in Moskau beteiligt (Qantara 12.2.2019; vgl. NYT 7.3.2019), was Unbehagen unter einigen Regierungsvertretern auslöste und die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Regierungen beeinträchtigte (Reuters 18.3.2019; vgl. WP 18.3.2019). Beispielsweise erklärte US-Unterstaatssekretär David Hale am 18.3.2019 die Beendigung der Kontakte zwischen US-Vertretern und dem afghanischen nationalen Sicherheitsberater Hamdullah Mohib, nachdem dieser US-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad und den Ausschluss der afghanischen Regierung aus den Friedensgesprächen öffentlich kritisiert hatte (Reuters 18.3.2019).

Verschiebung der Präsidentschaftswahl

Die Präsidentschaftswahl, welche bereits von April auf Juni 2019 verschoben worden war, soll Quellen zufolge nun am 28.9.2019 stattfinden. Grund dafür seien "zahlreiche Probleme und Herausforderungen„ welche vor dem Wahltermin gelöst werden müssten, um eine sichere und transparente Wahl sowie eine vollständige Wählerregistrierung sicherzustellen - so die unabhängige Wahlkommission (IEC) (VoA 20.3.2019; vgl. BAMF 25.3.2019).

Quellen:

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AJ - Al Jazeera (21.3.2019): Blasts in Afghan capital Kabul kill six during new year festival,

https://www.aljazeera.com/news/2019/03/blasts-afghan-capital-kabul-kill-6- year-festival-190321064823472.html. Zugriff 26.3.2019

-

AJ - Al Jazeera (8.3.2019): Death toll rises to 11 in attack on Shia gathering in Kabul,

https://www.aljazeera.com/news/2019/03/death-toll-rises-11-afghan-capital-attack-shia-gathering-190308102222870.html. Zugriff 26.3.2019

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BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (25.3.2019):

Briefing Notes Afghanistan, liegen im Archiv der Staatendokumentation auf

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IFRCRCS - International Federation of Red Cross and Red Crescent Societies (17.3.2019): Emergency Appeal Afghanistan: Drought and Flash Floods,

https://reliefweb.int/report/afghanistan/afghanistan-drought-and-flash-floods

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NYT - The New York Times (7.3.2019): U.S. Peace Talks With Taliban Trip Over a Big Question: What Is Terrorism?, https://www.nytimes.com/2019/03/07/world/asia/taliban-peace-talks-afghanistan.html. Zugriff 26.3.2019

-

Qantara (12.02.2019): Any deal will do, https://en.qantara.de/print/34493, Zugriff 26.3.2019

-

Reuters (21.3.2019): Explosions in Afghan capital Kabul kills six during new year festival,

https://www.reuters.com/article/us-afghanistan-attack/explosions-in-afghancapital-kabul-kill-6-during-new-year-festival-idUSKCN1R20GL. Zugriff 26.3.2019

-

Reuters (18.3.2019): U.S. freezes out top Afghan official in peace talks feud: sources,

https://www.reuters.com/article/us-usa-afghanistan/us-freezes-out-top-afghan-official-in-peace-talks-feud-sources-idUSKCN1 QZ2OU. Zugriff 26.3.2019

-

Taz - Die Tagezeitung (6.2.2019): Auch Moskau spielt die Taliban-Karte,

https://www.taz.de/Gespraeche-zwischen-Taliban-und-Russland/i5568633/. Zugriff 26.3.2019

-

TDP - The Defense Post (21.3.2019): Bomb blasts around Afghanistan capital kill 6 during Nowruz celebrations, https://thedefensepost.com/2019/03/21/afghanistankabul-bombings-nowruz/, Zugriff 26.3.2019

-

UN OCHA - United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (19.3.2019): Afghanistan: Flash Floods, Update No. 7 (as of 19 March 2019),

https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/afg_flash_floods_update_7_19_mar_2019_web.pdf, Zugriff 26.3.2019

-

VoA - Voice of America (20.3.2019): Afghanistan Again Postpones Presidential Election,

https://www.voanews.com/a/afghanistan-again-postpones-presidentialelection/4840141.html, Zugriff 26.3.2019

- WP - The Washington Post (18.3.2019): Afghan government, shut out

of U.S.- Taliban peace talks, running short on options,

https://www.washingtonpost.com/world/afghan-government-shut-out-of-us-taliban-peace-talks-running-short-on-options/2019/03/18/92cd6128-497d-11

e9-8cfc- 2c5d0999c21e story.html?noredirect=on&utm

term=.ffa121b12dbc, Zugriff 26.3.2019

KI vom 1.3.2019, Aktualisierung: Sicherheitslage in Afghanistan - Q4.2018 (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage)

Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil. Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum 16.8.2018 - 15.11.2018 5.854 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 5% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (63%) aus. Selbstmordanschläge gingen um 37% zurück, was möglicherweise an erfolgreichen Bekämpfungsmaßnahmen in Kabul-Stadt und Jalalabad liegt. Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Streitkräfte stiegen um 25%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten. In der Provinz Kandahar entstand die Befürchtung, die Sicherheitsbedingungen könnten sich verschlechtern, nachdem der Polizeichef der Provinz und der Leiter des National Directorate for Security (NDS) im Oktober 2018 ermordet worden waren (UNGASC 7.12.2018). Gemäß dem Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (SIGAR) fanden bis Oktober 2018 die meisten Angriffe regierungsfeindlicher Gruppierungen in den Provinzen Badghis, Farah, Faryab, Ghazni, Helmand, Kandahar, Uruzgan und Herat statt. Von Oktober bis Dezember 2018 verzeichneten Farah, Helmand und Faryab die höchste Anzahl regierungsfeindlicher Angriffe (SIGAR 30.1.2019).

Nach dem Taliban-Angriff auf Ghazni-Stadt im August 2018, bestand weiterhin die Befürchtung, dass die Taliban großangelegte Angriffe im Südosten des Landes verüben könnten. Dies war zwar nicht der Fall, dennoch setzten Talibankämpfer die afghanischen Sicherheitskräfte am Stadtrand von Ghazni, in Distrikten entlang des Highway One nach Kabul und durch die Einnahme des Distrikts Andar in Ghazni im Oktober weiterhin unter Druck. Im Westen der Provinz Ghazni, wo die ethnische Gruppierung der Hazara eine Mehrheit bildet, verschlechterten sich die Sicherheitsbedingungen wegen großangelegter Angriffe der Taliban, was im November zur Vertreibung zahlreicher Personen führte. In Folge eines weiteren Angriffs der Taliban im Distrikt Khas Uruzgan der Provinz Uruzgan im selben Monat wurden ebenfalls zahlreiche Hazara-Familien vertrieben. Des Weiteren nahmen Talibankämpfer in verschiedenen Regionen vorübergehend strategische Positionen entlang der Hauptstraßen ein und behinderten somit die Bewegungsfreiheit zwischen den betroffenen Provinzen. Beispiele dafür sind Angriffe entlang Hauptstraßen nach Kabul in den Distrikten Daymirdad und Sayyidabad in Wardak, der Route Mazar - Shirbingham und Maimana - Andkhoy in den nördlichen Provinzen Faryab, Jawzjan und Balkh und der Route Herat - Qala-e-Naw im westlichen Herat und Badghis (UNGASC 7.12.2018). Trotz verschiedener Kampfhandlungen und Bedrohungen blieben mit Stand Dezember 2018 gemäß SIGAR die Provinzzentren aller afghanischen Provinzen unter Kontrolle bzw. Einfluss der afghanischen Regierung (SIGAR 30.1.2019).

Im Laufe des Wahlregistrierungsprozesses und während der Wahl am 20. und am 21. Oktober wurden zahlreiche sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die Taliban und den Islamischen Staat - Provinz Khorasan (ISKP) beansprucht wurden (UNGASC 7.12.2018; vgl. UNAMA 10.10.2018, UNAMA 11.2018). Während der Wahl in der Provinz Kandahar, die wegen Sicherheitsbedenken auf den 27. Oktober verschoben worden war, wurden keine sicherheitsrelevanten Vorfälle registriert. Die afghanischen Sicherheitskräfte entdeckten und entschärften einige IED [Improvised Explosive Devices - Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen] in Kandahar-Stadt und den naheliegenden Distrikten (UNAMA 11.2018). Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) hatte zwischen 1.1.2018 und 30.9.2018 im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen insgesamt 366 zivile Opfer (126 Tote und 240 Verletzte) registriert (UNAMA 10.10.2018). Am offiziellen Wahltag, dem 20. Oktober, wurden 388 zivile Opfer (52 Tote und 336 Verletzte) registriert, darunter 117 Kinder (21 Tote und 96 Verletzte) und 48 Frauen (2 Tote und 46 Verletzte). Am folgenden Wahltag, dem 21. Oktober, wurden 47 weitere zivile Opfer (4 Tote und 43 Verletzte) verzeichnet, inklusive 17 Kinder (2 Tote und 15 Verletzte) und Frauen (3 Verletzte). Diese Zahlen beinhalten auch Opfer innerhalb der Afghan National Police (ANP) und der Independet Electoral Commission (IEC) (UNAMA 11.2018). Die am 20. Oktober am meisten von sicherheitsrelevanten Vorfällen betroffenen Städte waren Kunduz und Kabul. Auch wenn die Taliban in den von ihnen kontrollierten oder beeinflussten Regionen die Wählerschaft daran hinderten, am Wahlprozess teilzunehmen, konnten sie die Wahl in städtischen Gebieten dennoch nicht wesentlich beeinträchtigen (trotz der hohen Anzahl von Sicherheitsvorfällen) (UNGASC 7.12.2018).

Der ISKP ist weiterhin im Osten des Landes präsent und bekennt sich zu Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen in Nangarhar und zu sechs Angriffen in Kabul-Stadt. Des Weiteren finden in den Provinzen Nangarhar und Kunar weiterhin Kämpfe zwischen ISKP- und Talibankämpfern statt. Die internationalen Streitkräfte führten Luftangriffe gegen den ISKP in den Distrikten Deh Bala, Achin, Khogyani, Nazyan und Chaparhar der Provinz Nangarhar aus (UNGASC 7.12.2018).

Global Incident Map zufolge wurden im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) 4.436 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

Zivile Opfer

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) 10.993 zivile Opfer (3.804 Tote und 7.189 Verletzte), eine allgemeine Steigerung von 5% sowie eine Steigerung der Zahl der Toten um 11% gegenüber dem Vorjahreswert. 42% der zivilen Opfer (4.627 Opfer;

1.361 Tote und 3.266 Verletzte) wurden durch IED im Zuge von Anschlägen und Selbstmordanschlägen regierungsfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich ISKP) verursacht. Die Anzahl der Selbstmordanschläge unter Einsatz von IED stieg dabei um 22% und erreichte somit einen Rekordwert. Diese Art von Anschlägen verursachte 26% aller zivilen Opfer, während IED, die bei Nichtselbstmordanschlägen verwendet wurden, 16% der zivilen Opfer forderten. Kabul war mit insgesamt 1.866 Opfern (596 Tote und 1.270 Verletzte) die Provinz mit der höchsten Anzahl an Selbstmordanschlägen durch IED, während die Zahl der Opfer in Nangarhar mit insgesamt 1.815 (681 Tote und 1.134 Verletzte) zum ersten Mal fast die Werte von Kabul erreichte (hauptsächlich wegen des Einsatzes von IED bei Nichtselbstmordanschlägen). Kabul-Stadt verzeichnete insgesamt 1.686 zivile Opfer (554 Tote und 1.132 Verletzte) wegen komplexen und Selbstmordangriffen (UNAMA 24.2.2019).

Zusammenstöße am Boden (hauptsächlich zwischen regierungsfreundlichen und regierungsfeindlichen Gruppierungen) verursachten 31% der zivilen Opfer (insgesamt 3.382; davon 814 Tote und 2.568 Verletzte), was einen Rückgang um 3% im Vergleich mit dem Vorjahreswert bedeutet. Grund dafür war der Versuch regierungsfreundlicher Gruppierungen, die zivile Bevölkerung zu schonen. Die Verlagerung der Kämpfe in dünn besiedelte Gebiete, die Vorwarnung der lokalen Zivilbevölkerung bei Kampfhandlungen und die Implementierung von Strategien zum Schutz der Bevölkerung waren einige der bestimmenden Faktoren für den Rückgang bei zivilen Opfern. Jedoch ist die Opferzahl bei gezielt gegen die Zivilbevölkerung gerichteten komplexen Angriffen und Selbstmordanschlägen regierungsfeindlicher Gruppierungen gestiegen (plus 48% gegenüber 2017; 4.125 Opfer insgesamt, davon 1.404 Tote und 2.721 Verletzte). Sowohl der ISKP als auch die Taliban griffen gezielt Zivilisten an: Der ISKP war für 1.871 zivile Opfer verantwortlich, darunter waren u.a. Mitglieder der schiitischen Gemeinschaft, und die Taliban für 1.751. Obwohl die Gesamtzahl der zivilen Opfer durch gezielte Tötungen von Einzelpersonen (hauptsächlich durch Erschießung) zurückging, blieben Zivilisten inklusive religiöser Führer und Stammesältester weiterhin Ziele regierungsfeindlicher Gruppierungen. Die Gesamtzahl der durch Luftangriffe verursachten zivilen Opfer stieg im Vergleich mit dem Vorjahreswert um 61% und die Zahl der Todesopfer erreichte 82%. 9% aller zivilen Opfer wurden Luftangriffen (mehrheitlich der internationalen Luftwaffe) zugeschrieben, der höchste Wert seit 2009 (UNAMA 24.2.2019).

Regierungsfeindliche Gruppierungen waren im UNAMA-Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) für 6.980 zivile Opfer (2.243 Tote und 4.737 Verletzte) verantwortlich. Das entspricht 63% der gesamten zivilen Opfer. 37% davon werden den Taliban, 20% dem ISKP und 6% unbestimmten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben. Im Laufe des Jahres 2018 wurden vermehrt Anschläge gegen Bildungseinrichtungen verzeichnet, meist durch Talibankämpfer, da in Schulen Registrierungs- und Wahlzentren untergebracht waren. Der ISKP attackierte und bedrohte Bildungseinrichtungen als Reaktion auf militärische Operationen afghanischer und internationaler Streitkräfte. UNAMA berichtet auch über anhaltende Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen, welche Auswirkungen auf einen Großteil der zivilen Bevölkerung haben. Trotzdem die Taliban nach eigenen Angaben Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung ergriffen haben, attackierten diese weiterhin Zivilisten, zivile Einrichtungen und regierungsfreundliche Gruppierungen in Zivilgebieten (UNAMA 24.2.2019).

Ungefähr 24% der zivilen Opfer (2.612, davon 1.185 Tote und 1.427 Verletzte), werden regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben: 14% den afghanischen Sicherheitskräften, 6% den internationalen Streitkräften und 4% unbestimmten regierungsfreundlichen Gruppierungen. Die Steigerung um 4% gegenüber dem Vorjahr geht auf Luftangriffe der internationalen Streitkräfte und Fahndungsaktionen der afghanischen Sicherheitskräfte und regierungsfreundlicher Gruppierungen zurück (UNAMA 24.2.2019).

Die verbleibenden 13% der verzeichneten zivilen Opfer wurden im Kreuzfeuer während Zusammenstößen am Boden (10%), durch Beschuss aus Pakistan (1%) und durch die Explosion von Blindgängern verursacht (UNAMA 24.2.2019).

Quellen:

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BFA Staatendokumentation (20.02.2019a): kartografische Darstellung der sicherheitsrelevanten Vorfälle Jänner-Dezember 2018, liegt im Archiv der Staatendokumentation vor

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BFA Staatendokumentation (20.02.2019b): grafische Darstellung der

sicherheitsrelevanten Vorfälle Q1 bis Q4, liegt im Archiv der Staatendokumentation vor

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SIGAR - Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (30.1.2019): Quarterly Report to the United States Congress, https://www.sigar.mil/pdf/quarterlyreports/2019-01-30qr.pdf. Zugriff 20.2.2019

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UNAMA - United Nations Assistance Mission in Afghanistan (24.2.2019): Afghanistan, Protection of civilians in armed conflict, Annual report 2018,

https://unama.unmissions.org/sites/default/files/afghanistan_protection_of_civilians_annual_report_2018_final_24_feb_2019_v3.pdf.

Zugriff 25.2.2019

-

UNAMA - United Nations Assistance Mission in Afghanistan (11.2018): Afghanistan, Protection of civilians in armed conflict, Special report: 2018 elections violence, https://unama.unmissions.org/sites/default/files/special_report_on_2018_elections_violence_november_2018.pdf. Zugriff 20.2.2019

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UNAMA - United Nations Assistance Mission in Afghanistan (10.10.2018): Quarterly report on the protection of civilians in armed conflict: 1 January to 30 September 2018, https://unama.unmissions.org/sites/default/files/unama_protection_of_civilians_in_armed_conflict_3rd_quarter_report_2018_10_oct.pdf.

Zugriff 20.2.2019

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UNGASC - United Nations General Assembly Security Council (7.12.2018): The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security, Report of the Secretary General, https://undocs.org/S/2018/1092. Zugriff 20.2.2019

KI vom 31.1.2019, Friedensgespräche zwischen den USA und den Taliban (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage und Abschnitt 3/Sicherheitslage)

Am Samstag dem 26.1.2019 endete die sechstägige Friedensgesprächsrunde in Doha, Katar, zwischen dem U.S.-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad und den Taliban-Vertretern (DP 28.1.2019; vgl. NYT 28.1.2019, CNN 27.1.2019, Tolonews 28.1.2019). Quellen zufolge wurde ein erster Vertragsentwurf ausgehandelt, wonach sich die Taliban dazu verpflichten würden, ausländische Terrororganisationen von Afghanistan fernzuhalten, und die USA würden im Gegenzug dazu ihren Truppenabzug aus Afghanistan innerhalb von 18 Monaten garantieren. Dieser sei jedoch an weitere Bedingungen gebunden, die noch genau besprochen werden müssen, wie die Ausrufung eines Waffenstillstands zwischen den Taliban und der afghanischen Regierung sowie die Forderung von direkten Gesprächen zwischen diesen beiden Akteuren (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019, FP 29.1.2019). Inoffiziellen Quellen zufolge wurde bei den Gesprächen u.a. die Schaffung einer Interimsregierung, in der auch die Taliban vertreten sein sollen, angedacht, was jedoch von Khalilzad dementiert wurde (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019). Die nächste Friedensgesprächsrunde wird voraussichtlich Ende Februar 2019 stattfinden (NYT 28.1.2019; FP 29.1.2019). Der afghanische Präsident Ashraf Ghani äußerte während einer Fernsehansprache am 28.1.2019 sein Unbehagen bzgl. eines voreiligen Abzugs der U.S.- Truppen aus Afghanistan und erinnerte an die dramatischen Auswirkungen des sowjetischen Abzuges Ende der 1980er Jahre, dem Anarchie und die Ermordung des ehemaligen Präsidenten Mohammad Najibullah folgten (NYT 28.1.2019). Ghani, der die Taliban mehrmals dazu aufgefordert hatte, direkt mit seiner Regierung zu verhandeln, zeigte sich des Weiteren über den Ausschluss der afghanischen Regierung aus den Friedensgesprächen besorgt (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019, IM 28.1.2019). Während sich einige Quellen hinsichtlich gründlicher Friedensgespräche und eines effizient ausgehandelten Abkommens optimistisch zeigen (Internazionale 30.1.2019; vgl. WP 30.1.2019), fürchten andere, dass ein Abzug der amerikanischen Truppen den Zusammenbruch der afghanischen Regierung wegen der Taliban und vorhersehbarer Machtkämpfe zwischen den verschiedenen lokalen Akteuren zur Folge haben könnte (DP 28.1.2019; vgl. FP 29.1.2019).

Quellen:

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CNN - Cable News Network (27.1.2019): US-Taliban peace talks in Doha a 'significant step',

https://edition.cnn.com/2019/01/27/asia/us-taliban-afghan-peacetalks-doha-intl/index.html, Zugriff 31.1.2019

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DP - Die Presse (28.1.2019): Afghanistan vor dramatischer Wende,

https://diepresse.com/home/ausland/aussenpolitik/5570225/Afghanistan-vor-

dramatischer-Wende, Zugriff 31.1.2019

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FP - Foreign Policy (29.1.2019): Will Zalmay Khalilzad Be Known as the Man Who Lost Afghanistan?,

https://foreignpolicy.com/2019/01/29/will-zalmay-khalilzad-beknown-as-the-man-who-lost-afghanistan-envoy-taliban/. Zugriff 31.1.2019

-

IM - Il Messaggero (28.1.2019): Afghanistan, fonti Difesa: "Entro un anno via truppe

italiane". Moavero: "Apprendo ora". Lega: "Nessuna decisione",

https://www.ilfattoquotidiano.it/2019/01/28/afghanistan-entro-un-anno-ritiro-del-

contingente-italiano-moavero-lo-apprendo-ora-trenta-non-ne-ha-parlato-con-me/

4930395/, Zugriff 31.1.2019

-

Internazionale (30.1.2019): La trattativa in Afghanistan arriva con 17 anni di ritardo,

https://www.internazionale.it/opinione/gwvnne-dver/2019/01/30/trattativa-afghanistan-

ritardo, Zugriff 31.1.2019

-

NYT - The New York Times (28.1.2019): U.S. and Taliban Agree in Principle to

Peace Framework, Envoy Says,

https://www.nvtimes.com/2019/01/28/world/asia/taliban-peace-deal-afghanistan.html.

Zugriff 31.1.2019

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Tolonews (28.1.2019): US Peace Envoy Visits Kabul To Consult On Talks With Taliban,

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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