TE Vfgh Beschluss 1996/11/26 G154/96

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Veröffentlicht am 26.11.1996
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Index

95 Technik
95/05 Normen, Zeitzählung

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
NormenG 1971 §7
UrheberrechtsG §7 Abs1

Leitsatz

Zurückweisung des Individualantrags einer Verlagsgesellschaft auf Aufhebung von Bestimmungen des NormenG 1971 betreffend Vervielfältigung von ÖNORMEN gegen Entgelt mangels aktueller Beeinträchtigung der rechtlich geschützten Interessen der Antragstellerin infolge Entfalls des urheberrechtlichen Schutzes durch Verbindlicherklärung und Veröffentlichung der ÖNORM im Bundesgesetzblatt

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Die Antragstellerin begehrt mit ihrem auf Art140 Abs1 letzter Satz B-VG gestützten Antrag, "der Verfassungsgerichtshof möge die Wortfolge 'gegen Entgelt' in §7 Abs2 Normengesetz 1971, BGBl. Nr. 240/1971, in eventu den gesamten Absatz 2 des §7 Normengesetz 1971, BGBl. Nr. 240/1971, in eventu das Wort 'nur' in §7 Abs1 Satz 1 Normengesetz 1971, BGBl. Nr. 240/1971, in eventu den gesamten Absatz 1 des §7 Normengesetz 1971, BGBl. Nr. 240/1971, in eventu den gesamten §7 Normengesetz 1971, BGBl. Nr. 240/1971, wegen Verfassungswidrigkeit aufheben".

   Zur Zulässigkeit des Individualantrages führt die

Antragstellerin aus, daß sie gewerbsmäßig das Verlagsgeschäft

betreibe. Die Publikation einer Gesetzesausgabe des

Oberösterreichischen Vergabegesetzes stehe unmittelbar bevor, im

Rahmen derer "(a)ufgrund von Verweisungen der Allgemeinen

Landesvergabeordnung ... auch der teilweise Abdruck der ÖNORM

A 2050 angezeigt" sei. Das Österreichische Normungsinstitut hätte

bei einer Auflage von 500 Stück gegen ein Entgelt von ÖS 85.500,-

den "Gesamtabdruck der ÖNORM A 2050" gestattet. Dies hätte zur

Folge, daß eine Drucklegung unter anderem "(i)m Hinblick auf die

(geringe) Größe des zu erwartenden Absatzmarktes" wirtschaftlich

nicht durchführbar sei. Die Antragstellerin sei daher von der

gesetzlichen Regelung des §7 des Bundesgesetzes vom 16. Juni

1971 über das Normenwesen (Normengesetz 1971), BGBl. 240/1971,

gemäß dessen Abs1 "ÖNORMEN ... nur vom Verein in den Verkehr

gesetzt und vervielfältigt werden" dürfen und gemäß dessen Abs2

"(d)er Verein ... jedoch die Vervielfältigung von ÖNORMEN gegen

Entgelt gestatten" kann, unmittelbar und aktuell betroffen. Die Unmittelbarkeit liege vor, "da die Einschränkung der Möglichkeit einer Inverkehrsetzung und Vervielfältigung ohne Erlassung eines Bescheides oder eines gerichtlichen Urteiles wirksam" werde. Ebenfalls sei die Antragstellerin aktuell von der angefochtenen Gesetzesbestimmung betroffen, da sie "ÖNORMEN in eine Publikation aufnehmen möchte und dafür ein Entgelt entrichten müßte".

Ein anderer Weg zur Geltendmachung der Verfassungswidrigkeit der zitierten Gesetzesbestimmung bestehe nicht, da ihr bei Inverkehrsetzen oder Vervielfältigung von ÖNORMEN "ohne Mitteilung an das Österreichische Normungsinstitut und ohne Bezahlung des entsprechenden Entgeltes" die Verhängung einer Verwaltungsstrafe drohe. Es sei der Antragstellerin unzumutbar, "durch Zuwiderhandeln gegen eine Norm ein Verwaltungsstrafverfahren provozieren zu müssen, um solcherart die Gelegenheit zu bekommen, ein amtswegiges Normenprüfungsverfahren anzuregen".

2. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in welcher unter anderem beantragt wird, der Verfassungsgerichtshof wolle den Antrag der Antragstellerin mangels Antragslegitimation zurückweisen.

Ausführend wird zur fehlenden Antragslegitimation vorgebracht, daß zum einen die rechtlich geschützten Interessen der Antragstellerin nicht aktuell beeinträchtigt seien. Die gegenständliche ÖNORM A 2050 sei im Rahmen der Kundmachung der Verordnung der Bundesregierung, mit der bestimmte Teile der ÖNORM A 2050 im Anwendungsbereich des Bundesvergabegesetzes für verbindlich erklärt werden (Allgemeinen Bundesvergabeverordnung-ABVV), im Bundesgesetzblatt, BGBl. Nr. 17/1994, vollinhaltlich abgedruckt worden. "Die ÖNORM A 2050 (sei) aufgrund dieser Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt als freies Werk gemäß §7" des Bundesgesetzes über das Urheberrecht an Werken der Literatur und der Kunst und über verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz), BGBl. 111/1936 idgF, "zu klassifizieren und (könne) daher von jedermann unentgeltlich abgedruckt werden." Eine unmittelbare Beeinträchtigung der Rechtsposition der Antragstellerin sei daher nicht gegeben, zumal diese ihre individuelle Betroffenheit darin sieht, daß ihr der Abdruck der ÖNORM A 2050 nur gegen Entgelt gestattet worden sei. Die erhobene Entgeltforderung beruhe "insoweit offenbar auf einem Irrtum des Österreichischen Normungsinstituts".

Zum anderen sei der Ansicht der Antragstellerin, daß gegen "Entscheidungen" des Österreichischen Normungsinstituts kein Rechtsschutz bestehe, entgegenzuhalten, daß diese "(u)nter Berufung auf einen Kontrahierungszwang zu 'angemessenen Preisen' ... das Österreichische Normungsinstitut auf Ausfolgung eines Exemplars der betreffenden ÖNORM (Zug um Zug gegen Zahlung eines angemessenen Preises) im ordentlichen Rechtsweg klagen" könnte.

3. Die Antragstellerin replizierte darauf, daß auch mit einer Klage im Zivilrechtsweg dem Umstand nicht abgeholfen werden könne, daß eine Vervielfältigung ohne Zustimmung des Normungsinstitutes strafbar sei.

4. In einer ergänzenden Äußerung vom 14. November 1996, führte die Antragstellerin weiter aus, daß die Veröffentlichung der ÖNORM A 2050 im Bundesgesetzblatt, sohin als Bundesrecht, nicht deren Publikation im Landesgesetzblatt, sohin als Landesrecht, zu ersetzen vermag. Da die Antragstellerin beabsichtige, die ÖNORM

A 2050 auf Grund eines entsprechenden landesgesetzlichen Verweises abzudrucken, liege insoweit kein freies Werk im Sinne des §7 Urheberrechtsgesetz vor.

II. Der Antrag ist unzulässig.

1. Gemäß Art140 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg. 8009/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, daß das Gesetz in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie - im Fall seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt. Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art140 Abs1 letzter Satz B-VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl. zB VfSlg. 8594/1979, 10353/1985, 11730/1988).

2. Im vorliegenden Fall wurde die ÖNORM A 2050, für deren Publikation - unzulässiger Weise - unter Zugrundelegung des §7 Normengesetz 1971 vom Österreichischen Normungsinstitut ein Entgelt gefordert wurde, bereits im Rahmen der Kundmachung der Allgemeinen Bundesvergabeverordnung zur Gänze in BGBl. 17/1994 abgedruckt. Mit der Bundesregierung geht der Verfassungsgerichtshof davon aus, daß durch die Verbindlicherklärung und die Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt die ÖNORM Bestandteil der betreffenden Rechtsnorm wird, die die Verbindlicherklärung vornimmt, und ihr urheberrechtliches Schicksal teilt. §7 Urheberrechtsgesetz bestimmt, daß "Gesetze, Verordnungen, ... keinen urheberrechtlichen Schutz" genießen. Die gegenständliche ÖNORM ist daher als freies Werk im Sinne des §7 Urheberrechtsgesetz anzusehen. Demgemäß steht einer Vervielfältigung der ÖNORM A 2050 - auch durch die Antragstellerin - die angefochtene Vorschrift des §7 Normengesetz 1971 weder entgegen noch darf dafür gemäß §7 Abs2 Normengesetz 1971 ein Entgelt verlangt werden. Der urheberrechtliche Schutz, auf dem das Normenvervielfältigungsmonopol des §7 Normengesetz 1971 beruht, entfällt für verbindlich erklärte und gehörig kundgemachte ÖNORMEN entsprechend Wortlaut und Sinngehalt des §7 Abs1 Urheberrechtsgesetz, unabhängig davon, ob sie im Bundesgesetzblatt oder in einem Landesgesetzblatt als Bundesrecht oder Landesrecht kundgemacht werden. Der Umstand, daß die ÖNORM 2050 im Bundesgesetzblatt kundgemacht wurde, hindert sohin ihren Abdruck und kostenlose Vervielfältigung durch die Antragstellerin nicht.

3. Es liegt daher im vorliegenden Fall keine aktuelle Beeinträchtigung der rechtlich geschützten Interessen der Antragstellerin durch die angefochtene Gesetzesbestimmung vor.

4. Der Antrag ist daher gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung wegen fehlender Antragslegitimation als unzulässig zurückzuweisen.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Normenwesen, Urheberrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1996:G154.1996

Dokumentnummer

JFT_10038874_96G00154_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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