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27 RechtspflegeNorm
StGG Art6 Abs1 / ErwerbsausübungLeitsatz
Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durchVerhängung einer Disziplinarstrafe über einen Rechtsanwalt aufgrundder vertretbaren Annahme einer Doppelvertretung trotzfirmenrechtlicher Änderung; kein Missbrauch des Auswahlermessensdurch die Verhängung der schuld- und tatangemessenen GeldbußeSpruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer gesetzwidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit Erkenntnis des Disziplinarrates der
Rechtsanwaltskammer Burgenland vom 22. April 2005 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt,
"in Kenntnis der zu AZ ... des Disziplinarrates der
Rechtsanwaltskammer Burgenland erfolgten Verurteilungen das
Vollmachtsverhältnis zur Stadtgemeinde G aufrechterhalten zu haben,
uzw. ... ab dem 11. Dezember 2002 ... durch Verrichtung einer
Streitverhandlung (21. Jänner 2003) vor dem LG Eisenstadt, ...
dadurch, dass [er] am 15. Mai 2003 Berufung gegen das Ersturteil des Landesgerichtes Eisenstadt erhoben, am 25. November 2003 die Berufungsverhandlung vor dem OLG verrichtet und am 19. Jänner 2004 eine außerordentliche Revision an den OGH erhoben ha[t], sohin eine unzulässige Doppelvertretung fortgesetzt und damit eine Berufspflichtverletzung begangen und Ehre und Ansehen des Standes beeinträchtigt [hat]."
Über den Beschwerdeführer wurde gemäß §16 Abs1 Z2 Disziplinarstatut 1990 (im Folgenden: DSt 1990) eine Geldbuße in Höhe von € 18.000,- verhängt. Er ist bereits davor mit Erkenntnis des Disziplinarrates der Rechtsanwaltskammer Burgenland vom 10. Dezember 2002 (ebenfalls) wegen Unzulässigkeit der Doppelvertretung (Beratungstätigkeit mit Frontwechsel) in einer beim Landesgericht Eisenstadt anhängigen Rechtssache zu einer Geldbuße von € 1.000,-
verurteilt worden, seiner dagegen erhobenen Berufung ist mit rechtskräftigem Erkenntnis der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (im Folgenden: OBDK) vom 17. November 2003 keine Folge gegeben worden.
2. Der gegen den Bescheid des Disziplinarrates der Rechtsanwaltskammer Burgenland vom 22. April 2005 erhobenen Berufung wurde mit Erkenntnis der OBDK vom 25. September 2006 keine Folge gegeben.
3. Gegen dieses als Bescheid zu wertende Erkenntnis richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf ein faires Verfahren, auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Freiheit der Erwerbsausübung behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.
4. Die OBDK legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie den Ausführungen in der Beschwerde entgegentritt.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Bedenken gegen die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Rechtsvorschriften werden in der Beschwerde nicht vorgebracht und sind beim Verfassungsgerichtshof auch aus Anlass dieses Beschwerdeverfahrens nicht entstanden.
Der Beschwerdeführer wurde daher durch den angefochtenen Bescheid nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt.
2.1. Unter dem Titel der Art7 B-VG und 6 EMRK behauptet der Beschwerdeführer, die belangte Behörde habe kein Ermittlungsverfahren durchgeführt. Im Jahr 2001 sei die offene Erwerbsgesellschaft (Rechtsanwaltspartnerschaft) in eine Kapitalgesellschaft (Rechtsanwälte GmbH) eingebracht worden, wobei ausschließlich die noch offenen Fälle aus der offenen Erwerbsgesellschaft in die Kapitalgesellschaft übernommen worden seien.
2.2. Angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit des §10 Abs1 RAO (VfSlg. 13.842/1994, 14.411/1996, 15.844/2000, 17.692/2005) und des Umstandes, dass kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass die Behörde dieser Vorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hat, könnte der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nur verletzt worden sein, wenn die Behörde Willkür geübt hätte.
Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 mwN, 14.848/1997, 15.241/1998 mwN, 16.287/2001, 16.640/2002).
Die belangte Behörde hat ein ausreichendes Ermittlungsverfahren durchgeführt und festgestellt, dass die Einbringung der offenen Erwerbsgesellschaft in die Kapitalgesellschaft eine Gesamtrechtsnachfolge bewirke. Die Ansicht, dass die firmenrechtliche Änderung für den Vorwurf der Doppelvertretung somit unbeachtlich sei, ist aus verfassungsrechtlicher Sicht vertretbar.
Der Beschwerdeführer wurde daher weder in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Art7 B-VG noch in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein faires Verfahren gemäß Art6 EMRK verletzt.
3.1. Der Beschwerdeführer rügt weiters eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Unversehrtheit des Eigentums, weil mit dem angefochtenen Bescheid eine Geldbuße verhängt worden sei.
3.2. Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides (vgl. Punkt II.2.2.) würde dieser das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nur verletzen, wenn die Behörde das Gesetz in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, dass dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre (vgl. zB VfSlg. 15.001/1997, 16.113/2001, 16.701/2002).
§16 Abs6 DSt 1990 räumt den Disziplinarbehörden bei der Festsetzung von Strafen ein (Auswahl-)Ermessen ein, wobei unter anderem das Ausmaß des Verschuldens Berücksichtigung finden soll. Der belangten Behörde kann aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht entgegengetreten werden, wenn sie - unter Berücksichtigung der Erschwerungsgründe, denen keine Milderungsgründe gegenüberstehen, und der beharrlichen Fortsetzung der unzulässigen Doppelvertretung trotz Verurteilung durch den Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer Burgenland im Dezember 2002 - die Geldbuße als "schuld- und tatangemessen" erachtet.
Da dem angefochtenen Bescheid keine in die Verfassungssphäre reichenden Fehler anzulasten sind, wurde der Beschwerdeführer auch nicht in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt.
4.1. Der Beschwerdeführer erachtet sich schließlich in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung gemäß Art6 StGG verletzt. Der angefochtene Bescheid impliziere, dass kein Gesellschafter einer Rechtsanwaltspartnerschaft Vertretungshandlungen in Fällen vornehmen dürfe, in denen ein anderer Gesellschafter jemals auf der Gegenseite eingeschritten sei. Die Vertretungshandlungen hätten sich nicht innerhalb derselben Erwerbsgesellschaft abgespielt, sondern seien innerhalb der Kapitalgesellschaft sowie durch einen anderen Rechtsanwalt getätigt worden.
4.2. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung wird nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes durch einen Bescheid verletzt, wenn dieser einem Staatsbürger den Antritt oder die Ausübung einer bestimmten Erwerbsbetätigung untersagt.
Dem Beschwerdeführer wurde weder der Antritt noch die Ausübung einer Erwerbsbetätigung untersagt, sondern lediglich eine Geldstrafe über ihn verhängt. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg. 7910/1976) berühren Maßnahmen, etwa die disziplinäre Behandlung wegen Verletzung von Standespflichten, nicht das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht gemäß Art6 StGG.
Der Beschwerdeführer wurde daher auch nicht in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit der Erwerbsausübung verletzt.
5. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.
Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde.
Ob der angefochtene Bescheid in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie im vorliegenden Fall - gegen die Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. zB VfSlg. 10.659/1985, 12.915/1991, 14.408/1996, 16.570/2002 und 16.795/2003).
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
6. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Rechtsanwälte, Disziplinarrecht, Ermessen, Strafe,ErwerbsausübungsfreiheitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2007:B20.2007Zuletzt aktualisiert am
30.01.2009