Entscheidungsdatum
23.01.2017Index
90/01 StraßenverkehrsordnungNorm
StVO 1960 §2 Abs1 Z12Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat durch die Richterin Dr. Clement über die Beschwerde des Herrn J R, geb. am xx, Sch, G, gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Steiermark vom 02.09.2016, GZ: VStV/916300314429/2016,
z u R e c h t e r k a n n t :
Gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (im Folgenden VwGVG) wird der Beschwerde stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG iVm § 38 VwGVG
eingestellt.
Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz (im Folgenden VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Mit dem aus dem Spruch ersichtlichen Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, er habe am 28.02.2016, um 08.40 Uhr, in G, Sch, Schutzweg Ngasse, Höhe Kreuzung Sch (Objekt Nr. 12) als Lenker des Fahrzeuges mit dem Kennzeichen X beim Einbiegen bei Grünlicht einem Fußgänger der den Schutzweg vorschriftsmäßig benützte, behindert.
Er habe dadurch die Rechtsvorschriften des § 38 Abs 4 StVO verletzt und wurde eine Geldstrafe von € 75,00 (ein Tag zehn Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) gemäß § 99 Abs 2c Z 3 StVO verhängt.
Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Beschwerde, mit welcher im Wesentlichen ausgeführt wurde, dass die Angaben der Beamten widersprüchlich seien. In der ersten Stellungnahme sei der Fußgänger zum Schutzweg gewandt gewesen, in der zweiten Stellungnahme werde durch den Beamten angegeben, dass sich der Fußgänger Richtung Schutzweg näherte. Dazu wäre auch anzuführen, dass der Beamte laut eigenen Angaben aufgrund vorbeifahrender Fahrzeuge den vermeintlichen Ort der Verwaltungsübertretung nicht durchgehend habe einsehen können. Es wäre überdies möglich gewesen den Fußgänger und den Beschwerdeführer nach der mutmaßlichen Verwaltungsübertretung anzuhalten. Aufgrund der örtlichen Gegebenheiten hätte der Beschwerdeführer den Fußgänger, wäre er vor dem Schutzweg gestanden, sehen müssen, was jedoch nicht der Fall war. Im gegenständlichen Fall liege keine Verwaltungsübertretung gemäß § 9 Abs 2 StVO vor, da der Fußgänger die Fahrbahn völlig überraschend, nicht erkennbar und vorschriftswidrig betreten habe und nicht den Schutzweg betreten habe.
Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens, insbesondere der öffentlichen mündlichen Verhandlung kann nachfolgender Sachverhalt festgestellt werden:
Am 28.02.2016, um 08.40 Uhr, bog der Beschwerdeführer mit seinem PKW BMW X1, polizeiliches Kennzeichen X vom Sch von seiner Wohnung (Sch) kommend bei Grünlicht der Verkehrssignalanlage nach rechts in die Ngasse ein. Am Beifahrersitz saß seine Ehegattin B R. Der Schutzweg über die Ngasse befindet sich nahezu in Verlängerung des Gehsteiges des Schs und ist nicht in die Ngasse wesentlich zurückversetzt. Der Beschwerdeführer konnte bei Annäherung auf dem Sch bereits den Schutzweg überblicken (siehe Lichtbildbeilage ./A). Bereits am Beginn des Einbiegemanövers befindet sich somit das Fahrzeug bereits am Schutzweg, wobei erst in diesem Zeitpunkt volle Sicht in die Ngasse gegeben ist. Dabei konnte der langsam fahrende Beschwerdeführer am Gehsteig in der Ngasse einen Fußgänger wahrnehmen, welcher sich noch nicht im Kreuzungsbereich und am Zebrastreifen befunden hat und von diesem auch noch ein Stück (etwa zwei bis fünf Meter) entfernt war.
Den Verkehrsvorgang beobachtete BI C K, welcher am Beifahrersitz des von Insp. V Ka gelenkten Dienstfahrzeuges gesessen ist. Das Dienstfahrzeug näherte sich der Kreuzung und musste aufgrund des Rotlichtes der Verkehrssignalanlage anhalten. BI C K hat einen Fußgänger nach Passieren eines entgegenkommenden Fahrzeuges am Gehsteig in der Ngasse Richtung Schutzweg schnell gehend wahrgenommen. Der Fußgänger ist auch bereits kurz auf die Fahrbahn der Ngasse getreten, jedoch nicht auf Höhe des Schutzweges und sofort wieder auf den Gehsteig zurückgestiegen. Der Beschwerdeführer fuhr langsam am Fußgänger vorbei und der Fußgänger betrat in weiterer Folge nach Erreichen des Schutzweges diesen und überquerte die Ngasse bei Grünlicht der Verkehrssignalanlage.
Beweiswürdigung:
Die getroffenen Feststellungen konnten anhand der durchaus glaubwürdigen und nachvollziehbaren Angaben des Beschwerdeführers, welche von der Zeugin B R bestätigt wurden, getroffen werden. Bereits in der Anzeige ist festgehalten, dass der Beschwerdeführer den Schutzweg in der Ngasse überfahren habe, obwohl zu diesem Zeitpunkt ein Fußgänger diesen in Richtung Osten erkennbar überqueren habe wollen. Es ist weiters in der Anzeige explizit festgehalten, dass der Fußgänger sich noch am Gehsteig befunden habe, dies wurde auch bei der Einvernahme vor dem Landesverwaltungsgericht Steiermark von den Zeugen BI K und Insp. Ka bestätigt. Der Fußgänger habe am Gehsteig vor dem Schutzweg stehen bleiben müssen, woraus sich bereits ergibt, dass der Fußgänger sich nicht am Zebrastreifen befunden hat.
Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 2 Abs 1 Z 12 StVO ist unter einem „Schutzweg“ ein durch gleichmäßige Längsstreifen (sogenannte „Zebrastreifen“) gekennzeichneter, für die Überquerung der Fahrbahn durch Fußgänger bestimmter Fahrbahnteil zu verstehen.
Gemäß § 2 Abs 1 Z 17 StVO gilt als Kreuzung eine Stelle, auf der eine Straße eine andere überschneidet oder in sie einmündet, gleichgültig in welchem Winkel.
Eine geregelte Kreuzung ist gemäß § 2 Abs 1 Z 18 StVO eine Kreuzung, auf welcher der Verkehr durch Lichtzeichen oder von Verkehrsposten durch Armzeichen geregelt wird; blinkendes gelbes Licht gilt nicht als Regelung.
Gemäß § 36 Abs 4 StVO gehen, wenn der Verkehr durch Armzeichen oder Lichtzeichen geregelt wird, diese sowohl den Straßenverkehrszeichen als auch den Bodenmarkierungen vor.
Gemäß § 38 Abs 4 StVO gilt grünes Licht als Zeichen für „Freie Fahrt“. Bei diesem Zeichen haben die Lenker von Fahrzeugen, wenn es die Verkehrslage zulässt, weiterzufahren oder einzubiegen. Beim Einbiegen dürfen die Benützer der freigegebenen Fahrstreifen sowie Fußgänger und Radfahrer, welche die Fahrbahn im Sinne der für sie geltenden Regelungen überqueren, weder gefährdet noch behindert werden.
Das Verhalten der Fußgänger ist im VIII. Abschnitt der StVO geregelt.
§ 76 StVO lautet wie folgt:
„Verhalten der Fußgänger
(1) Fußgänger haben, auch wenn sie Kinderwagen oder Rollstühle schieben oder ziehen, auf Gehsteigen oder Gehwegen zu gehen; sie dürfen nicht überraschend die Fahrbahn betreten. Sind Gehsteige oder Gehwege nicht vorhanden, so haben Fußgänger das Straßenbankett und, wenn auch dieses fehlt, den äußersten Fahrbahnrand zu benützen; hiebei haben sie auf Freilandstraßen, außer im Falle der Unzumutbarkeit, auf dem linken Straßenbankett (auf dem linken Fahrbahnrand) zu gehen. Benützer von selbstfahrenden Rollstühlen dürfen Gehsteige, Gehwege und Fußgängerzonen in Schrittgeschwindigkeit befahren.
(2) Fußgänger in Gruppen auf Gehsteigen oder Gehwegen, auf dem Straßenbankett oder am Fahrbahnrand dürfen andere Straßenbenützer weder gefährden noch behindern. Fußgänger haben, wenn es die Umstände erfordern, rechts auszuweichen und links vorzugehen.
(3) An Stellen, wo der Verkehr für Fußgänger durch besondere Lichtzeichen (§ 38 Abs. 8) geregelt ist, dürfen Fußgänger nur bei grünem Licht die Fahrbahn zum Überqueren betreten. An Stellen, wo der Verkehr sonst durch Arm- oder Lichtzeichen geregelt ist, dürfen Fußgänger die Fahrbahn nur überqueren, wenn für den Fahrzeugverkehr auf dieser Fahrbahn das Zeichen „Halt“ (§§ 37 Abs. 3 und 38 Abs. 5) gilt. Hält ein Verkehrsposten einen Arm senkrecht nach oben oder leuchtet gelbes, nicht blinkendes Licht, so dürfen Fußgänger die Fahrbahn nicht betreten. Wenn Fußgänger die Fahrbahn in Übereinstimmung mit den angeführten Arm- oder Lichtzeichen betreten haben, sich diese Zeichen jedoch ändern, während sich die Fußgänger auf der Fahrbahn befinden, so dürfen sie die Überquerung der Fahrbahn fortsetzen, bei Vorhandensein einer Schutzinsel jedoch nur bis zu dieser.
(4) An Stellen, wo der Verkehr weder durch Arm- noch durch Lichtzeichen geregelt wird, dürfen Fußgänger
a)
einen Schutzweg nicht unmittelbar vor einem herannahenden Fahrzeug und für dessen Lenker überraschend betreten,
b)
wenn ein Schutzweg nicht vorhanden ist, erst dann auf die Fahrbahn treten, wenn sie sich vergewissert haben, dass sie hiebei andere Straßenbenützer nicht gefährden.
(5) Fußgänger haben die Fahrbahn in angemessener Eile zu überqueren. Außerhalb von Schutzwegen haben sie den kürzesten Weg zu wählen; hiebei dürfen sie den Fahrzeugverkehr nicht behindern.
(6) Sind Schutzwege oder für Fußgänger bestimmte Unter- oder Überführungen vorhanden, so haben Fußgänger diese Einrichtungen zu benützen. Ist jedoch keine dieser Einrichtungen vorhanden oder mehr als 25 m entfernt, so dürfen Fußgänger im Ortsgebiet die Fahrbahn nur an Kreuzungen überqueren, es sei denn, dass die Verkehrslage ein sicheres Überqueren der Fahrbahn auch an anderen Stellen zweifellos zulässt.
(7) Fußgänger dürfen jedoch ungeachtet der Bestimmungen des Abs. 6 die Fahrbahn auf kürzestem Wege überqueren, um eine Haltestelleninsel zu erreichen oder zu verlassen, wenn der Verkehr weder durch Arm- noch durch Lichtzeichen geregelt wird.
(8) An Haltestellen öffentlicher Verkehrsmittel darf die Fahrbahn zum Einsteigen in Schienenfahrzeuge erst nach deren Einfahren in den Haltestellenbereich (§ 24 Abs. 1 lit. e), zum Einsteigen in andere Fahrzeuge erst nach deren Stillstand betreten werden.
(9) Fußgänger dürfen Schranken, Seil- oder Kettenabsperrungen nicht übersteigen, eigenmächtig öffnen oder unter diesen Einrichtungen durchschlüpfen.
(10) Mit anderen als den im Abs. 1 genannten Kleinfahrzeugen und von Lastenträgern dürfen Gehsteige, Gehwege oder Straßenbankette dann benützt werden, wenn der Fußgängerverkehr dadurch nicht übermäßig behindert wird. Jedoch dürfen Gehsteige oder Gehwege mit Schubkarren in Ortsgebieten in der Nähe von Baustellen, landwirtschaftlichen Betrieben oder Gärten in Längsrichtung befahren werden.“
Daraus ergibt sich, dass einerseits Fußgänger die Fahrbahn nicht überraschend betreten dürfen und an Stellen, wo der Verkehr für Fußgänger durch besondere Lichtzeichen geregelt ist, dürfen Fußgänger nur bei grünem Licht die Fahrbahn zum Überqueren betreten. Außerhalb von Schutzwegen haben sie den kürzesten Weg zu wählen; hiebei dürfen sie den Fahrzeugverkehr nicht behindern. Im Ortsgebiet dürfen Fußgänger die Fahrbahn nur an Kreuzungen überqueren.
Die Kreuzung Ngasse/Sch ist durch Lichtzeichen geregelt. Die Bestimmung des § 9 Abs 2 StVO verliert auf durch Lichtzeichen geregelten Kreuzungen ihre Bedeutung (siehe Pürstl, StVO13 [2011] Anm. 5 zu § 36). Als der Beschwerdeführer, für welchen die Verkehrssignalanlage grünes Licht ausstrahlte, nach rechts abgebogen ist, hat sich der Fußgänger noch nicht auf dem Schutzweg bzw. im Kreuzungsbereich befunden. Der Fußgänger hat sich zu diesem Zeitpunkt vielmehr dem Schutzweg erst am Gehsteig der Ngasse Richtung Sch gehend genähert. Dem Beschwerdeführer ist nicht vorzuwerfen eine unangemessene Fahrgeschwindigkeit eingehalten zu haben. Der Fußgänger wollte offensichtlich bereits einige Meter vor dem Schutzweg die Fahrbahn der Ngasse nicht im rechten Winkel außerhalb der gedachten Verlängerung des Gehsteiges überqueren, also außerhalb des Kreuzungsbereiches gemäß § 2 Abs 1 Z 17 StVO. Als er das einbiegende Fahrzeug des Beschwerdeführers wahrgenommen hat, ist er zu einem Zeitpunkt, als er noch nicht gefährdet oder behindert war, zurück auf den Gehsteig gestiegen. Auch wenn der schnell gehende Fußgänger den Kreuzungsbereich zu einem Zeitpunkt erreicht hat, als der Beschwerdeführer diesen mit seinem Fahrzeug noch langsam fahrend passierte, kann dem Beschwerdeführer die Verwaltungsübertretung nach § 38 Abs 4 StVO nicht angelastet werden, weil er keinen auf der Fahrbahn befindlichen Fußgänger, welcher die Fahrbahn im Sinne der für ihn geltenden Regelung (grünes Licht der Fußgängerampel) überquerte, behindert hat.
Im Unterschied zu § 9 Abs 2 StVO und dem Tatvorhalt in der Strafverfügung vom 02.05.2016, wonach der Beschwerdeführer einen Fußgänger, der erkennbar einen Schutzweg benutzen wollte, nicht das ungehinderte und ungefährdete Überqueren der Fahrbahn ermöglicht habe, erschöpft sich der Tatbestand des § 38 Abs 4 StVO im Verbot der Gefährdung oder Behinderung der Benützer der frei gegebenen Fahrstreifen sowie Fußgänger und Radfahrer, welche die Fahrbahn im Sinne der für sie geltenden Regelung überqueren. Das Überqueren der Fahrbahn ist daher Tatbestandsmerkmal der im Gegenstand vorgeworfenen Verwaltungsübertretung.
Da der Fußgänger die Fahrbahn noch nicht überquerte, hat der Beschwerdeführer diese Tat nicht verwirklicht und war spruchgemäß zu entscheiden und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.
Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Fußgänger überraschend Schutzweg betreten, Kreuzung, VerkehrssignalanlageEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGST:2017:LVwG.30.10.2597.2016Zuletzt aktualisiert am
04.09.2019