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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Toifl, über die Beschwerde des Christoph Greimel in Hartberg, vertreten durch die Erziehungsberechtigte TR in H, diese vertreten durch Dr. Franz Unterasinger, Rechtsanwalt in Graz, Radetzkystraße 8, gegen den Bescheid des Bundesministers für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten vom 24. August 1998, Zl. 1.030/35-III/A/4b/98, betreffend Berechtigung zum Aufsteigen in die nächsthöhere Klasse, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Der vorliegenden Beschwerde und der dieser angeschlossenen Bescheidausfertigung zufolge erhob der durch seine Erziehungsberechtigte vertretene Beschwerdeführer gegen die Entscheidung, er sei wegen negativer Jahresbeurteilungen in den Pflichtgegenständen Deutsch, Englisch und Mathematik zum Aufsteigen in die 3. Klasse der von ihm besuchten allgemeinbildenden höheren Schule nicht berechtigt, Berufung an den Landesschulrat von Steiermark. Die Berufungsbehörde erstellte auf der Grundlage der vorgelegten Unterlagen und der Stellungnahmen der Lehrkräfte ein pädagogisches Gutachten, das die Richtigkeit der negativen Jahresbeurteilungen bestätigte und das der Erziehungsberechtigten des Beschwerdeführers im Rahmen des Parteiengehörs am 24. Juli 1998 zur Kenntnis gebracht wurde. Im Anschluß an dieses Gespräch unterfertigte die Erziehungsberechtigte des Beschwerdeführers folgenden Amtsvermerk:
"Aufgrund der heutigen Vorsprache von Frau Th. Ropposch-Greimel wird die Berufung vom Erziehungsberechtigten zurückgezogen."
Am Nachmittag desselben Tages widerrief die Erziehungsberechtigte des Beschwerdeführers die Zurückziehung der Berufung mit der Begründung, es sei ihr mitgeteilt worden, daß die drei negativen Jahresbeurteilungen gerechtfertigt seien und die Berufung abgelehnt würde. Unter Tränen und psychischem Druck habe sie daraufhin in einer unüberlegten Kurzschlußhandlung das Formular über die Berufungsrückziehung gegen ihren Willen unterschrieben. Mit Bescheid des Landesschulrates für Steiermark vom 30. Juli 1998 wurde die Berufung abgewiesen und dargelegt, aus welchen Gründen die negativen Jahresbeurteilungen gerechtfertigt seien. Dieser Bescheid wurde aufgrund der von der Erziehungsberechtigten des Beschwerdeführers erhobenen Berufung mit Bescheid des Bundesministers für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten vom 24. August 1998 gemäß § 66 Abs. 4 AVG ersatzlos behoben und die dagegen erhobene Berufung als unzulässig zurückgewiesen. Dies im wesentlichen mit der Begründung, die Zurücknahme einer Berufung sei eine unwiderrufliche prozessuale Erklärung. Auf die Motive, die die Partei zu dieser Erklärung veranlaßt haben, käme es - abgesehen von Zwang und Drohung - nicht an; Zwang oder Drohung sei von der Erziehungsberechtigten des Beschwerdeführers nicht behauptet worden. Vielmehr spreche sie von einer "unüberlegten Kurzschlußhandlung", als sie "gegen ihren Willen" "unter Tränen und psychischem Druck" das Formular über die Zurückziehung der Berufung unterfertigt habe. Aus der Begründung für den Widerruf der Berufungsrückziehung sei erkennbar, daß die Erziehungsberechtigte des Beschwerdeführers vehement die Abänderung der negativen Jahresbeurteilungen angestrebt habe, im Verlauf des Gespräches mit der Landesschulinspektorin aber habe erkennen müssen, daß ihr Wunsch nicht erfüllt und sie ihr Ziel nicht erreichen werde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Der Beschwerdeführer bringt vor, die belangte Behörde habe es verabsäumt, sich mit den genaueren Umständen der Berufungszurückziehung auseinanderzusetzen. Sie habe die Formulierung "unter Tränen und psychischem Druck" unrichtig ausgelegt. Die Auslegung, die Mutter habe nunmehr traurig zur Kenntnis nehmen müssen, daß ihr Wunsch nach Abänderung der negativen Beurteilungen zwecklos sei, erscheine lebensfremd, vor allem, wenn man dies in der Zusammenschau mit der Formulierung "psychischer Druck" sehe. Die belangte Behörde habe auch nicht gewürdigt, daß der Widerruf der Berufungsrückziehung noch am gleichen Tag erfolgt sei und nicht näher ergründet, daß das Gespräch mit der Landesschulinspektorin nicht von der Mutter gesucht worden sei. Für den Standpunkt des Beschwerdeführers, daß keine wirksame Zurückziehung der Berufung vorliege, spreche auch, daß der Landesschulrat über die Berufung meritorisch entschieden habe.
Gemäß § 63 Abs. 4 AVG ist eine Berufung nicht mehr zulässig, wenn die Partei nach Zustellung oder Verkündung des Bescheides ausdrücklich auf die Berufung verzichtet hat.
Ob die Partei auf die Einbringung der Berufung verzichtet oder nach deren Einbringung die Berufung zurücknimmt, macht keinen Unterschied; auch der nachträgliche Verzicht auf die Berufung hat zur Folge, daß die von der Partei eingebrachte Berufung nicht mehr meritorisch erledigt werden darf. Die Annahme, eine Partei ziehe die von ihr erhobene Berufung zurück, ist allerdings nur dann zulässig, wenn die entsprechende Erklärung keinen Zweifel daran offen läßt. Maßgebend ist daher das Vorliegen einer in dieser Richtung eindeutigen Erklärung (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998) 1192 f dargestellte hg. Judikatur).
Der Beschwerdeführer bestreitet das Vorliegen einer in diesem Sinne eindeutigen Erklärung nicht. Er ist vielmehr der Auffassung, die Erklärung sei, weil in der besonderen Situation der Erziehungsberechtigten "unter Tränen und psychischem Druck" abgegeben, unwirksam.
Nun sind die Motive für die Erklärung, die Berufung zurückzuziehen, solange unerheblich, als keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, die Partei sei durch Drohung mit rechtswidrigem Verhalten zur Abgabe dieser Erklärung bestimmt worden (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 12. November 1992, Zl. 92/18/0160 mit weiteren Judikaturhinweisen). Derartige Anhaltspunkte sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich und werden auch vom Beschwerdeführer nicht vorgebracht. Insbesondere wird in der Beschwerde nicht einmal behauptet, es sei etwa im Zuge des Parteiengehörs auf seine Erziehungsberechtigte "psychischer Druck" - wie und welcher Art auch immer - ausgeübt worden, damit sie die Berufung zurückziehe. Der Umstand allgemeiner psychischer Anspannung für sich reicht für die Annahme eines zur Unwirksamkeit der Erklärung führenden Willensmangels allerdings nicht aus.
Da somit bereits aufgrund des Inhalts der vorliegenden Beschwerde zu erkennen ist, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 16. November 1998
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1Rechtsgrundsätze Verzicht Widerruf VwRallg6/3European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1998100360.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
11.03.2010