TE Bvwg Beschluss 2019/4/2 W129 2124682-3

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Veröffentlicht am 02.04.2019
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Entscheidungsdatum

02.04.2019

Norm

ABGB §1332
AVG §69
B-VG Art. 133 Abs4
GehG §12c Abs1
VwGVG §32
VwGVG §33

Spruch

W129 2124682-3/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter DDr. Markus GERHOLD als Einzelrichter über den Antrag von XXXX , vertreten durch Dr. Bertram Grass - Mag. Christoph Dorner Rechtsanwälte, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (Versäumung der zweiwöchigen Frist nach § 32 Abs 2 VwGVG betreffend Antrag auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 07.08.2017, W129 2124682-1/19E, rechtskräftig abgeschlossenen Beschwerdeverfahrens):

A)

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird gemäß § 33 VwGVG abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie vom 27.01.2016 wurde festgestellt, dass die Antragstellerin zumindest seit 15.10.2015 unentschuldigt vom Dienst abwesend ist und ihre Bezüge seither zu Recht gemäß § 12c Abs. 1 GehG eingestellt wurden.

2. Dagegen erhob die Antragstellerin Beschwerde.

3. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 07.08.2017, W129 2124682-1, wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Das erhobene Rechtsmittel der außerordentlichen Revision wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 25.10.2017, Ra 2017/12/0112, zurückgewiesen.

4. Mit Schreiben vom 28.06.2018 stellte die Antragstellerin im Wege ihrer rechtsfreundlichen Vertretung einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 69 AVG bei der belangten Behörde.

Dieser Antrag wurde mit Bescheid der Dienstbehörde vom 29.10.2018 gemäß § 69 AVG abgewiesen. Die Dienstbehörde setzte sich in diesem Bescheid inhaltlich mit dem von der Antragstellerin geltend gemachten Wiederaufnahmegrund, dem Vorliegen neu hervorgekommener Tatsachen (aufgrund eines ärztlichen Gutachtens) gemäß § 69 Abs. 1 Z 2 AVG, auseinander und gelangte zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme aus näheren Gründen nicht vorlägen.

5. Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 22.01.2019, Zl. W129 2124682-2/2E, dahingehend entschieden, dass der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 69 AVG als unzulässig zurückgewiesen werde; die Revision sei nicht zulässig. Begründend wurde ausgeführt, dass jener Bescheid der Dienstbehörde vom 27.01.2016, mit dem festgestellt wurde, dass die Bezüge der Revisionswerberin ab 15. Oktober 2015 entfielen, aufgrund des Erkenntnisses des BVwG vom 07.08.2017 seine rechtliche Existenz eingebüßt habe; § 69 AVG sei nicht anwendbar. Es wäre ausschließlich ein Antrag auf Wiederaufnahme des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gemäß § 32 VwGVG zu stellen gewesen. Aus diesem Grund sei der auf § 69 AVG gestützte und an die Dienstbehörde gerichtete Antrag zurückzuweisen gewesen.

Das erhobene Rechtsmittel der außerordentlichen Revision wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 28.02.2019, Ra 2019/12/0010-3, zurückgewiesen.

6. Mit Schreiben vom 04.02.2019 stellte die Antragstellerin im Wege ihrer rechtsfreundlichen Vertretung einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 33 VwGVG (Versäumung der zweiwöchigen Frist nach § 32 Abs 2 VwGVG betreffend Antrag auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 07.08.2017, W129 2124682-1/19E, rechtskräftig abgeschlossenen Beschwerdeverfahrens).

Zusammengefasst brachte die Antragstellerin vor, sie und ihr Rechtsvertreter hätten erst durch die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.01.2019, zugestellt am 23.01.2019, davon erfahren, dass der Wiederaufnahmeantrag nicht nach § 69 AVG bei der Verwaltungsbehörde hätte eingebracht werden sollen. Bis dahin habe die Antragstellerin davon ausgehen dürfen, dass der Antrag richtig eingebracht worden sei. Auch habe die Verwaltungsbehörde den Antrag nicht an das Bundesverwaltungsgericht weitergeleitet, sondern selbst inhaltlich entschieden. Dadurch sei sie durch ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis daran gehindert worden, den Wiederaufnahmeantrag rechtzeitig beim Bundesverwaltungsgericht einzubringen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Mit Bescheid vom 27.01.2016 der belangten Behörde wurde aufgrund des Antrages vom 12.11.2015 festgestellt, dass sie zumindest seit 15.10.2015 unentschuldigt vom Dienst abwesend ist und ihre Bezüge seither zu Recht gemäß § 12c Abs. 1 GehG eingestellt wurden.

Dagegen erhob die Antragstellerin Beschwerde.

1.2. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 07.08.2017, W129 2124682-1, wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Dagegen wurde eine außerordentliche Revision erhoben.

Diese wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 25.10.2017, Ra 2017/12/0112, zurückgewiesen.

1.3. Mit Schreiben vom 28.06.2018 stellte die Antragstellerin einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 69 AVG bei der belangten Behörde.

Das Kuvert des Antrages trägt den Poststempel vom 28.06.2018 sowie den Eingangsstempel des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie vom 03.07.2018.

Dieser Antrag wurde mit Bescheid der Dienstbehörde vom 29.10.2018 gemäß § 69 AVG abgewiesen.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.01.2019, Zl. W129 2124682-2/2E, wurde über die eingebrachte Beschwerde dahingehend entschieden, dass der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 69 AVG als unzulässig zurückgewiesen.

Das erhobene Rechtsmittel der außerordentlichen Revision wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 28.02.2019, Ra 2019/12/0010-3, zurückgewiesen.

1.4. Mit Antrag vom 04.02.2019 begehrte die Antragstellerin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der zweiwöchigen Frist nach § 32 Abs 2 VwGVG.

2. Beweiswürdigung:

Diese Feststellungen ergeben sich aus den Verwaltungsakten und sind unstrittig.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. §§ 32 und 33 VwGVG normieren:

Wiederaufnahme des Verfahrens

§ 32. (1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn

1. das Erkenntnis durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist oder

2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten, oder

3. das Erkenntnis von Vorfragen (§ 38 AVG) abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. vom zuständigen Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde oder

4. nachträglich ein Bescheid oder eine gerichtliche Entscheidung bekannt wird, der bzw. die einer Aufhebung oder Abänderung auf Antrag einer Partei nicht unterliegt und die im Verfahren des Verwaltungsgerichtes die Einwendung der entschiedenen Sache begründet hätte.

(2) Der Antrag auf Wiederaufnahme ist binnen zwei Wochen beim Verwaltungsgericht einzubringen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Erkenntnisses und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.

(3) Unter den Voraussetzungen des Abs. 1 kann die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des Abs. 1 Z 1 stattfinden.

(4) Das Verwaltungsgericht hat die Parteien des abgeschlossenen Verfahrens von der Wiederaufnahme des Verfahrens unverzüglich in Kenntnis zu setzen.

(5) Auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes sind die für seine Erkenntnisse geltenden Bestimmungen dieses Paragraphen sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse.

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

§ 33. (1) Wenn eine Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

(2) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Stellung eines Vorlageantrags ist auch dann zu bewilligen, wenn die Frist versäumt wurde, weil die anzufechtende Beschwerdevorentscheidung fälschlich ein Rechtsmittel eingeräumt und die Partei das Rechtsmittel ergriffen hat oder die Beschwerdevorentscheidung keine Belehrung zur Stellung eines Vorlageantrags, keine Frist zur Stellung eines Vorlageantrags oder die Angabe enthält, dass kein Rechtsmittel zulässig sei.

(3) Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen. In den Fällen des Abs. 2 ist der Antrag binnen zwei Wochen

1. nach Zustellung eines Bescheides oder einer gerichtlichen Entscheidung, der bzw. die das Rechtsmittel als unzulässig zurückgewiesen hat, bzw.

2. nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Stellung eines Antrags auf Vorlage Kenntnis erlangt hat,

bei der Behörde zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.

(4) Bis zur Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag die Behörde mit Bescheid zu entscheiden. § 15 Abs. 3 ist sinngemäß anzuwenden. Ab Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden. Die Behörde oder das Verwaltungsgericht kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zuerkennen.

(4a) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Stellung eines Antrags auf Ausfertigung einer Entscheidung gemäß § 29 Abs. 4 ist auch dann zu bewilligen, wenn die Frist versäumt wurde, weil auf das Erfordernis eines solchen Antrags als Voraussetzung für die Erhebung einer Revision beim Verwaltungsgerichtshof und einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof nicht hingewiesen wurde oder dabei die zur Verfügung stehende Frist nicht angeführt war. Der Antrag ist binnen zwei Wochen

1. nach Zustellung einer Entscheidung, die einen Antrag auf Ausfertigung der Entscheidung gemäß § 29 Abs. 4, eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof oder eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof als unzulässig zurückgewiesen hat, bzw.

2. nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit eines Antrags auf Ausfertigung der Entscheidung gemäß § 29 Abs. 4 Kenntnis erlangt hat,

beim Verwaltungsgericht zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen. Über den Antrag entscheidet das Verwaltungsgericht.

(5) Durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat.

(6) Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrags findet keine Wiedereinsetzung statt.

3.2. Vorbilder des § 33 VwGVG sind ausweislich der ErläutRV 2009 BlgNR 24. GP die Bestimmungen der §§ 71 und 72 AVG. Struktur und Wortlaut der Bestimmung orientieren sich weitgehend an § 46 VwGG.

Gemäß § 71 Abs. 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn:

1. die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder

2. die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält, dass kein Rechtsmittel zulässig sei.

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

3.3. Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinn des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt, d.h. die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben, wobei an berufliche rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen ist als an rechtsunkundige Personen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Verschulden des Vertreters einer Partei an der Fristversäumung dem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten (vgl. etwa VwGH 03.07.2015, Ra 2015/08/0018, mwN).

3.4. Im vorliegenden Fall wurde der Antrag auf Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung eines Wiederaufnahmeantrags gemäß § 32 VwGVG gestellt.

Die Antragstellerin beruft sich in ihrem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand darauf, dass ihr erst mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.01.2019, Zl. W129 2124682-2/2E, bewusst geworden sei, dass der Wiederaufnahmeantrag nicht bei der Behörde, sondern beim Bundesverwaltungsgericht einzubringen gewesen wäre. Auch habe die Dienstbehörde es verabsäumt, den Antrag an das Bundesverwaltungsgericht weiterzuleiten. Das stelle ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis dar.

Dieser Rechtsansicht kann aus folgenden Gründen nicht beigetreten werden:

3.5. Hat eine Partei aus Unkenntnis von der Zuständigkeit oder Behördenorganisation einen Antrag bei der falschen Behörde eingebracht, so ist die Eingabe nach § 6 AVG zwar "auf Gefahr des Einschreiters" an die zuständige Behörde weiterzuleiten, jedoch darf die Weiterleitung nicht beliebig lang hinausgezögert werden, sondern hat ohne unnötigen Aufschub zu erfolgen. Wenn auch das Risiko einer durch die Weiterleitung bewirkten Fristversäumung der Einschreiter zu tragen hat, steht es der Behörde nicht zu, dieses Risiko durch ihre Untätigkeit schlagend werden zu lassen. Wurde die Partei durch eine grundlose extreme Verzögerung der Weiterleitung ihres irrtümlich bei der unzuständigen Behörde eingebrachten Anbringens gehindert, die Frist einzuhalten, stellt das für die Fristversäumung letztlich kausale Fehlverhalten der Behörde ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis im Sinn des § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG bzw. § 46 Abs. 1 VwGG dar. Diesfalls trifft den Antragsteller an der Versäumung der Frist kein über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden. Ein Wiedereinsetzungsgrund liegt aber nur dann vor, wenn die Partei durch ein im Nachhinein bekannt gewordenes "krasses" Fehlverhalten der zur Weiterleitung verpflichteten Behörde an der Einhaltung der Frist gehindert wurde (vgl. den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 20.11.2002, Zl. 2002/08/0134, betreffend den Fall eines für die Weiterleitung offenstehenden Zeitraumes von mehr als einem Monat, sowie Hengstschläger/Leeb, AVG, § 71 Rz. 72).

3.6. Daraus ergeben sich für den gegenständlichen Antrag folgende Erwägungen:

Die Antragstellerin brachte mit Schreiben vom 28.06.2018 einen auf § 69 AVG gestützten Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens bei ihrer Dienstbehörde ein und stützte diesen Antrag auf ein ärztliches Gutachten, von dem sie am 18.06.2018 Kenntnis erlangt habe.

Das Kuvert des Antrages trägt den Poststempel vom 28.06.2018 sowie den Eingangsstempel des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie vom 03.07.2018.

Der Antrag wäre jedoch nach § 32 VwGVG binnen Frist von zwei Wochen nach Kenntnis des Wiederaufnahmegrundes, somit von Montag, 18.06.2018, an gerechnet bis spätestens Montag, 02.07.2018, beim Bundesverwaltungsgericht einzubringen gewesen.

Da der Antrag jedoch erst am 03.07.2018 bei der Dienstbehörde einlangte, hätte auch eine sofortige Weiterleitung des Antrages durch die Dienstbehörde an das Bundesverwaltungsgericht keine fristgerechte Antragstellung bewirken können. Daher kann auch die unrichtige inhaltliche Bearbeitung und Erledigung des Antrags durch die Dienstbehörde nicht als kausal für die Fristversäumnis angesehen werden.

Der von der Antragstellerin geltend gemachte Wiedereinsetzungsgrund liegt daher nicht vor.

Auch kann der Umstand, dass der Wiederaufnahmeantrag durch Irrtum der rechtsfreundlichen Vertretung der Antragstellerin bei der falschen Behörde eingebracht wurde, nicht als minderer Grad des Versehens erachtet werden, da an berufsmäßige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen ist und gerade die weitreichende und umfassend durch einschlägige wissenschaftliche Kommentare begleitete Umgestaltung der Rechtsschutzarchitektur durch die Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz besondere Aufmerksamkeit verdient (vgl. VwGH 11.08.2015, Ra 2015/10/0071).

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher spruchgemäß abzuweisen.

3.7. Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß Abs. 4 leg.cit. kann das Verwaltungsgericht, soweit das Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt, ungeachtet eines Parteienantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt.

Letzteres ist hier der Fall. Ebenso liegen im gegenständlichen Fall keine Anhaltspunkte dafür vor, dass dem Entfall einer - zudem nicht beantragten - mündlichen Verhandlung allenfalls Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) oder Art. 47 der Charta der Grundrechte der europäischen Union entgegenstehen könnten, weil im gegenständlichen Verfahren die maßgeblichen Fakten nicht bestritten waren und es im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nur um Rechtsfragen ohne besondere Komplexität ging. Im Hinblick auf das Erfordernis der Effizienz und Ökonomie konnte die Verhandlung daher entfallen (vgl. die Entscheidung des EGMR vom 13. März 2012, Nr. 13.556/07, Efferl/Österreich).

Zu Spruchpunkt B):

4.1. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

4.2. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (vgl. insbesondere VwGH 21.12.2016, Ra 2016/12/0106); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Abwesenheit vom Dienst, Antragsfristen, Bezugsentfall,
Einbringungsstelle, Fristversäumung, Irrtum, minderer Grad eines
Versehens, unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis, verspäteter
Antrag, Wiederaufnahmeantrag, Wiedereinsetzungsantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W129.2124682.3.00

Zuletzt aktualisiert am

04.09.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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