Entscheidungsdatum
18.04.2019Norm
B-VG Art. 133 Abs4Spruch
W129 2215796-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter DDr. Markus GERHOLD über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch die erziehungsberechtigte Mutter XXXX , gegen den Bescheid des Bildungsdirektors (Bildungsdirektion Niederösterreich) vom 30.01.2019, SPF-WY/1064/4-2018, zu Recht:
A)
Bei der Schülerin XXXX , geb XXXX , wird gemäß § 8 Schulpflicht-Gesetztes 1985 der sonderpädagogische Förderbedarf festgestellt.
Die Schülerin ist gemäß § 17 Abs. 4 des Schulunterrichtsgesetzes in allen Fächern nach dem Lehrplan der Allgemeinen Sonderschule zu unterrichten.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Die mj. Beschwerdeführerin absolviert im Schuljahr 2018/2019 ihr drittes Schulbesuchsjahr (Schuljahr 2016/17 - Vorschulstufe) und ist in der 2. Schulstufe.
2. Mit Bescheid vom 30.01.2019 wurde gemäß § 8 Abs. 1 Schulpflichtgesetz 1985 (SchPflG) der Antrag auf Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs für die mj. Beschwerdeführerin, Schülerin der Volksschule XXXX , abgewiesen.
Begründend wurde zusammengefasst und sinngemäß ausgeführt, dass zur Feststellung, ob ein sonderpädagogischer Förderbedarf bestehe, ein sonderpädagogisches Gutachten (Datum der Begutachtung: 14. und 21.11.2018) sowie ein schulpsychologisches Gutachten (Datum der Begutachtung: 29.11. und 03.12.2018) eingeholt worden seien. Die Gutachten seien den Erziehungsberechtigten nachweislich zur Kenntnis gebracht worden. Eine Stellungnahme sei nicht eingelangt.
Das schulpsychologische Gutachten ergebe, dass zum Untersuchungszeitpunkt keine Lernbehinderung vorliege. Die Schülerin verfüge über eine durchschnittliche kognitive Gesamtbegabung. Es würden sich zwar Schwächen im Leseverständnis und der Rechtschreibung zeigen, die Lesegeschwindigkeit erscheine jedoch schulstufenadäquat. Die Leistungen im Bereich Rechnen seien leicht unterdurchschnittlich. Die Beibehaltung der Nachmittagsbetreuung und die Teilnahme am regelmäßigen Förderunterricht erscheine sinnvoll. In Bezug auf die Auffälligkeiten im Sozialverhalten und der Regelakzeptanz bleibe abzuwarten, wie sich die Veränderungen in der Behandlung auf ihr Verhalten im Schulkontext auswirken werde.
Auf Grund der vorliegenden nachvollziehbaren und schlüssigen Gutachten und der Zusammenschau die erhobenen Beweismittel könne davon ausgegangen werden, dass für die mj. Beschwerdeführerin kein sonderpädagogischer Förderbedarf bestehe.
3. Dagegen erhob die mj. Beschwerdeführerin, vertreten durch ihre gesetzliche Vertreterin, fristgerecht eine Beschwerde und brachte sinngemäß und zusammengefasst vor: Die Ablehnung des sonderpädagogischen Förderbedarfs sei beim testenden Schulpsychologen auf die zum Überprüfungszeitpunkt angefangene Einnahme von Ritalin zurückzuführen. Zum Begutachtungszeitpunkt sei die mj. Beschwerdeführerin relativ ruhig und auch teilweise konzentriert gewesen. Da sie das Medikament nicht einnehmen habe wollen, sei dies unregelmäßig geschehen. Die Einnahme sei dann auch nach kurzer Zeit abgebrochen und nicht mehr aufgenommen worden. Es falle ihr sehr schwer, die gestellten Arbeitsaufträge, auch im Einzelsetting, zu erledigen und den Unterrichtsstoff zu bewältigen. Sie schaffe nur einen kleinen Teil der Aufgaben unter großer Mithilfe bieder in der Klasse tätigen Lehrkräfte.
Aus heutiger Sicht werde die mj. Beschwerdeführerin die Lehrplananforderungen der 2. Klasse nicht schaffen.
4. Mit Schreiben vom 05.03.2019 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vor, wo das Konvolut am 11.03.2019 einlangte.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die mj. Beschwerdeführerin absolviert im Schuljahr 2018/2019 ihr drittes Schulbesuchsjahr (Schuljahr 2016/17 - Vorschulstufe) und ist in der 2. Schulstufe.
Die mj. Beschwerdeführerin ist ein altersgemäß entwickeltes Mädchen mit deutscher Muttersprache. Sie lebt mit einer jüngeren Schwester bei ihrer alleinerziehenden Mutter in XXXX . Die Familie wird von der Kinderhilfeeinrichtung Mobilis, sowie vom Hilfswerk betreut und begleitet.
Die bisher dokumentierten Fördermaßnahmen umfassen: Absolvierung der Vorschulstufe, nach Bedarf und Möglichkeit Unterricht in Einzelbetreuung, bzw. Betreuung durch Schulbegleiterin, Vorstellung bei der Schulpsychologie, Austausch mit der Kinderpsychiaterin.
Das Konzentrationsvermögen der mj. Beschwerdeführerin ist überaus gering, sie weist Aufmerksamkeitsdefizite auf. Weiters verfügt sie über eine äußerst geringe Frustrationstoleranz. Es liegt eine Lernbehinderung vor.
Eine Förderung ist in allen Fächern notwendig.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus dem Verwaltungsakt, nämlich den eingeholten Gutachten iVm der Beschwerde.
Aus dem Bescheid ergibt sich der Inhalt der eingeholten Gutachten. Aus dem sonderpädagogischen Gutachten (Datum der Begutachtung: 14. und 21.11.2018) von Frau SOL XXXX ergibt sich: Dem Gespräch mit der Klassenlehrerin ist zu entnehmen, dass die mj. Beschwerdeführerin mit den Lerninhalten der 2. Klasse völlig überfordert sei. Ihr Konzentrationsvermögen sei sehr gering, ihr Lerntempo äußerst langsam. Sie habe eine sehr geringe Frustrationstoleranz.
Auch aus dem Ergebnis der Überprüfung ergibt sich, dass die mj. Beschwerdeführerin zwar motiviert sei, ihre Ausdauer und ihr Konzentrationsvermögen jedoch überaus gering seien. Ihr Arbeitstempo sei sehr langsam. Sie habe kaum Durchhaltevermögen bei für sie schwierigen Aufgaben. Weiters habe sie eine äußerst geringe Frustrationstoleranz, bei Überforderung reagiere die mj. Beschwerdeführerin gekränkt und gereizt.
Abschließend hält die Gutachterin fest, die mj. Beschwerdeführerin habe Entwicklungsrückstände in vielen Bereichen (sozial-emotionale Entwicklung, Arbeitsverhalten, Konzentrationsvermögen, Fein- und Graphomotorik, auditive Differenzierung...).
Auch die Ausschöpfung der Schuleingangsphase, sowie weitere umfassende schulische und außerschulische Fördermaßnahmen hätten nicht den nötigen Erfolg gebracht, um den Lehrplan der Volksschule erfüllen zu können. Die mj. Beschwerdeführerin sei mit den Lehrplaninhalten der 2. Schulstufe in allen Bereichen überfordert.
Es liege eine Lernbehinderung vor.
Um die mj. Beschwerdeführerin zu entlasten und ihr zu Lernerfolgen zu verhelfen, solle sie in allen Fächern nach dem Lehrplan der Allgemeinen Sonderschule (2. Schulstufe) unterrichtet werden.
Da die mj. Beschwerdeführerin aufgrund ihres sozial-emotionalen Entwicklungsstandes ein hohes Maß an Zuwendung, aber auch klare Grenzen benötige, wäre die Förderung in einer Kleingruppe der XXXX für mj. Beschwerdeführerin das optimale Lernsetting.
Aus dem schulpsychologischen Gutachten (Datum der Begutachtung: 29.11. und 3.12.2018) ergibt sich im Wesentlichen:
Zu den Vorbefunden findet sich:
-
Schulpsychologischer Bericht (Mag. XXXX , 12.7.2016): Knapp unterdurchschnittliche Begabung
-
Schulpsychologischer Bericht (Mag. XXXX , 29.11.2017): Leicht unterdurchschnittliche Begabung, Empfehlungen für die Klassensituation
-
Klinisch-psychologischer Befund LK XXXX (Mag. XXXX , 02.08.2018):
Durchschnittliche intellektuelle Leistungsfähigkeit, homogenes Leistungsprofil, Schwierigkeiten beim Wechsel des Aufmerksamkeitsfokus, der geteilten Aufmerksamkeit und der Impulskontrolle, Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung.
Der Stellungnahme und Empfehlung ist zu entnehmen:
Die Ergebnisse des HAWIK-IV würden zeigen, dass die mj. Beschwerdeführerin über eine durchschnittliche kognitive Gesamtbegabung verfüge. Schwächen würden im Bereich des Arbeitsgedächtnisses und dem wahrnehmungsgebundenen logischen Denken vorliegen. Gut durchschnittliche Ergebnisse erziele die mj. Beschwerdeführerin im Sprachverständnis und der Verarbeitungsgeschwindigkeit.
Hinsichtlich der Schulleistungsfertigkeiten würden sich Schwächen im Leseverständnis und der Rechtschreibung zeigen. Die Lesegeschwindigkeit erscheine schulstufenadäquat. Die Leistungen im Bereich des Rechnens seien gesamt gesehen leicht unterdurchschnittlich, wobei dies auf Schwankungen der Aufmerksamkeit zurückzuführen sei.
Aus schulpsychologischer Sicht liege bei der mj. Beschwerdeführerin zum Untersuchungszeitpunkt keine Lernbehinderung vor, die einen sonderpädagogischen Förderbedarf gemäß § 8 Abs. 1 SchuPflG begründe.
Bezüglich des schulischen Umgangs mit Schwächen im Lesen und Rechtschreiben werde auf die aktuelle Handreichung des Landesschulrates verwiesen, die auch auf der Seite der Schulpsychologie zu finden sei
(http://www.schulpsychologie.at/lernen-leistung/leserechtschreibschwaeche/handreichung/). Dabei sei die Inanspruchnahme schulischer Lernberaterinnen zu empfehlen. Die Beibehaltung der Nachmittagsbetreuung und die Teilnahme am regelmäßigen Förderunterricht würde sinnvoll erscheinen.
Die festgestellten Aufmerksamkeitsdefizite des klinisch-psychologischen Befundes (LK XXXX ) würden sich auch im Rahmen der Untersuchung bestätigen (Verhaltensbeobachtung, Fragebogenerhebung durch Kindesmutter und Klassenlehrerin). Weiters würden Auffälligkeiten im Sozialverhalten und der Regelakzeptanz beschrieben werden. Aufgrund der Veränderungen in der Behandlung (u.a. Medikation, Sozialkompetenzgruppe) bleibe abzuwarten, wie sich diese auf das Verhalten von der mj. Beschwerdeführerin im Schulkontext auswirken würden.
Im schulischen Kontext solle eine kontinuierliche Betreuung durch die Schulsozialarbeiter oder der Beratungslehrerin angedacht werden.
Dazu ist auszuführen:
Zu den beiden Gutachten ist festzuhalten, dass sowohl das sonderpädagogische Gutachten als auch das schulpsychologische Gutachten übereinstimmend erhebliche Aufmerksamkeits-/Konzentrationsdefizite aufzeigen. So geht aus dem sonderpädagogische Gutachten hervor, dass die mj. Beschwerdeführerin Entwicklungsrückstände in vielen Bereichen habe (sozial-emotionale Entwicklung, Arbeitsverhalten, Konzentrationsvermögen, Fein- und Graphomotorik, auditive Differenzierung...). Auch das schulpsychologische Gutachten führt aus, dass die festgestellten Aufmerksamkeitsdefizite des klinischen-psychologischen Befundes (LK XXXX ) sich im Rahmen der Untersuchung (Verhaltensbeobachtung, Fragenbogenerhebung durch Kindesmutter und Klassenlehrerin) bestätigt hätten. Beide Gutachten stimmen diesbezüglich überein.
Weiters findet sich findet sich im sonderpädagogischen Gutachten, dass die Frustationstoleranz äußerst gering ist. Auch aus dem Auszug des Berichtes der Klassenlehrerin im schulpsychologischen Gutachten findet sich, dass ua. eine geringe Frustationstoleranz beobachtet worden sei.
Beide unbestrittenen Gutachten gehen übereinstimmend und schlüssig und daher glaubwürdig - unter Berücksichtigung der Situation in der Klasse - von Aufmerksamkeits-/Konzentrationsdefiziten aus, und kann vom Gericht nicht erkannt werden, dass keine Behinderung vorliegt. Das Gericht geht daher von einer Lernbehinderung aus. Dies wird durch die unbedenklichen Ausführungen der Mutter in der Beschwerde untermauert.
Der Beschwerde ist nämlich zu entnehmen, die mj. Beschwerdeführerin im Überprüfungszeitpunkt des Schulpsychologen Ritalin eingenommen habe. Zum Begutachtungszeitpunkt sei die mj. Beschwerdeführerin relativ ruhig und auch teilweise konzentriert gewesen. Da die mj. Beschwerdeführerin das Medikament nicht einnehmen habe wollen, sei dies unregelmäßig geschehen. Die Einnahme sei nach kurzer Zeit abgebrochen worden und nicht mehr aufgenommen worden. Der mj. Beschwerdeführerin falle es sehr schwer, die gestellten Arbeitsaufträge, auch im Einzelsetting, zu erledigen und den Unterrichtsstoff zu bewältigen. Sie schaffe nur einen kleinen Teil der Aufgaben unter großer Mithilfe beider in der Klasse tätigen Lehrkräfte.
Im Hinblick auf die Aufmerksamkeits-/Konzentrationsdefiziten erscheint es dem Gericht schlüssig, wenn das sonderpädagogische Gutachten folgert, dass in allen Bereichen eine Förderung notwendig ist.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchpunkt A)
3.1. § 8 Schulpflichtgesetz 1985 (SchPflG):
Schulbesuch bei sonderpädagogischem Förderbedarf
§ 8. (1) Auf Antrag oder von Amts wegen hat die Bildungsdirektion mit Bescheid den sonderpädagogischen Förderbedarf für ein Kind festzustellen, sofern dieses infolge einer Behinderung dem Unterricht in der Volksschule, Hauptschule, Neuen Mittelschule oder Polytechnischen Schule ohne sonderpädagogische Förderung nicht zu folgen vermag. Unter Behinderung ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Unterricht zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. Im Zuge der Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs ist auszusprechen, welche Sonderschule für den Besuch durch das Kind in Betracht kommt oder, wenn die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten es verlangen, welche allgemeine Schule in Betracht kommt. Unter Bedachtnahme auf diese Feststellung hat die Bildungsdirektion festzulegen, ob und in welchem Ausmaß der Schüler oder die Schülerin nach dem Lehrplan der Sonderschule oder einer anderen Schulart zu unterrichten ist. Bei dieser Feststellung ist anzustreben, dass der Schüler oder die Schülerin die für ihn oder sie bestmögliche Förderung erhält.
(2) Im Rahmen der Verfahren gemäß Abs. 1 kann auf Verlangen oder mit Zustimmung der Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten das Kind, sofern es die Volksschule oder Hauptschule oder Neue Mittelschule noch nicht besucht, für höchstens fünf Monate in die Volksschule oder die Hauptschule oder die Neue Mittelschule oder eine Sonderschule der beantragten Art, sofern es die Volksschule oder die Hauptschule oder die Neue Mittelschule bereits besucht, in eine Sonderschule der beantragten Art zur Beobachtung aufgenommen werden.
(3) Sobald bei einem Kind auf die sonderpädagogische Förderung verzichtet werden kann, weil es - allenfalls trotz Weiterbestandes der Behinderung - dem Unterricht nach dem Lehrplan der betreffenden allgemeinen Schule zu folgen vermag, ist die Feststellung gemäß Abs. 1 erster Satz aufzuheben. Für den Fall, dass bei Fortbestand des sonderpädagogischen Förderbedarfs der Schüler oder die Schülerin dem Unterricht nach dem Lehrplan der betreffenden allgemeinen Schule zu folgen vermag, ist die Feststellung gemäß Abs. 1 vierter und fünfter Satz entsprechend abzuändern.
(3a) Bei körperbehinderten und sinnesbehinderten Schülern, die in eine Sekundarschule nach Erfüllung der allgemeinen Aufnahmsvoraussetzungen der jeweiligen Schulart aufgenommen werden, ist die Feststellung gemäß Abs. 1 aufzuheben. Dies gilt nicht beim Besuch einer Sonderschule.
(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 75/2013)
3.2. Bevor ein Antrag auf Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfes durch die Schule zulässig ist, müssen vorerst alle pädagogischen Möglichkeiten des allgemeinen Schulwesens (wie zum Beispiel Förderwesen, Beratung, Wiederholung von Schulstufen) voll ausgeschöpft werden (vgl. Jonak/Kövesi, Das österreichische Schulrecht, 14. Auflage, Anm. 3 zu § 8 SchPflG).
Wie aus dem Akteninhalt ersichtlich ist, wurden im Vorfeld umfangreiche Fördermaßnahmen gesetzt. Das Bundesverwaltungsgericht geht demnach davon aus, dass alle sinnvollen pädagogischen Möglichkeiten im Rahmen des allgemeinen Schulwesens voll ausgeschöpft wurden.
Im Verfahren nach § 8 Abs. 1 SchPflG ist die (zunächst) ausschlaggebende Frage, ob der Schüler infolge physischer oder psychischer Behinderung dem Unterricht in der Volks- oder Hauptschule, Neuen Mittelschule oder in der Polytechnischen Schule ohne sonderpädagogische Förderung (weiterhin) nicht zu folgen vermag (vgl. in diesem Sinne Jonak/Kövesi, Das Österreichische Schulrecht, 14. Auflage, Anm. 5a zu § 8 SchPflG).
Bei der Feststellung des Sonderpädagogischen Förderbedarfs ist die entsprechende Sachverhaltsdarstellung und Würdigung der Gutachten wichtig. Laut Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20.01.1992, Zl. 91/10/0154, ist in Ansehung der Beweiswürdigung die verwaltungsgerichtliche Prüfungsbefugnis dahingehend beschränkt, ob die Behörde den Sachverhalt genügend erhoben hat und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind.
Im vorliegenden Fall ist der Sachverhalt genügend erhoben, jedoch teilt das Gericht nicht die Erwägungen der belangten Behörde und sind diese nach Ansicht des Gerichtes nicht schlüssig:
Es stellt sich die Frage, ob eine entsprechende Behinderung bei der mj. Beschwerdeführerin vorliegt. Zunächst ist festzuhalten, dass es sich bei dem Wort "Behinderung" im § 8 Abs. 1 SchPflG nicht um einen medizinisch-diagnostischen Begriff, sondern um einen Rechtsbegriff handelt (Vgl. BVwG 11.05.2015, W128 2008793-1; BVwG 24.08.2018, W227 2201621-).
Unter Behinderung ist im Sinne des Gesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Unterricht zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Wie beweiswürdigend ausgeführt, gehen beide Gutachten übereinstimmend und glaubwürdig von Aufmerksamkeits-/Konzentrationsdefiziten aus, und kann vom Gericht nicht erkannt werden, dass keine Behinderung vorliegt. Aus der Zusammenschau der erhobenen Beweismittel iVm der Beschwerde ergeben sich für das Gericht keine Zweifel, dass eine Lernbehinderung vorliegt.
Das Gericht verkennt auch nicht, dass das schulpsychologische Gutachten zwar grundsätzlich enthält, dass aus schulpsychologischer Sicht bei der mj. Beschwerdeführerin zum Untersuchungszeitpunkt keine Lernbehinderung vorliege, die einen sonderpädagogischen Förderbedarf gemäß § 8 Abs. 1 SchuPflG begründe. Diesbezüglich ist jedoch zunächst zu berücksichtigten, dass sich auch in diesem findet, dass aufgrund der Veränderungen in der Behandlung (ua. Medikation, Sozialkompetenzgruppe) abzuwarten bleibe, wie sich diese auf das Verhalten von der mj. Beschwerdeführerin im Schulkontext auswirken werde. Nunmehr hat sich aus den unbedenklichen Angaben der Beschwerde ergeben, dass die Medikation eingestellt wurde. Weiters ist zu beachten, dass es sich beim Begriff "Behinderung" um einen Rechtsbegriff handelt. Wie bereits ausgeführt, besteht für das Gericht kein Zweifel, dass im vorliegenden Fall eine Lernbehinderung im Sinne des § 8 SchulPflG vorliegt.
Maßgeblich ist daher, ob die mj. Beschwerdeführerin auf Grund der Behinderung dem Unterricht zu folgen vermag oder nicht.
Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem sonderpädagogischen Gutachten, dass die mj. Beschwerdeführerin mit den Lehrplaninhalten der 2. Schulstufe in allen Bereichen erheblich überfordert ist. Es ist daher davon auszugehen, dass die mj. Beschwerdeführerin aufgrund ihrer Lernbehinderung dem Unterricht in der Volksschule in allen Fächern nicht ohne sonderpädagogische Förderung folgen kann. Dies wird durch die Ausführungen der Mutter in der Beschwerde bekräftigt. Aus dem sonderpädagogischen Gutachten ergibt sich, dass sie in allen Fächern nach dem Lehrplan der Allgemeinen Sonderschule (2. Schulstufe) zu unterrichten ist und eine Förderung in einer Kleingruppe der " XXXX " für die mj. Beschwerdeführerin das optimale Lernsetting ist. Dem folgt auch das Gericht. Die Voraussetzungen für die Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfes sind gemäß § 8 Abs. 1 SchPflG als gegeben anzusehen.
Ob der weitere Schulbesuch - wie im sonderpädagogischen Gutachten vorgeschlagen - in einer Kleingruppe der " XXXX ", XXXX , oder weiterhin in der Volksschule XXXX , erfolgt, war (noch) nicht Gegenstand des Verwaltungsverfahrens und ist in weiterer Folge auf Vorschlag der Mutter mit der belangten Behörde zu akkordieren.
3.3. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gem. § 24 Abs 4 VwGVG abgesehen werden, weil der entscheidungsrelevante Sachverhalt unmittelbar auf Grund des Aktes festgestellt werden konnte; die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ließe somit eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten. Dem stehen auch weder Art. 6 Abs 1 MRK noch Art. 47 GRC entgegen.
Zu Spruchpunkt B):
4.1. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
4.2. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Die hier anzuwendenden Regelungen erweisen sich als klar und eindeutig (vgl. dazu auch OGH 22.3.1992, 5 Ob 105/90; vgl. zur Unzulässigkeit der Revision bei eindeutiger Rechtslage trotz fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa VwGH 28.05.2014, Ro 2014/07/0053; 27.08.2014, Ra 2014/05/0007).
Schlagworte
Allgemeine Sonderschule, Lernbehinderung, minderjähriger Schüler,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W129.2215796.1.00Zuletzt aktualisiert am
04.09.2019