Entscheidungsdatum
17.06.2019Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W158 2196519-1/11E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Yoko KUROKI-HASENÖHRL über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH - ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX zu Recht:
A)
I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. wird als unbegründet abgewiesen.
II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und XXXX gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 Asylgesetz 2005 der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.
Gemäß § 8 Abs. 4 Asylgesetz 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte bis zum 17.06.2020 erteilt.
Der Beschwerde wird hinsichtlich den Spruchpunkten III. bis VI. des angefochtenen Bescheids stattgegeben und diese gemäß § 28 Abs. 5 VwGVG iVm § 66 Abs. 4 AVG ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
I.1. Die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF), eine Staatsangehörige Afghanistans, reiste in das Bundesgebiet ein und stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz.
I.2. Am darauffolgenden Tag wurde die BF durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Landespolizeidirektion Oberösterreich niederschriftlich erstbefragt. Befragt nach ihrem Fluchtgrund führte die BF aus, ihr Ehemann habe in Afghanistan Feinde gehabt. Die Familie sei deshalb in den Iran geflüchtet, wo sie illegal gelebt habe.
I.3. Am XXXX wurden mehrere Integrationsunterlagen vorgelegt.
I.4. Am XXXX wurde die BF von der zur Entscheidung berufenen Organwalterin des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Dari und ihres damaligen Vertreters niederschriftlich einvernommen. Die BF wurde dabei u.a. zu ihrem Gesundheitszustand, ihrer Identität, ihren Lebensumständen in Afghanistan, ihren Familienangehörigen und ihren Lebensumständen in Österreich befragt. Nach den Gründen befragt, die die BF bewogen hätten, ihre Heimat zu verlassen, gab sie an, ein Kommandant aus dem Distrikt XXXX habe um ihre Hand angehalten, was die BF abgelehnt habe. Sie habe ihren Cousin geheiratet und sei mit ihm in den Iran gegangen. Später sei ihr Vater deswegen bedroht worden und es sei ihm gesagt worden, der Kommandant werde die BF anzünden, wenn er sie in Afghanistan sehe.
I.5. Am XXXX langte beim BFA eine Stellungnahme zu den Länderinformationen ein, in der ausgeführt wird, dass diese teils widersprüchlich seien. Zudem fehlten Angaben zur Blutrache. Die Angaben der BF wären glaubhaft, zumal sie mit den Angaben ihrer Familienangehörigen und den Länderinformationen übereinstimmen würden.
I.6. Mit Bescheid vom XXXX , dem damaligen Vertreter am XXXX zugestellt, wurde der Antrag der BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen, ein Aufenthaltstitel nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gegen die BF eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass eine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).
Begründend führte das BFA aus, ihr Vorbringen und das ihres Mannes sei nicht glaubhaft sodass ihr der Status einer Asylberechtigten nicht gewährt werden könne, zumal auch keine "westliche" Orientierung festgestellt werden habe können. Eine Rückkehr in ihre Herkunftsprovinz oder nach Kabul wäre ihr möglich und zumutbar, es sei ihr daher auch kein subsidiärer Schutz zu gewähren. Gemäß § 57 AsylG sei auch eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz nicht zu erteilen, da die Voraussetzungen nicht vorlägen. Letztlich hätten auch keine Gründe festgestellt werden können, wonach bei einer Rückkehr der BF gegen Art. 8 Abs. 2 EMRK verstoßen würde, weswegen auch eine Rückkehrentscheidung zulässig sei.
I.7. Mit Verfahrensanordnung vom XXXX wurde der BF amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.
I.8. Am XXXX erhob die BF vollinhaltlich Beschwerde gegen den Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und der Verletzung von Verfahrensvorschriften. Begründend wird dazu auf das Wesentlichste zusammengefasst ausgeführt, das BFA habe bei der Frage einer möglichen Rückkehr das Kindeswohl nicht ausreichend berücksichtigt und dazu mangelhafte Feststellungen getroffen. Entgegen der Ansicht des BFA, sei auch ihre Aussage glaubhaft, zumal ihre Schilderung nachvollziehbar und detailliert sei. Darüber hinaus hätte das BFA feststellen müssen, dass die BF "westlich" orientiert sei, wie sich an ihrer Kleidung und ihrer Aussage vor dem BFA zeige. Es wurde beantragt, der BF den Status einer Asylberechtigten zuzuerkennen, in eventu ihr den Status einer subsidiär Schutzberechtigten zu gewähren, in eventu festzustellen, dass die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig sei und die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels vorliegen würden, in eventu den Bescheid zu beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens und Erlassung eines neuen Bescheids an das BFA zurückzuverweisen und eine mündliche Verhandlung durchzuführen.
I.9. Am XXXX langte die gegenständliche Beschwerde samt dem Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht ein.
I.10. Am XXXX wurden Integrationsunterlagen vorgelegt.
I.11. Am XXXX führte das Bundesverwaltungsgericht eine zur gemeinsamen Behandlung der Verfahren W158 2196513-1, W158 2196516-1, W158 2196519-1, W158 2196509-1, W158 2196435-1 und W158 2196512-1 anberaumte öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, an der die BF, ihr Gatte, die gemeinsame Rechtsvertreterin und das BFA teilnahmen. Im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung wurden die BF und ihr Gatte im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari u.a. zu ihrer Identität und Herkunft, zu den persönlichen Lebensumständen, zu ihrem Gesundheitszustand, ihren Familienangehörigen, ihren Fluchtgründen und Rückkehrbefürchtungen sowie zu ihrem Privat- und Familienleben in Österreich ausführlich befragt.
Als Beilage zur Niederschrift wurden diverse Integrationsunterlagen genommen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:
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Einsicht in den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakt des BFA betreffend die BF; insbesondere in die Befragungsprotokolle;
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Befragung der BF und ihres Gatten im Rahmen der öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am
XXXX ;
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Einsicht in die in das Verfahren eingeführten aktuellen Länderberichte zur Situation im Herkunftsstaat und die im Zuge des Verfahrens vorgelegten Unterlagen der BF;
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Einsicht in das Strafregister, das ZMR und das Grundversorgungssystem.
II.1. Sachverhaltsfeststellungen:
II.1.1. Zur BF und ihrer Situation im Falle einer Rückkehr:
Die BF führt die im Spruch angeführte Identität. Ihre Identität kann nicht festgestellt werden. Sie ist afghanische Staatsangehörige und gehört der Volksgruppe der Tadschiken und der sunnitischen Glaubensrichtung an.
Die BF ist verheiratet mit XXXX (W158 2196516-1). Mit ihm hat sie vier gemeinsame minderjährige Kinder: XXXX (W158 2196509-1), XXXX (W158 2196435-1), XXXX (W158 2196512-1) und XXXX (W158 2196513-1). Weiters lebt ihre Schwiegermutter XXXX (W204 2196371-1) im Bundesgebiet. Die Familie lebt in Österreich im gemeinsamen Haushalt.
Die BF stammt aus XXXX im Distrikt XXXX in der Provinz XXXX und lebte dort etwa bis zu ihrem sechsundzwanzigsten Lebensjahr. Danach zog sie mit ihrer Familie in den Iran, wo sie mit ihrem Mann und ihren Kindern bis zur Ausreise nach Europa lebte. Die BF besuchte keine Schule und kann in ihrer Muttersprache etwas lesen und schreiben. Sie erlernte keinen Beruf, sondern war stets als Hausfrau tätig und wurde von ihren männlichen Verwandten beziehungsweise ihrem Mann versorgt. Die BF ist mangels Berufserfahrung nicht selbsterhaltungsfähig.
Der Mann der BF besuchte sieben Jahre die Schule und verfügt über Berufserfahrung als Schweißer. Aufgrund des Umstands, dass er für die BF und die gemeinsamen Kinder alleine sorgen müsste, kann er im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan die Kosten für grundlegendste Lebensbedürfnisse für sich und seine Familie nicht abdecken.
Die Mutter, drei Schwestern und zwei Brüder der BF leben in Afghanistan in XXXX in der Provinz XXXX . Eine Schwester der BF ist verheiratet und lebt getrennt von der restlichen Familie, die gemeinsam ein Haus bewohnt. Ein Bruder der BF ist dreizehn Jahre alt, der andere Bruder ist verheiratet und versorgt durch sein Einkommen als Gelegenheitsarbeiter die Familie. Die BF ist mit ihrer Mutter in Kontakt.
In Afghanistan leben ein Onkel mütterlicherseits des Mannes des BF, die Ehefrau eines Onkels väterlicherseits, seine Schwiegermutter und eine Schwester. Die Schwester lebt in Kabul, ist verheiratet und hat sieben Kinder. Der Onkel mütterlicherseits lebt in XXXX in XXXX und ist als Bauarbeiter tätig.
Die Familienmitglieder sind nicht in der Lage die BF, ihren Mann und die gemeinsamen Kinder bei einer Ansiedlung in Afghanistan finanziell beziehungsweise organisatorisch zu unterstützen.
Die BF widersetzte sich in Afghanistan nicht einer Zwangsheirat mit einem Kommandanten der Mudschaheddin.
Von 01.04.2016 bis 24.02.2017 hat die BF einen Alphabetisierungskurs im Ausmaß von 90 Unterrichtseinheiten besucht. Von 01.03.2017 bis 31.07.2017 besuchte sie einen Kurs der Stufe A0 im Ausmaß von 40 Unterrichtseinheiten. Von 20.04.2017 bis 07.07.2017 und von 12.09.2017 bis 06.10.2017 besuchte sie zwei Kurse auf Niveau A1 - Fokus Lesen und Schreiben im Ausmaß von insgesamt 100 Unterrichtseinheiten. Von 19.02.2018 bis 29.06.2018 absolvierte sie den Basisbildungslehrgang Alphabetisierung 2 plus Deutsch Niveau A1 im Ausmaß von 110 Unterrichtseinheiten. Von 10.09.2018 bis 27.09.2018 besuchte die BF den Kurs "Deutsch A1 - Integrationskurs Anfänger Teil 1" im Ausmaß von 50 Stunden. Die BF kann auf Deutsch weder lesen noch schreiben oder sich im Alltag verständigen. Am 04.08.2017 nahm die BF an einem Werte- und Orientierungskurs des ÖIF teil. Sie hat den ersten Teil zur Workshop-Leiterin im Projekt "Protect" des Österreichischen Roten Kreuzes absolviert. Die BF geht in ihrer Freizeit spazieren, in den Schwimmkurs, einkaufen und Rad fahren. Zu ihrem Freundeskreis zählen auch Österreicherinnen. Die BF möchte als Kochgehilfin arbeiten. Sie trägt kein Kopftuch. Die BF ist für die finanziellen Belange der Familie zuständig und verwaltet das Familiengeld. Die BF und ihr Mann teilen sich die Hausarbeit und die Kindererziehung.
Die BF hat keine Lebensweise angenommen, die einen deutlichen und nachhaltigen Bruch mit den allgemein verbreiteten gesellschaftlichen Werten in Afghanistan darstellen würde. Sie ist nicht an dem in Europa mehrheitlich gelebten, allgemein als "westlich" bezeichneten Frauen und Gesellschaftsbild (selbstbestimmt leben zu wollen) orientiert.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF bei einer Rückkehr nach Afghanistan Verfolgung aufgrund von Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung droht.
Die BF, die sich um ihre Kinder kümmert, liefe bei einer Ansiedelung in Afghanistan, etwa in der Stadt Kabul oder ähnlichen sicheren Gebieten Afghanistans, mangels sozialer und familiärer Anknüpfungspunkte sowie mangels ausreichender Unterkunftsmöglichkeiten und mangels der notwendigen Versorgung ihrer minderjährigen Kinder Gefahr, grundlegende Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft für sich und ihre Familie nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose beziehungsweise existenzbedrohende Situation zu geraten. Sie verfügt über keine Schulbildung und keine Berufserfahrung, sondern war stets als Hausfrau tätig und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Beim Mann der BF ist zwar von einer grundsätzlichen Teilnahmemöglichkeit auszugehen, allerdings ist es ihm nicht möglich alleine den Lebensunterhalt für seine Familie zu verdienen und für eine entsprechende Wohnmöglichkeit zu sorgen. Es wäre der BF und ihrer Familie nicht möglich ein Leben wie andere Landsleute zu führen.
Die BF ist gesund, arbeitsfähig und strafrechtlich unbescholten.
II.1.2. Zur Situation in Afghanistan:
KI vom 26.03.2019, Anschläge in Kabul, Überflutungen und Dürre, Friedensgespräche, Präsidentschaftswahl (Abschnitt 1; relevant für Abschnitt 2/Politische Lage; Abschnitt 3/Sicherheitslage; Abschnitt 21/Grundversorgung und Wirtschaft)
Anschläge in Kabul-Stadt
Bei einem Selbstmordanschlag während des persischen Neujahres-Fests Nowruz in Kabul-Stadt kamen am 21.3.2019 sechs Menschen ums Leben und weitere 23 wurden verletzt (AJ 21.3.2019, Reuters 21.3.2019). Die Detonation erfolgte in der Nähe der Universität Kabul und des Karte Sakhi Schreins, in einer mehrheitlich von Schiiten bewohnten Gegend. Quellen zufolge wurden dafür drei Bomben platziert: eine im Waschraum einer Moschee, eine weitere hinter einem Krankenhaus und die dritte in einem Stromzähler (TDP 21.3.2019; AJ 21.3.2019). Der ISKP (Islamische Staat - Provinz Khorasan) bekannte sich zum Anschlag (Reuters 21.3.2019).
Während eines Mörserangriffs auf eine Gedenkveranstaltung für den 1995 von den Taliban getöteten Hazara-Führer Abdul Ali Mazari im überwiegend von Hazara bewohnten Kabuler Stadtteil Dasht-e Barchi kamen am 7.3.2019 elf Menschen ums Leben und 95 weitere wurden verletzt. Der ISKP bekannte sich zum Anschlag (AJ 8.3.2019).
Überflutungen und Dürre
Nach schweren Regenfällen in 14 afghanischen Provinzen kamen mindestens 63 Menschen ums Leben. In den Provinzen Farah, Kandahar, Helmand, Herat, Kapisa, Parwan, Zabul und Kabul, wurden ca. 5.000 Häuser zerstört und 7.500 beschädigt (UN OCHA 19.3.2019). Dem Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten der Vereinten Nationen (UN OCHA) zufolge waren mit Stand 19.3.2019 in der Provinz Herat die Distrikte Ghorvan, Zendejan, Pashtoon Zarghoon, Shindand, Guzarah und Baland Shahi betroffen (UN OCHA 19.3.2019). Die Überflutungen folgten einer im April 2018 begonnen Dürre, von der die Provinzen Badghis und Herat am meisten betroffen waren und von deren Folgen (z.B. Landflucht in die naheliegenden urbanen Zentren, Anm.) sie es weiterhin sind. Gemäß einer Quelle wurden in den beiden Provinzen am 13.9.2018 ca. 266.000 IDPs vertrieben: Davon zogen 84.000 Personen nach Herat-Stadt und 94.945 nach Qala-e-Naw, wo sie sich in den Randgebieten oder in Notunterkünften innerhalb der Städte ansiedelten und auf humanitäre Hilfe angewiesen sind (IFRCRCS 17.3.2019).
Friedensgespräche
Kurz nach der Friedensgesprächsrunde zwischen Taliban und Vertretern der USA in Katar Ende Jänner 2019 fand Anfang Februar in Moskau ein Treffen zwischen Taliban und bekannten afghanischen Politikern der Opposition, darunter der ehemalige Staatspräsident Hamid Karzai und mehrere "Warlords", statt (Qantara 12.2.201). Quellen zufolge wurde das Treffen von der afghanischen Diaspora in Russland organisiert. Taliban-Verhandlungsführer Sher Muhammad Abbas Stanaksai wiederholte während des Treffens schon bekannte Positionen wie die Verteidigung des "Dschihad" gegen die "US-Besatzer" und die gleichzeitige Weiterführung der Gespräche mit den USA. Des Weiteren verkündete er, dass die Taliban die Schaffung eines "islamischen Regierungssystems mit allen Afghanen" wollten, obwohl sie dennoch keine "exklusive Herrschaft" anstrebten. Auch bezeichnete er die bestehende afghanische Verfassung als "Haupthindernis für den Frieden", da sie "vom Westen aufgezwungen wurde"; Weiters forderten die Taliban die Aufhebung der Sanktionen gegen ihre Führer und die Freilassung ihrer gefangenen Kämpfer und bekannten sich zur Nichteinmischung in Angelegenheiten anderer Länder, zur Bekämpfung des Drogenhandels, zur Vermeidung ziviler Kriegsopfer und zu Frauenrechten. Diesbezüglich aber nur zu jenen, "die im Islam vorgesehen seien" (z.B. lernen, studieren und sich den Ehemann selbst auswählen). In dieser Hinsicht kritisierten sie dennoch, dass "im Namen der Frauenrechte Unmoral verbreitet und afghanische Werte untergraben würden" (Taz 6.2.2019).
Ende Februar 2019 fand eine weitere Friedensgesprächsrunde zwischen Taliban und US- Vertretern in Katar statt, bei denen die Taliban erneut den Abzug der US-Truppen aus Afghanistan forderten und betonten, die Planung von internationalen Angriffen auf afghanischem Territorium verhindern zu wollen. Letzterer Punkt führte jedoch zu Meinungsverschiedenheiten: Während die USA betonten, die Nutzung des afghanischen Territoriums durch "terroristische Gruppen" vermeiden zu wollen und in dieser Hinsicht eine Garantie der Taliban forderten, behaupteten die Taliban, es gebe keine universelle Definition von Terrorismus und weigerten sich gegen solch eine Spezifizierung. Sowohl die Taliban- als auch die US-Vertreter hielten sich gegenüber den Medien relativ bedeckt und betonten ausschließlich, dass die Friedensverhandlungen weiterhin stattfänden. Während es zu Beginn der Friedensgesprächsrunde noch Hoffnungen gab, wurde mit Voranschreiten der Verhandlungen immer klarer, dass sich eine Lösung des Konflikts als "frustrierend langsam" erweisen würde (NYT 7.3.2019).
Die afghanische Regierung war weder an den beiden Friedensgesprächen in Doha noch an dem Treffen in Moskau beteiligt (Qantara 12.2.2019; vgl. NYT 7.3.2019), was Unbehagen unter einigen Regierungsvertretern auslöste und die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Regierungen beeinträchtigte (Reuters 18.3.2019; vgl. WP 18.3.2019). Beispielsweise erklärte US-Unterstaatssekretär David Hale am 18.3.2019 die Beendigung der Kontakte zwischen US-Vertretern und dem afghanischen nationalen Sicherheitsberater Hamdullah Mohib, nachdem dieser US-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad und den Ausschluss der afghanischen Regierung aus den Friedensgesprächen öffentlich kritisiert hatte (Reuters 18.3.2019).
Verschiebung der Präsidentschaftswahl
Die Präsidentschaftswahl, welche bereits von April auf Juni 2019 verschoben worden war, soll Quellen zufolge nun am 28.9.2019 stattfinden. Grund dafür seien "zahlreiche Probleme und Herausforderungen„ welche vor dem Wahltermin gelöst werden müssten, um eine sichere und transparente Wahl sowie eine vollständige Wählerregistrierung sicherzustellen - so die unabhängige Wahlkommission (IEC) (VoA 20.3.2019; vgl. BAMF 25.3.2019).
Quellen:
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AJ - Al Jazeera (21.3.2019): Blasts in Afghan capital Kabul kill six during new year festival,
https://www.aljazeera.com/news/2019/03/blasts-afghan-capital-kabul-kill-6- year-festival-190321064823472.html. Zugriff 26.3.2019
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AJ - Al Jazeera (8.3.2019): Death toll rises to 11 in attack on Shia gathering in Kabul,
https://www.aljazeera.com/news/2019/03/death-toll-rises-11-afghan-capital-attack-shia-gathering-190308102222870.html. Zugriff 26.3.2019
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BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (25.3.2019):
Briefing Notes Afghanistan, liegen im Archiv der Staatendokumentation auf
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IFRCRCS - International Federation of Red Cross and Red Crescent Societies (17.3.2019): Emergency Appeal Afghanistan: Drought and Flash Floods,
https://reliefweb.int/report/afghanistan/afghanistan-drought-and-flash-floods
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NYT - The New York Times (7.3.2019): U.S. Peace Talks With Taliban Trip Over a Big Question: What Is Terrorism?, https://www.nytimes.com/2019/03/07/world/asia/taliban-peace-talks-afghanistan.html. Zugriff 26.3.2019
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Qantara (12.02.2019): Any deal will do, https://en.qantara.de/print/34493, Zugriff 26.3.2019
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Reuters (21.3.2019): Explosions in Afghan capital Kabul kills six during new year festival,
https://www.reuters.com/article/us-afghanistan-attack/explosions-in-afghancapital-kabul-kill-6-during-new-year-festival-idUSKCN1R20GL. Zugriff 26.3.2019
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Reuters (18.3.2019): U.S. freezes out top Afghan official in peace talks feud: sources,
https://www.reuters.com/article/us-usa-afghanistan/us-freezes-out-top-afghan-official-in-peace-talks-feud-sources-idUSKCN1 QZ2OU. Zugriff 26.3.2019
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Taz - Die Tagezeitung (6.2.2019): Auch Moskau spielt die Taliban-Karte,
https://www.taz.de/Gespraeche-zwischen-Taliban-und-Russland/i5568633/. Zugriff 26.3.2019
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TDP - The Defense Post (21.3.2019): Bomb blasts around Afghanistan capital kill 6 during Nowruz celebrations, https://thedefensepost.com/2019/03/21/afghanistankabul-bombings-nowruz/, Zugriff 26.3.2019
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UN OCHA - United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (19.3.2019): Afghanistan: Flash Floods, Update No. 7 (as of 19 March 2019),
https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/afg_flash_floods_update_7_19_mar_2019_web.pdf, Zugriff 26.3.2019
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VoA - Voice of America (20.3.2019): Afghanistan Again Postpones Presidential Election,
https://www.voanews.com/a/afghanistan-again-postpones-presidentialelection/4840141.html, Zugriff 26.3.2019
- WP - The Washington Post (18.3.2019): Afghan government, shut out
of U.S.- Taliban peace talks, running short on options,
https://www.washingtonpost.com/world/afghan-government-shut-out-of-us-taliban-peace-talks-running-short-on-options/2019/03/18/92cd6128-497d-11
e9-8cfc- 2c5d0999c21e story.html?noredirect=on&utm
term=.ffa121b12dbc, Zugriff 26.3.2019
KI vom 1.3.2019, Aktualisierung: Sicherheitslage in Afghanistan - Q4.2018 (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage)
Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle
Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil. Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum 16.8.2018 - 15.11.2018 5.854 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 5% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (63%) aus. Selbstmordanschläge gingen um 37% zurück, was möglicherweise an erfolgreichen Bekämpfungsmaßnahmen in Kabul-Stadt und Jalalabad liegt. Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Streitkräfte stiegen um 25%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten. In der Provinz Kandahar entstand die Befürchtung, die Sicherheitsbedingungen könnten sich verschlechtern, nachdem der Polizeichef der Provinz und der Leiter des National Directorate for Security (NDS) im Oktober 2018 ermordet worden waren (UNGASC 7.12.2018). Gemäß dem Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (SIGAR) fanden bis Oktober 2018 die meisten Angriffe regierungsfeindlicher Gruppierungen in den Provinzen Badghis, Farah, Faryab, Ghazni, Helmand, Kandahar, Uruzgan und Herat statt. Von Oktober bis Dezember 2018 verzeichneten Farah, Helmand und Faryab die höchste Anzahl regierungsfeindlicher Angriffe (SIGAR 30.1.2019).
Nach dem Taliban-Angriff auf Ghazni-Stadt im August 2018, bestand weiterhin die Befürchtung, dass die Taliban großangelegte Angriffe im Südosten des Landes verüben könnten. Dies war zwar nicht der Fall, dennoch setzten Talibankämpfer die afghanischen Sicherheitskräfte am Stadtrand von Ghazni, in Distrikten entlang des Highway One nach Kabul und durch die Einnahme des Distrikts Andar in Ghazni im Oktober weiterhin unter Druck. Im Westen der Provinz Ghazni, wo die ethnische Gruppierung der Hazara eine Mehrheit bildet, verschlechterten sich die Sicherheitsbedingungen wegen großangelegter Angriffe der Taliban, was im November zur Vertreibung zahlreicher Personen führte. In Folge eines weiteren Angriffs der Taliban im Distrikt Khas Uruzgan der Provinz Uruzgan im selben Monat wurden ebenfalls zahlreiche Hazara-Familien vertrieben. Des Weiteren nahmen Talibankämpfer in verschiedenen Regionen vorübergehend strategische Positionen entlang der Hauptstraßen ein und behinderten somit die Bewegungsfreiheit zwischen den betroffenen Provinzen. Beispiele dafür sind Angriffe entlang Hauptstraßen nach Kabul in den Distrikten Daymirdad und Sayyidabad in Wardak, der Route Mazar - Shirbingham und Maimana - Andkhoy in den nördlichen Provinzen Faryab, Jawzjan und Balkh und der Route Herat - Qala-e-Naw im westlichen Herat und Badghis (UNGASC 7.12.2018). Trotz verschiedener Kampfhandlungen und Bedrohungen blieben mit Stand Dezember 2018 gemäß SIGAR die Provinzzentren aller afghanischen Provinzen unter Kontrolle bzw. Einfluss der afghanischen Regierung (SIGAR 30.1.2019).
Im Laufe des Wahlregistrierungsprozesses und während der Wahl am 20. und am 21. Oktober wurden zahlreiche sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die Taliban und den Islamischen Staat - Provinz Khorasan (ISKP) beansprucht wurden (UNGASC 7.12.2018; vgl. UNAMA 10.10.2018, UNAMA 11.2018). Während der Wahl in der Provinz Kandahar, die wegen Sicherheitsbedenken auf den 27. Oktober verschoben worden war, wurden keine sicherheitsrelevanten Vorfälle registriert. Die afghanischen Sicherheitskräfte entdeckten und entschärften einige IED [Improvised Explosive Devices - Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen] in Kandahar-Stadt und den naheliegenden Distrikten (UNAMA 11.2018). Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) hatte zwischen 1.1.2018 und 30.9.2018 im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen insgesamt 366 zivile Opfer (126 Tote und 240 Verletzte) registriert (UNAMA 10.10.2018). Am offiziellen Wahltag, dem 20. Oktober, wurden 388 zivile Opfer (52 Tote und 336 Verletzte) registriert, darunter 117 Kinder (21 Tote und 96 Verletzte) und 48 Frauen (2 Tote und 46 Verletzte). Am folgenden Wahltag, dem 21. Oktober, wurden 47 weitere zivile Opfer (4 Tote und 43 Verletzte) verzeichnet, inklusive 17 Kinder (2 Tote und 15 Verletzte) und Frauen (3 Verletzte). Diese Zahlen beinhalten auch Opfer innerhalb der Afghan National Police (ANP) und der Independet Electoral Commission (IEC) (UNAMA 11.2018). Die am 20. Oktober am meisten von sicherheitsrelevanten Vorfällen betroffenen Städte waren Kunduz und Kabul. Auch wenn die Taliban in den von ihnen kontrollierten oder beeinflussten Regionen die Wählerschaft daran hinderten, am Wahlprozess teilzunehmen, konnten sie die Wahl in städtischen Gebieten dennoch nicht wesentlich beeinträchtigen (trotz der hohen Anzahl von Sicherheitsvorfällen) (UNGASC 7.12.2018).
Der ISKP ist weiterhin im Osten des Landes präsent und bekennt sich zu Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen in Nangarhar und zu sechs Angriffen in Kabul-Stadt. Des Weiteren finden in den Provinzen Nangarhar und Kunar weiterhin Kämpfe zwischen ISKP- und Talibankämpfern statt. Die internationalen Streitkräfte führten Luftangriffe gegen den ISKP in den Distrikten Deh Bala, Achin, Khogyani, Nazyan und Chaparhar der Provinz Nangarhar aus (UNGASC 7.12.2018).
Global Incident Map zufolge wurden im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) 4.436 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.
Zivile Opfer
Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) 10.993 zivile Opfer (3.804 Tote und 7.189 Verletzte), eine allgemeine Steigerung von 5% sowie eine Steigerung der Zahl der Toten um 11% gegenüber dem Vorjahreswert. 42% der zivilen Opfer (4.627 Opfer;
1.361 Tote und 3.266 Verletzte) wurden durch IED im Zuge von Anschlägen und Selbstmordanschlägen regierungsfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich ISKP) verursacht. Die Anzahl der Selbstmordanschläge unter Einsatz von IED stieg dabei um 22% und erreichte somit einen Rekordwert. Diese Art von Anschlägen verursachte 26% aller zivilen Opfer, während IED, die bei Nichtselbstmordanschlägen verwendet wurden, 16% der zivilen Opfer forderten. Kabul war mit insgesamt 1.866 Opfern (596 Tote und 1.270 Verletzte) die Provinz mit der höchsten Anzahl an Selbstmordanschlägen durch IED, während die Zahl der Opfer in Nangarhar mit insgesamt 1.815 (681 Tote und 1.134 Verletzte) zum ersten Mal fast die Werte von Kabul erreichte (hauptsächlich wegen des Einsatzes von IED bei Nichtselbstmordanschlägen). Kabul-Stadt verzeichnete insgesamt 1.686 zivile Opfer (554 Tote und 1.132 Verletzte) wegen komplexen und Selbstmordangriffen (UNAMA 24.2.2019).
Zusammenstöße am Boden (hauptsächlich zwischen regierungsfreundlichen und regierungsfeindlichen Gruppierungen) verursachten 31% der zivilen Opfer (insgesamt 3.382; davon 814 Tote und 2.568 Verletzte), was einen Rückgang um 3% im Vergleich mit dem Vorjahreswert bedeutet. Grund dafür war der Versuch regierungsfreundlicher Gruppierungen, die zivile Bevölkerung zu schonen. Die Verlagerung der Kämpfe in dünn besiedelte Gebiete, die Vorwarnung der lokalen Zivilbevölkerung bei Kampfhandlungen und die Implementierung von Strategien zum Schutz der Bevölkerung waren einige der bestimmenden Faktoren für den Rückgang bei zivilen Opfern. Jedoch ist die Opferzahl bei gezielt gegen die Zivilbevölkerung gerichteten komplexen Angriffen und Selbstmordanschlägen regierungsfeindlicher Gruppierungen gestiegen (plus 48% gegenüber 2017; 4.125 Opfer insgesamt, davon 1.404 Tote und 2.721 Verletzte). Sowohl der ISKP als auch die Taliban griffen gezielt Zivilisten an: Der ISKP war für 1.871 zivile Opfer verantwortlich, darunter waren u.a. Mitglieder der schiitischen Gemeinschaft, und die Taliban für 1.751. Obwohl die Gesamtzahl der zivilen Opfer durch gezielte Tötungen von Einzelpersonen (hauptsächlich durch Erschießung) zurückging, blieben Zivilisten inklusive religiöser Führer und Stammesältester weiterhin Ziele regierungsfeindlicher Gruppierungen. Die Gesamtzahl der durch Luftangriffe verursachten zivilen Opfer stieg im Vergleich mit dem Vorjahreswert um 61% und die Zahl der Todesopfer erreichte 82%. 9% aller zivilen Opfer wurden Luftangriffen (mehrheitlich der internationalen Luftwaffe) zugeschrieben, der höchste Wert seit 2009 (UNAMA 24.2.2019).
Regierungsfeindliche Gruppierungen waren im UNAMA-Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) für 6.980 zivile Opfer (2.243 Tote und 4.737 Verletzte) verantwortlich. Das entspricht 63% der gesamten zivilen Opfer. 37% davon werden den Taliban, 20% dem ISKP und 6% unbestimmten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben. Im Laufe des Jahres 2018 wurden vermehrt Anschläge gegen Bildungseinrichtungen verzeichnet, meist durch Talibankämpfer, da in Schulen Registrierungs- und Wahlzentren untergebracht waren. Der ISKP attackierte und bedrohte Bildungseinrichtungen als Reaktion auf militärische Operationen afghanischer und internationaler Streitkräfte. UNAMA berichtet auch über anhaltende Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen, welche Auswirkungen auf einen Großteil der zivilen Bevölkerung haben. Trotzdem die Taliban nach eigenen Angaben Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung ergriffen haben, attackierten diese weiterhin Zivilisten, zivile Einrichtungen und regierungsfreundliche Gruppierungen in Zivilgebieten (UNAMA 24.2.2019).
Ungefähr 24% der zivilen Opfer (2.612, davon 1.185 Tote und 1.427 Verletzte), werden regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben: 14% den afghanischen Sicherheitskräften, 6% den internationalen Streitkräften und 4% unbestimmten regierungsfreundlichen Gruppierungen. Die Steigerung um 4% gegenüber dem Vorjahr geht auf Luftangriffe der internationalen Streitkräfte und Fahndungsaktionen der afghanischen Sicherheitskräfte und regierungsfreundlicher Gruppierungen zurück (UNAMA 24.2.2019).
Die verbleibenden 13% der verzeichneten zivilen Opfer wurden im Kreuzfeuer während Zusammenstößen am Boden (10%), durch Beschuss aus Pakistan (1%) und durch die Explosion von Blindgängern verursacht (UNAMA 24.2.2019).
Quellen:
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BFA Staatendokumentation (20.02.2019a): kartografische Darstellung der sicherheitsrelevanten Vorfälle Jänner-Dezember 2018, liegt im Archiv der Staatendokumentation vor
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BFA Staatendokumentation (20.02.2019b): grafische Darstellung der
sicherheitsrelevanten Vorfälle Q1 bis Q4, liegt im Archiv der Staatendokumentation vor
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SIGAR - Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (30.1.2019): Quarterly Report to the United States Congress, https://www.sigar.mil/pdf/quarterlyreports/2019-01-30qr.pdf. Zugriff 20.2.2019
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UNAMA - United Nations Assistance Mission in Afghanistan (24.2.2019): Afghanistan, Protection of civilians in armed conflict, Annual report 2018,
https://unama.unmissions.org/sites/default/files/afghanistan_protection_of_civilians_annual_report_2018_final_24_feb_2019_v3.pdf.
Zugriff 25.2.2019
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UNAMA - United Nations Assistance Mission in Afghanistan (11.2018): Afghanistan, Protection of civilians in armed conflict, Special report: 2018 elections violence, https://unama.unmissions.org/sites/default/files/special_report_on_2018_elections_violence_november_2018.pdf. Zugriff 20.2.2019
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UNAMA - United Nations Assistance Mission in Afghanistan (10.10.2018): Quarterly report on the protection of civilians in armed conflict: 1 January to 30 September 2018, https://unama.unmissions.org/sites/default/files/unama_protection_of_civilians_in_armed_conflict_3rd_quarter_report_2018_10_oct.pdf.
Zugriff 20.2.2019
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UNGASC - United Nations General Assembly Security Council (7.12.2018): The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security, Report of the Secretary General, https://undocs.org/S/2018/1092. Zugriff 20.2.2019
KI vom 31.1.2019, Friedensgespräche zwischen den USA und den Taliban (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage und Abschnitt 3/Sicherheitslage)
Am Samstag dem 26.1.2019 endete die sechstägige Friedensgesprächsrunde in Doha, Katar, zwischen dem U.S.-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad und den Taliban-Vertretern (DP 28.1.2019; vgl. NYT 28.1.2019, CNN 27.1.2019, Tolonews 28.1.2019). Quellen zufolge wurde ein erster Vertragsentwurf ausgehandelt, wonach sich die Taliban dazu verpflichten würden, ausländische Terrororganisationen von Afghanistan fernzuhalten, und die USA würden im Gegenzug dazu ihren Truppenabzug aus Afghanistan innerhalb von 18 Monaten garantieren. Dieser sei jedoch an weitere Bedingungen gebunden, die noch genau besprochen werden müssen, wie die Ausrufung eines Waffenstillstands zwischen den Taliban und der afghanischen Regierung sowie die Forderung von direkten Gesprächen zwischen diesen beiden Akteuren (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019, FP 29.1.2019). Inoffiziellen Quellen zufolge wurde bei den Gesprächen u.a. die Schaffung einer Interimsregierung, in der auch die Taliban vertreten sein sollen, angedacht, was jedoch von Khalilzad dementiert wurde (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019). Die nächste Friedensgesprächsrunde wird voraussichtlich Ende Februar 2019 stattfinden (NYT 28.1.2019; FP 29.1.2019). Der afghanische Präsident Ashraf Ghani äußerte während einer Fernsehansprache am 28.1.2019 sein Unbehagen bzgl. eines voreiligen Abzugs der U.S.- Truppen aus Afghanistan und erinnerte an die dramatischen Auswirkungen des sowjetischen Abzuges Ende der 1980er Jahre, dem Anarchie und die Ermordung des ehemaligen Präsidenten Mohammad Najibullah folgten (NYT 28.1.2019). Ghani, der die Taliban mehrmals dazu aufgefordert hatte, direkt mit seiner Regierung zu verhandeln, zeigte sich des Weiteren über den Ausschluss der afghanischen Regierung aus den Friedensgesprächen besorgt (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019, IM 28.1.2019). Während sich einige Quellen hinsichtlich gründlicher Friedensgespräche und eines effizient ausgehandelten Abkommens optimistisch zeigen (Internazionale 30.1.2019; vgl. WP 30.1.2019), fürchten andere, dass ein Abzug der amerikanischen Truppen den Zusammenbruch der afghanischen Regierung wegen der Taliban und vorhersehbarer Machtkämpfe zwischen den verschiedenen lokalen Akteuren zur Folge haben könnte (DP 28.1.2019; vgl. FP 29.1.2019).
Quellen:
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CNN - Cable News Network (27.1.2019): US-Taliban peace talks in Doha a 'significant step',
https://edition.cnn.com/2019/01/27/asia/us-taliban-afghan-peacetalks-doha-intl/index.html, Zugriff 31.1.2019
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DP - Die Presse (28.1.2019): Afghanistan vor dramatischer Wende,
https://diepresse.com/home/ausland/aussenpolitik/5570225/Afghanistan-vor-
dramatischer-Wende, Zugriff 31.1.2019
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FP - Foreign Policy (29.1.2019): Will Zalmay Khalilzad Be Known as the Man Who Lost Afghanistan?,
https://foreignpolicy.com/2019/01/29/will-zalmay-khalilzad-beknown-as-the-man-who-lost-afghanistan-envoy-taliban/. Zugriff 31.1.2019
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IM - Il Messaggero (28.1.2019): Afghanistan, fonti Difesa: "Entro un anno via truppe
italiane". Moavero: "Apprendo ora". Lega: "Nessuna decisione",
https://www.ilfattoquotidiano.it/2019/01/28/afghanistan-entro-un-anno-ritiro-del-
contingente-italiano-moavero-lo-apprendo-ora-trenta-non-ne-ha-parlato-con-me/
4930395/, Zugriff 31.1.2019
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Internazionale (30.1.2019): La trattativa in Afghanistan arriva con 17 anni di ritardo,
https://www.internazionale.it/opinione/gwvnne-dver/2019/01/30/trattativa-afghanistan-
ritardo, Zugriff 31.1.2019
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NYT - The New York Times (28.1.2019): U.S. and Taliban Agree in Principle to
Peace Framework, Envoy Says,
https://www.nvtimes.com/2019/01/28/world/asia/taliban-peace-deal-afghanistan.html.
Zugriff 31.1.2019
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Tolonews (28.1.2019): US Peace Envoy Visits Kabul To Consult On Talks With Taliban,
https://www.tolonews.com/afghanistan/us-peace-envoy-visits-kabul-consulttalks-taliban, Zugriff 31.1.2019
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WP - The Washington Post (30.1.2019): The real challenge for Afghanistan isn't negotiating with the Taliban, https://www.washingtonpost.com/opinions/global-opinions/the-real-challenge-for-afghanistan-isnt-negotiating-with-the-taliban/
2019/01 /30/12229732-23ee-11 e9-ad53-824486280311 story.html?
noredirect=on&utm_term=.b049b43b3c79. Zugriff 31.1.2019
KI vom 8.1.2019, Anschlag in Kabul und Verschiebung der Präsidentschaftswahl (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage und Abschnitt 3/Sicherheitslage)
Anschlag auf Regierungsgebäude in Kabul
Am 24.12.2018 detonierte vor dem Ministerium für öffentliches Bauwesen im Osten Kabuls (PD 16) eine Autobombe; daraufhin stürmten Angreifer das nahe gelegene Gebäude des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Märtyrer und Behinderte und beschossen weitere Regierungseinrichtungen in der Umgebung (ORF 24.12.2018; vgl. ZO 24.12.2018, Tolonews 25.12.2018). Nach einem mehrstündigen Gefecht konnten afghanische Sicherheitskräfte die Angreifer besiegen. Quellen zufolge kamen ca. 43 Menschen ums Leben (AJ 25.12.2018; vgl. Tolonews 25.12.2018, NYT 24.12.2018). Bisher bekannte sich keine Gruppierung zu dem Anschlag (Tolonews 25.12.2018; vgl. AJ 25.12.2018).
Problematische Stimmenauszählung nach Parlamentswahlen und Verschiebung der Präsidentschaftswahl
Am 6.12.2018 erklärte die afghanische Wahlbeschwerdekommission (IECC) alle in der Provinz Kabul abgegebenen Stimmen für ungültig (RFE/RL 6.12.2018). Somit wurden die Stimmen von ungefähr einer Million Kabulis annulliert (Telepolis 15.12.2018; vgl. TAZ 6.12.2018). Die Gründe für die Entscheidung der IECC sind mehrere, darunter Korruption, Wahlfälschung und die mangelhafte Durchführung der Wahl durch die Unabhängige Wahlkommission (IEC) (Telepolis 15.12.2018; vgl. RFE/RL 6.12.2018). Die Entscheidung wurde von der IEC als "politisch motiviert" und "illegal" bezeichnet (Tolonews 12.12.2018). Am 8.12.2018 erklärte die IECC dann, dass sie ihre Entscheidung revidieren würde, wenn sich die IEC kooperationswillig zeige (Tolonews 8.12.2018). E