TE Bvwg Erkenntnis 2019/6/25 W187 2195599-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.06.2019
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Entscheidungsdatum

25.06.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §54 Abs1 Z1
AsylG 2005 §55 Abs2
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W187 2195599-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Hubert REISNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch Mag. Robert BITSCHE, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 3 Abs 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

II. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 8 Abs 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

III. In Erledigung der Beschwerde wird festgestellt, dass gemäß § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist und dem Beschwerdeführer gemäß § 54 Abs 1 Z 1, § 58 Abs 2 iVm § 55 Abs 1 AsylG 2005 der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste unter Umgehung der Einreisebestimmungen schlepperunterstützt in das Bundesgebiet ein, wo er am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

2. Im Rahmen seiner Erstbefragung am XXXX wurde der Beschwerdeführer im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Farsi zu seiner Identität, seiner Reiseroute und seinen Fluchtgründen einvernommen. Hier gab er an, am XXXX in Afghanistan in der Provinz Daikondi geboren zu sein, und im Iran in der Stadt XXXX gewohnt zu haben. Zu seinem Fluchtgrund führte er aus, dass er das Land aufgrund familiärer Probleme mit seiner Schwester und deren Ehemann verlassen habe. Die iranische Behörde habe ihm nicht helfen können. Da der Ehemann der Schwester auch Bekannte in Afghanistan habe, könne er auch nicht in Afghanistan bleiben. Er wolle eine bessere Zukunft für sich und seine Familie in Europa aufbauen.

3. Am XXXX wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA, belangte Behörde) im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Farsi niederschriftlich zu seinem Antrag auf internationalen Schutz einvernommen. Dabei gab er an, Hazara und schiitischer Moslem zu sein. Weiter sei bei der Protokollierung seiner Erstbefragung vom XXXX ein Fehler unterlaufen. Sein Geburtsdatum sei der XXXX und er sei in XXXX im Iran geboren. Zu seinem Fluchtgrund führte er im Wesentlichen zusammengefasst aus, dass sein Schwager (= Ehemann der Schwester) seine Schwester geschlagen habe, was seine Schwester auch zur Anzeige gebracht habe. Der Schwager sei dann verhaftet worden und habe seine Schwester gegen den Willen ihres Ehemannes die Scheidung durchsetzen können. Eines Tages habe ein gemeinsamer Freund der Familie der Schwester erzählt, dass der Schwager den gemeinsamen ältesten Sohn nach Afghanistan mitnehmen und den jüngeren Sohn verkaufen wolle. Der Beschwerdeführer habe seine Schwester daraufhin bei ihrer Flucht in die Türkei unter anderem finanziell unterstützt. Der Schwager habe die Schwester in weiterer Folge gemeinsam mit seinem Bruder und dem Vater des Beschwerdeführers in Teheran (vergeblich) gesucht. Daraufhin habe der Schwager dem Beschwerdeführer gedroht, dass er entweder ihn oder jemand anderen aus der Familie töten werde, weil sie ihm seine Rechte auf die Kinder streitig machen würden. Der Schwager sei dann ein Jahr lang wegen einer Messerstecherei in Haft gewesen. Nach seiner Entlassung habe der Beschwerdeführer einen Anruf bekommen, wonach der Schwager mit einem Messer auf dem Weg zu ihm sei. Der Beschwerdeführer habe die Familie überzeugen können, gemeinsam in die Türkei zu fliehen. Beim Versuch, die Grenze zu überqueren, seien sie von den iranischen Behörden festgenommen worden. Sie seien zwei Tage in Haft gewesen und sei der Beschwerdeführer während dieser Zeit von den iranischen Behörden geschlagen worden. Der Beschwerdeführer sei dann mit seiner Familie nach Afghanistan nach Herat abgeschoben worden. Mit dem Auto seien sie dann nach Kabul gekommen, wo der Vater einen Anruf von Verwandten aus Daikundi erhalten habe. Diese hätten mitgeteilt, dass die Familie des Schwagers bereits nach ihnen suche. Die Familie habe dann beschlossen, sich Dokumente ausstellen zu lassen und wieder in den Iran auszureisen. Mit den beschafften Dokumenten sei die Familie wieder legal in den Iran gereist und habe einige Monate beim Onkel väterlicherseits gelebt. Neun bis zehn Monate später habe der Schwager den Beschwerdeführer zufällig auf der Straße gesehen. Es sei zu einer Auseinandersetzung gekommen und habe der Schwager dem Beschwerdeführer einen Zahn ausgeschlagen. Der Schwager habe auch ein Messer in der Hand gehabt und zustechen wollen, Passanten hätten die beiden jedoch getrennt. Jemand habe dann die Polizei gerufen und beide seien mit aufs Wachzimmer genommen worden. Der Beschwerdeführer habe keine Anzeige wegen des Zahn erstattet und sei dann freigekommen. Der Beschwerdeführer habe die Familie wieder überzeugen können, das Land zu verlassen. An der türkisch-iranischen Grenze sei er von seiner Familie getrennt worden. Diese sei nach Afghanistan abgeschoben worden und nun wieder im Iran aufhältig.

4. Mit Schreiben vom XXXX langte beim BFA eine Stellungnahme des Beschwerdeführers, vertreten durch seinen Rechtsanwalt, ein. In seiner Stellungnahme verwies der Beschwerdeführer auf diverse Länderberichte zur allgemeinen Sicherheitslage in Afghanistan, insbesondere Kabul.

5. Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid vom XXXX wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sodann sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).

Für ein allfälliges Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde dem Beschwerdeführer amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.

6. Mit Schreiben vom XXXX erhob der Beschwerdeführer, unterstützt durch seinen beigezogenen Rechtsanwalt, fristgerecht vollumfängliche Beschwerde gegen den spruchgegenständlichen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts sowie Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften.

7. Die Beschwerde und der dazugehörige Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht durch das BFA zur Entscheidung vorgelegt.

8. Mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung wurden den Parteien einschlägige Länderinformationen zu Afghanistan übermittelt.

9. Am XXXX fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, im Zuge derer der Beschwerdeführer im Beisein des ausgewiesenen Rechtsvertreters und einer Dolmetscherin für die Sprache Dari vom erkennenden Richter zu seinem Antrag auf internationalen Schutz und seinen Beschwerdegründen einvernommen wurde. Die belangte Behörde verzichtete auf die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung.

Die Verhandlungsschrift lautet auszugsweise:

"[...]

Richter: Verstehen Sie die Dolmetscherin gut?

Beschwerdeführer: Ja, ich bitte Sie nur etwas lauter zu sprechen, weil ich nicht so gut höre.

Richter: Sind Sie psychisch und physisch in der Lage, der heute stattfindenden mündlichen Verhandlung zu folgen? Liegen Gründe vor, die Sie daran hindern?

Beschwerdeführer: Ich bin bereit, ich möchte Sie nur um mehrere Pausen bitten, sollte ich Kopfschmerzen bekommen, wenn ich länger spreche bekomme ich Druckschmerzen.

Richter: Nehmen Sie regelmäßig Medikamente, befinden Sie sich in medizinischer Behandlung?

Beschwerdeführer: Ich nehme keine Medikamente ein, ich muss alle sechs Monate zum Arzt wegen der Kontrolle, wegen des Ohrs.

[...]

Richter: Können Sie sich an Ihre Aussage vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erinnern? Waren diese richtig, vollständig und wahrheitsgetreu?

Beschwerdeführer: Ich habe richtige Angaben gemacht. Das Scheidungsdatum meiner Schwester habe ich irrtümlicherweise falsch angegeben, ich habe diesbezüglich ein Schreiben, eine Kopie müsste im Akt sein.

Richter: Geben Sie Ihr Geburtsdatum an. Wo sind Sie auf die Welt gekommen?

Beschwerdeführer: Ich bin am XXXX Im Iran, in der Stadt XXXX , geboren.

Richter: Welche Sprachen sprechen Sie? Können Sie diese lesen und schreiben?

Beschwerdeführer: Ich bin im Iran aufgewachsen, daher beherrsche ich das iranische Farsi gut, ich kann auch schreiben, Dari verstehe ich ein wenig. Deutsch beherrsche ich auf B2 Level, allerdings habe ich die Prüfung dazu noch nicht abgelegt.

Richter: Geben Sie Ihre Volksgruppe, Religion und Ihren Familienstand an.

Beschwerdeführer: Ich gehöre der Volksgruppe der Hazara, bin muslimischer Shiit und bin ledig.

Richter: Haben Sie Kinder?

Beschwerdeführer: Nein.

Richter: Können Sie bitte soweit wie möglich chronologisch angeben, wann und wo Sie sich im Iran aufgehalten haben.

Beschwerdeführer: Ich habe nur in der Stadt XXXX gelebt, von der Geburt bis zur Ausreise.

Richter: Wie haben Sie im Iran gewohnt?

Beschwerdeführer: Das war ein Haus, das wir gepachtet hatten, jährlich mussten wir eine Pachtsumme zahlen.

Richter: Was haben Sie im Iran gemacht, gearbeitet, gelernt oder etwas Anderes?

Beschwerdeführer: 12 Jahre habe ich dort die Schule besucht, die Schule dort abgeschlossen, ab der 10. Schulstufe muss man sich im Iran für einen Zweig entscheiden. Ich habe mich für die Bautechnik entschieden. Ich habe denn die Schule abgeschlossen. Darüber hinaus habe ich ein Jahr die Universität besucht.

Richter: Welche abgeschlossene Schulbildung haben Sie erhalten?

Beschwerdeführer: Ich habe die Grundschule abgeschlossen, die Mittelschule abgeschlossen und das Gymnasium, das ist angeschlossen an die Mittelschule.

Richter: Wo und wie leben Ihre Verwandten?

Beschwerdeführer: Meinen Sie aktuell? Sie leben illegal in XXXX .

Richter: Haben Sie Kontakt zu Ihrer Familie (Vater, Mutter, Bruder, Schwester, Onkel)?

Beschwerdeführer: Einmal in der Woche spreche ich mit ihnen.

Richter: Haben Sie in Afghanistan Verwandte oder sonstige wichtige Kontaktpersonen und wie heißen sie? Wo leben sie? Haben Sie zu ihnen Kontakt?

Beschwerdeführer: Nein, ich habe nur einen Onkel väterlicherseits, der sich ebenfalls im Iran aufhält.

Richter: Wollen Ihre Eltern und Geschwister auch nach Österreich kommen?

Beschwerdeführer: Ich weiß nicht was sie vorhaben, aber wenn mir diese Probleme nicht zugestoßen wären, hätte ich den Iran auch nicht verlassen.

Richter: Wie ist Ihr Leben derzeit in Österreich? Was machen Sie in Österreich?

Beschwerdeführer: Ich habe versucht hier von Anfang an aktiv zu sein, von der Privatschule habe ich Sprachunterricht bekommen. Ich habe mich für den Pflichtschulabschluss angemeldet und abgeschlossen. Ich habe Mitgliedschaften in verschiedenen Vereinen und helfe auch ehrenamtlich beim XXXX und bei der XXXX . Die Unterlagen kann ich gerne vorlegen.

Richter: Haben Sie Freunde in Österreich?

Beschwerdeführer: Ja, ich habe viele Freunde. Ich habe Empfehlungsschreiben von ihnen, die ich Ihnen geben kann.

Richter: Hatten Sie Probleme mit der Polizei oder einem Gericht?

Beschwerdeführer: Nein. Überhaupt nicht.

Richter: Schildern Sie den Vorfall, der zu Ihrer Flucht geführt hat!

Beschwerdeführer: Die Probleme haben 2014/2015 (1393) angefangen, ein Jahr nachdem sich meine Schwester scheiden gelassen hat. Ich habe meine Schwester natürlich unterstützt. Damit meine ich, ich habe ihr geholfen über die türkische Grenze illegal das Land zu verlassen. Ihr Ex-Ehemann namens XXXX hat davon erfahren. Er ist mehrere Male hinter unserer Haustüre gestanden. Die Male zuvor habe ich ihm gesagt, dass sich XXXX in Teheran aufhält. All das ist geschehen, bevor XXXX inhaftiert wurde. XXXX und dessen Bruder sind nach Teheran nachgereist. Dort haben sie erfahren, dass XXXX das Land verlassen hat. Der Bruder von XXXX hat ihm gesagt, dass XXXX weg ist und er nichts unternehmen kann. Mein Ex-Schwager hat oft nicht auf seinen Bruder gehört. Ich dachte mir, nachdem XXXX nicht mehr da ist, spricht XXXX nur leere Drohungen aus und setzt diese nicht in die Tat um. Ungefähr ein Jahr lang haben wir nichts über XXXX gehört. Dort ist es üblich, dass einmal in der Woche eine Gebetsrunde zusammenkommt und man in der Gemeinschaft zusammen betet. Bei solch einer Gebetsrunde habe ich erfahren, dass XXXX bei einer Auseinandersetzung mit einem Iraner eingesperrt wurde. Er hat diesen Mann mit dem Messer getroffen. Nach der Scheidung von XXXX hatten wir nicht viel Kontakt zu ihm. Die Schwägerin von XXXX , die Frau seines Bruders, hat sich immer wieder über uns erkundigt. Der Neffe von XXXX hat mich angerufen und mir mitgeteilt, dass XXXX freigelassen wurde. Wir sind übersiedelt und er hatte unsere neue Adresse nicht. Ich habe mich mit der Familie beraten und ihnen gesagt, dass ich mir sicher bin, dass er sich an mir rächen wird. Ich bin dann sofort zu meinem Onkel väterlicherseits gegangen. Zwei Tage habe ich mich bei ihm aufgehalten um das Geld zu organisieren. Damit ich über die Türkei das Land verlassen kann. XXXX hat mich vorgewarnt. Der Grenzübertritt in die Türkei war sehr schwierig, 14 Tage bin ich an der Grenze festgesessen. Ich wurde dann von den iranischen Polizisten aufgegriffen und nach Afghanistan zurückgeschoben. In Afghanistan habe ich mich zwei Tage in einem Lager in Herat aufgehalten. Ich wollte ursprünglich in die Provinz Daykundi. Ich musste nach Kabul fahren, um weiter nach Daykundi fahren zu können. Ich habe über Bekannte, deren Familienangehörige sich in Daykundi aufgehalten haben, erfahren, dass Angehörige von XXXX da waren und sich über mich erkundigt haben. Es hat sich um Angehörige von XXXX gehandelt, die gezielt nach mir gefragt haben. Ich war selbst unruhig, auch meine Mutter hat sich unwohl gefühlt, sie war in Sorge. Ich habe dann vor Ort entschieden, wieder in den Iran zurückzukehren. Ich wollte illegal weiter reisen. Meine Mutter meinte zu mir, es würde die Gefahr bestehen, wieder aus der Türkei zurückgeschoben zu werden. Ich musste mir eine Tazkira holen. Mein Geburtsjahr wurde anhand meines äußeren Erscheinungsbildes in die Tazkira eingetragen, ich wurde, glaube ich, XXXX oder älter geschätzt. Ich habe mit den Beamten diskutiert, weil ich wollte, dass mein richtiges Alter drinnen steht, der Beamte hat mir vorgeworfen, dass ich kein Afghane bin und Farsi spreche. Ich habe dann einem Vermittler 100 Dollar gegeben, er hat sich dann um die Abwicklung der Tazkira gekümmert. Ich habe mich dann um einen Reisepass gekümmert und ein Visum für den Iran. Damit mir ein Reisepass überhaupt ausgestellt wird habe ich 150 Dollar gezahlt. Danach war ich bei der iranischen Botschaft. Mir wurde dann ein Termin in drei Monaten gegeben, sie haben mir erklärt, dass das System auf Internet umgestellt wurde. Ich hatte Angst vor XXXX Angehörigen und Bekannten, daher habe ich 1.000 Dollar für eine schnelle Abwicklung binnen 10 Tagen bezahlt. So bin ich dann in den Iran zurückgekommen. Mein Flüchtlingsausweis war nicht abgelaufen, bei der ersten Abschiebung werden die Ausweise nicht eingezogen, ich hatte die Absicht entweder in Maschad oder Teheran zu leben. Ich war bei der Behörde, dort wurde mir erklärt, dass wir nicht überall leben können, sondern nur auf ein Gebiet beschränkt. Wir haben dann bei meinem Onkel väterlicherseits in XXXX gelebt, Simnan ist eine große Provinz. Wir haben dann in einer anderen Ortschaft gelebt, ohne dass andere Bekannte davon etwas erfahren haben. Wir haben uns ungefähr neune oder zehn Monate bei meinem Onkel väterlicherseits aufgehalten, wir haben darauf gewartet, dass der Pachtvertrag abläuft und wir unser Geld zurückbekommen. Ich bin meiner Arbeit nachgegangen, nachmittags ging ich arbeiten. Ich war unterwegs, in der Nähe von einer Kreuzung, wo sich auch die XXXX befindet, dort hat mich XXXX zufälligerweise gesehen. Dort ist es zu einer körperlichen Auseinandersetzung zwischen uns gekommen. Er hat mir Faustschläge versetzt. Er hat mir auch einen Zahn gebrochen/ausgeschlagen. Passanten haben die Polizei verständigt, wir wurden beide von der Polizei abgeführt. In der Dienststelle wurden wir befragt. Die Beamten haben zu mir gesagt, dass ich eine Anzeige erstatten kann. Ich habe von ein der Anzeige abgesehen, weil ich so schnell wie möglich von dort weg wollte. Ich bin dann direkt zu meinem Onkel väterlicherseits, wo sich auch meine Familie befand, gegangen. Ich habe dann entschieden den Iran zu verlassen, und zwar über die Türkei. Die gesamte Familie hat entschieden weg zu gehen, ich bin vorgereist. Der Schlepper hat uns getrennt. Er meinte junge Männer fahren zuerst und die Familien dann hinterher. Beim Grenzübertritt wurde geschossen, die Menschen sind in verschiedene Richtungen gelaufen. Dort habe ich dann meine Angehörigen verloren, ich bin mit anderen Männern weitergelaufen. Ich bin dann in der Türkei angekommen, anfänglich wollte ich dort bleiben. Damals ging es mir psychisch sehr schlecht. Auf der Flucht habe ich einige Freunde kennen gelernt, sie haben mich motiviert, mit ihnen weiter zu reisen, sie hatten ein Reiseziel, sie wollten nach Finnland. Sie meinten, Bleib einfach mit uns zusammen. Wir sind dann in Deutschland in Rostock angekommen. Mein Onkel väterlicherseits hat mich dort angerufen, er hat mir mitgeteilt, dass meine Familie aufgegriffen und nach Afghanistan zurückgeschoben wurde. Ich bin dann mit meinen Freunden weiter nach Schweden gereist, dort wurde uns mitgeteilt, dass wir nicht weiter reisen dürfen. Ich habe dann zu meinen Freunden gesagt, dass ich mich von ihnen trennen werde, sie können natürlich weiter nach Finnland reisen. Ich möchte zurück nach Österreich. Weil die umgangswiese dort anders ist, ich wurde gut behandelt. Ich wurde dann in Deutschland, in München aufgegriffen. Ich habe dort bekannt gegeben, dass ich weiter nach Österreich will. In München war ich einige Stunden im Gefängnis eingesperrt, ich habe dann in Salzburg einen Asylantrag gestellt.

Richter: Hat sich auch Ihr Vater an der Suche nach Ihrer Schwester in Teheran beteiligt?

Beschwerdeführer: XXXX hat damals meinem Vater nichts gesagt, sie hat mir mitgeteilt, dass XXXX die Absicht hat, die Kinder an sich zu reißen. Im Iran gibt es ein Gesetz, dass nach dem 7. Lebensjahr der Vater ohne Begründung die Kinder zu sich nehmen darf. XXXX wusste auch, dass XXXX die Absicht hat, die Kinder nach Afghanistan zu bringen und das jüngste Kind dort zu verkaufen. Als XXXX das erfahren hat, hat sie mir das auch so mitgeteilt. Sie hat meinem Vater nichts mitgeteilt, weil er sich den islamischen Gesetzten, die es dort gibt immer gebeugt hat, und das Gesetz dort besagt, dass die Kinder ab dem 7. Lebensjahr dem Vater zugesprochen werden. Mein Vater hat auch nicht geglaubt, dass XXXX das Land verlassen hat. Mein Vater ist mit ihnen nach Teheran gefahren.

Richter: Wie stehen Sie zu Ihrem Vater, auch angesichts seiner konservativen, religiös beeinflussten Haltung?

Beschwerdeführer: Mein Vater hat die religiösen Regeln befolgt, ich habe sehr vorsichtig nachgefragt und habe festgestellt, dass er alles so akzeptiert. Ich habe das gemacht, was ich für richtig gehalten habe und nicht das was dort allgemein erwünscht ist. Ich hatte nie eine freundschaftliche Beziehung zu meinem Vater. Sein Wort hat nur gegolten, das war immer das letzte Wort, das gesprochen wurde, wir mussten nicken und zustimmen.

Richter: XXXX , war angeblich drogensüchtig. Welche Drogen hat er denn genommen und wie schwer war er davon abhängig? Wie sehr hat das sein Verhalten beeinflusst?

Beschwerdeführer: Ich weiß, dass er Marihuana konsumiert hat, aber auch andere härtere Drogen. Dort bezeichnet man das als Puder (D: Gemeint ist Heroin). Jedes Mal wenn er Drogen konsumiert hat wurde er gewalttätig meiner Schwester gegenüber. Sie versuchte natürlich ihn davon abzuhalten, es ist auch vorgekommen, dass ich zum Schlichten bestellt wurde. Er war auch zweimal in einer Entzugsklinik allerdings ohne Erfolg. Zumindest hat er angegeben, dass er versuchen wird die Drogen aufzugeben.

Richter: Hat er bereits zum Zeitpunkt der Hochzeit Ihrer Schwester derartig Drogen konsumiert?

Beschwerdeführer: Mein Vater kannte nur den Bruder von XXXX und der war religiös, jeder kannte ihn in XXXX . Er hat auf seinen Bruder vertraut und hat somit seine Tochter, die XXXX , verheiratet. XXXX war ca. XXXX oder XXXX Jahre alt bei der Heirat, ich war ungefähr

XXXX .

Richter: Wenn ich sie richtig verstanden habe, dann war es Ihnen im Iran nicht möglich in eine andere Stadt zu übersiedeln um XXXX zu entkommen. Stimmt das?

Beschwerdeführer: Ja.

Richter: Wenn ich Sie richtig verstanden habe, sind Sie zwar afghanischer Staatsbürger, haben aber keine persönlichen Beziehungen nach Afghanistan?

Beschwerdeführer: Ja, das ist richtig.

Richter: Nach Ihrer Abschiebung vom Iran nach Afghanistan, wollten Sie in die Provinz Daykundi. Welchen Bezug haben Sie zu dieser Provinz?

Beschwerdeführer: Meine Eltern sind ursprünglich aus dieser Provinz. Mein Vater hat bekannte, gute Freunde, die auch derselben Politischen Bewegung wie er angehört haben, nämlich XXXX . Drei Monate vor meiner Abschiebung ist meine Großmutter mütterlicherseits in Daykundi verstorben, meine Eltern konnten nicht zu ihrer Beerdigung in die Heimat zurückkehren.

Richter: Hat XXXX Sie persönlich angegriffen?

Beschwerdeführer: Ja, auf der Straße in der Nähe der Bibliothek hat er mir einen Zahn ausgeschlagen.

Richter: Ist die Gewalttätigkeit von XXXX ausgegangen, oder ist es im Zuge eines Wortwechsels zu einem Handgemenge gekommen?

Beschwerdeführer: XXXX ist auf mich zugekommen, und ohne ein einziges Wort mit mir zu wechseln hat er auf mich losgeschlagen. Er hat mir um genauer zu sein einen Faustschlag auf meinen Kiefer versetzt. Ich habe mich natürlich verteidigt, es hat sich dann eine Menschen-mange angesammelt. Er hat auch vor Zeugen gesagt, dass er mich töten wird.

Richter: Hatten Sie den Eindruck, dass XXXX bei diesem Vorfall unter dem Einfluss von Drogen gestanden ist?

Beschwerdeführer: Das weiß ich nicht. Er ist auf mich zugekommen und hat sofort losgeschlagen, ich hatte ihn zwei oder drei Jahre nicht gesehen.

Richter: Haben Sie den Eindruck, dass Ihnen iranische Sicherheitskräfte Schutz vor solchen Angriffen bieten können?

Beschwerdeführer: Ich war einige Male bei der Sicherheitsbehörde, dort wurde mir erklärt, dass sie nichts unternehmen können, bis etwas passiert. Ichkönnte mich an das Gericht wenden. Mir wurde auch gesagt, wenn ich eine Anzeige erstatte, kann ich höchstens, wenn ich irgendwo XXXX sehe die Behörde kontaktieren. Dann würde die Polizei ihn befragen, ob er etwas vorhat. Die Beamten haben zu mir gesagt, dass diese Angelegenheit zwischen zwei Eheleuten ist, zwischen XXXX und meiner Schwester, allerdings wollten sie nicht verstehen, dass er seine Wut auch an mir auslassen wollte.

Richter: Haben Sie den Eindruck, dass Ihnen afghanische Sicherheitskräfte Schutz vor solchen Angriffen bieten könnten?

Beschwerdeführer: Ich glaube nicht, dass mir irgendwer in Afghanistan Schutz bieten kann, dort funktioniert alles nur mit Beziehungen. Für wenige hunderte Dollar kann man Menschen finden, die andere Menschen töten.

Richter: Schildern Sie bitte nochmals die Gründe Ihrer Beschwerde!

Beschwerdeführer: Ich möchte hier bleiben und hier leben. Ich kann weder in Afghanistan noch im Iran leben. Mein Aufenthaltsausweis wurde mir im Iran entzogen. Ich bin ein Flüchtling auf der Suche nach einem Zuhause, irgendwo wo ich leben kann.

Richter: Was würde passieren, wenn Sie jetzt nach Afghanistan ausreisen müssten?

Beschwerdeführer: Ich kenne niemanden in Afghanistan. Ich muss irgendwie überleben. Ich muss mich Menschen anschließen, die vermutlich stehlen und überfallen um zu überleben. Ich muss mich vor XXXX Familie schützen, das heißt ein unmenschliches Leben führen.

Beschwerdeführervertreter: Bei dem Vorfall mit XXXX und dem Zahn, war da auch ein Messer im Spiel?

Beschwerdeführer: Er hatte ein Messer bei sich, er hat mir einen Faustschlag versetzt, ich habe das Messer gesehen, er wollte nach dem Messer greifen, ich konnte ihn aber davon abhalten.

Beschwerdeführervertreter: Wo XXXX derzeit ist, wissen Sie nicht?

Beschwerdeführer: Ich weiß nicht wo er sich aktuell aufhält, weil er zwischen Afghanistan und dem Iran hin und her pendelt, als ich geflüchtet bin hat er sich im Iran aufgehalten.

Richter: Wovon lebt dieser XXXX ?

Beschwerdeführer: Er hat damals, als er noch mit meiner Schwester verheiratet war in einer Hühnerfarm gearbeitet, wie er sein Geld danach verdiente weiß ich nicht. Wir wissen nicht, was er gemacht hat, mein Onkel väterlicherseits meinte, dass er länger nichts von ihm gehört hat.

[...]

Richter: Haben Sie die Dolmetscherin gut verstanden?

Beschwerdeführer: Ja."

Die Rechtvertretung des Beschwerdeführers legte im Rahmen der mündlichen Verhandlung ein Konvolut von Nachweisen betreffend die Integration des Beschwerdeführers, sowie Empfehlungsschreiben und einen arbeitsrechtlichen Vorvertrag vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakt des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl und den gegenständlichen Verfahrensakt betreffend den Beschwerdeführer, insbesondere durch Einsicht in die vorgelegten Dokumente und Integrationsunterlagen, sowie durch Durchführung einer mündlichen Verhandlung und durch Einsichtnahme in die ins Verfahren eingeführten Länderberichte.

1. Feststellungen

1.1 Zur Person des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer führt den im Spruch angeführten Namen, ist volljährig und afghanischer Staatsangehöriger. Seine Identität steht nicht fest. Er gehört der Volksgruppe der Hazara an und bekennt sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam. Seine Muttersprache ist Farsi, er versteht aber auch Dari. Er kann diese Sprache lesen und schreiben. Der Beschwerdeführer ist ledig und kinderlos.

Der Beschwerdeführer wurde im Iran in XXXX geboren und lebte dort bis zu seiner Ausreise im Herbst 2015 gemeinsam mit seinen Eltern, zwei Brüdern und zwei Schwestern im afghanischen Familienverband. Eine weitere Schwester des Beschwerdeführers hält sich mittlerweile in den USA auf. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer und seine Familie im Jahr 2014 nach Afghanistan abgeschoben wurden.

Der Beschwerdeführer besuchte in XXXX zwölf Jahre die Schule, wobei er die Grundschule, die Mittelschule und ein Gymnasium abschloss, und studierte anschließend ein Jahr lang auf der Universität. Zudem arbeitete er zwischendurch ab seinem 15. Lebensjahr als Bauarbeiter.

Die Familie des Beschwerdeführers lebt derzeit in XXXX , Iran. Der Beschwerdeführer hat regelmäßig Kontakt mit seiner Familie. Auch der Onkel väterlicherseits des Beschwerdeführers lebt im Iran. In Afghanistan hat der Beschwerdeführer keine Verwandten.

1.2 Zu seinen Fluchtgründen und der Rückkehr nach Afghanistan

Der Beschwerdeführer stellte am XXXX gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz und begründete diesen mit einer Verfolgung durch seinen Schwager, der Blutrache an ihm üben wolle, der allgemeinen Sicherheitslage in Afghanistan, einer etwaigen Verfolgung durch die Taliban wegen seiner Zugehörigkeit zur Minderheit der schiitischen Hazara sowie mit Verfolgung aufgrund seiner westlichen Orientierung.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Überzeugung persönlich bedroht oder verfolgt wurde oder eine Verfolgung im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan zu befürchten hätte.

Insbesondere kann nicht festgestellt werden, dass der Schwager des Beschwerdeführers an diesem Blutrache üben will und dem Beschwerdeführer aus diesem Grund asylrelevante Verfolgung droht. Dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan Übergriffen durch den Schwager oder dessen Familie ausgesetzt wäre, ist daher nicht zu erwarten.

Dass dem Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat Zwangsrekrutierung oder Übergriffe durch die Taliban oder sonstige Akteure wegen seiner Volksgruppen- oder Religionszugehörigkeit drohen, ist nicht zu erwarten.

Es kann weiter nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan infolge seines Aufenthalts in Europa als "verwestlicht" wahrgenommen und ihm deshalb eine Verfolgung aufgrund einer ihm unterstellen politischen Gesinnung drohen würde.

1.3 Zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich

Der Beschwerdeführer hält sich seit November 2015 durchgehend in Österreich auf. Seit Februar 2016 lebt der Beschwerdeführer in einem Flüchtlingsquartier in XXXX und ist in seiner Hausgemeinschaft bestens integriert. Von seiner Betreuerin wird er als engagierter junger Mensch beschrieben, der sich gerne ehrenamtlich engagiert und bei integrativen Aktivitäten teilnimmt. Bei Veranstaltungen kocht er gerne und hilft anderen Asylwerbern bei Behördenwegen als Übersetzer. Auch bei Arztbesuchen wurde er immer wieder als Dolmetscher eingesetzt. Die Heimleitung des Flüchtlingsheims XXXX beschreibt den Beschwerdeführer übereinstimmend als stets bemüht und freundlich und bedankt sich für seine unverzichtbare Unterstützung.

Der Beschwerdeführer bezieht Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung und ist nicht erwerbstätig. Er nahm zunächst an zahlreichen Bildungsangeboten der XXXX sowie der XXXX teil und besuchte ab September 2017 einen Vorbereitungskurs der XXXX zum Pflichtschulabschluss. Im Februar 2019 absolvierte der Beschwerdeführer erfolgreich die Pflichtschulabschluss-Prüfung. Von XXXX bis XXXX absolvierte der Beschwerdeführer ein Schnupperpraktikum bei der XXXX . Im März 2019 schloss er mit der Firma XXXX , mit dem sich die genannte Firma verpflichtet, den Beschwerdeführer in ihrem Betrieb zu beschäftigen, sobald dieser über einen Aufenthaltstitel in Österreich und Zugang zum Arbeitsmarkt verfügt.

Der Beschwerdeführer engagiert sich bei einer Vielzahl von Organisationen und Vereinen ehrenamtlich: So erbringt er seit 2016 regelmäßig gemeinnützige Tätigkeiten für die Marktgemeinde XXXX bei diversen Veranstaltungen und unterstützt Anrainer der Gemeinde im Rahmen des Vereins " XXXX " unentgeltlich bei Tätigkeiten wie Schneeräumen, beim Ausräumen einer Garage oder beim Tragen von Holz in den Keller und war auch als Schullotse tätig. Weiter arbeitete er 2016 und 2017 für das soziale Projekt " XXXX " und leistet Freiwilligenarbeit in der XXXX , wo er sich unter anderem seit März 2018 im Wohnhaus XXXX und seit Jänner 2019 im Wohnhaus XXXX sozial engagiert und Menschen mit Behinderungen unterstützt. Auch für das Amt der XXXX Landesregierung leistete er im Frühjahr 2017 gemeinnützige Arbeiten als Aushilfsarbeiter im XXXX . Seit XXXX ist er freiwilliges Mitglied des XXXX und arbeitet bei der Einsammlung von Lebensmitteln mit. Von den jeweiligen Organisationen wird der Beschwerdeführer stets als wertvolle Hilfe, überaus ordentlich und verlässlich beschrieben. Für die Bücherei XXXX war er als Übersetzer tätig.

Er verfügt im Bundesstaat über zahlreiche soziale Kontakte, hat viele österreichische Freunde und ist bereits sehr gut in die österreichische Gesellschaft integriert. Durch die Teilnahme bei einem Integrationsstammtisch, wo er mit seinen Kochkünsten beeindruckt und andere Teilnehmer beim Erlernen der deutschen Sprache unterstützt, hat er vielzählige Freundschaften geschlossen. Der Beschwerdeführer hat in Österreich mehrere Deutschkurse besucht. Im Mai 2017 absolvierte er die ÖSD-Prüfung auf dem Niveau B1 und bereitet sich derzeit auf die B2-Prüfung vor. Seine Deutschlehrer beschreiben ihn in zahlreichen Unterstützungsschreiben als ausdauernd, höflich, hilfsbereit und sehr um die richtige Ausdrucksweise bemüht. Er erscheint stets pünktlich zu den vereinbarten Terminen und nimmt regelmäßig am Unterricht teil. Dabei zeigt er viel Ehrgeiz und Motivation, beim Spracherwerb voranzukommen.

Unter Berücksichtigung der Persönlichkeitskonstellation des Beschwerdeführers, dessen Lebens- und Ausbildungsverlaufs seit seiner Einreise und seinen Zukunftsperspektiven ist von einer positiven Prognose auszugehen.

In Österreich leben keine Verwandten oder sonstige enge Bezugspersonen des Beschwerdeführers. Es besteht weder eine Lebensgemeinschaft des Beschwerdeführers in Österreich noch gibt es in Österreich geborene Kinder des Beschwerdeführers.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

Der Beschwerdeführer leidet an keiner lebensbedrohenden Krankheit und ist arbeitsfähig. Im März 2017 erfolgte beim Beschwerdeführer die chirurgische Sanierung seiner angeborenen Mittelohrfehlbildung. Hierbei wurde eine VSB Implantation auf der rechten Seite implantiert. Laut ärztlichem Bericht vom XXXX zeigt sich ein guter funktioneller Erfolg und ist zur weiteren Gewährleistung der Funktionalität des Implantates eine fortlaufende technische Betreuung notwendig. Derzeit finden alle sechs Monate Kontrolltermine statt. Abgesehen von ab und an auftretenden Kopfschmerzen ist der Beschwerdeführer beschwerdefrei. Gegenteilige Befunde wurden bislang nicht vorgelegt.

1.4 Zur Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers

Es werden folgende entscheidungsrelevante Feststellungen zum Herkunftsstaat des Beschwerdeführers getroffen:

1.4.1 Neueste Ereignisse

1.4.1.1 Kurzinformation vom 31.1.2019

Am Samstag dem 26.1.2019 endete die sechstägige Friedensgesprächsrunde in Doha, Katar, zwischen dem U.S.-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad und den Taliban-Vertretern (DP 28.1.2019; vgl. NYT 28.1.2019, CNN 27.1.2019, Tolonews 28.1.2019). Quellen zufolge wurde ein erster Vertragsentwurf ausgehandelt, wonach sich die Taliban dazu verpflichten würden, ausländische Terrororganisationen von Afghanistan fernzuhalten, und die USA würden im Gegenzug dazu ihren Truppenabzug aus Afghanistan innerhalb von 18 Monaten garantieren. Dieser sei jedoch an weitere Bedingungen gebunden, die noch genau besprochen werden müssen, wie die Ausrufung eines Waffenstillstands zwischen den Taliban und der afghanischen Regierung sowie die Forderung von direkten Gesprächen zwischen diesen beiden Akteuren (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019, FP 29.1.2019). Inoffiziellen Quellen zufolge wurde bei den Gesprächen u.a. die Schaffung einer Interimsregierung, in der auch die Taliban vertreten sein sollen, angedacht, was jedoch von Khalilzad dementiert wurde (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019). Die nächste Friedensgesprächsrunde wird voraussichtlich Ende Februar 2019 stattfinden (NYT 28.1.2019; vgl. FP 29.1.2019). Der afghanische Präsident Ashraf Ghani äußerte während einer Fernsehansprache am 28.1.2019 sein Unbehagen bzgl. eines voreiligen Abzugs der U.S.-Truppen aus Afghanistan und erinnerte an die dramatischen Auswirkungen des sowjetischen Abzuges Ende der 1980er Jahre, dem Anarchie und die Ermordung des ehemaligen Präsidenten Mohammad Najibullah folgten (NYT 28.1.2019). Ghani, der die Taliban mehrmals dazu aufgefordert hatte, direkt mit seiner Regierung zu verhandeln, zeigte sich des Weiteren über den Ausschluss der afghanischen Regierung aus den Friedensgesprächen besorgt (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019, IM 28.1.2019). Während sich einige Quellen hinsichtlich gründlicher Friedensgespräche und eines effizient ausgehandelten Abkommens optimistisch zeigen (Internazionale 30.1.2019; vgl. WP 30.1.2019) , fürchten andere, dass ein Abzug der amerikanischen Truppen den Zusammenbruch der afghanischen Regierung wegen der Taliban und vorhersehbarer Machtkämpfe zwischen den verschiedenen lokalen Akteuren zur Folge haben könnte (DP 28.1.2019; vgl. FP 29.1.2019).

1.4.1.2 Kurzinformation vom 22.1.2019

Bei einem Anschlag auf einen Stützpunkt des afghanischen Sicherheitsdienstes (NDS, National Directorate of Security) in der zentralen Provinz Wardak (auch Maidan Wardak) kamen am 21.1.2019 zwischen zwölf und 126 NDS-Mitarbeiter ums Leben (TG 21.1.2019; vgl. IM 22.1.2019). Quellen zufolge begann der Angriff am Montagmorgen, als ein Humvee-Fahrzeug der U.S.-amerikanischen Streitkräfte in den Militärstützpunkt gefahren und in die Luft gesprengt wurde. Daraufhin eröffneten Angreifer das Feuer und wurden in der Folge von den Sicherheitskräften getötet (TG 21.1.2019; vgl. NYT 21.1.2019). Die Taliban bekannten sich zum Anschlag, der, Quellen zufolge, einer der tödlichsten Angriffe auf den afghanischen Geheimdienst der letzten 17 Jahre war (NYT 21.1.2019; vgl. IM 22.1.2019). Am selben Tag verkündeten die Taliban die Wiederaufnahme der Friedensgespräche mit den U.S.-amerikanischen Vertretern in Doha, Katar (NYT 21.1.2019; vgl. IM 22.1.2019, Tolonews 21.1.2019).

Am Vortag, dem 20.1.2019, war der Konvoi des Provinzgouverneurs der Provinz Logar, Shahpoor Ahmadzai, auf dem Autobahnabschnitt zwischen Kabul und Logar durch eine Autobombe der Taliban angegriffen worden. Die Explosion verfehlte die hochrangigen Beamten, tötete jedoch acht afghanische Sicherheitskräfte und verletzte zehn weitere (AJ 20.1.2019; vgl. IM 22.1.2019).

Des Weiteren detonierte am 14.1.2019 vor dem gesicherten Green Village in Kabul, wo zahlreiche internationale Organisationen und NGOs angesiedelt sind, eine Autobombe (Reuters 15.1.2019). Quellen zufolge starben bei dem Anschlag fünf Menschen und über 100, darunter auch Zivilisten, wurden verletzt (TG 21.1.2019; vgl. Reuters 15.1.2019, RFE/RL 14.1.2019). Auch zu diesem Anschlag bekannten sich die Taliban (TN 15.1.2019; vgl. Reuters 15.1.2019).

1.4.1.3 Kurzinformation vom 8.1.2019

Anschlag auf Regierungsgebäude in Kabul

Am 24.12.2018 detonierte vor dem Ministerium für öffentliches Bauwesen im Osten Kabuls (PD 16) eine Autobombe; daraufhin stürmten Angreifer das nahe gelegene Gebäude des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Märtyrer und Behinderte und beschossen weitere Regierungseinrichtungen in der Umgebung (ORF 24.12.2018; vgl. ZO 24.12.2018, Tolonews 25.12.2018). Nach einem mehrstündigen Gefecht zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Angreifern konnten diese besiegt werden. Quellen zufolge kamen ca. 43 Menschen ums Leben (AJ 25.12.2018; vgl. Tolonews 25.12.2018, NYT 24.12.2018). Bisher bekannte sich keine Gruppierung zum Anschlag (Tolonews 25.12.2018; vgl. AJ 25.12.2018).

Problematische Stimmenauszählung nach Parlamentswahlen und Verschiebung der Präsidentschaftswahl

Am 6.12.2018 erklärte die afghanische Wahlbeschwerdekommission (IECC) alle in der Provinz Kabul abgegebenen Stimmen für ungültig (RFE/RL 6.12.2018). Somit wurden die Stimmen von ungefähr einer Million Kabulis annulliert (Telepolis 15.12.2018; vgl. TAZ 6.12.2018). Die Gründe für die Entscheidung der IECC seien mehrere, darunter Korruption, Wahlfälschung und die mangelhafte Durchführung der Wahl durch die Unabhängige Wahlkommission (IEC) (Telepolis 15.12.2018; vgl. RFE/RL 6.12.2018). Die Entscheidung wurde von der IEC als "politisch motiviert" und "illegal" bezeichnet (Tolonews 12.12.2018). Am 8.12.2018 erklärte die IECC dennoch, die Kommission würde ihre Entscheidung revidieren, wenn sich die IEC kooperationswillig zeige (Tolonews 8.12.2018). Einer Quelle zufolge einigten sich am 12.12.2018 die beiden Wahlkommissionen auf eine neue Methode zur Zählung der abgegebenen Stimmen, welche die Transparenz und Glaubhaftigkeit dieser wahren sollte; ca. 10% der Stimmen in Kabul sollen durch diese neue Methode nochmals gezählt werden (Tolonews 12.12.2018). Die Überprüfung der Wahlstimmen in der Provinz Kabul ist weiterhin im Gange (Tolonews 7.1.2019). Dem Gesetz zufolge müssen im Falle der Annullierung der Stimmen innerhalb von einer Woche Neuwahlen stattfinden, was jedoch unrealistisch zu sein scheint (Telepolis 15.12.2018). Bisher hat die IEC die vorläufigen Ergebnisse der Wahl für 32 Provinzen veröffentlicht (IEC o.D.).

Am 30.12.2018 wurde die Verschiebung der Präsidentschaftswahl vom 20.4.2019 auf den 20.7.2019 verkündet. Als Gründe dafür werden u.a. die zahlreichen Probleme während und nach den Parlamentswahlen im Oktober genannt (WP 30.12.2018; vgl. AJ 30.12.2018, Reuters 30.12.2018).

1.4.1.4 Kurzinformation vom 23.11.2018

Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 20.11.2018 ca. 55 Menschen ums Leben und ca. 94 weitere wurden verletzt (AJ 21.11.2018; vgl. NYT 20.11.2018, TS 21.11.2018, LE 21.11.2018). Der Anschlag fand in der Hochzeitshalle "Uranus" statt, wo sich Islamgelehrte aus ganz Afghanistan anlässlich des Nationalfeiertages zu Maulid an-Nabi, dem Geburtstag des Propheten Mohammed, versammelt hatten (AJ 21.11.2018; vgl. TS 21.11.2018, TNAE 21.11.2018, IFQ 20.11.2018, Tolonews 20.11.2018). Quellen zufolge befanden sich zum Zeitpunkt der Explosion zwischen 1.000 und 2.000 Personen, darunter hauptsächlich Islamgelehrte und Mitglieder des Ulemarates, aber auch Mitglieder der afghanischen Sufi-Gemeinschaft und andere Zivilisten, in der Hochzeitshalle (AJ 21.11.2018; vgl. LE 21.11.2018, NYT 20.11.2018, DZ 20.11.2018, IFQ 20.11.2018). Gemäß einer Quelle fand die Detonation im ersten Stock der Hochzeitshalle statt, wo sich zahlreiche Geistliche der afghanischen Sufi-Gemeinschaft versammelt hatten. Es ist nicht klar, ob das Ziel des Anschlags das Treffen der sufistischen Gemeinschaft oder das im Erdgeschoss stattfindende Treffen der Ulema und anderer Islamgelehrten war (LE 21.11.2018; vgl. TNAE 21.11.2018). Weder die Taliban noch der Islamische Staat (IS) bekannten sich zum Angriff, der dennoch von den Taliban offiziell verurteilt wurde (LE 21.11.2018; vgl. AJ 21.11.2018, IFQ 20.11.2018).

Am 12.11.2018 kamen bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt ca. sechs Personen ums Leben und 20 weitere wurden verletzt (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, ANSA 12.11.2018). Anlass dafür war eine Demonstration in der Nähe des "Pashtunistan Square" im Stadtzentrum, an der hunderte von Besuchern, darunter hauptsächlich Mitglieder und Unterstützer der Hazara-Gemeinschaft, teilnahmen, um gegen die während des Berichtszeitraums anhaltenden Kämpfe in den Provinzen Ghazni und Uruzgan zu demonstrieren (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, KP 12.11.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (DZ 12.11.2018; vgl. AJ 12.11.2018).

Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 31.10.2018 ca. sieben Personen ums Leben und weitere acht wurden verletzt (Dawn 1.11.20181; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Unter den Opfern befanden sich auch Zivilisten (Pajhwok 31.10.2018; vgl. 1TV 31.10.2018). Die Explosion fand in der Nähe des Kabuler Gefängnisses Pul-i-Charkhi statt und hatte dessen Mitarbeiter zum Ziel (Dawn 1.11.2018; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (Dawn 1.11.2018, vgl. 1TV 31.10.2018).

1.4.1.5 Kurzinformation vom 29.10.2018

Am 20. und am 21.10.2018 fand in Afghanistan die Wahl für das Unterhaus (Wolesi Jirga, Anm.) in 32 der 34 Provinzen statt (AAN 21.10.2018b; vgl. LS 21.10.2018). In der Provinz Ghazni wurde die Parlamentswahl verschoben, voraussichtlich auf den 20.4.2019, wenn u. a. auch die Präsidentschafts- und Distriktwahlen stattfinden sollen (siehe hierzu KI der Staatendokumentation vom 19.10.2018). In der Provinz Kandahar fand die Wahl am 27.10.2018 mit Ausnahme der Distrikte Nesh und Maruf statt (AAN 26.10.2018; vgl. CNN 27.10.2018). Grund für die Verzögerung war die Ermordung u.a. des lokalen Polizeichefs General Abdul Raziq am 18.10.2018 (AJ 19.10.2018; vgl. LS 21.10.2018). Während der Wahl in der Provinz Kandahar wurden keine sicherheitsrelevanten Vorfälle gemeldet (CNN 27.10.2018). Die Wahl, die für den 20.10.2018 geplant war, wurde um einen Tag verlängert, weil die Wähler aus sicherheits- und technischen Gründen in zahlreichen Provinzen nicht wählen konnten:

Lange Wartezeiten vor den Wahllokalen sowie verspätete Öffnungszeiten, Mangel an Wahlunterlagen, Probleme bei der biometrischen Verifizierung der Wähler, sicherheitsrelevante Vorfälle usw. waren die Hauptprobleme während der beiden Wahltage (AAN 20.10.2018; vgl. AAN 21.10.2018a). Von den ca. neun Millionen Afghanen und Afghaninnen, die sich für die Wahl registriert hatten, wählten laut Schätzungen der Independent Election Commission (IEC) zwischen drei und vier Millionen (CNN 27.10.2018; vgl. RN 21.10.2018, AAN 21.10.2018b). In den Städten und Gebieten, die als sicherer gelten, war der Wahlandrang höher als in den ländlichen Gegenden, in denen die Taliban Einfluss ausüben (AAN 20.10.2018; vgl. RN 21.10.2018, AAN 21.10.2018a).

Während der beiden Wahltage fanden Quellen zufolge landesweit ca. 200 sicherheitsrelevante Vorfälle statt und ca. 170 Zivilisten kamen während des ersten Wahltages ums Leben bzw. wurden verwundet: In Kabul wurden 15 Tote, in Baghlan 12, in Nangarhar 11 und in Kunduz 3 Tote verzeichnet. Auch Mitglieder der afghanischen Sicherheitskräfte befanden sich unter den Opfern (vgl. AAN 21.10.2018a, RN 21.10.2018, AFP 20.10.2018).

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte zwischen 1.1.2018 und 30.9.2018 im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen insgesamt 366 zivile Opfer (126 Tote und 240 Verletzte) (UNAMA 10.10.2018).

Zivile Opfer

Insgesamt wurden im selben Berichtszeitraum 8.050 zivile Opfer (2.798 Tote und 5.252 Verletzte) verzeichnet. Die meisten zivilen Opfer wurden durch Selbstmord- und Nicht-Selbstmord-IED [Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen, Anm.] regierungsfeindlicher Gruppierungen verursacht. Zusammenstöße am Boden, gezielte Tötungen, Luftangriffe und explosive Kampfmittelrückstände waren weitere Ursachen für zivile Opfer (UNAMA 10.10.2018).

Zivilisten in den Provinzen Nangarhar, Kabul, Helmand, Ghazni und Faryab waren am stärksten betroffen. In Nangarhar wurde bis 30.9.2018 die höchste Zahl an zivilen Opfern (1.494) registriert:

davon 554 Tote und 940 Verletzte (UNAMA 10.10.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen verursachten 65% der zivilen Opfer (5.243): davon 1.743 Tote und 3.500 Verletze. 35% der Opfer wurden den Taliban, 25% dem Islamic State Khorasan Province (ISKP) und 5% unidentifizierten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben (darunter 1% selbsternannten Mitgliedern des ISKP) (UNAMA 10.10.2018).

Regierungsfreundliche Gruppierungen waren für 1.753 (761 Tote und 992 Verletzte) zivile Opfer verantwortlich: 16% wurden durch die afghanischen, 5% durch die internationalen Sicherheitskräfte und 1% durch regierungsfreundliche bewaffnete Gruppierungen verursacht (UNAMA 10.10.2018).

1.4.1.6 Kurzinformation vom 19.10.2018

Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil (UNGASC 10.9.2018). Am 19.8.2018 kündigte der afghanische Präsident Ashraf Ghani einen dreimonatigen Waffenstillstand mit den Taliban vom 20.8.2018 bis 19.11.2018 an, der von diesen jedoch nicht angenommen wurde (UNGASC 10.9.2018; vgl. Tolonews 19.8.2018, TG 19.8.2018, AJ 19.8.2018). Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum (15.5.2018 - 15.8.2018) 5.800 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 10% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 14% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (61%) aus. Selbstmordanschläge nahmen um 38% zu, Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Kräfte stiegen um 46%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten, wo insgesamt 67% der Vorfälle stattfanden. Es gibt weiterhin Bedenken bezüglich sich verschlechternder Sicherheitsbedingungen im Norden des Landes:

Eine große Zahl von Kampfhandlungen am Boden wurde in den Provinzen Balkh, Faryab und Jawzjan registriert, und Vorfälle entlang der Ring Road beeinträchtigten die Bewegungsfreiheit zwischen den Hauptstädten der drei Provinzen (UNGASC 10.9.2018).

Zum ersten Mal seit 2016 wurden wieder Provinzhauptstädte von den Taliban angegriffen: Farah- Stadt im Mai, Ghazni-Stadt im August und Sar-e Pul im September (UNGASC 10.9.2018; vgl. Kapitel 1., KI 11.9.2018, SIGAR 30.7.2018, UNGASC 6.6.2018). Bei den Angriffen kam es zu heftigen Kämpfen, aber die afghanischen Sicherheitskräfte konnten u.a. durch Unterstützung der internationalen Kräfte die Oberhand gewinnen (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018, GT 12.9.2018). Auch verübten die Taliban Angriffe in den Provinzen Baghlan, Logar und Zabul (UNGASC 10.9.2018). Im Laufe verschiedener Kampfoperationen wurden sowohl Taliban- als auch ISKP-Kämpfer (ISKP, Islamic State Khorasan Province, Anm.) getötet (SIGAR 30.7.2018).

Sowohl die Aufständischen als auch die afghanischen Sicherheitskräfte verzeichneten hohe Verluste, wobei die Zahl der Opfer auf Seite der ANDSF im August und September 2018 deutlich gestiegen ist (Tolonews 23.9.2018; vgl. NYT 21.9.2018, ANSA 13.8.2018, CBS 14.8.2018). Trotzdem gab es bei der Kontrolle des Territoriums durch Regierung oder Taliban keine signifikante Veränderung (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018). Die Regierung kontrollierte - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 15.5.2018 56,3% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 (57%) bedeutet. 30% der Distrikte waren umkämpft und 14% befanden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 67% der Bevölkerung lebten in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befanden, 12% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 23% lebten in umkämpften Gebieten (SIGAR 30.7.2018).

Der Islamische Staat - Provinz Khorasan (ISKP) ist weiterhin in den Provinzen Nangarhar, Kunar und Jawzjan aktiv (USGASC 6.6.2018; vgl. UNGASC 10.9.2018). Auch war die terroristische Gruppierung im August und im September für öffentlichkeitswirksame Angriffe auf die schiitische Glaubensgemeinschaft in Kabul und Paktia verantwortlich (UNGASC 10.9.2018; vgl. KI vom 11.9.2018, KI vom 22.8.2018). Anfang August besiegten die Taliban den in den Distrikten Qush Tepa und Darzab (Provinz Jawzjan) aktiven "selbsternannten" ISKP (dessen Verbindung mit dem ISKP in Nangarhar nicht bewiesen sein soll) und wurden zur dominanten Macht in diesen beiden Distrikten (AAN 4.8.2018; vgl. UNGASC 10.9.2018).

Global Incident Map zufolge wurden im Berichtszeitraum (1.5.2018 - 30.9.2018) 1.969 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

Zivile Opfer

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 30.6.2018) 5.122 zivile Opfer (1.692 Tote und 3.430 Verletzte), ein Rückgang von 3% gegenüber dem Vorjahreswert. 45% der zivilen Opfer wurden durch IED [Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen, aber auch Selbstmordanschläge, Anm.] regierungsfeindlicher Gruppierungen verursacht. Zusammenstöße am Boden, gezielte Tötungen, Luftangriffe und explosive Kampfmittelrückstände waren weitere Ursachen für zivile Opfer. Zivilisten in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Faryab, Helmand und Kandahar waren am stärksten betroffen. Wobei die Zahl der durch Zusammenstöße am Boden verursachten zivilen Opfer um 18% und die Zahl der gezielten Tötungen deutlich zurückging. Jedoch ist die Opferzahl bei komplexen und Selbstmordangriffen durch regierungsfeindliche Gruppierungen gestiegen (um 22% verglichen mit 2017), wobei 52% der Opfer dem ISKP, 40% den Taliban und der Rest anderen regierungsfeindlichen Gruppierungen zuzuschreiben ist (UNAMA 15.7.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen waren im UNAMA-Berichtszeitraum (1.1.2018 - 30.6.2018) für 3.413 (1.127 Tote und 2.286 Verletzte) zivile Opfer verantwortlich (67%): 42% der Opfer wurden den Taliban, 18% dem IS und 7% undefinierten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben. Im Vergleich mit dem ersten Halbjahr 2017 stieg die Anzahl ziviler Opfer von gezielten Angriffen auf Zivilisten um 28%, was hauptsächlich auf Angriffe auf die öffentliche Verwaltung und Vorfälle mit Bezug auf die Wahlen zurückzuführen ist (UNAMA 15.7.2018).

Ungefähr 1.047 (20%) der verzeichneten zivilen Opfer wurden regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben: 17% wurden von den afghanischen Sicherheitskräften, 2% durch die internationalen Streitkräfte und 1% von regierungsfreundlichen bewaffneten Gruppierungen verursacht. Gegenüber 2017 sank die den regierungstreuen Gruppen zugerechnete Zahl ziviler Opfer von Zusammenstößen am Boden um 21%. Gleichzeitig kam es jedoch zu einem Anstieg der Opfer von Luftangriffen um 52% (Kunduz, Kapisa und Maidan Wardak) (UNAMA 15.7.2018; vgl. UNAMA 25.9.2018a, UNAMA 25.9.2018b).

Auch wurden von UNAMA zivile Opfer durch Fahndungsaktionen, hauptsächlich durch die Spezialkräfte des National Directorate of Security (NDS) und regierungsfreundliche bewaffnete Gruppierungen wie die Khost Protection Force (KPF) verzeichnet (UNAMA 15.7.2018).

Dennoch unternahm die afghanische Regierung weiterhin Anstrengungen zur Reduzierung der Zahl ziviler Opfer, was hauptsächlich während Bodenoperationen einen diesbezüglichen Rückgang zur Folge hatte. Die Regierung verfolgt eine "nationale Politik für zivile Schadensminimierung und - prävention" und das Protokoll V der "Konvention über bestimmte konventionelle Waffen in Bezug auf explosive Kriegsmunitionsrückstände", welche am 9.2.2018 in Kraft getreten ist. Bei Bodenoperationen regierungsfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich Taliban) wurde ein Rückgang der zivilen Opfer um 23% im Vergleich zu 2017 verzeichnet. So sank etwa die Zahl der zivilen Opfer der hau

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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