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L37293 Wasserabgabe Niederösterreich;Norm
B-VG Art7 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde der NÖ Verwaltungszentrum-Verwertungsgesellschaft m.b.H. in St. Pölten, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in P, gegen den Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt St. Pölten vom 30. Juni 1998, Zl. 00/37/9-1998/Mag. De./cp, betreffend Ergänzungsabgabe zur Wasseranschlußabgabe, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Stadt St. Pölten hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 19. Februar 1998 setzte der Bürgermeister der Landeshauptstadt St. Pölten der Beschwerdeführerin für ihre an das städtische Wasserleitungsnetz angeschlossene Liegenschaft in St. Pölten auf Grund des § 7 NÖ Gemeindewasserleitungsgesetz 1978 (GWLG) und in Anwendung der §§ 1 und 2 der Wasserabgabenordnung für die Stadt St. Pölten, ausgehend von einer verbauten Fläche von
70.212 m2 und einer unverbauten Fläche von 500 m2 als Bemessungsgrundlage eine Ergänzungsabgabe zur Wasseranschlußabgabe (inklusive 10 v.H. Umsatzsteuer) in der Höhe von S 7,146.958,10 fest.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, die bei der Berechnung der Ergänzungsabgabe herangezogene verbaute Fläche von 70.212 m2 sei die Fläche der unterhalb des Geländes liegenden ein- und zweigeschoßigen Tiefgarage. Die gesamte, mit den über das Erdgeschoß hinausragenden Häusern bebaute Fläche betrage nur 33.832 m2, die der Abgabenbemessung zugrundezulegen sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Dies mit der Begründung, die Tiefgarage sei die unterste Ebene der darauf errichteten Gebäudeteile und kein eigenes Gebäude. Die äußerste Begrenzung des gesamten Gebäudes bilde die Berechnungsfläche.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Vorschreibung einer S 3,430.086,26 nicht übersteigenden Ergänzungsabgabe (inklusive Umsatzsteuer) verletzt.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die §§ 6 und 7 NÖ Gemeindewasserleitungsgesetz 1978 (GWLG), LGBl. 6930-0 lauten auszugsweise:
"§ 6
Wasseranschlußabgabe
(1) Die Wasseranschlußabgabe ist für den Anschluß an die Gemeindewasserleitung zu entrichten.
(2) Die Höhe der Wasseranschlußabgabe ist derart zu berechnen, daß die Berechnungsfläche (Abs. 3 und 4) für das angeschlossene Grundstück mit dem Einheitssatz (Abs. 5) vervielfacht wird.
(3) Die Berechnungsfläche jeder angeschlossenen Liegenschaft ist so zu ermitteln, daß die Hälfte der bebauten Fläche
a) bei Wohngebäuden mit der um eins erhöhten Anzahl der mit Wasser zu versorgenden Geschosse vervielfacht,
b) in allen anderen Fällen verdoppelt
und das Produkt um 15 vom Hundert der unbebauten Fläche vermehrt wird.
(4) Bei Ermittlung der Berechnungsfläche gelten folgende Grundsätze:
1. Bebaute Fläche ist jeder Teil einer Liegenschaft, der von den äußersten Begrenzungen des Grundrisses einer über das Gelände hinausragenden Baulichkeit verdeckt wird;"
...
§ 7
Ergänzungsangabe
Ändert sich die der Berechnung der Wasseranschlußabgabe zugrunde gelegte Berechnungsfläche für die angeschlossene Liegenschaft, so ist die Wasseranschlußabgabe neu zu berechnen. Ist die neue Wasseranschlußabgabe um mindestens 10 vom Hundert, mindestens jedoch um S 100,-- höher als die bereits entrichtete, so ist vom Grundstückseigentümer eine Ergänzungsabgabe in der Höhe des Differenzbetrages zu entrichten."
Die §§ 2 und 3 der Wasserabgabenordnung der Landeshauptstadt
St. Pölten lauten:
"§ 2
Wasseranschlußabgabe
(1) Der Einheitssatz für die Berechnung der Wasseranschlußabgaben wird gemäß § 6 Abs. 5 des Nö. Gemeindewasserleitungsgesetzes 1978 mit 3 von Hundert der durchschnittlichen Baukosten für einen Längenmeter des Rohrnetzes, d. i. mit S 92,88 festgesetzt.
(2) Gemäß § 6 Abs. 5 des Nö. Gemeindewasserleitungsgesetzes wird für die Ermittlung des Einheitssatzes eine Baukostensumme von S 896.072,449,-- und eine Gesamtlänge des Rohrnetzes von 289.433 m zugrundegelegt; die Baukosten für 1 Längenmeter betragen daher S 3.095,96.
§ 3
Ergänzungsabgabe
Bei Änderung der Berechnungsfläche für eine abgeschlossene Liegenschaft wird eine Ergänzungsabgabe, auf Grund der Bestimmungen des § 7 des Nö. Gemeindewasserleitungsgesetzes 1978, berechnet."
Im Beschwerdefall ist die Berechnungsfläche für die Wasseranschlußabgabe strittig. Die belangte Behörde und die Beschwerdeführerin legen nämlich den im § 6 Abs. 4 Z. 1 GWLG umschriebenen Begriff "bebaute Fläche" unterschiedlich aus. Die belangte Behörde vertritt die Ansicht, bei einer über das Gelände hinausragenden Baulichkeit sei der Grundriß der über und unter der Erdoberfläche liegenden gesamten Baulichkeit maßgebend. Nach Meinung der Beschwerdeführerin ist nur die über das Gelände hinausragende Baulichkeit für das Ausmaß der bebauten Fläche entscheidend.
Nach der für die Vorschreibung der Ergänzungsabgabe allein maßgebenden Bestimmung des § 6 Abs. 4 Z. 1 GWLG ist die bebaute Fläche jeder Teil einer Liegenschaft, der von den äußersten Begrenzungen des Grundrisses einer über das Gelände hinausragenden Baulichkeit verdeckt wird.
Der Grundriß ist die senkrechte Projektion eines Gegenstandes auf eine waagrechte Ebene, somit dessen Ansicht von oben.
Bei der "bebauten Fläche" des § 6 Abs. 4 Z. 1 GWLG handelt es sich um den Teil der Liegenschaft, der von der Baulichkeit verdeckt wird. Beim Verdecken wird die Sicht auf etwas zunächst Sichtbares
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mit den Augen Wahrnehmbares - durch etwas anderes verhindert. Verdeckt kann demnach nur der vorher - vor der Errichtung der Baulichkeit - sichtbare Bereich der Liegenschaft durch die nachher
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nach Errichtung der Baulichkeit - sichtbare Baulichkeit werden. Ein unter dem Gebäude befindlicher, nicht sichtbarer Teil einer Baulichkeit "verdeckt" - von oben betrachtet - eine Liegenschaft nicht, sondern liegt in ihr. Schon aus dieser Wortauslegung folgt, daß bei der Ermittlung der bebauten Fläche nicht die Grundrisse aller sowohl unter als auch über dem Gelände liegenden Geschosse der Baulichkeit übereinanderzulegen sind und davon die äußerste Begrenzung des Grundrisses als Bemessungsgrundlage anzusetzen ist. Die bebaute Fläche ist die äußerste Begrenzung des Grundrisses nur des über das Gelände hinausreichenden und nicht auch des unter dem Gelände befindlichen Teils einer Baulichkeit.
Bei senkrecht vom Boden aufragendem Mauerwerk wird die bebaute Fläche und die größte Geschoßfläche gleich groß sein; die bebaute Fläche ist jedoch dann größer, wenn die einzelnen Geschosse nicht deckungsgleich übereinanderliegen, sondern über andere Geschosse hinausragen. Die bebaute Fläche und der Grundriß des Erdgeschosses können, müssen daher auch nicht gleich groß sein. Die Heranziehung der nur über dem Gelände liegenden und nicht der darunterliegenden Baulichkeit für die Bemessung der Wasseranschlußabgabe ist sachlich zu rechtfertigen, weil bei typisierender Betrachtung die über dem, nicht aber die unter dem Gelände liegenden Geschosse im Hinblick auf der Art der Verwendung und Widmung das Ausmaß des Wassergebrauchs indizieren.
Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß die Umschreibungen "bebaute Fläche" im GWLG und im § 2 Z. 9 NÖ Bauordnung 1976 (NÖ BO), LGBl. 8200-0, sowie in der ÖNorm B 1800, Pkt. 3.1, sich zwar nicht vollständig im Wortlaut gleichen, jedoch hinsichtlich der unter dem Gelände ausgebauten Tiefgaragen zum gleichen Ergebnis kommen (vgl. Hauer-Zaussinger, NÖ Bauordnung4, 65).
Aus diesen Erwägungen ergibt sich somit die inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides, der daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Im Hinblick auf die Entscheidung in der Hauptsache erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 16. November 1998
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1998170221.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
03.07.2018