TE Vwgh Beschluss 2019/6/26 Ra 2019/21/0144

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Veröffentlicht am 26.06.2019
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

BFA-VG 2014 §9
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2019/21/0145

Betreff

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Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Galesic, über die Revision 1. der M L, und 2. der L L, beide in S und beide vertreten durch Dr. Peter Lechenauer und Dr. Margrit Swozil, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Hubert-Sattler-Gasse 10, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27. März 2019, G307 2203719-1/4E und G307 2203721-1/10E, betreffend Abweisung von Anträgen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 sowie Erlassung von Rückkehrentscheidungen samt Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung und Festsetzung einer Frist für die freiwillige Ausreise (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die Erstrevisionswerberin ist die Mutter der Zweitrevisionswerberin, beide sind serbische Staatsangehörige. 2 Die Erstrevisionswerberin reiste im Oktober 2012 nach Österreich ein, wo sie sich seitdem ununterbrochen aufhält. Für den Zeitraum Februar 2013 bis Februar 2018 verfügte sie über Aufenthaltsbewilligungen als Studentin, nach Ablauf der Gültigkeit des letzten Aufenthaltstitels stellte sie für sich und die im Dezember 2017 in Österreich geborene Zweitrevisionswerberin die gegenständlichen Anträge auf Erteilung von Aufenthaltstiteln nach § 55 AsylG 2005.

3 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies diese Anträge mit Bescheiden vom 25. Juni 2018 ab, erließ Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 3 FPG, stellte fest, dass die Abschiebung der Revisionswerberinnen nach Serbien zulässig sei und gewährte eine Frist zur freiwilligen Ausreise im Ausmaß von 14 Tagen.

4 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die gegen diese Bescheide erhobene Beschwerde als unbegründet ab. Es stellte ergänzend zu dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt fest, dass der Vater der Zweitrevisionswerberin nicht näher bekannt sei; die Erstrevisionswerberin habe ihn bei einer Geburtstagsfeier im März 2017 "kennengelernt", sie wisse dessen Namen und Anschrift aber nicht.

5 Die Erstrevisionswerberin habe in Serbien - so das BVwG weiter - die Reifeprüfung absolviert und zwei Semester Architektur studiert; sie habe bei ihren Eltern gewohnt, die jedoch den Kontakt abgebrochen hätten, nachdem sie von der Geburt der Zweitrevisionswerberin erfahren hätten.

6 Die Erstrevisionswerberin sei an der Technischen Universität Wien zum Bachelorstudium der Architektur zugelassen worden. Sie habe am 17. Februar 2014 die Ergänzungsprüfung aus Deutsch absolviert, ab 18. März 2014 jedoch keine positiven Prüfungen mehr abgelegt; einen im Sommersemester 2017 begonnenen Lehrgang auf einer Fachhochschule habe sie ohne Erfolg abgebrochen.

7 Zwischen Dezember 2012 und Dezember 2015 sei die Erstrevisionswerberin viermal beschäftigt gewesen; seit 1. Oktober 2016 sei sie selbstversichert. Aktuell verfüge sie über eine Einstellungszusage sowie über einen "arbeitsrechtlichen Vorvertrag". Zur Zeit nähmen die Revisionswerberinnen bei einem befreundeten Ehepaar kostenlos Unterkunft. Außerdem erhielten sie von verschiedenen Verwandten (Onkel, Tante, Großonkel und Cousin der Erstrevisionswerberin) finanzielle Unterstützung, diese Personen sowie verschiedene Freunde der Erstrevisionswerberin befürworteten auch deren Verbleib in Österreich.

8 Rechtlich folgerte das BVwG aus alldem zusammenfassend, dass sich insgesamt "keine außergewöhnlichen Integrationsschritte" ergäben und somit bei "einer Abwägung aller Faktoren" dem privaten Interesse an der Fortführung des Privatlebens der Revisionswerberinnen in Österreich gegenüber dem öffentlichen Interesse an ihrer Aufenthaltsbeendigung der Nachrang einzuräumen sei. Weil bei dieser Beurteilung keine Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung zu klären seien, sprach das BVwG gemäß § 25a Abs. 1 VwGG noch aus, dass eine Revision gegen sein Erkenntnis gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. 9 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

11 In dieser Hinsicht wenden sich die Revisionswerberinnen der Sache nach gegen die vom BVwG vorgenommene Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG. Im Einzelnen wird auf die im Bundesgebiet befindlichen Angehörigen verwiesen, zu denen eine innige Beziehung bestehe und die die Revisionswerberinnen finanziell unterstützten. Im Hinblick darauf und den bestehenden "arbeitsrechtlichen Vorvertrag" könne von einem "gesicherten Unterhalt" ausgegangen werden. Außerdem sei die Zweitrevisionswerberin in Österreich geboren, befinde sich die Erstrevisionswerberin seit "knapp sieben Jahren" in Österreich, spreche Deutsch auf Niveau B2 und habe einen großen Freundeskreis; der Grund für ihren Studienabbruch seien persönliche Probleme (hoher Erwartungsdruck der Eltern) gewesen.

12 Dem ist zu entgegnen, dass das BVwG die vorgebrachten Gesichtspunkte - nach Durchführung einer Beschwerdeverhandlung, in der die Erstrevisionswerberin und sieben von ihr namhaft gemachte Zeugen (Angehörige und Freunde) vernommen worden waren - ohnehin im Wesentlichen zu Grunde gelegt hat. Wenn es im Rahmen einer darauf aufbauenden Beurteilung gesamtbetrachtend zu dem Ergebnis gelangte, die privaten Interessen der Revisionswerberinnen würden das aus der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens erfließende öffentliche Interesse an ihrer Aufenthaltsbeendigung nicht überwiegen, so erweist sich das aber jedenfalls als vertretbar und damit als nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG (ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes seit VwGH 25.4.2014, Ro 2014/21/0033; vgl. aus jüngerer Zeit etwa VwGH 13.11.2018, Ra 2018/21/0205 bis 0210, Rn. 7).

13 Dabei kann es dahin stehen, ob der Aufenthalt der Revisionswerberinnen in Österreich - wie in der Revision geltend gemacht - angesichts der Unterstützungsleistungen durch Angehörige und angesichts des bestehenden arbeitsrechtlichen Vorvertrages "finanziell gesichert" sei. Denn jedenfalls steht fest, dass die Erstrevisionswerberin nicht nachhaltig auf dem inländischen Arbeitsmarkt integriert ist. Bezüglich der Unterstützungsleistungen durch Angehörige führte das BVwG aber zutreffend aus, dass die Erbringung finanzieller Zuwendungen nicht auf Dauer gewährleistet sei. In Bezug auf diese Unterstützungsleistungen ist im Übrigen der Vollständigkeit halber anzumerken, dass sie auch ins Ausland (nach Serbien) geleistet werden können. Ein persönliches Abhängigkeitsverhältnis in Bezug auf die in Österreich lebenden Angehörigen (die in der Revision als Bruder der Erstrevisionswerberin geführte Person ist im Übrigen nach deren eigenen Angaben in der Beschwerdeverhandlung ihr Cousin) ist nicht zu Tage getreten.

14 Nach dem Gesagten vermag die Revision keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufzuzeigen. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unzulässig zurückzuweisen.

Wien, am 26. Juni 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019210144.L00

Im RIS seit

04.09.2019

Zuletzt aktualisiert am

04.09.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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