TE Vwgh Beschluss 2019/8/5 Ra 2018/20/0513

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.08.2019
beobachten
merken

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §8
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler, die Hofrätin Dr. Leonhartsberger und den Hofrat Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, in der Rechtssache der Revision des K J N, vertreten durch Mag. Caroline Gewolf-Vukovich, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Graben 12, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. September 2018, Zl. W105 2185475- 1/11E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 30. Juli 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. 2 Diesen begründete der Revisionswerber zusammengefasst damit, dass die afghanische Armee in das Dorf des Revisionswerbers gekommen sei und seine Mutter diese auf deren Geheiß verköstigt habe. Seine kleine Schwester habe daraufhin anderen Kindern im Dorf irrtümlicherweise erzählt, seine Mutter habe für Amerikaner gekocht, weshalb die Familie mit den Taliban Probleme bekommen habe. Diese hätten seinen älteren Bruder erschossen und seiner Familie einen Drohbrief geschickt.

3 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies den Antrag des Revisionswerbers mit Bescheid vom 3. Jänner 2018 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Afghanistan zulässig sei. Überdies wurde dem Revisionswerber eine Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise gewährt.

4 Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) wies die dagegen erhobene Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

5 Begründend führte das BVwG aus, es könne nicht festgestellt werden, dass der Revisionswerber seinen Herkunftsstaat aus wohlbegründeter Furcht vor den Taliban oder einer anderen konkreten individuellen Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verlassen habe oder nach einer allfälligen Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Übergriffe zu befürchten hätte. Der Revisionswerber habe mit seinem Vorbringen keine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention glaubhaft gemacht. Selbst unter Annahme einer weiteren Verfolgung durch Privatpersonen stünde dem Revisionswerber eine innerstaatliche Fluchtalternative in den Städten Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat offen.

6 Auch im Hinblick auf die beantragte Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten verwies das BVwG den aus der Provinz Kapisa stammenden Revisionswerber auf eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul, Herat bzw. Mazar-e Sharif (Provinz Balkh). Die aktuelle Sicherheitslage in Afghanistan sei weiterhin volatil, jedoch nicht so gelagert, dass die Ausweisung dorthin automatisch gegen Art. 3 EMRK verstoßen würde. Nach den vorliegenden Länderberichten sei die allgemeine Lage in Kabul als relativ sicher und stabil zu bezeichnen. Ebenso seien die Provinzen Herat und Balkh sicher und eine innerstaatliche Fluchtalternative vor dem Hintergrund der individuellen Situation des Revisionswerbers zumutbar. Beim Revisionswerber handle es sich um einen arbeitsfähigen jungen Mann, bei dem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden könne. Er verfüge über Berufserfahrung als Bauhilfsarbeiter. Zudem gehöre der Revisionswerber keinem Personenkreis an, von dem anzunehmen sei, dass er sich in Bezug auf die individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstelle als die übrige Bevölkerung, die ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen könne.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 10 Die Revision bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit zusammengefasst vor, das BVwG habe der Glaubwürdigkeitsprüfung ausschließlich die Aussage des Revisionswerbers zugrunde gelegt, ohne den realen Hintergrund der Situation im Herkunftsstaat des Revisionswerbers zu der von diesem vorgetragenen Fluchtgeschichte in die Überlegungen mit einzubeziehen und die Glaubwürdigkeit der Behauptung auch im Vergleich zu dieser Berichtslage zu messen. Das BVwG hätte konkret feststellen müssen, dass aufgrund der bestehenden Macht- und Informationsstrukturen der Taliban in der Heimatprovinz des Revisionswerbers und der gesellschaftspolitischen und religiösen Ausrichtung der Taliban das geschilderte Vorkommnis und somit der vom Revisionswerber geschilderte Fluchtgrund (vermeintliche Verköstigung ausländischer Streitkräfte) als maßgebend wahrscheinlich für das geschilderte Bedrohungsszenario seiner Person und das Vergeltungsszenario am Bruder des Revisionswerbers infrage kommen würde.

11 Vor dem Hintergrund des Umfangs der Prüfbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes in Bezug auf die Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit einer im Einzelfall erfolgten Beweiswürdigung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer grob fehlerhaften, unvertretbaren Weise vorgenommen hat, sodass dadurch die Rechtssicherheit beeinträchtigt ist (vgl. VwGH 23.1.2019, Ra 2018/19/0409, mwN).

12 Dass die Beweiswürdigung des BVwG fallbezogen derart fehlerhaft wäre, wird in der Revision nicht dargetan. Das Vorbringen des Revisionswerbers wurde wegen näher dargestellter Widersprüche nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als nicht glaubwürdig erachtet. Daran kann der Verweis auf die Gefahr durch die Taliban aufgrund bestehender Macht- und Informationsstrukturen in der Heimatprovinz des Revisionswerbers nichts ändern, zumal das BVwG die grundsätzliche Möglichkeit solcher Ereignisse keineswegs ausschließt.

13 Betreffend die vom BVwG angenommene Möglichkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Kabul, Herat bzw. Mazare Sharif legt der Revisionswerber zudem keinen Begründungsmangel dar. Das BVwG hat dem Fluchtvorbringen die Glaubwürdigkeit versagt und den Revisionswerber alternativ auf die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative verwiesen. Dies stellt eine tragfähige Alternativbegründung dar, welcher die Revision auch nicht substantiiert entgegen tritt (vgl. zur Unzulässigkeit einer Revision bei einer tragfähigen Alternativbegründung VwGH 6.11.2018, Ra 2018/18/0536, mwN).

14 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen. Wien, am 5. August 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018200513.L00

Im RIS seit

06.09.2019

Zuletzt aktualisiert am

06.09.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten